Gothic Friday Mai: Schlicht & Schwarz (Svartur Nott)

Svartur Nott, ebenfalls ein Mitglied im „Ältestenrat“ des gotischen Freitags, hat sich zur Beantwortung des aktuellen Gothic Friday ein wenig Zeit gelassen. Möglicherweise mangels Bilder von sich selbst oder der fatalen Selbsteinschätzung, nichts beitragen zu können. Wer kennt das nicht? Glücklicherweise hat er sich durchgerungen und schrieb drauflos.

Das Mai-Thema des Gothic Fridays war dasjenige, bei dem ich bisher am stärksten grübelte. Schreibst du noch was dazu oder lässt du es bleiben, da du eh – im Gegensatz zu den Mitschreibern – so gut wie keine Photos besitzt und die Leser nicht zu Tode langweilen willst? Zweimal habe ich einen Text vorbereitet und zweimal habe ich ihn verworfen. Doch letztlich siegte mein Gewissen (zumindest klang es so) und meinte: „Setz ein Häufchen drauf und schreib endlich drauflos – du hast ja nichts zu verlieren“. Und so folgte ich diesem Ruf.
Wie habe ich mich optisch mit den Jahren verändert? Dazu ein kleiner Rückblick. Vor 6 Jahren habe ich begonnen, mir meine Haare lang wachsen zu lassen, weil ich, der schüchterne und introvertierte Typ in der Ecke, einerseits langsam ein Bewusstsein für mein Äußeres bekommen habe und der Meinung war (und bin), dass lange Haare mir wesentlich besser stehen als kurze. Zugleich waren lange Haare für mich ein Symbol der sich regenden Unangepasstheit, welche im Zuge eklatanten Metal- und Punk-Konsums zum Vorschein kam. Wobei ich mich seinerzeit selbst nie als ein Bestandteil des einen oder anderen gesehen habe, immer nur als Sympathisant. Mit steigendem Anteil von Schwarz-Metall und latenter Misanthropie gegenüber 90% der Menschheit wurde auch die Kleidung langsam schwärzer.

2012 lernte ich während meines Grundstudiums die Schwarze Szene des damaligen Studienortes kennen (siehe Musikbeitrag). Dies war eine neue Welt für mich und ich war einerseits fasziniert von der Musik, andererseits aber auch von der Optik einiger Gäste auf den Veranstaltungen. Ich begann mich in Folge des Erlebnisses insbesondere mit der Musik und ihren Hintergründen zu beschäftigen, wodurch ich natürlich auf diverse Künstler aus dem Goth-/Wave-Umfeld aufmerksam wurde, deren Aussehen ich einfach klasse fand, doch dazu gleich mehr. Nach dem Ende des Studiums und Umzug in eine andere Ecke des Landes im folgenden Jahr ging die Suche weiter und ich beschäftigte mich nun langsam auch mit meinem eigenen Aussehen. Über das Netz stolperte ich immer wieder bei gewissen Künstlern über so toll aufgestellte und verstrubbelte Haare (wie beim Robert Schmitt oder der Susi). Als ich dann eines Nachts – mutmaßlich auf dem Spontis-Blog – Bilder von Haarkreationen der End80er und Anfang90er sah (Krähennester, Türme, Teller, etc.), war es um mich geschehen. Seitdem lassen mich diese Frisuren nicht mehr los und ich freue mich immer total, wenn ich jemanden so rumlaufen sehe. Nachdem mir eine Bekannte gezeigt hat, wie man toupiert, habe ich ab und auch selbst zur Bürste gegriffen. Das folgende Bild ist der Tag nach einer Veranstaltung, da ist der Spaß schon wieder etwas zusammengefallen.

Svartur Nott

Nun, wie gesagt, ich lernte Bands und Künstler diverser Stile kennen und fand Vorbilder, deren Erscheinung mir sehr zusagte und mich inspirierte. Dies wären bspw. Jonny Slut (Specimen), Rozz Williams (Christian Death), Thilo Wolff (Lacrimosa), aber auch Diego Merletti (The Frozen Autumn), Andrew Eldritch (The Sisters Of Mercy), Carl McCoy (Fields Of The Nephilim), Dave Vanian (The Damned), Trevor Barnes (Witching Hour) und William Faith (Faith & The Muse).

Und dabei wären wir schon, wie ich denn gerne aussehen würde, wenn… ja, wenn es da nicht einige Einschränkungen gäbe.

