Die Romantik ist die Epoche, die das Gothic-Genre wie man es heute kennt, überhaupt erst hervorgebracht hat. Der Begriff „Romantik“ ist heutzutage ziemlich verwässert und lässt uns in der Regel an Kitsch, Blumen und traute Zweisamkeit denken. Doch weit gefehlt. Begrifflich bedeutet „Romantik“ ungefähr, sich mit Geschichte und Kultur des eigenen Volkes auseinanderzusetzen und nicht mehr mit der in der Renaissance so hoch geschätzten Antike. Die gelesenen Texte und Werke waren also nicht mehr in lateinischer Sprache, sondern in der jeweiligen Landessprache, was in Frankreich, Italien oder auch Spanien eben romanische Sprachen sind. Damit stellte die Romantik aber nicht etwa den neuen allgemeinen Zeitgeist dar, sondern war quasi Gegenspieler der Klassik, die sich weiterhin an der Antike orientierte.
Vor allem aber ist die Romantik des späten 18. und 19. Jahrhunderts ist als eine Gegenbewegung zur nüchtern und naturwissenschaftlich geprägten Aufklärung zu verstehen. In einer Zeit, in der alles durchleuchtet und erklärbar wurde und man die Dinge entmystifizierte und rational betrachtete, sehnten sich viele Menschen nach dem Undurchschaubaren, nach Mystik und Abenteuer. Also entdeckte man beispielsweise die Welt der heimischen Sagen und Volksmärchen für sich und romantisierte das Mittelalter, was in unserer heutigen Vorstellung noch immer dieser romantisch verklärten Vision entspricht. Vernunft, Rationalität und kühle Betrachtung waren passé, statt dessen standen große Gefühlsregungen, Leidenschaften und Sehnsüchte im Mittelpunkt.
Da wir von einer mehr oder weniger bewussten Gegenbewegung (und somit ein Stück weit vielleicht auch von Realitätsflucht) sprechen, und in Anbetracht der allgegenwärtigen Ängste der Menschen vor einer bedrohlichen, unbekannten, und von Industrie dominierten Zukunft, sollte es nicht überraschen, dass die Romantik im Allgemeinen schon nicht sonderlich fröhlich war. (siehe etwa Goethes „Leiden des jungen Werthers„) Da wundert es nicht weiter, dass sich etwa in der deutschen literarischen Schauerromantik eine konkret düstere Ausprägung breit machte, in der Geistergeschichten rezipiert und geschrieben wurden und wo Melancholie, Tod, Verzweiflung und Wahnsinn oft im Mittelpunkt standen.
Beispielsweise wären hier E. T. A. Hoffmanns „Nachtstücke„, Gottfried August Bürgers „Lenore“ oder auch Goethes „Totentanz“ zu nennen, doch natürlich waren es nicht nur deutsche Autoren, die sich auf diesem Feld betätigten, und so waren es vor allem die Engländer, die dieses Sub-Genre vorantrieben und sich mit deutschen Autoren munter austauschten und hin und her inspirierten.
Romantik in der Architektur
Doch Literatur war natürlich nicht das einzige künstlerische Feld, in dem sich die Romantik manifestierte. Besonders in englischen Oberschichtkreisen kam es zu einem Revival der gotischen Architektur, und somit auch in diesem Bereich zu einer romantisierten Form dessen, was man sich unter dem Mittelalter vorstellte. Horace Walpole zum Beispiel, der mit seinem Roman „Das Schloss von Otranto“ Namen und Motive der Gothic-Kunst prägte, gründete eigens ein „Committee des (guten) Geschmacks“, dass ihn bei den Entscheidungen rund um das Umgestalten und Ausbauen seines berühmten Wohnsitzes Strawberry Hill in neugotischem Stil unterstützte, wobei Kathedralen ebenso Vorbild waren wie Grabmäler.
Andere gingen gar so weit und bauten sich gotische Ruinen und nachgemachte Friedhöfe in ihre Landschaftsgärten und schufen kleine Grotten, in denen als Einsiedler verkleidete Landstreicher hausten, die extra dafür bezahlt wurden.
