Absurd – so schrieb mir Dennis in seiner Facebook-Nachricht zur Fertigstellung seines Beitrags – das er während er noch beim Kommentieren zu anderen Festival-Beiträgen auf seinem anderen Monitor einen Tiefsee-Expidition schaut, in der es um AMPHIpoden geht. Er schreibt mir: „Gibt mir das fliegende Spaghettimonster ein Zeichen, oder hat es nur einen schrägen Humor?“ Möglicherweise wagt sich Dennis ja auf das nächste große Festival, doch zunächst Dennis Beitrag zum Gothic Friday im Juni.
Es hätte in diesem Jahr mein zehntes WGT sein können, wenn ich zwischendurch nicht unbegreiflicherweise zwei Jahre Pause gemacht hätte. Schon das ist also ein guter Grund, zurückzuschauen auf die wunderbare Zeit, die ich dort verbracht habe.
Früher waren meine Festivals viel, viel kleiner. Beim Lißberger Bordun-Festival in der Burgruine gab es zwei Bühnen, selten gleichzeitig genutzt, und eine Tanzfläche. Auf das größere Fest in Rudolstadt habe ich mich nicht recht getraut, zu unübersichtlich und hektisch schien es mir. EineD ganze Kleinstadt!
Und dann landete ich 2007 zum ersten Mal auf dem WGT und hielt fassungslos die schwindelerregende Liste der Konzerte, Events und Ausstellungen mit dem Stadtplan in den Händen. Unmöglich! Nirgendwo kann man so viele tolle Dinge gleichzeitig verpassen wie auf dem Wave-Gotik-Treffen in Leipzig. Ich hatte mich von Freunden mitschleppen lassen, und so viel mir auch entgangen ist, es war ein großartiges Fest mit wunderbaren Erlebnissen. Ein bisschen hektisch war es, wenn ich mich recht entsinne. Wenn mir die Bahn nicht schnell genug schien, bin ich mit dem Autor durch Leipzig gefahren, nur um nichts zu versäumen. Das Treffen hatte mich angefüttert – ich wollte wieder kommen!
Im zweiten Jahr schon machte ich die Entdeckung, die das WGT für mich verändern sollte. Es war an der Parkbühne, ich hatte mich mit meinen Freunden Hexe und Schatten auf der Wiese niedergelassen und nebenan hatte eine Gruppe ein Picknick aufgebaut: mit dunklen Decken, Kerzenständern, Gebäckschalen. Und da hing ein Zettel: Montagabend, Chillout-Party in der Bornaischen Straße. Ja, warum nicht? So landeten wir dann bei der blauen Stunde, es muss wohl die zweite Abschlussnacht gewesen sein, damals noch ein Geheimtipp, es waren nur wenige Gäste anwesend, aber alles war ungeheuer stimmungsvoll. Im Kerzenschein, mit der Feuertonne im Hof und der schwebenden Musik auf der kleinen Tanzfläche. Es stand fest: hier muss ich wieder hin!
Seither ist sind die Blauen Stunden die Fixpunkte meiner WGT-Planung: Der Eröffnungstanz auf der Wiese, das Picknick mit Musik und die wunderbare Abschlussnacht, bei der immer wieder viel zu früh die Sonne aufgeht. Und seit einige Jahren ist noch ein unverrückbarer Punkt hinzugekommen: unser Familientreffen! Die Eröffnungsnacht im Park der Blauen Stunde ist übrigens das große Vorbild für den Bal des Corneilles in Offenbach, der, wenn die Wettergötter gnädig sind, im Juli zum dritten Mal stattfinden wird.
Trotzdem hatte ich noch eine ganze Weile versucht, möglichst viele Events mitzunehmen, meinen Tag sorgfältig geplant und berechnet, wie lange vor dem Ende eines Konzerts ich aufbrechen musste, um vom nächsten wichtigen Programmpunkt anderswo möglichst wenig zu versäumen. Heute lasse ich mich viel mehr treiben, picke mir beim Frühstück die Bands zusammen, die ich nicht versäumen möchte. Dann bleibe ich gerne an einem Ort, höre mir die Gruppen davor und danach an, und finde so immer wieder überraschend gutes. Oder alles kommt ganz anders und ich folge Freunden zu Veranstaltungen, mit denen ich gar nicht gerechnet habe. Nur zum Tanzen, das ist eine traurige Konstante, komme ich immer weniger.
In den ersten Jahren konnte ich noch unbeschwert die Nächte durchtanzen! Heute treffe ich so viele Bekannte, so viele lange nicht gesehene Freunde, so viele spannende Leute, dass dazu kaum noch Zeit bleibt. So kommt jedes Mal etwas ganz anderes heraus. Das Riesenangebot des Festes, das offizielle so wie die ganze Fülle, die darum gewachsen ist, fühlt sich an wie ein großer Haufen bunter Legosteine, verwirrend, unmöglich alle zu verbauen. Und dann entsteht eine neue, kleine Figur, immer überraschend, immer anders und immer neu.
Merke: Es ist wichtig, einen WGT-Tag sorgfältig zu planen. Dann kennt man zumindest schon eine Version, wie es nicht werden wird.
