Die Engländer haben ein unnachahmliches Talent, sich unmöglich anzuziehen. Von nahezu übertriebener Eleganz und dekadenter Hingabe bis hin zu getragenen Lächerlichkeiten unter völliger Ignoranz von Umwelteinflüssen und dem eigenen Spiegelbild. Eine Doku-Reihe auf ARTE widmet sich dem „British Style“ und schmückt diese Irrfahrt durch die Stile mit Archivbildern sämtlicher Jahrzehnte und einem ironisch überzogenen Text, der unterschwellig mehr Wahrheiten enthält, als dem gemeinen Engländer vielleicht lieb sein könnte. „Wie nennt man einen Engländer, der sich nicht völlig verrückt kleidet?“ – „Einen toten Engländer!“
Hauptstadt der Unmöglichkeiten ist definitiv London. Hier wird solange gemischt, geschneidert und entworfen, bis ein neuer Style entstanden ist, der von Modelabeln aufgegriffen dann auch das Festland und die restliche Welt beeinflusst. Das, was zu gewagt oder für den Sachverstand zu schrecklich aussieht, bleibt dann erstmal den jungen Leuten vorbehalten, die das Ganze dann mit einer englischen Unbeirrbarkeit in eine Subkultur verwandeln. Das diese dann später von den Modelabels doch noch aufgegriffen werden liegt einfach daran, das sie in aller Munde sind und damit interessant werden. Ich bin tatsächlich der Ansicht, das die meisten Subkulturen unserer Zeit ihren modischen Ursprung in England genommen haben. Die Punks, die Skins oder auch die Raver aus Manchester sind englische Ergebnisse von Rebellion und Geschmacklosigkeit, während die Goths, die Mods oder die New Romantics exzentrische Auswüchse des Wunsches sind, sich von der Masse als etwas Besonderes abzuheben.
Die Friseure, die schon fürchteten, das die Skinhead-Bewegung ihre Zunft in den Ruin treiben würde, sich die Punk-Bewegung einverleibt und sie verschlimmbessert. […] Die Straßen von London gleichen einem Haar-Massaker: Die New Romantics. Eine ganze Generation, die der Farbe, den Strähnchen und dem Haarlack anheim gefallen ist.
Und so macht die kleine, 9-minütige Dokumentation wieder eines klar: Die modische Welt ist ein Wiedergänger, wird selten neu erfunden, sondern lediglich neu zusammengestellt. Jede jugendliche Rebellion scheint gleich zu bleiben, nur die Kleidung (und die Musik) ändert sich. So waren es die Mods, die nicht nur ihre Roller aufbrezelten, sondern auch sich selbst. n, Amphetamine die in den 60ern sogar eine Zeit lang frei verfügbar waren, putschten die Mods auf. Anfang der 90er machten die Raver in ihren teuren Trainingsanzügen und den kleinen Pillen mit den lachenden Smilies, den ersten popkulturellen Emojis, genau das gleiche, was ihr Eltern als Mods bereits durchlebt hatten.
Bei ARTE gibt es noch einige andere Styles, die genüsslich dekonstruiert werden und den Menschen in seiner ganzen Lächerlichkeit der Selbstdarstellung zurücklassen. Es hilft nicht abzustreiten, das wir ein Teil davon sind, was hilft ist eine Prise Selbstironie. Die Fähigkeit, über sich selbst zu schmunzeln. Vielleicht mag ich die Freaks und London und England deshalb so gerne leiden, ihre unfassbare Leidenschaft etwas Style in die Rebellion zu tragen.