Ebenso ist die Malerei der Romantik oft weniger geprägt von „romantischen“ Landschaftsbildern, sondern eher von düsteren, introspektiven Bildern von Bedrohung und Verzweiflung. Beispielsweise Francisco de Goyas Radierung „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“ (siehe Titelbild) gehört einerseits zweifelsohne zu den bedeutendsten Werken der Romantik, wurde andererseits von Richard Davenport-Hines bezeichnet als „perhaps the most important single image for the historian of the gothic“ („das vielleicht wichtigste Bild für den Gothic-Historiker“).
Romantik in der Musik
Diese tendenziell düster-morbide Haltung macht sich auch kenntlich in der Bewertung von zeitgenössischer Musik. So gehen Beispielsweise bei der Kritik der Beethoven-Klaviersonate Nr. 14 (bzw. deren ersten, sehr langsamen und melancholischen Satzes) durch Kritiker der Romantik die Interpretationen drastisch auseinander:
Das Stück ist sehr schleppend und in (cis-)Moll geschrieben und inspirierte dadurch den Musikkritiker Ludwig Rellstab zu der bekannten Bezeichnung „Mondscheinsonate“, da er sich an eine romantische, nächtliche Bootsfahrt auf dem Vierwaldstätter See erinnert fühlte. Zeitgenosse und Kollege Wilhelm von Lenz dagegen hatte weit düsterere Assoziationen, als er sich vorstellte, Beethoven habe das Stück an der Totenbahre eines verstorbenen Freundes geschrieben und es handle sich um einen Trauermarsch. Solch unterschiedliche Assoziationen ein und desselben melancholischen Themas sprechen wohl für sich.
Andere gingen gar so weit und bezogen Elemente der Schauerromantik in ihre Kompositionen ein. So schuf Hector Berlioz 1830 die „Symphonie Fantastique“ (bei der David Stevens konkret von „gothic influence“ spricht), deren dramatische Handlung sich um unerwiderte Liebe, Verzweiflung und Träume von Tod dreht, und die mit einem Hexensabbath mit einer Parodie des Dies Irae (aus der katholischen Totenmesse) schließt. Musikalisch haben wir es mit einer Berg- und Talfahrt der Gefühle zu tun, bei der auch bei scheinbarer Euphorie ein bedrohlicher Kontrabass im Hintergrund brummt und ruhige Momente von einzelnen harten Tönen wie Blitz und Donnerschläge durchzuckt werden.
Und wer jetzt noch denkt, Romantik habe etwas mit verträumtem Friede-Freude-Eierkuchen zu tun, der bemühe kurz Google nach den Namen verschiedener romantischer Maler wie etwa erwähnter Francisco de Goya, Johann Heinrich Füssli oder Caspar David Friedrich, deren mannigfaltige Werke (rangierend zwischen Melancholie, Ohnmacht und wildem Alptraum) wohl mehr aussagen als ich in Worten transportieren könnte.
Dieser Artikel ist bereits 2010 in den inzwischen geschlossenen Otranto-Archiven erschienen und erfährt nun eine überarbeitete Neuveröffentlichung.
Hmmm…Was du hier beschreibst, passt vor allem auf die schwarze Romantik. Es gab doch auch die schwärmerischen, naturverbundenen Romantiker, die durchaus positive und manchmal kitschige Werke produzierten.
Ja, hier. Der Schwärmer bin ich. Für mich ist die Romantik vor allem eine schöne auf: Scheiternde Demokratie und Freiheits Versuche in Deutschland und Frankreich zB die in Kaiserreichen, Nationalismus, Militarismus, Kriegen etc enden. Auf den Dampfhammer der Industrialisierung, der die Uhren schneller drehen lässt, die Landschaften stark verändert, zu Aus- Einwanderungswellen führt, und die Gesellschaft stärker in arm und reich spaltet (Stahlbaron mit Villa, und armer Bergmann der nur 35 im Schnitt wird) als je zuvor. Gleichzeitig macht die Wissenschaft große Sprünge, muss sich aber mit ihren Kritikern auseinander setzen. Und die Welt wird globaler denn je, mit der Folge das global mehr ausgebeutet wird denn je per Eisenbahn, Dampfschiff und Schutztruppen. Das sind übrigens die gleichen Gründe aus denen ich heute Romantiker, und politischer Mensch bin, die parallelen sind oft erschreckend. Ich komme da übrigens immer zu anderer Musik aus der Epoche…. nein, nicht Giuseppe Verdis Gefangen Chor aus Aida ;), sondern zB https://youtu.be/LSaTUym_Hm8 Am besten trifft die Romantik auf Deutschland geschaut aber https://youtu.be/B2AxOS9ACE4, und zu guter Letzt https://youtu.be/WJ_Xb317h3w. Alles herrlich und herzlich romantische Lieder.
