Top Of The Goth – Bücher – Gastbeitrag von Grabesmond

Ich freue mich, dass ich bei diesem schönen Gothic-Friday-Thema wieder Grabesmond in meinem Blog begrüßen darf. Wie immer ein absolut lesenswerter Artikel mit spannenden Tipps und persönlichen Details. Ich freue mich, dass ich ihn veröffentlichen darf. Hier also ihre Top 5 in Sachen Literatur:

Grabesmonds Top 5 der Bücher

Erst einmal, danke lieber Robert dass du dieses Thema ausgewählt hast, denn dazu habe ich wahrlich viel zu schreiben. Bücher spiel(t)en in meinem Leben eine recht große Rolle, wuchs ich doch in einem Elternhaus auf, in dem sowohl Vater als auch Mutter, Bücher ohne Ende verschlangen und horteten. Die Bandbreite reichte von Geschichtsbüchern, Thrillern, russischsprachigen Krimis, Bücher über das Meereslebenwesen, russische Klassiker usw.

Meine ersten richtigen Bücher waren allesamt in kyrillischer Schrift (ich bin ja das Ergebnis einer deutsch-russischen Freundschaft ;D) – wobei mich die Bilder dann doch mehr interessierten als die Schrift- logisch, denn die konnte ich mit 5 noch nicht lesen. Später blätterte ich fasziniert durch eine Bücherreihe von Jacques Costeau, in der er verschiedene Aspekte des Meeres, des dortigen Ökosystems und natürlich der Meeresbewohner abdeckte. Ich verstand kaum Englisch, aber egal- toll und interessant fand ich die Reihe trotzdem.

Angespornt durch meinen Vater las ich in der Grundschulzeit gerne Märchen von Alexander Puschkin, den Gebrüder Grimm, Hans Christian Andersen und ich versuchte mich an Walter E. Scotts „Der Talisman“- ein Buch über die Irrfahrten eines Ritters während der Kreuzzüge, weil ich schon damals anfing, mich für Ritter und das Mittelalter zu begeistern *g*

Ich kann definitiv sagen, dass mein Vater mein Leseverhalten enorm geprägt hat. Seine persönliche Begeisterung für Geschichte, Philosophie und fremdsprachige Bücher hat er auf jeden Fall an mich weitergegeben und ganz ehrlich? Ich kann mir ein Leben ohne all das gar nicht vorstellen.

Und eins möchte ich euch noch vorweg sagen: ich finde, ich hab einen recht eigensinnigen Lesegeschmack und ich bin mir sicher, dass Ihr recht überrascht sein werdet, welche Bücher ich zu meinen Top 5 erkoren habe ;)

1.) Klaus Bednarz: Östlich der Sonne- vom Baikalsee bis nach Alaska

Wie schon in der Einleitung erwähnt bin ich Halbrussin und wuchs auch mit allerlei russischer Literatur, Musik, Filmen, einem Samowar (der aber nicht mehr zum Tee- oder Suppekochen verwendet wurde) und massig Broschtsch im Herbst und Winter auf, und in meinem Kinderzimmer standen neben Ü-Eier-Figuren, Matroschkas in Reih und Glied. Traurigerweise habe ich bisher nur meine Oma kennengelernt und war nur einmal vor 10 Jahren in Moskau. Ich kenne dieses Land nur von Bildern, die mir mein Vater ab und an zuschickt und vielleicht ist deswegen mein Interesse für Russland und insbesondere Sibirien so groß.

Eigentlich hatte ich zuerst die dazugehörige Dokumentation gesehen und war schon nach ein paar Minuten völlig hin und weg. Sibirien- das klingt selbst heute immer noch nach einem wilden, fernen Land mit wenig Zivilisation, dafür mit unendlichen Weiten, unbeschreiblich schöner Natur, aber für Zerfall, raues Klima, Menschen mit Alkoholproblemen und Krankheiten, die von der Regierung vergessen werden; eben weil sie so weit von Moskau entfernt wohnen.