Zum einen bin ich seit Jahren Student und achte sehr stark auf das bisschen Geld, was mir im Monat zur Verfügung steht. Kleidung kaufen, Schmuck, oder ähnliches ist damit seit Jahren nicht drin. Als nächstes kommt, dass ich mich demnächst bewerben werde. Adieu du schöne Studienzeit! Wie schon beim Aprilthema angesprochen, nehme ich mich dahingehend auch zurück und gedenke einen Kompromiss zwischen Umgänglichkeit und Eigenständigkeit zu suchen. Ich habe keinen Bock nur wegen meines Äußeren nicht genommen zu werden und dann bei der ‚Agentur Für Arbeit‘ als Bittsteller zu enden. Nein danke, darauf verzichte ich. Was die Haare betrifft, hatte ich bereits erwähnt, dass ich auch da einen Kompromiss lebe, beziehungsweise anstrebe: Einerseits würde ich mit aufgestellter Pracht vermutlich Probleme bekommen (ist sicher total unseriös) und andererseits sind sie mittlerweile ohnehin ziemlich lang und zu weit über die Haltegrenze vom Toupieren hinaus, ohne es a) ein immenser Aufwand wird und b) zu massivem Haarbruch führt. Gerade dies ist bei mir leider sehr problematisch. Also belasse ich es lieber vorerst bei der langhaarigen Version meiner selbst. Ach, ein generelles Problem, was ich bezüglich Kleidung sehe, ist folgendes: Vieles an Kleidung, was mir gefällt und ich gerne an mir sehen würde, gibt es nicht zu erwerben. Von dem Kram aus Katalogen halte ich nichts und alles selbst zu machen – dafür habe ich leider nicht die Zeit und Fähigkeiten. Dies ist aktuell neben der Knete eine der größten Baustellen… Aber: Kommt Zeit kommt Rat. Ich sehe mich derzeit noch in der Entwicklungsphase, brauche bei manchen Dingen eben einfach etwas länger.

Also, wie würde ich gerne aussehen, wenn ich es könnte: Im Prinzip wie William Faith von Faith And The Muse wie auf diesem Bild, wobei ich da eine große Ähnlichkeit zwischen ihm und mir sehe. Lange, toupierte Haare, ein weites Oberteil, ein die Körpergröße betonendes Unterteil… und spitze Schuhe. Das mit dem Anmalen, nun ja, da habe ich nicht so das Händchen und lass es daher einfach bleiben. Eine Alternative gibt Trevor Barnes von der Band „Witching Hour“, (siehe hier im Video), daran versuche ich mich ebenfalls ein wenig zu orientieren. Natürlich muss man immer sehen, was zu einem passt, und was nicht. Und da bin ich Realist und sage mir beispielsweise: „nein, als Deathrocker/Batcaver kannst du nicht rumlaufen, das passt (optisch) nicht“ – auch wenn ich diesen Stil echt mag. Tja, bis ich meinen Wunsch-Stil gefunden habe, bleibe ich erst einmal beim schlichten Schwarz mit ohne viel Schnickschnack und beschreite weiter meinen Weg.

So kommen wir zum letzten Abschnitt und zur Gretchenfrage: Ist das Styling wichtig?

Zumindest in meinen Augen war/ist es immanenter Bestandteil der Wave/Gothic-Szene. Hier hat der Kleidungsstil und das Aussehen eine Aussage und Funktion: Abgrenzung gegenüber den Marionetten der Spaßgesellschaft, Zeigen und Ausleben der Individualität, zudem aber auch Erkennungsmerkmal. Für mich selbst nimmt dabei der Abgrenzungsaspekt nach wie vor eine tragende Rolle ein, unabhängig davon, welche Musik ich höre oder welcher (Sub-)Subkultur ich mich zuordnen lasse. Und das wird sich auch nicht ändern.

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Robert
Robert(@robert-forst)
Admin
Vor 8 Jahre

Verrückte Welt. Wie oft habe ich mich in studentische Verhältnisse gewünscht, in denen ich mich äußerlich so ausleben könnte, wie ich mir das vorstelle. Und dann scheitert es offensichtlich an genau den gleichen Dingen, die auch bei mir eine Rolle spielen. Wo ist denn nur unsere Rebellion geblieben?

Die FAZ schreibt:

Strebsam, pragmatisch und fast schon überangepasst: Noch nie seit der Nachkriegszeit ist die Jugend in Deutschland so wenig rebellisch wie heute gewesen. Das ist ein Hauptergebnis der neuen Sinus-Jugendstudie, die Sozialwissenschaftler am Dienstag in Berlin vorstellten.