Ich dachte da vor allem auch an die zahlreichen Dichter, die ihre Geliebte, die Natur und ihre Gestalten in sehr schwärmerischer, bildreicher und zum Teil sehr verniedlichender Sprache verewigt haben á la „munter murmelndes Bächlein“, „freudig springendes Rehlein“, „taubetropftes Rosenknösplein“ usw .
Ein paar schön Zitate über die Romantik:
„Das Klassische nenne ich das Gesunde und das Romantische das Kranke.“
Johann Wolfgang von Goethe, Maximen und Reflexionen, Nr. 1031
„Das Wesen der Romantik ist die Ungewissheit.“
Oscar Wilde
„Jedesmal, wenn die Romantik sich einer Sache bemächtigt und Gloriolen um sie webt, dann ist deren Zeit schon vorüber, und die Sehnsucht nur macht aus der Erinnerung einen wünschenswerten Zukunftstraum.“
Carl von Ossietzky
„Romantik. Alle Romane, wo wahre Liebe vorkommt, sind Märchen – magische Begebenheiten.“
Novalis, Fragmente
„Romantik ist die innere Veranlagung, Dinge zu sehen, die es nicht gibt.“
Sandra Paretti
Ich hoffe, die Romantik behält ihren Stellenwert innerhalb der Szene, so wie ihr es nach Außen tragt. Neulich arbeitete ich an einem Projekt, dass die WGT-Geschichte aufgreift und las begeistert, wie „romantisch“ man bei der Entstehung und Entwicklung des WGT romantisch gewesen zu sein scheint. Ich hatte mir sehr gewünscht, dass es noch romantische Seelen gibt. Vielleicht kann man ja dann doch von einem Lebensgefühl sprechen. Dinge zu sehen, die es nicht, find ich schon mal ein guter Anfang.
Tanzfledermaus, hast du jetzt z.B. die Bilder von Spitzweg im Kopf?
@ Gruftfrosch:
Nein, Spitzweg kenne ich zwar (der „einsame Poet“ hing während meiner Kindheit bei uns an der Wand), aber ich dachte da vor allem an Dichter, weil ich mich mit der positiv-romantischen Malerei weniger beschäftigt habe als mit Werken von Caspar David Friedrich u.ä. düster-romantischen Malern.
Gedichte aber sammel ich schon seit vielen und da hatte ich auch einige Sammelbände mit alten romantischen Gedichten in den Händen. Da war viel Schönes dabei, aber auch so einiges kitschige, schwülstige, was je nach Wortgewalt des Dichters dann doch noch oder gar keinen Anklang bei mir fand ;-)
Das Schöne ist, dass sie mir die Romantik eine gewisse Sorglosigkeit und Ruhe (zu meinen Standpunkten und Handlungen) in der Zeit der „Besorgten Bürger“, Kulturdebatten, Amtscrucifixe etc etc… beschert.
Beschreiben tut dies gut:
„Das Wesentliche des Romantischen ist Ungewißheit.“
Oscar Wilde
und
„Nichts ist romantischer, als was man gewöhnlich Welt und Schicksal nennt. Wir leben in einem kolossalen (im großen und kleinen) Roman.“
Novalis
und
und am Besten trifft mein Denken:
„Der Romantiker erreichte sein Ziel, denn er kam niemals an.“
©Anselm Vogt
Ich kann schon verstehen das es Menschen gibt die so eine Einstellung zu „unsicher“ empfinden, aber ich muss diese Menschen ja nicht in ihrer Unsicherheit verstehen.