Wie der Titel schon verrät, startet Klaus Bednarz seine Reise mit seiner Crew am Baikalsee, dem tiefsten und ältesten Süßwassersee der Welt. Dieser friert übrigens im Winter komplett zu, was viele nutzen, um mit LKWs oder anderen Fortbewegungsmitteln übers Eis zu fahren, um der Bevölkerung am Baikal Lebensmittel und andere wichtige Güter zukommen zu lassen.

Weiter geht es mit Hilfe eines Wildhüters zur Suche nach dem Quellenursprung der Lena, einem mächtigen Fluß in Sibirien, der auch desöftern mal Grund für Überschwemmungen ist. Klaus Bednarz beschreibt in seinem Buch nicht nur die wunderschöne Landschaft, er erzählt auch von den Sorgen und Nöten der Menschen in Sibirien. Man merkt auch deutlich beim Lesen, dass man vor allem dort keineswegs mächtig ist, nur weil man ein Mensch ist- hier hat die Natur das Sagen. Wenn man Pech hat und keine Waffe bei sich hat, kann man leicht das Opfer eines hungrigen Bärens werden. Hat man nicht ausreichend Werkzeug oder Benzin bei sich, kann man tagelang warten, bis man Hilfe für sein im Schlamm steckengebliebenes Fahrzeug bekommt (was im Sommer immer wieder vorkommt).

Hier muss man umdenken; will man z. B. ein Stück in einem LKW, Kettenfahrzeug oder Flugzeug mitgenommen werden, so nützen wohlgemeinte Worte nicht viel- sondern eher Dollarscheine, Benzin oder Wodka. Und auch eine Flussfahrt auf der Lena verläuft alles andere als gut, immer wieder fahren Klaus Bednarz, seine Crew und der Kapitän auf Sandbänke auf, und da muss der Kahn aus Sowjetzeiten mit vereinten Kräften wieder starttauglich gemacht werden.

Aber so ist sie, die Natur- sie gehorcht ihren eigenen Gesetzen, nicht denen des Menschens.
Weitere Reiseziele sind Jakutsk, Tiksi, das am Polarkreis liegt (und allein dahin zu kommen ist für die Beteiligten eine Odysee, verbunden mit unendlichem Warten), Oimjakon- das kälteste Dorf der Welt und eine Fahrt auf der Kolyma-Trasse, die als die gefährlichste in ganz Russland gilt; und zynisch „Straße erbaut aus Knochen“ genannt wird. Nicht nur, das die Trasse ungesichert ist und sich hier oft schlimme Unfälle ereignen, als Stalin an der Macht und die Zeit der Säuberungen und Gulags war, verschleppte man unzählige, und vor allem unschuldige Menschen nach Sibirien- nicht um sie dort umzubringen, sondern um sie unter unwürdigen Bedingungen arbeiten zu lassen, sei es in den Bergwerken oder beim Straßenbau wie in Kolyma.

Einer von Klaus Bednarzs Crewmitgliedern schätzt die Zahl der Toten, die allein beim Bau der Trasse umkamen, vorsichtig auf 20.000. Klaus Bednarz gelingt es nicht nur allein durch Sprache ein wunderschönes Bild von Sibiriens Landschaft und Natur zu zeichnen, er lässt uns auch teilhaben an dem Leben der Menschen, die hier in diesem rauen Land zuhause sind. Er unterhält sich mit Jakuten, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wieder ihre Bräuche feiern und ihre Sprache sprechen dürfen, er trifft Rentier- und Pferdezüchter, Nomaden, Walfänger in Uelen, dem äußersten Rand Sibiriens und erfährt auch aus erster Hand, wie sehr sich die Leute von Moskau im Stich gelassen fühlen:

Da ist zu einem die Forscherin, die vergebens auf mehr Geld wartet, damit sie ihre Forschungen weiterführen kann, die Museumsleiterin in Kolyma, die für die Erhaltung des Museums und vor allem an die schreckliche Zeit der Gulags kämpft, ein Überlebender des Gulags- dessen einziges „Verbrechen“ aus sowjetischer Sicht war, das er während des letzten Weltkrieges nicht in deutscher Gefangenschaft starb… dieser fristet nun ein einsames Dasein in Magadan, ohne je staatliche Unterstützung zu bekommen.

