In Louisiana kam es im Frühjahr 2019 zu drei Brandanschlägen auf Kirchen, bei denen die Gebäude völlig zerstört wurden. Jetzt gestand Holden Matthews, der 22-jährige Sohn eines Sherrifs die Anschläge. Die Parallelen zu den Kirchenbränden im Norwegen der frühen 90er Jahre sind nicht zufällig, sondern gewollt. Er wolle „Ansehen, Ruhm und Ehre in der Szene erlangen.“ und bezieht sich laut amerikanischer Medien eindeutig auf die Taten in Norwegen. Obwohl sich die Black Metal Szene von solchen Taten distanziert, kommt es immer wieder zu Nachahmern, wie Matthews oder dem 28-jährigen Drummer der Black Metal Band Igni, der in Neuseeland 2 Kirchen anzündete.
Matthews machte es den Ermittlern leicht, kaufte den roten Benzinkanister, den man am Tatort fand, in einem örtlichen Supermarkt mit seiner Kreditkarte und ließ sich obendrein auch noch von der Überwachungskamera dabei filmen. Als wäre das noch nicht dämlich genug, postete er nach dem Anzünden der Kirchen Bilder und Videos der Brände bei Facebook, um damit zu prahlen. Jetzt drohen ihm 10 bis 70 Jahre Haft, das Urteil wird im Juli gesprochen.
Wenn die rationalen Erklärungen ausgehen – Musik unter Generalverdacht
Seit den Ereignissen in Norwegen, Anfang der 90er Jahre, kämpft die Black Metal Szene mit dem Generalverdacht die Heimat latent gewalt- und zerstörungsbereiter Jugendlicher zu sein. Stets bleibt der Eindruck zurück, als hätte die Musik oder die damit Verbundende Szene etwas mit diesen Verbrechen zu tun. Bewegen sich die Täter in szenetypischen Kreisen, sucht man häufig nach Gründen für die kranken Einzeltaten in den Szenen. Nicht etwa, weil man dort weitere Tätet vermutet, sondern viel mehr um ein Motiv für Verbrechen zu finden, die sich jeder gesellschaftlich geprägter Logik entziehen. Der Mordfall von Sondershausen oder auch die Satansmorde von Witten hallen immer noch in den Köpfen der Menschen nach, wenn sie von Verbrechern in der Zeitung lesen, die in irgendeiner Form mit der Gothic-Szene in Verbindung zu bringen sind.
Wie das alles zusammenhängen könnte und was Todessehnsucht mit der Gothic-Szene zu tun hat, werde ich in einem weiteren Artikel, der die nächsten Tage erscheint, aufgreifen.
Ich spiele mal den Advocatus Diaboli: ist das nicht genau das, was auch im politischen Bereich mit rechts- oder linksextremistischen Szenen gemacht wird?
Inwiefern unterscheidet eine auf musikalischen Vorlieben basierende Szene von einer politischen Szene, wenn in ersterer offen und zum Teil ohne klare Abgrenzung des Restes der Szene auch politische oder gesellschaftliche Aussagen getroffen werden (Stichworte: NSBM, extreme religiöse/ideologische Referenzen mit Tendenz zur Abwertung Andersdenkender, Militarismus, Bezug auf Diktaturen in Kleidung und Stil).
Machen wir es uns da nicht etwas einfach, wenn wir immer behaupten, dass die Szene damit gar nichts zu tun hat?
Ja, Victor, genauso funktioniert das mit allen Szenen, wobei ich allerdings nur musikalische Szenen im Sinn hatte und nicht etwa ideologisch, religiöse oder politisch motivierte Szenen. Bei rechtsextremen und linksextremen Szene kommt natürlich erschwerend hinzu, dass aus diesen Szenen häufig konkrete Formulierungen verwendet werden, die zu Gewalt, Verbrechen oder Hass aufrufen. Daher ist es hier nicht weiter verwunderlich, wenn rechte Spinner vermeintliche Ausländer durch die Stadt jagen, weil sie ja das untereinander in Inhalten propagieren. Es wundert auch nicht, wenn Schaufenster von Banken und Einzelhandelsketten zerstört werden und Autos angezündet werden, weil genau das die Inhalte mancher linker Medien sind.