Mist, ich hatte immer gedacht, ich wäre ein Romantiker. Aber mit diesen Definitionen bin ich überkreuz … Es mag sein, dass für den Ursprung vor Jahrhunderten zutrafen, aber für mich ist sie darüber hinausgewachsen, so wie „Gothic“ über jede Definition aus den ’80ern. Nein, ich habe keine neue Erklärung dieses Phänomens, nur ein paar Gedanken …
Ich bin ein romantischer Naturwissenschaftler. Mich begeistern der Fortschritt des Wissens und der Technologie, aber ich kann die vielbeschworene „Entzauberung“ darin nicht erkennen. Ich kann sie zurückinterpretieren: „Was man erst einmal verstanden hat, kann man durch eine Dampfmaschine ersetzen“, so mag es einmal geklungen haben. Ja, dieses Muster gibt es immernoch … aber seht Ihr unsere Zeit wirklich als „entzaubert“?
Ja, wir fürchten nicht mehr, dass im Schatten ein Dämon lauert. Das ist die Faszination der Angst (oder kommt sie, in übertragener Weise, gerade zurück?). Aber war unser Leben jemals magischer? Wir sprechen mittels eines kleinen Kästchens mit Freunden über Kontinente hinweg, sehen Bilder und Märchen von anderen Ende der Welt, … aber leider steht auf dem Kästlein ein Hersteller aus Korea statt der düsteren Werkstatt in der Winkelgasse … Aber mal ehrlich: wer von Euch kann die Funktion dieses Kastens besser beschreiben als mit modernen Synonymen für „ich habe keine Ahnung, it’s f***ing Magic“. Unsere Welt ist zauberhafter als je zuvor. Durchaus auch auf bedrohliche Weise, aber gehört das nicht zum Kern der Romantik?
Dann ist da das Wissen. Wir erkennen nun, dass wir über Jahrmilliarden der Evolotion aus dem Staub verglühter Sterne entstanden sind. Soll das wirklich weniger „geheimnisvoll“, „romantisch“, „ehrfurchtgebietend“ sein als Lebenden von Göttern, Geistern und Lehm? Wir suchen nach den Signalen anderer denkender Wesen, aber wir haben sie noch immer nicht gefunden. Vielleicht sind wir wirklich allein in diesem Universum. Doch das bedeutet: hier, auf dieses Klumpen aus Gestein, beginnt das Universum, sich seiner selbst bewusst zu werden. Es erkennt, woher es gekommen ist, im großen und im kleinen, und wohin es gehen könnte …
Diese Essenz der Naturwissenschaft ist für mich zugleich der Kern einer Naturromantik. Einer Romantik, die nicht auf Furcht und Ungewissheit zurückgeht, sondern auf eine Ehrfurcht, die mit dem Wissen wächst …
Deshalb (auch) empfinde ich mich als Romantiker. Gerade wegen der Wissenschaft, gerade weil ich Science-Fiction über Quantenphysik und Zeit schreibe (die aktuelle Geschichte beginnt sogar mit einer „Fee“), gerade weil ich auf eine Zukunft hoffe, die mehr als nur den Untergang bringen kann!
Gibt es einen gemeinsamen Nenner mit der „alten“ Definition? Vielleicht eine melancholische, verträumte, schwärmerische, doch nicht hoffnunglose Sicht auf die Welt? Damit könnte man die beiden Enden wohl zusammenfassen. Damit ich mich weiter als „Romantiker“ sehen darf …
Mir fällt es schwer, Dennis, die moderne Wissenschaft mit Romantik in Einklang zu bringen. Denn die Wissenschaft versucht ja, Dinge zu erklären, während die Romantik diesem Erklärungsdrang abgeschworen hat. Es geht u.a. darum, das Geheimnisvolle zu bewahren, statt es aufzuklären.