Auch wenn Klaus Bednarz von so gut wie allen seiner Interviewpartner zu hören bekommt „Sibirien ist ein Land, das man vergessen hat“ und man sich schon beim Lesen fragt, warum diese Menschen dann nicht einfach wegziehen; ihrer herzlichen Gastfreundschaft und auch zuweilen Lebensfreude, sowie ihrer „Wir-lassen-uns-nicht-unterkriegen“-Haltung, hat das keinen Abbruch getan.

Ich habe dieses Buch regelrecht verschlungen, weil es nicht „nur“ ein trockener Reisebericht ist, nein man hat beim Lesen das Gefühl, dass man selbst im Kettenfahrzeug sitzt, was sich seinen Weg vorwärts bahnt oder man selbst auf Skiern steht, um überhaupt im hüfthohen Schnee voran zukommen.

Auch sehr zu empfehlen ist „Das Kreuz des Nordens“, wo Klaus Bednarz mit derselben Crew das schöne und geschichtsreiche Karelien erkundet.

2.) Erich Maria Remarque- Im Westen nichts Neues

Zugegeben, das Buch hatte mich lange nicht sonderlich interessiert, ebenso wenig Interesse hatte ich für den 1. Weltkrieg, dessen Ursachen und Verlauf.

Erst als mein Interesse für die Kostümgeschichte des 19. Jhd., sowie die damals herrschenden sozialen Sturkturen und Umstände aufflammte, kam ich um das Buch nicht herum. Eigentlich hatte ich mir zuerst „Der Untertan“ zusammen mit meinem Freund angesehen und obwohl das meiner Meinung ein sehenswerter Film ist und mir durchaus klar war, dass um die Jahrhundertwende ein ganz anderer Ton in Deutschland herrschte, so schien mir diese Begeisterung für alles Militärische, dieser Kult um den Kaiser doch ein wenig bedrohlich und befremdlich.

Und dieses Gefühl hatte ich auch beim Lesen von Erich Maria Remarques Werk. Diese anfängliche Kriegebegeisterung und Überzeugung „Weihnachten sind wir wieder daheim“ von Paul Bäumer und seinen Schulkameraden (!) verfliegt schnell- spätestens nach den ersten Wochen an der Front, dem Alltag und Überlebenskampf in den Schützengräben und nicht zuletzt, als die ersten Kameraden fallen.

Ich habe mich beim Lesen immer wieder gefragt: Wieso? Wieso dieses massenhafte Sterben, diese unglaubliche Zerstörung und Gewalt? Warum mussten so viele junge Männer mit Zukunftsplänen auf den Schlachtfeldern jämmerlich krepieren oder wurden zu Krüppeln gemacht? Vor allem in Verdun, wo man monatelang um ein paar Zentimeter (!) des Vorankommens gekämpft hat und dafür mit Zehntausenden Toten bezahlt hat.

Der Tod- auch wenn er alle grausam und schnell traf, oder sie erst nach tagelangem Dahinsiechen in den Lazaretten ereilte; ich empfand ihn beim Lesen als etwas Befreiendes, Tröstliches. Und auch der Protagonist Paul Bäumer stumpft im Laufe des Buches angsichts der Kriegsdauer immer mehr ab, nicht nur aufgrund der Geschehnisse um ihn herum, sondern auch weil seine Kameraden und Bezugspersonen um ihn herum wie die Fliegen sterben. Spätestens beim Fronturlaub in der Heimat, wird ihm klar, dass er nicht mehr das junge Kind vor Kriegsbeginn ist, das er mal war- er wurde erwachsen, abgestumpfter und vielleicht auch ein Stück weit seelisch verkrüppelter.

