Gothic Friday Juli: Beton und Sehnsucht, Himmel und Meer (Rena)

Es gibt zwei Dinge, die mich beim Umsetzen von Rena’s Einsendung zum Gothic Friday im Juli beschäftigt haben. Erstens: Wie heißt die ominöse Stadt, in die es Rena immer wieder zurück zieht? Eine Großstadt, aber nicht so richtig groß, es gibt eine U-Bahn und offensichtlich bewohnbare Hinterhöfe. Ist es Berlin? Und ist Berlin dann doch keine ganz so große Großstadt? Vielleicht ein Vorort von Berlin? Auch die Analyse der Bilder brachte mich nicht weiter. Das lag möglicherweise auch daran, dass mir – wir sind bei zweitens – ein Song der Broilers, den ich für mich sehr passend finde, gerne auch mit Rena und all den anderen „Stadtpflanzen“ da draußen teilen würde. Es scheint, als würden wir in Sachen Beton ein wenig gleich ticken. 

Was für ein wunderbares Thema, und bei mir sprudeln die Gedanken und inneren Bilder, was es allerdings nicht einfacher macht sie schriftlich zu fixieren; zumal ich schon so viele tolle Beiträge gelesen habe.

Ich steh auf Beton

Meist zieht es einen genau dahin, wo man gerade nicht ist, und sehnt sich nach dem was man gerade nicht hat. Hat man Ruhe, will man Trubel, ist alles hektisch und stressig will man nur Ruhe. Normalerweise würde ich mich eher als Stadtpflanze bezeichnen. Ich mag es, mitten im Geschehen zu leben, mag es aus dem Haus zu stolpern und im (Stadt-)Leben zu sein. Aus vielen Angeboten wählen zu können, auch wenn man sich dann doch dafür entscheidet, es sich zuhause gemütlich zu machen. Und so ist die Großstadt, in der ich seit mehr als zehn Jahren lebe, einer meiner Lieblingsorte. Sie ist nicht unbedingt schön, aber für mich hat sie ein Flair das ich sehr schätze. In Kleinstädten bekomme ich manchmal ein Gefühl von Enge, fast schon Schnappatmung. Meine Stadt ist, wie ich finde, nicht zu groß um sich verloren zu fühlen, aber groß genug um sich auch mal zu verlieren und treiben zu lassen. Direkt bei mir um die Ecke wohnt ein enger Freund und auch ein Park ist ein paar Strassen weiter, in dem wir uns regelmäßig mit Freunden treffen. Denn Menschen sind ein wichtiger Faktor um einen Ort zu einem Wohlfühlort zu machen. Klar, manchmal kann es in der City schon trist sein, vor allem wenn es tagelang regnet, doch auch diese städtische Tristesse, hat etwas das mir gefällt.

Hinterhof mit Wölkchen am Himmel
Ich liebe es, die Häuserschluchten hinauf zu sehen und in den Himmel zu gucken.

Überhaupt darf es auch mal dreckig und zwielichtig sein: Altbaualleen und schöne alte Bauwerke sind toll, aber ich kann auch Betonfassaden, abgetanzten Ecken und Industrieruinen etwas abgewinnen. Ich liebe es, die Häuserschluchten hinauf zu sehen und in den Himmel zu gucken. Nachts im Sommer, vor allem nachdem es geregnet hat, fast allein auf den nassen Strassen von einer Party nachhause zu gehen, finde ich einfach schön. (Dabei muss ich immer an ein Lied von Fever Ray denken „Keep the streets empty„). Allerdings muss man an Wochenenden manchmal Kotzpfützenslalom laufen, aber das hat man wohl in kauf zu nehmen, wenn man mitten im Geschehen wohnt. Wenn ich lange am Stück hier war, will ich oft „ausreißen“ aber sobald ich eine Weile fort bin, zieht es mich wieder hierher. So kommt es auch, das ich schon eine paar mal von hier weg und wieder hierhin zurück gezogen bin.

