Gothic Friday März: Vom Auftauchen und Verschwinden (Rena)

Sie behauptet, völlig unkompliziert zu sein und wie ein Geist aus der Nebel aufzutauchen. Egal wie kompliziert sich Rena jedoch gibt und wie lange sie auch in der Versenkung verschwunden war, ich freue mich ihren Beitrag zum Gothic-Friday im März präsentieren zu dürfen. Auch wenn (oder vielleicht gerade weil) sie sich nicht an vorgegebene Maßstäbe hat, erfahren wir viel über ihren Musikgeschmack.

Meine musikalische Historie passt wahrscheinlich gar nicht in euer Konzept und ich halte mich mal wieder an keine Vorgabe und Regel, beim Schreiben muss ich die Worte einfach fließen lassen. Und wahrscheinlich schreibe ich das mehr für mich als für potenzielle Leser.

Ich bin kein Musik Connaisseur und auch das Fan-Gen fehlt mir gänzlich, man könnte mir auch eine gewisse Treulosigkeit in Musik- Angelegenheiten nachsagen, denn es kann gut sein, das mich zwei, drei Alben einer Band begeistern und ich mich danach aber wieder etwas Neuem zuwende.
Trotz dessen hat Musik eine große Bedeutung für mich und den ausschlaggebenden Grund diesen Text zu verfassen war ein Ereignis vor ein paar Tagen: ich lag in den Armen meines Exfreundes auf dem Sofa, das Fenster haben wir geöffnet und uns in eine warme Decke gewickelt um die Mondsichel betrachten zu können, während wir geraucht und New Model Army gehört haben. Schon sehr lange habe ich nicht mehr so bewusst und intensiv diese Lieder gehört und als dann „Living in the Rose“ lief, kullerten die Krokodilstränen und mehr als zwanzig Jahre zogen wie eine Projektion auf den Mond an mir vorbei.

Meine ersten musikalischen Erinnerungen gelten den Bangles und Kyle Minogue, durchzogen mit Werbejingels und der Falcon Crest sowie der Denver Clan Melodie, da war ich ungefähr vier Jahre alt. Später folgten Klaviermusik die ich aus dem Ballett kannte. Als es dann mit Beginn des Gymnasiums auch in die Eisdisco ging, fand ich Euro Dance kurz mal janz dufte.

Als Pre- Pupertierling begann in mir etwas tiefes, melancholisches Dunkles zu wachsen, ich wusste schon das das Leben kein Ponyhof war, wunderte mich aber das alle Welt so tat, oder tun wollte, als sei alles ein fröhlicher Werbespot! So ein Denken und Handeln fing an mich abzustoßen und ich sehnte mich nach etwas in dem ich mich wiederfinden konnte; Kommerz-Heiti-Teiti-Musik, könnte das nicht! Viele Menschen kreuzten bereits meinen Weg, die eine Weile da waren, die dann wieder weg waren und die auch dann und wann ihre musikalischen Spuren hinterließen. Doch habe ich einen sehr ausgeprägten eigenen Kopf, so ist meine Musikwahl zum allergrößten Teil auf meinem eigenen Mist gewachsen. Oft schon wehre ich mich fast dagegen in einer Beziehung oder Freundschaft die Präferenzen des Anderen anzunehmen/ zu übernehmen, als würde es meine musikalische Integrität stürzen wenn ich nicht von selbst auf eine Band gestoßen bin.

Dann so mit zehn, elf, zwölf, begegnete mir endlich Musik, die es vermochte, diese akustische Sehnsucht zu stillen. Ich entdeckte den ganzen Grunge-Kram (zugegebenermaßen war das Musik, die durchaus damals recht populär war und einen gewissen Kommerz Faktor hatte), ich stieß zum Beispiel auf die Smashing Pumpkins (während eines Schulausflugs habe ich die ganze „Siamese Dreams“ rauf und runter geträllert), P.J. Harvey (die eine zeit lang so was wie eine Ikone für mich war) und auch New Model Army; alles traf mich auf eine gewisse Weise aber ich glaube New Model Army war die Musik, die etwas in mir bewegte wie Musik nie zuvor. Eine ganze Weile hörte ich mich durch alles was ich bekommen konnte. Habe mich Stunde um Stunde in der Musik verloren.