Denn nicht nur körperlich wurden viele Männer im 1. Weltkrieg verstümmelt, es gibt tausende von Fällen, in denen Soldaten nach ihrer Heimkehr nicht mehr aufhören konnten zu zittern oder zu schreien aufgrund ihrer Eindrücke, dem rund um die Uhr anhaltenden Trommel- und Granatenfeuer. Viele erblindeten während der Gasangriffe oder führten nach dem Krieg ein jämmerliches Dasein als Bettler und nicht wenige begingen an der Front Selbstmord.

Und so hatte der Tod kurz vor Kriegende für Paul Bäumer sicherlich etwas Befreiendes. Hatte man ihn anfangs noch gefürchtet, so glaube ich, dass viele sich ihn zum Ende hin sogar herbeisehnten- das war dann sicherlich die Gewissheit, nicht mehr leiden oder in verschmutzten und überfüllten Lazaretten tagelang dahinzusiechen.

Heutzutage wird zwar überwiegend mit anderen Waffen gekämpft, aber das Sterben und Leiden hat sich nicht verändert, bzw. ist nich angenehmer geworden.

Erich Remarques Buch hat bei mir eine große Fassungslosigkeit hinterlassen, besonders darüber wie leichtsinnig und billigend der Tod von Millionen von Menschen in Kauf genommen wurde, und erst recht darüber das u. a. auch in Deutschland man den Krieg und alles Militärische romantisierte und beschönigte. Viele sahen es als Heldentat an, fürs Vaterland zu kämpfen und besonders die Familienväter spornten ihre Söhne an, sich als Soldat zu melden, wie in der Familie Kipling. Rudyard Kipling, der u. a. das Dschungelbuch geschrieben hat, verfiel nach dem Tod seines Sohnes Jack der 1915 in Loos in tiefe Selbstzweifel und Schuldgefühle. Ihm zu Ehren verfasste er das Gedicht „My boy Jack“ und ließ auf dessen Grabstein meißeln:

„If any question why we died, tell them because our fathers lied“

…ein passenderen Spruch für all die Paul Bäumers, die ihr Leben im 1. Weltkrieg ließen, gibt es meiner Meinung nach nicht.

3.) J.R.R. Tolkien- The Hobbit

Kommen wir nun zu etwas Trivial-Literatur :)  – auch wenn ich diesen Begriff nicht allzu sehr mag. Die Geschichte, wie ich zu diesem Buch kam, ist recht amüsant:

November 2009 zog ich für ein Jahr nach Wales und kam bei einer Familie unter, die ich schon von einem vorhergegangenen Aufenthalt während meines Praktikums kannte. Das Haus, in dem ich wohnte, war riesig- und immer voll mit Leuten. Denn nicht nur die vierköpfige Familie wohnte darin, sondern noch die Großmutter und eine Koreanerin und zwei Studenten aus den Emiraten.

Für jemanden wie mich, der jahrelang allein lebte, war das manchmal zu viel Trubel auf einmal und so zog ich mich meist zurück, um zu lesen. Auch wenn es im Haus sehr viele Bücher gab, so blieb eigentlich nicht viel zum Auswählen für mich: Es gab die Wahl zwischen Kinderbüchern, unzähligen Bibeln (in jedem Zimmer gab es mind. 3) oder kitschigen Liebesromanen.

Bis ich eines Tages in der Küche „The Hobbit“ entdeckte und mir unter den Nagel riss.
Ich hatte bis dato immer Schiss gehabt, Tolkiens Werke auf Englisch zu lesen, weil ich befürchtete, dass es darin nur so vor Wörtern und Begriffen wimmeln würde, die ich dann nicht verstehe :D

Aber genau das Gegenteil war der Fall, für mich ließ sich das Buch sehr gut lesen und besonders froh war ich darüber, dass ich eine Ausgabe vom Hobbit mit Illustrationen erwischt hatte, die das Buch und das Lesen optisch noch einmal verschönerten.