Abgesehen von meiner Stadt gibt es auch andere Städte, die ich auf Kurztrips „kennengelernt“ habe und die mich fasziniert haben. Leider viel zu lange her. Paris, Lissabon und Istanbul als Beispiele. In Paris habe ich vor einer Weile, ich glaub es war 2013, eine Ausstellung im Louvre besucht, die auch in Frankfurt weilte. „Dunkle Romantik“ hieß sie und sie hat neben anderen Faktoren dazu geführt, dass ich mich wieder zurückgesehnt habe, an einen inneren Ort meiner selbst, einer Seite von mir, die ich bereits in meiner Jugend gespürt und gelebt habe, die aber viele Jahre in den Hintergrund gerückt war: Meiner „dunklen Seite“. Schließlich habe wieder angefangen mich mehr mit der Szene und ihrer Musik zu beschäftigen und bin dann schließlich auf Spontis gestoßen, und siehe da, über die Ausstellung in Frankfurt habe ich hier auch einen Artikel entdeckt

Weg, einfach nur weg

Malta
Meerblick von Klippen auf Malta

Doch auch ich will mal raus, wenn mir der Druck und der Alltag hier zuviel werden. Erst vor kurzem habe ich ein kleines Naturschutzgebiet in einem Stadtteil etwas weiter draußen entdeckt, das ein echter Geheimtipp zu sein scheint, denn die wenigsten kennen es. Dort gibt es einen kleinen See und es sind nie mehr als eine handvoll Leute da, natürlich darf man offiziell nicht dort hin und baden, aber pssssst! Der Weg zum See erinnert mich ein bisschen an Südfrankreich und man hört auf Schritt und Tritt die Grillen zirpen.

Wenn mir alles zu viel wird und ich mich nach einem Moment von Glück sehne denke ich mich ans Meer. Einfach in die Ferne blicken, den Horizont sehen, nicht reden, nicht denken. Der Brandung lauschen, oder sich mit Musik auf den Ohren hinaustreiben lassen. Die Augen zur Ruhe kommen lassen. Daher mache ich sehr gerne Urlaub am Meer, leider viel zu selten. Wenn doch, dann kann das gerne an der Nordsee in Holland sein, am Mittelmeer auf Korsika oder Malta oder auch am Atlantik, wie in Frankreich oder Portugal.

Einfach nur weg. Reisen. Oft träume ich vom Reisen, also nicht nur zu Zwecken des Urlaubs, sondern in dem Sinne, ein fremdes Land zu erkunden, etwas neues zu entdecken, eine andere Art zu Leben, ein anderes Gefühl. Ein Sehnsuchtsreiseziel ist für mich schon seit einer Weile die Mongolei (obwohl ganz ohne Meer…) Ich glaube mich fasziniert die Weite der Landschaft. Steppe, Wüste und Taiga. Kamele, Schafe, Kaschmirziegen und Yaks. Nomadisches Leben, Buddhistische Tempel, Schematismus, Baikalsee… Ich bin nun wirklich kein Mongolei-Experte aber irgendwie fasziniert mich das was ich bisher so in Berichten gehört und gesehen habe. In meiner naiven Vorstellung eines Europäers klingt das alles nach Ursprünglichkeit, Wildheit, Freiheit. Irgendwie sehe ich mich oft als eine Reisende, Suchende und am liebsten würde ich die halbe Welt bereisen und dann weise und mit innerer Ruhe ausgestattet zurückzukehren in meine geliebte Großstadt ; )

Letztes Wochenende ist ganz spontan und unverhofft ein neuer toller Ort hinzugekommen. Freunde haben mich überredet, auf ein Festival mitzugehen. Ich war seit zig Jahren nicht mehr auf einem Festival und bin für solche Massenveranstaltungen eigentlich auch nicht zu haben, daher gab es auch nix was ich zu vergangenen Thema des Gothic Friday hätte schreiben können… Und nein, um Himmels willen, ich war natürlich nicht auf dem Amphi.