Seit Jahren überlege ich immer wieder, ob ich es nicht endlich mal ohne Bändchen probieren soll. Ursprünglich lagen diesem Gedanken die fragwürdigen Symbole der Eintrittskarten zu Grunde, aber nun ist es eher die Frage, wie wichtig mir die Konzerte im Verhältnis zum Ticketpreis sind. Und es gibt ja so viel drumherum, so viele freie Veranstaltungen, dass auch so keine Langeweile aufkommen würde. Vielleicht würde es sogar entspannter, ohne Stundenplan und den Druck, dass sich das teure Bändchen am Ende doch rentieren muss. Und wenn ich mich dann fast durchgerungen habe, taucht doch wieder eine Band auf, die ich nicht verpassen darf. Nächstes Jahr…
Auf jeden Fall versuche ich, wenn irgend möglich einige Tage vor dem großen Fest nach Leipzig zu reisen. Ich genieße es dann, Freunde in Ruhe zu treffen statt in Hektik zwischen den Konzerten, die Stadt und die Elster-Auen zu erwandern, im Café zu sitzen und zu schreiben und zu träumen und zuzusehen, wie die Stadt sich langsam schwarz färbt…
Ich freue mich schon wieder darauf, und ich möchte kein WGT mehr verpassen! So, welche Fragen muss ich noch beantworten? Ach ja, meine besten Konzerterlebnisse!
Beim ersten mal war das wohl Coppelius, zum ersten Mal gehört, mit der schrillen Bühnenshow, es war eine großartige Überraschung – mal wieder einem Freund geschuldet, dem wir einfach gefolgt waren. Wunderbar war, vor drei Jahren, glaube ich, Lambda im Bestattungsinstitut.
Diesmal war es eindeutig Saeldes Sanc im Schauspielhaus, schon wieder, zum dritten Mal. Das erste Mal hatte ich sie vor zwei Jahren in der Peterskirche gehört, wunderbar neu interpretierte mittelalterliche und alte Musik mit dem herrlichen Gesang von Hannah Wagner. Dabei war ich eigentlich nur dem Namen Ernst Horn gefolgt – doch der spielte einfach Klavier und überließ Hannah die Bühne. Das Konzert in diesem Jahr war wohl das beste der drei, aber am bewegendsten fand ich es im vergangenen Jahr im Lindenfels Westflügel. Es war die herrliche Musik, der wunderbare, alte, verfallene Ballsaal, und es muss wohl eine melancholische Grundstimmung hinzugekommen sein, jedenfalls habe ich in diesem Konzert geweint vor Freude. Ein unvergessliches Erlebnis! Und ob es noch andere schwarze Festivals in meinem Universum gibt? Derzeit nicht. All die kleinen Festivals mit nur zwei Bühnen, einem übersichtlichen Programm auf einem beschränkten Gelände – was soll ich da?
Danke Dennis für diese Einblicke.
Ich glaube du weißt, dass ich dich gerade deshalb so mag, weil du dich so begeistern kannst.
Hat man hier wieder besonders gemerkt.
Aber, dass mit dem Tanzen muss sich ändern^^
Gerade dort ist es doch am entspanntesten und schönsten.
Das trifft es genau… und genau deswegen liebe ich das WGT… Dein WGT Beitrag erfasst ziemlich exakt, wie auch ich das WGT empfinde. Und ich finde, Kathi hat Recht, deine Begeisterung ist lesbar :)
Dieses Jahr hatte ich durch einen unvorhergesehenen Zufall 4 Tage Zeit, das WGT zu genießen. Die Mehrzeit fiel zugunsten des Treffen-Aspektes aus. Sich länger vor und nach dem WGT in Leipzig aufzuhalten macht also wirklich Sinn. Sollte es im nächsten Jahr klappen, würde ich sehr gern mal zur Blauen Stunde gehen.
Das mit dem Tanzen gestaltet sich für mich ähnlich schwierig. Ein Punkt, der bei mir auch immer definitiv zu kurz kommt, weil wir die passende Location dafür noch nicht gefunden haben.
Warum sind kleine Festivals nichts für Dich? Ich mag so kleine Undergroundige-Festivals sehr gern. Wäre der Weg nicht so weit und hätte ich mehr Urlaub im Jahr zur Verfügung gibt’s da einige, die mich noch interessieren würden. zB das Prophecy Fest, oder das Bats and Owls…
Ich und kleine Festivals? Ich dachte, die Ironie in meinem Festival-Bogen würde rüberkommen … Doch, ich muss sie endlich wieder ausprobieren!
Dennis, du gehörst fest zu meinen Festivalerlebnissen. Du wirkst inmitten der schwarzen Gleichgesinnten immer so angenehm entrückt. Als würdest du als Glückseeligkeits-Kugel über dem ganzen schweben und alles in Dich aufsaugen, was um Dich herum passiert. Ich glaube dafür – und für Deine Treue als Besucher und Leser – mag ich Dich besonders.
Eine entrückte, schwebende, aufsaugende Kugel … ok … also das glückselig sein fällt auf dem Familientreffen immerhin leicht, am Schweben muss ich noch üben … wobei mich das an eine Romanfigur aus meiner gerade fertiggestellten Geschichte erinnert … verlockend …