Ich kann gar nicht so genau sagen, was ich so toll am Hobbit fand; war es der Schreibstil, die Erzählweise, die mich in eine andere Welt abtauchen ließ? Denn ich sah beim Lesen Mittelerde, Bruchtal, den Düsterwald und sogar die Trolle, die Bilbo und die Zwerge bedrohten, ganz genau vor mir.

Auch sehr schön finde ich die Liedtexte, denn wer Tolkiens Bücher kennt, der weiß, dass gerne in den Büchern gesungen wird. Demnach bin ich auch sehr gespannt, ob Peter Jackson ein paar der Lieder mit in den Film einbauen wird. :)

Meine Lieblingsstellen im Hobbit sind die Reise durch den Düsterwald, Bilbos Begegnung mit Gollum im Nebelgebirge (ich sage nur: „Riddles in the Dark“) und wie er dann den Ring an sich nahm und das Aufeinandertreffen mit Smaug im einsamen Berg. Ich empfehle darüber hinaus, sich sowohl Herr der Ringe als auch den Hobbit auf Englisch durchzulesen- keine Angst liebe Leute, ihr müsst dafür nicht Anglistik studiert haben, um alles zu verstehen! Denn meiner Meinung nach kommt die Geschichte in Englisch besonders gut zum Tragen, zumal sich für mich viele Begriffe und Orte auf Englisch schöner anhören; wie z. B. Rivendell anstelle Bruchtal, Mirkwood für Düsterwald und Lonely Mountain für Einsamer Berg. Und wer meinen Beitrag von März gelesen hat, der weiß ja, dass ich die englische Sprache in all ihren Facetten liebe :D

Auch wenn viele den Hobbit „nur“ als Vorgeschichte zum eigentlichen Herr der Ringe betrachten, ich hab das nie so empfunden. Klar trifft man bei Herr der Ringe Personen wieder, wie Elrond, Bilbo, Gandalf oder Gollum, aber für mich ist der Hobbit als einzelens Werk überaus gelungen und wunderbar geschrieben.

Als Buch für Kinder würde ich es dennoch nicht betrachten, es sei denn, man versteht unter „Kinder“ auch solche, die schon 13 oder 14 sind.

Jetzt, da ich den Hobbit mehrfach verschlungen habe, bin ich natürlich sehr auf die Verfilmung gespannt und ob vieles dann am Ende so aussehen wird, wie ich es mir vorstelle. Besonders bin ich übrigens auf Smaug gespannt.

Eins wusste ich ebenfalls nach dem Lesen: für den Fall, das jemals ein Zauberer mit zwölf Zwergen im Schlepptau an meine Tür klopfen sollte; ich werde sie nicht hereinlassen :D zumal ich erstens keinen Platz für so viele Gäste habe und ich dann um meine Vorratskammer bangen müsste- Tolkiens Zwerge sind ziemlich hungrige Zeitgenossen…und die besten Tischmanieren haben sie auch nicht.

4.) Alice Sebold- The Lovely Bones

Wieder ein englischsprachiges Buch, das den Weg in meine Top 5 geschafft hat. Und auch ein Buch, bei dem die eine odere Träne floss. Für die, die das Buch nicht kennen sollten (heißt im Deutschen „In meinem Himmel“), hier die Kurzfassung:

Das Buch handelt von Susie Salmon, die von ihrem Nachbar George Harvey vergewaltig und ermodert wird und von ihrem Himmel aus betrachtet, wie das Leben ihrer Familie und besten Freunde nach ihrem Tod weitergebt, bzw. wie es bergab geht.