Natürlich gibt es in der Wissenschaft Dinge, die alltäglich sind, die wir aber trotzdem nicht wirklich erklären können (Dein Beispiel mit dem Telefon passt sehr gut). Aber gerade dadurch, dass sie alltäglich sind, verlieren sie ihren Zauber – obwohl ich nicht verstehe, wie sich Stimmen rund um die Welt transportieren lassen, hat ein Telefon nichts Magisches für mich. Die Magie, von der Du sprichst, würde ich als „praktisch“ bezeichnen, als etwas, dass dem Gebrauch dient, nicht der Stimmung. Doch Romantik ist vor allem Atmosphäre, Stimmung und Emotion, sie hat nichts mit technischen Hilfsmitteln zu tun.
Die Suche nach Außerirdischen kann wiederum etwas Romantisches an sich haben. Solange man davon träumt, fremde Welten zu bereisen und von fremdartigem Leben fasziniert ist, befindet man sich auf romantischem Boden. Wenn es aber um rein wissenschaftliche Interessen geht, z.B. um die Aneignung neuer Technologien oder um die Gewinnung von Weltraumrohstoffen, dann kommt wieder das Rationale zum Vorschein, was meiner Meinung nach nichts mit Romantik zu tun hat.
Ansonsten gibt es in der Science Fiction durchaus romantische Elemente: Mystische Sternenvölker, der Glaube an eine bessere (außerirdische) Welt, kosmischer Horror, die Sehnsucht nach unbekannten Welten. Alles, was starke Gefühle auslöst, würde ich als romantisch bezeichnen. Es darf nur nicht vollends erklärt werden, denn gerade das Geheimnisvolle ist es ja, was die Romantik ausmacht.
@SchädelTrauma: natürlich meine ich nicht die Naturwissenschaft als Ganzes. Nein, das passt nicht! Aber ich finde viele Dinge, die durch neue Erkenntnisse noch mehr „verzaubert“ werden, als es durch Mythen jemals möglich wäre. Etwa unsere Herkunft aus Sternenstaub … Und manche „Geheimnisse“ werden um so größer, je tiefer man schaut, während sie in Religionen und Mythen doch immer ungeheuer menschlich blieben. Daher kann ich viele Ur-Motive der Romantik auch in der neuen Welt wiederfinden.
„Alles, was starke Gefühle auslöst, würde ich als romantisch bezeichnen. Es darf nur nicht vollends erklärt werden, denn gerade das Geheimnisvolle ist es ja, was die Romantik ausmacht.“ Ja, damit kommen wir zusammen.
Die Magie allerdings hat wohl einfach nur das Glück gehabt, nicht zu funktionieren. Das verhinderte, dass sie zum praktischen Teil des Alltags wurde …
Gruftlord. Ich glaube, im Großen und Ganzen sind wir einer Meinung – ich hatte es in Deinem ersten Eintrag nur so verstanden, dass Du die Wissenschaft an sich als romantisch bezeichnest, und „Wissenschaft“ klingt für mich zunächst nach Rationalität und gefühlsloser Logik.
Mit „Magie“ meinte ich übrigens keine Zaubersprüche oder so, sondern es war mehr als Adjektiv gemeint – etwa wie in „die Magie/die Faszination dieses Ortes“ oder „das ist zauberhaft“.
Gerade den Weltraum finde ich sehr faszinierend, wenn man ihn auf mystische Weise betrachtet. Weil der Weltraum ist im Grunde genommen die Finsternis, in der alles existiert. Licht entsteht und verschwindet, ebenso wie Sonnen und Planeten. Die Finsternis, also der Weltraum, bleibt und ist ewig.
Und vielleicht spiegelt sich in dem Bedürfnis, sich mit dunklen Themen zu beschäftigen, die Sehnsucht nach dieser Ewigkeit. In Dunkelheit kann man sich geborgen fühlen, und wenn man so will, könnte man den Weltraum als „Mutterleib“ betrachten, in dem wir alle leben bzw. dessen Geborgenheit wir wieder intensiver fühlen wollen – deshalb möglicherweise die Zuwendung zu Gothic, Black Metal und ähnlichen Dingen.