Zwar konnte ich musikalisch nicht so viel damit anfangen, aber die Tatsache, dass ganz liebe Freunde von mir hin wollte und das es ein sehr kleines absolut unkommerzielles Festival war, haben mich dazu bewogen es zu wagen und ich bin mitgefahren…

Es war großartig, nur friedliche, fröhliche Menschen (Igitt ;-) ), total familiär, und mitten in der Natur. Direkt neben dem sehr übersichtlichen „Gelände“ ein zauberhafter Wald und die Bühne vor einer Wiesenlandschaft mit Blick ins Tal. Kaum zuhause angekommen, sehr beglückt und erfüllt habe ich mich wieder an diesen Ort zurückgewünscht! So eine Art Festival mit gruftiger Musik und ich werde noch zum Festivalgänger.

„Zuhause“

Doch die meiste Zeit verbringe ich natürlich in meiner Wohnung, meiner kleinen Höhle, meinem kleinen Nest. Bei geöffneten Fenstern, genieße ich die entspannte Hinterhausatmosphäre, höre Musik, schreibe, arbeite, lerne???, grüble oder tanze wild durch meine Küche …definitiv auch ein Rückzugsort. Denn nach einer Fahrt mit der U-Bahn in der man sich vor Überfüllung kaum festhalten konnte und jemand verdächtig nach Deoverweigerer riecht, einem Samstag nachmittag im Supermarkt, einem harten Tag oder einer langen Nacht wo auch immer etc. etc. ist auch eine Stadtpflanze froh in den eigenen vier Wänden zu sein.

Ein weiterer Ort, den man nicht physikalisch verorten kann, ist das Gefühl das Musik mir manchmal gibt. Ich kann in die Vergangenheit oder in die Zukunft reisen, zu jedem Menschen und jeder Emotion, an jeden erdenklichen Punkt dieser Erde oder auch außerhalb von allem. Musik kann „Heimat“ sein, ein Begriff der mir ansonsten eher fremd ist und den ich deshalb nur in Anführungszeichen benutzen möchte.

Was ich auch nicht unerwähnt lassen möchte, ist die Disco, als ein Platz an dem ich gerne bin. Natürlich nicht irgendeine, sondern meine kleine Lieblingsdisko. Ich erinnere mich an ein Erlebnis, schon zu fortgeschrittener Stunde und meine Freunde waren schon weg, der Laden so gut wie leer, nur ein paar Stammgäste waren noch da. Die Tanzfläche voller Nebel, die Musik laut und ins Mark kriechend (ich bin mir nicht sicher aber ich glaube es lief etwas von Soft Kill). In diesem Moment hatte ich wirklich das Gefühl hier richtig zu sein. Sicher zu sein, fast wie in einem Zuhause.

Schließlich und endlich ist mein grösstes Sehnsuchtsziel kein Ort irgendwo da draußen, sondern liegt im Innern, bei sich selbst ankommen und ein emotionales Zuhause finden.

Ähnliche Artikel

Kommentare

Kommentare abonnieren?
Benachrichtigung
guest
1 Kommentar
älteste
neuste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Rena
Rena(@normanormal)
Vor 8 Jahre

Hahaha, Robert jetzt hast du mich aber aufs Glatteis geführt, beim Intro dachte ich der Song ist eine Flamenco Version von
S Y P H… Aber ist ja ein ganz eigenständiges Lied!
Und Berlin ist es nicht , viel zu groß : )
Es ist übrigens nicht meine Absicht besonders rätselhaft zu sein, aber merke gerade das es ganz reizvoll sein kann…

Magazin 2024

Spontis-Magazin 2024

Jetzt mithelfen, uns unterstützen und kostenloses Magazin sichern!

Diskussion

Entdecken

Friedhöfe

Umfangreiche Galerien historischer Ruhestätten aus aller Welt

Dunkeltanz

Schwarze Clubs und Gothic-Partys nach Postleitzahlen sortiert

Gothic Friday

Leser schrieben 2011 und 2016 in jedem Monat zu einem anderen Thema