Als ich dann die „Pornography“ von the Cure für mich entdeckte war ich geflasht! Alles was ich von The Cure bisher kannte, war mir zu „fröhlich“ oder zu poppig, doch dieses Album traf meinen Nerv zu der Zeit hundertprozentig! Das Dunkle in mir breitete sich weiter aus und auch das Bedürfnis nach dementsprechender Musik wurde größer! Ich kann jetzt nicht Stein und Bein auf chronologische Korrektheit schwören und gut möglich das mir das ein oder andere Techtelmechtel entfallen ist (absichtlich?!).

Es kamen Bands wie Deine Lakaien dazu (konnte es mir als Teenie natürlich nicht nehmen lassen Musik in voller Lautstärke zu hören; so kam es, dass meine Mutter sich total in Alexander Veljanovs Stimme verliebte! Jahre später lud ich sie aufgrund dessen auf ein Deine Lakaien Konzert ein, sowie auf ein Veljanov Solo- Konzert, obwohl ich selbst gar nicht so ne Lust drauf hatte; aber sie schwärmt heute noch davon!) , Qntal und Estampie, waren dann sowas wie Folgeerscheinungen, Ataraxia kreuzten meinen Weg da sie ein Rilke Gedicht vertont haben.

Dead Can Dance habe ich zu der Zeit auch für mich entdeckt. Die Musik die wie aus der Zeit, aus der Welt gefallen schien. So wie auch ich mich fühlte. Und so erlebte ich manch einen großartigen, ich möchte fast schon sagen tranceähnlichen, Zustand beim hören und tanzen. Außerdem tummelte ich mich gerne auf 80er Pop und Wave und NDW-Parties. Ich konnte mich mit der Musik aus meinem Geburtsjahrzehnt viel besser identifizieren als mit vielem was damals aktuell war. Grauzone, Malaria, und X-Mal Deutschland gefielen mir. Mit Bands wie Beispielsweise Lacrimosa oder Goethes Erben hingegen konnte ich null Komma null anfangen.

Noch zwei wichtige Meilensteine aus dieser Zeit möchte ich erwähnen. Zum einen entdeckte ich in der Stadtbücherei zufällig den Electrocity Sampler, ich glaube Nummer 1 und 2! Stadtbücherei was für ein doofer, uncooler Ort um Musik zu entdecken, aber das war für mich sowas wie eine Offenbarung. Ich konnte sie von vorne bis hinten durchhören und soweit ich mich erinnern kann war fast jedes Lied ein Volltreffer. Seitdem gehört „The last Song“ von Trisomie 21, die ich auf dieser CD entdeckte zu meinen ewigen Lieblingsliedern. Eine ganz intensive Erinnerung habe ich auch an eine warme unbekümmerte Sommernacht, in der ich nach langer Abstinez dieses Lied für mich wiederentdeckte. Wir hörten es die ganze Nacht in der WG eines Freundes, abwechselnd mit Songs vom Drive Soundtrack da wir uns zuvor den Film angeguckt hatten. Diese Nacht so unspektakulär sie auch war, ein Moment für die Ewigkeit!

Last but not least, muss selbstverständlich auch noch Depeche Mode erwähnt werden. Spätestens nachdem ich mit einem Freund die 101 Konzert-Doku gesehen habe war ich Feuer und Flamme. Und ich kann mich gut erinnern wie ich während eines Fahrradausflugs in Südfrankreich die ganze Zeit „But not tonight“ vor mich hin geträllert habe.