Musikalische Szenen unterscheiden sich häufig dadurch, das es stets Interpretationsspielraum in den Inhalten der Musik gibt und musikalischen Szene per se nicht dazu gedacht sind, gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen. Allerdings hast du recht, wenn du von musikalischen Szenen sprichst, die aus solchen Szenen heraus entstehen. Rechtsrock zum Beispiel, der ganz offen dazu aufruft, irgendwas durch das Dorf zu jagen.
Ein Stück weit hast du recht, natürlich machen wir uns ein bisschen was vor, wenn wir der Szene eine generelle Unschuld zertifizieren. Viel von dem, was in der Gothic Szene an Inhalten zur Verfügung steht, lässt Interpretationsspielraum zu, der von manchen Mitgliedern so oder so ausgelegt werden könnte. Wir müssen eben dafür gerade stehen, das in „unserer“ Szene klar ist, das man Uniformen nicht dazu benutzt eine Ideologie zu repräsentieren, sondern als provokatives Mittel in einem neuen Zusammenhang.
Worauf ich eigentlich hinaus wollte: Menschen, die in in ihrem Dasein so radikalisiert, so blind, so ethisch daneben und möglicherweise so gestört sind, ein Verbrechen zu begehen, das Menschen in Gefahr bringt oder absichtlich umbringt, gibt es in jeder Szene. Häufig ist das beliebig und Musik ist allenfalls ein Katalysator. Ebenso wie Computerspiele, Bücher oder auch Zeitschriften es sein können.
ich hatte mir heute die Hände mit einer neuen Seife gewaschen, die leicht nach Thymian duftet….
Der Mord von Sonderhausen wird mit der Gothic-Szene in Verbindung gebracht? Für mich war und ist es mehr Black Metal, da der Täter auch NSBM spielt und in der Szene aktiv ist.
Sebastian : In der Tat. Seinerzeit hat man das alles über einen Kamm geschert. Daran erinnere ich mich noch sehr gut. Dabei ging es weniger um einer Differenzierung hinsichtlich der Musik, sondern tatsächlich nur um einen ähnlichen Kleidungsstil. Später, mit dem Mord von Witten, wurde die Verbindung noch stärker, weil sich die Täter aus Witten direkt auf den Fall von Sandro Beyer bezogen.
Robert Bei den Fall mit Sandro Beyer habe ich es mehr aus der Black Metal Sicht mitbekommen, vielleicht aber auch weil ich durch die Neuauflage des Ablaze Zine als NSBM Zine, es als Black Metal Sache wahrgenommen habe.
Der Fall aus Witten, oder eigentlich beide Fälle, wurden in der Wahrnehmung vor allem durch die Boulevardmedien geprägt mir.
Die Gothic Sicht darauf habe ich bisher noch nicht so gesehen, aber ja, das war für die Medien alles das gleiche. Alles Satanisten, die aus den dunklen Szenen. Ob Gothic oder Black Metal; alles das gleiche.
Vor allem waren für mich diese Fälle genau das was im Religionsunterricht gelehrt wurde. Gläserrücken, Tarotkarten legen, Friedhofsbesuche und „satanische Musik“. Das mysteriöse Rückwärtshören von Schallplatten. Für mich kam da die Neugierde nach härteren Metal, wie Venom oder Slayer.
Nun denn, die Täter machen genau das wie sie in den Vorurteilen dargestellt werden und die Medien schlachten das alles auch noch aus, scheren alles über einen Kamm und machen damit diese Täter auch noch bekannt.
Die Medien haben ihre Story und alle anderen leider das Nachsehen dadurch.
(Edit: Text korrigiert, da es so geklungen hat als wäre das Oper auch noch Neonazi, was ich so nicht sagen wollte.)