Bist Du also einer der Überangepassten und Strebsamen? Oder einfach nur ein Realist?

Svartur Nott
Svartur Nott (@guest_52410)
Vor 8 Jahre

Natürlich kann man sich während des Studiums ausleben, wie man es möchte. Aber dies bedarf entsprechender Voraussetzungen, insbesondere vonseiten der Finanzen. Denn das Leben in dieser Welt kostet Zeit und leider vor allem Geld. Für mich war von Beginn an klar, dass die Studentenzeit eine Durststrecke sein wird, was materielle Wünsche jeglicher Art angeht. Äußerlich lebe ich mich trotzdem aus – im Vergleich zu meinen Mitmenschen aktuell nur eben in abgespeckter und schlichter Version ;)

Tja, und was bin ich nun? Rebell? Vielleicht. Das dürfen andere Menschen entscheiden. Ich sehe mich als realistischen und zuweilen ideell ernüchterten Nonkonformist, der sein Drumherum beobachtet und sich seine Meinung selbst bildet, diese vertritt und nicht anderen Menschen und ihren Worten ohne Nachzudenken hinterherrennt. Und aus dieser Sichtweise habe ich dementsprechend grundsätzlich ein Problem mit solchen Menschen, die brav Ja und Amen sagen und mit dem Strom schwimmen.
Was die ausbleibende Rebellion der Jugendlichen, aber auch der Erwachsenen (und vermeintlich erfahreneren Menschen) betrifft, halte ich das für ein Trauerspiel, aber den Geist dieser Zeit. Digitale und herkömmliche Massenmedien beherrschen den Meinungsmarkt, können Stimmung machen oder Ablenken. Die Probleme sind divers und komplex, sodass allein aus letztem Grund viele Menschen gar keine Lust haben, sich damit zu beschäftigen. Und allein die Masse erschlägt Otto-Normalverbraucher ja auch. Dann doch lieber in aller Ruhe nach nem harten Arbeitstag das Feierabendbier beim Fussball genießen und abschalten oder andernfalls Party machen. Und es gäbe noch so einige Gründe, welche ich als Verursacher oder Beiträger dieses Problems sehe, diesem Blog aber ersparen möchte. Mich verwundert diese Tendenz der Sinusstudie daher nicht (diese selbst ist mit Vorsicht zu betrachten), sondern kotzt mich nur schlicht an.

Flederflausch
Flederflausch(@flederflausch)
Vor 8 Jahre

Meiner Erfahrung nach gibt es Zeiten im Leben – zu denen eben auch die Studienzeit gehört – da gibt es mehr oder weniger ausgeprägt zwei Zustände: Man hat Zeit und Freiheit – aber kein Geld oder man hat Geld – aber keine Zeit und manchmal auch keine Freiheit.

Was die ausbleibende Rebellion der Jugendlichen, aber auch der Erwachsenen (und vermeintlich erfahreneren Menschen) betrifft, halte ich das für ein Trauerspiel, aber den Geist dieser Zeit.

*Achtung dieser Teil beinhaltet einen Großteil soziologischem Bla*
Es ist ein elementarer Bestandteil der Jugend sich abzugrenzen und zu rebellieren. Psychologen und Entwicklungsforscher sprechen in diesem Zusammenhang sogar von einer „Abgrenzungspflicht“ (zumindest gegen über der eigenen Eltern). In Anbetracht der momentanen Zustände („vermeintliche Bedrohnung“ von außen (ISIS, Boko Haram, Anschlagsgefahr), zunehmende Ausländerfeindlichkeit im inneren, erodierende Verhältnisse und Freiheiten (vielmals prekäre Beschäftigungsverhältnisse für junge Leute, Familiengründung als Risiko, abnehmende Gesundheitsversorgung, Alter als zunehmend prekäre Phase und die Tatsache, dass es „unserer Generation“ (Jugend und junge Erwachsene) einmal mit großer Wahrscheinichkeit nicht mehr besser gehen wird als unseren Eltern) verbunden damit, dass viele Erwachsene ja mindesten genauso verrückt sind, wie die eigentiche Jugend und vieles erlaubt ist und damit kein Elemten der Rebellion mehr) verwundert mich das auch irgenwie gar nicht so, dass die Jugend so ist, wie sie ist. Die Privilegien und Freiheiten werden sicher teilweise auch als gegeben genommen undes nicht mehr für notwendig empfunden dafür zu „kämpfen“.

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