Aus diesem Grund hat der Weltraum für mich durchaus etwas Romantisches. Und das Ganze erhält noch eine weitere nennenswerte Dimension, wenn man anfängt, über Schwarze Löcher oder Materie/Antimaterie nachzudenken… Von daher kann ich Deinen Standpunkt gut nachvollziehen, ich befürchte immer nur, dass die „Magie“ verloren geht, wenn man die Dinge allzu wissenschaftlich betrachtet…
@SchädelTrauma: Wissenschaft und „Gefühllos“? Vielleicht offenbart sich hier ein Sprachkonfikt … Die meisten Naturwissenschaftler, die ich kenne, lieben den … äh, Zauber? ihrer Entdeckungen, die meist weit von Anwendung entfernt sind. Nicht „gefühllos“, sondern Herzblut! Und jede „Antwort“ in der Wissenschaft wirft eine Fülle neuer Fragen auf, es ist, bislang, ein Projekt ohne Ende … Während ich, wenn ich von „Magie“ lese, allzu oft direkte Ziele sehe (nicht Energieumwandlung, aber … Liebe, Götter, Dämonen, wasimmer, geht es da etwa nicht um Bedürfnisbefriedigung?). So gesehen sind sie sich, vom Geist her, mindestens näher als sie glauben.
Was Du als „die Magie/die Faszination dieses Ortes“ beschreibst: das finde ich in der „Wissenschaft“. „Begeisterung“ … „Transzendenz“ … (Anführungszeichen weil: hier fehlen uns offensichtlich abgestufte Definitionen für diese Begriffe. Dies ist für mich ein Grundproblem der Philosophie: man kann mit einem vermeintlich allgemeingültigen, nie hinreichend definierten Begriff aufs elaborierteste aneinander vorbeireden, ohne es zu bemerken … dies gilt vermutlich auch für diese Diskussion …)
Du sprichst die Sehnsuch nach der „Ewigkeit“ an… Naturwissenschaftler würden erst mal den Begriff diffinieren ;-) – aber gerade sie suchen (ja, dies ist verallgemeinert) gerade danach. Singularität, Upload, Trans- und Posthumanismus, virtuelle Welten …
Sind vielleicht „Romantik“ und „Wissenschaft“ nur unterschiedliche Geschmacksrichtungen derselben Suche? Nur dass die eine mehr Chancen hat, „Magie“ zu finden, als die andere?
Nun habe ich mich, in meinen letzten Beiträgen dieses Threads, über den (vermeintlichen) Gegensatz zur „Wissenschaft“ echauffiert ;-) Aber beim Zweitlesen fällt mir noch ein Aspekt ins Auge: „Begrifflich bedeutet ‚Romantik‘ ungefähr, sich mit Geschichte und Kultur des eigenen Volkes auseinanderzusetzen und nicht mehr mit der in der Renaissance so hoch geschätzten Antike.“
Ich versuche das mal für mich geradezurücken: Ein Rückbesinnen auf schöne Legenden statt auf reale Wurzeln? Mein „Volk“ setzt sich zusammen aus Ahnen irgendwo jenseits des Mittelmeeres („Juden“!) und Menschen, für die „Germanen“ eine (ebenso!) absurde Beschreibung wäre. Dagegen sehe ich mich als Romantiker der Wissenschaft völlig quer zu diesen Definitionen. Antike und Renaissance sind für mich die Wurzel eines Projekts, das romantischer kaum sein könnte …
Sehe ich genauso. Für mich bedeutet Romantik nicht automatisch „sich mit Geschichte und Kultur des eigenen Volkes auseinanderzusetzen“, sondern diese Auseinandersetzung kann Teil der Romantik sein.
Man kann als Romantiker von vergangenen Zeiten träumen, z.B. vom Mittelalter, doch das ist kein Muss. Ebenso kann man durch Wälder wandern und die Natur genießen, was nichts mit Geschichte oder Völkern zu tun hat.
Zu Beginn der romantischen Epoche war es allerdings in Deutschland so, dass man sich sehr auf die deutsche Geschichte konzentriert hat. Denn damals gab es Deutschland noch gar nicht, es gab nur viele kleine Staaten, in denen man Deutsch gesprochen hat.
Die einzelnen Landesfürsten herrschten willkürlich, und viele Romantiker träumten davon, alle deutschen Länder zu einem Reich zu vereinen – als Vorbild diente ihnen da das mittelalterliche Heilige Römische Reich Deutscher Nation, welches zu einem (romantischen) Ideal verklärt wurde.