Die Schulzeit ging zu Ende und es stellten sich einige Veränderungen ein. Ein Freund mit dem ich auch auf dunklen Parties unterwegs war, hatte sein Schwules Outing. Von nun an trieb ich mich auch öfter in der Queer-Szene herum und auf diesem Parties lief meist Techno oder House. Wenn ich das so schreibe, hört sich das nach einem krassen Bruch an, war es auch. Es begann eben eine neue Zeit für mich. Zuhause hörte ich interessanterweise Hamburger Schule (Zimtfisch und Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs mochte ich zum Beispiel, aber ich glaube das waren Berliner Bands?), Trip Hop, oder elektronische Musik a la Fischerspooner. Ein ziemliches Durcheinander, wie es scheint, doch für mich machte alles auf eine Art Sinn und war schlüssig. So sind viele Texte von Hamburger Schule Liedern nachdenklich und melancholisch und bei einem meiner damaligen Lieblingslieder von Massive Attack, „Teardrop“ singt Elisabeth Fraser von den Cocteau Twins und der Kreis schließt sich wieder. Es folgten Radiohead, Muse, Franz Ferdinand, Placebo, Kings of Convienience, Chili Gonzales, Feist, the Knife, Grimes, und und und.

Die Rückkehr nach vielen Jahren

Die Sehnsucht und das Bedürfnis nach dem Gefühl was ich beim Hören von Musik früher hatte, führten mich letztlich wieder in dunkle Clubs und ich entdeckte Musik, die ich damals verschmäht oder nicht gekannt hatte, sowie auch ganz neue Sachen: Lebanon Hanover, Black Marble, Joy Division, Velvet Condom, Soft Moon, Chameleons, Pink Turns Blue
Doch lange ist der Prozess nicht abgeschlossen und so suche ich weiter nach neuem das mich begeistert (auch wenn es schon alt ist) oder etwas das vollkommen anders ist aber trotzdem an die altbekannten Gefühle anknüpft. Musik kann ein Verstärker sein, wobei mich auch düstere Musik in positive Stimmung versetzen kann und mich fröhliche Musik auch schon mal gereizt machen kann!

Auch wenn in den meisten Sachen, die ich gerne höre, auch Texte und Gesang eine Rolle spielen, funktioniert sie für mich auch als nonverbale Kommunikation; Musik kann sagen was Worte allein nicht schaffen, Musik kann in Orte in einem eindringen, die man sonst verbirgt, oder sie kann gänzlich neue Orte erschaffen, auch eine Art Refugium sein.

Ich hatte Phasen in meinem Leben in denen ich absolut keine Musik hören konnte, sie ist einfach aus meinem Leben verschwunden. Gerade weil sie mir so wichtig ist, ich kein „Easy-Listening“ mag, das immer und überall als Hintergrund- Gedudel funktioniert! Ich wollte nicht das die Musik Emotionen in mir weckt, die zu intensiv waren. Oder es war einfach an der Zeit für Stille. Um sich dann wieder zu resetten.

Jetzt könnte der Eindruck entstehen das ich ein Trauerkloß sei, ich bin im Moment zugegebenermaßen reichlich sentimental (aus aktuellem Anlass…), aaaaber vor allen Dingen, ist Musik für mich Ausdruck von Lebenslust, und Freude!!! Wenn man vor Glück sprüht und gar nicht anders kann als drauflos zu tanzen! Tanzen, tanzen, tanzen, sich selig und wohlig oder auch aufgepeitscht und angeheizt in Klängen suhlen! Tanzen ist eigentlich sowas wie „liebemachen“ mit der Musik. In diesem Sinne beende ich meine kleine und bei Weitem nicht vollständige akustische Biografie.

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Rob
Rob (@guest_51932)
Vor 8 Jahre

Das du dich mit Musik viel eher identifizieren kannst in der du geboren bist als mit dem, was damals aktuell war, damit kann ich mich auch identifizieren :)

Tanzfledermaus
Tanzfledermaus(@caroele74)
Vor 8 Jahre

Doch habe ich einen sehr ausgeprägten eigenen Kopf, so ist meine Musikwahl zum allergrößten Teil auf meinem eigenen Mist gewachsen. Oft schon wehre ich mich fast dagegen in einer Beziehung oder Freundschaft die Präferenzen des Anderen anzunehmen/ zu übernehmen, als würde es meine musikalische Integrität stürzen wenn ich nicht von selbst auf eine Band gestoßen bin.