Von Susies Leiche wird übrigens nichts gefunden… bis auf ihren Ellebogen der nicht weit von dem elterlichen Haus in einem geernteten Maisfeld gefunden wird. Den Rest ihrer Körpers versteckte George Harvey in einem Safe und ließ diesen in einer Senkgrube versinken.

Ihre Famile, insbesondere ihr Vater, kann mit ihrem Tod nicht umgehen und beginnt selbst Nachforschungen anzustellen, zumal er besonders den Nachbarn im Verdacht hat; dummerweise konnte George Harvey nie etwas nachgewiesen werden. Dieser ermordet im Laufe des Buches noch weitere Mädchen, denen Susie ebenfalls in ihrem Himmel begegnet.

Ihr Familie zerbricht schließlich, der Vater schon fast wahnsinnig geworden, die Mutter die die Familie verlässt und fortan in Kalifornien lebt, und auch ihre Freunde versuchen nach Susies Tod, an das vorherige, „normale“ Leben anzuknüpfen.

Und Susie verfolgt jeden dieser Schritte, jede Entwicklung und kann nur von ihrem Himmel aus tatenlos mit ansehen. Besonders trifft sie, dass ihr all das verwehrt wurde, wozu es in ihrem Leben nicht mehr kam, wie z. B.: sich verlieben, heiraten, eine Familie gründen, älter werden.

Mein Eindruck beim Lesen war, dass Susie ihren Himmel durchaus mochte, aber ich bin mir sicher, dass es ihr zu schaffen machte, von ihren Liebsten so getrennt zu sein. Und da hat sich mir beim Lesen auch die Frage gestellt: „Ist es möglich, dass Verstorbene uns auch vermissen?“

Denn ich bin überzeugt, dass, wenn ein Mensch stirbt und begraben wird, die Seele an einem uns noch unbekannten Ort weiterlebt und ich bin mir auch sicher, dass uns geliebte Menschen, die uns genommen wurden, nach wie vor begleiten und uns bei unserem Weiterleben nach ihrem Tod zusehen. Und wer weiß, vielleicht wünschen sich die, die wir verloren haben, manchmal, dass sie zu uns zurück könnten.

Herzergreifend fand ich auch, wie Alice Sebold den Prozess beschrieb, wie Susies Familie immer mehr zerüttete. Ich selbst habe noch keine Kinder, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es das Schlimmste für Eltern ist, ihre Kinder zu verlieren, und dann noch versuchen an ein „normales“ Leben anzuknüpfen… das stelle ich mir schier unmöglich vor. Zum Glück gibt es eine Art Happy End, denn Susies Mutter kehrt zu ihrem Vater und der Familie zurück, und ihre Freunde können ein wieder einigermaßen „normales“ Leben führen- ohne jedoch dabei Susie zu vergessen.

Um zum Abschluss noch einmal auf den Titel zurück zukommen: Ich finde den Originaltitel durchaus logischer, auch wenn er vielleicht ein wenig makaber klingen mag. Hierbei sollte man versuchen „lovely“ nicht mit lieblich zu übersetzen ;) „bones“ steht eher für eine Metapher, die besonders am Ende des Buches deutlich wird:

„These were the lovley bones, that had grown around my absence: the connections- sometimes tenuous, sometimes made a great cost, but often magnificent- that happened after I was gone. And I began to see things in a way that led me hold the world without me in it.“

Dieses Buch kann ich nur wärmstens empfehlen…egal, ob ihr es auf Deutsch oder Englisch lest, und haltet für den Notfall ein paar Taschentücher bereit.

5.) Paulo Coelho- Veronika beschließt zu sterben

Als ich dieses Buch 2003 von meinem Stiefvater in die Hand gedrückt bekommen habe, hatte ich das Gefühl, dass der Zeitpunkt dafür hätte nicht unpassender sein können. Ich hatte mich erst vor ein paar Wochen von meinem damaligen Freund verabschiedet, der „selbst beschlossen hatte“ zu sterben.