Außerdem fällt in die Zeit der Romantik auch die Herrschaft Napoleons, und auch hier gewann eine gewisse Verklärung Spielraum: Rebellen gegen die französische Fremdherrschaft wurden zu „deutschen Helden“ hochstilisiert, sie wurden mit Rittern gleichgesetzt, die gegen „das Böse“ (in diesem Fall Napoleon) kämpften und für eine „bessere Welt“ stritten.
Aus diesem Grund finde ich es nachvollziehbar, wenn man die Romantik auf Kultur und Vergangenheit des eigenen Volkes bezogen hat, zumindest in Deutschland.
Aber heutzutage trifft das nicht mehr zwingend zu, Romantik muss nichts mit Ahnenkult und dergleichen zu tun haben, sie muss sich nicht einmal auf die Vergangenheit beziehen.
Romantik ist alles, was große Gefühle weckt, sei es Freude, Liebe oder Angst. Sie ist – um ein Wort des Romantikers Friedrich Schlegel zu gebrauchen – eine „Universalpoesie“. Meiner Meinung nach bedeutet dies, dass sich die Romantik nicht nur auf eine geschichtliche Epoche oder ein Volk bezieht, sondern auf alle Aspekte des Lebens. Darüber hinaus kann man die Romantik gar nicht exakt definieren, weil, wie Schlegel sagt: „Die romantische Dichtart ist noch im Werden; ja, das ist ihr eigentliches Wesen, dass sie ewig nur werden, nie vollendet sein kann.“
Das lässt unendlich viel Spielraum für eigene Definitionen zu, von daher kann jeder für sich entscheiden, was er als romantisch erachtet und was nicht.
ja, @Schädeltrauma, ich fühle, dass wir nahe beieinander sind. Ich störe mich eben an dem Begriff „Volk“, den ich ich für mein Romantik nicht brauche. Du auch nicht, denke ich. Man sollte ihn einfach fallen lassen, schon weil er irgendwie 80% der Eurpäer auschließt. Grenzen, Jahrhunderte …
Was bleibt?
Das Schwärmerische, Träumende, Hoffnungsvolle (oh Goth, ungruftige!) Der Traum von etwas, das über die ökonomische Realität hinausreicht und „Sinn“ stiftet … Für mich ich die düstere Romantik essentiell, die Vergänglichkeit, der SonnenUNTERGANG. Doch zugleich die Hoffnung, darüber hinaus gelangen zu können. Für mich ist sie eher eine Hoffnung denn eine Rückbesinngung, auch wenn das „Bewahren“ des sinnvollen eine wichtige Komponente ist.
Ich wünsche mir, den Begriff „Romantik“ in ein neues Jahr-ups! -Tausend! zu führen, ohne dass er aufs Abstellgleis geraten muss. Die alten Definitionen hatten ihre Zeit, aber heute brauchen wir neue. Jenseit von Mittelalter und „Volk“, irgendwo zwischen einer Verlangsamung es unaufhaltsamen Wandels, Rückbesinnung im Fortschreiten, der ewigen Hoffnung auf eine bessere Welt … sorry, dies ist unvollständig, aber präziseres kann ich auch noch nicht bieten … Aber mit der Retro-Definition fühle ich mich zugleich eingeengt und ausgeschlossen. Wenn ich mich in Rückbesinnung zum letzten Familientreffen auf der Wiese versetze: wer passt da hinein? Überhaupt jemand von unserer schrägen Truppe, die in jedem Jahrhundert außer diesem mit Mistgabeln verjagt worden wäre? Wir fühlen uns also als „Romantiker“ Ich liebe diese Dissonanz. Vielleicht führt sie zum Kern …
Nur eine Erinnerung: vor vielen Jahren, als ich hier nur schweigender Mitleser war, ergab sich der gemeinsame Besuch der Schwarze-Romantik-Austellung in Städel. Dies war der erste Real-World-Kontakt zu dieser wunderbaren Community. Ich bin glücklich mit Euch! Es ist romantisch! Aber dieser Rückwärtgewande Romantik-Begriff, steht er nicht all dem entgegen, was wir hier gerade leben?