Genauso denkt ein guter Freund von mir auch, was ich eigentlich sehr schade finde. Gerade dadurch, dass „unsere“ Szenemusik nicht überall läuft und einige Bands ihre Bekanntheit vor allem durch „Mundpropaganda“ verbreiten, sofern sie nicht in Diskos laufen oder in Szenemagazinen vorgestellt werden. Es macht doch gerade Freude, die entdeckten „Perlen“ mit jemandem zu teilen, sich auszutauschen und gegenseitig zu inspirieren. Eine tolle neue musikalische Entdeckung teile ich gerne und ich freue mich, wenn jemand meinen Geschmack kennt und mich wiederum ebenfalls mit neuem Ohrfutter versorgt. Daher kann ich es nicht wirklich nachvollziehen, wenn jemand an diesem Austausch keine oder wenig Freude empfindet. Es hat ja scheinbar nicht mal was damit zu tun, dass man die eigeen Entdeckungen nicht teilen und für sich behalten möchte. Nein, bei Dir und meinem Freund scheint es ja eher so zu laufen, als würde es einem die Freude an der Musik verleiden, wenn man nicht selbst auf diese gestoßen ist… warum eigentlich? Radiosendungen, Internet, Diskos und Musikmagazine machen doch auch nichts anderes, als Musik zu präsentieren. Da ist es doch eher noch schön, wenn die Quelle privater, persönlicher Natur ist, jemand sich daran erfreut, einem anderen eine schöne neue Entdeckung mitzuTEILEN.

Gruftfrosch
Gruftfrosch(@gruftfrosch)
Vor 8 Jahre

Danke Tanzfledermaus, das sehe ich genauso. Das ist auch ein Grund, warum ich mich über dieses GF-Thema besonders gefreut habe. Nämlich Musik zu teilen und Tipps zu bekommen, was wiederum den eigenen Horizont erweitert. Was gäbe es Besseres?

A Propos: Massive Attack mit Teardrop hat mir damals auch sehr gefallen. Groteskerweise lernte ich es durch einen Werbespot kennen.

…und weil wir grad bei Elizabeth Fraser sind gleich noch diese und diese Perle aus ihrer Cocteau Twins – Zeit

Ach herrlich…

Rena
Rena(@normanormal)
Vor 8 Jahre

Liebe Tanzfledermaus,
Man kann sich mit seinen Marotten manchmal selbst im Wege stehen! Ich weiß nicht was die Gründe bei deinem guten Freund sind, bei mir ist es manchmal vielleicht falscher Stolz. In erster Linie bezieht sich das auf Liebesbeziehungen, da habe ich das Händchen Männer an meiner Seite zu haben, die von sich glauben die musikalische Kompetenz für sich gepachtet zu haben. Und da ich Zucht – Gockelhaftes Verhalten ungern unterstütze bin ich dann schon mal stur ( manchmal höre ich dann “ heimlich“ seine Musik ; ) )
In Freundschaften ist das etwas lockerer, da tausche ich mich sehr gerne aus, vor allem versuche ich Freunde von “ meiner“ Musik zu begeistern, was manchmal gelingt (ich glaube sogar in Freundschaften selbst der Musik- Diktator zu sein…) Oft haben meine guten Freunde aber andere musikalische Vorlieben und da bin ich dann froh, das ich mich nicht so leicht beeinflussen lasse!
Du hast recht, sich auszutauschen ist was tolles, deshalb schreibe ich auch hier und so würde mich brennend interessieren ob noch andere das Phänomen der Musikabstinenz kennen…ich glaube die längste Phase hat bei mir fast ein Jahr gedauert!!!

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