Ein Buch, das über Suizid, Leben und Sterben wollen handelt, empfand ich damals eher als Salz in meiner Wunde. Aber vielleich war es auch gar nicht so dumm von meinem Stiefvater, mir dieses Buch zu geben.

Paulo Coelhos Werk verschlang ich geradezu und auf eine seltsame Weise spendete es mir Trost und ließ mich über vieles in meinem Leben nachdenken. Auch über Phasen, in denen es mir selbst nicht gut ging und ich oft dachte „Ha, die anderen wären viel besser dran, wenn es mich nicht gäbe“- gefolgt von später Einsicht und Feststellung, das ich so viel verpasst hätte, so viel für das es sich zu leben lohnt.

Ebenfalls began ich über die Frage „Was ist verrückt, was ist normal?“ nachzudenken. Es war keine eineinhalb Jahre her, als ich auch durch Kleidung begann, meinem Umfeld deutlich zu machen, dass ich nichts von ihren Werten oder Ansichten halte, dass ich- so abgedroschen es klingen mag- anders bin. Und auch anders sein möchte.

Wenn man aber in einer Kleinstadt lebt, wo man das Gefühl hat, jeder kennt jeden, da können schon ein paar häßliche und verletztende Kommentare über dein Aussehen an der Tagesordnung stehen.

Ich fragte mich „Wer ist hier der Verrückte und Normale? Und wer bestimmt das?“ Ist man verrückt, weil man sein Leben so gestalten möchte wie man möchte, sich nichts vorschreiben lassen will und auch nicht auf Kommando fröhlich ist? Letzteres konnte ich übrigens noch nie leiden. Ich konnte schon als Kind nicht verstehen, warum man fröhlich sein soll, wenn man tief im Inneren traurig oder wütend ist.

Und wer sagt, dass Insassen einer Nervenheilanstalt wirklich irre sind? Vielleicht sind es doch die, die außerhalb dieser Anstalt ein Leben fristen? Oder, wie es die Mutter eines ehemaligen Kumpels formulierte „Für mich sind die wahren Irren, die die nicht in einer Nervenheilanstalt leben“.

Aber wenn verrückt sein bedeuetet, dass man sein eigenes Ding durchzieht, hinterfragt, mehr als nur an der Oberfläche kratzt und sich kaum etwas vorschreiben lässt; dann bin ich wohl verrückt. Jedoch nicht gefährlicher als der Otto-Normalverbraucher der BILD liest, mit seinen ebenfalls nicht gerade hellen Kumpels am Stammtisch mit Parolen um sich schmeißt, und sich von Hartz-4-TV tagein tagaus berieseln lässt.

„Veronika beschließt zu sterben“ hat mich nicht nur auf seltsame Weise getröstet, es hat mir auch viel Stoff zum Nachdenken und Diskutieren gegeben. Ein Stück weit fühlte ich mich nach dem Lesen nicht mehr allein mit meinen „verrückten“ Ansichten, auch wenn ich weiß, dass ich mich generell in der Minderheit befinde- was solls. Ich weiß, das es da draußen genug andere „Verrückte“ gibt.

Ich muss gestehen, dass Paulo Colhoes Bücher oft einen Nerv bei mir treffen, sei es „Veronika beschließt zu sterben“ oder „Am Ufer des Rio Piedras saß ich und weinte“ und jedes Mal nach Beendigung der Lektüre stellten sich mir neue Fragen oder spukten neue Gedanken in meinem Kopf herum.

Aber ich bin mir sicher, dass es durchaus die volle Absicht von Coelho war, dem Leser nicht nur ein Buch, sondern auch reichlich Stoff zum Nachdenken zu geben.

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Kommentare

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tobikult
tobikult(@tobikult)
Vor 13 Jahre

Das ist ein sehr schöner und für mich tröstlicher Post. Ich hatte schon Sorge, nur ich würde ungrufftige Bücher vorstellen. Vielen Dank! Und „Veronika beschließt zu sterben“ kommt auf meine Leseliste.

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