Irgendwer hat mir geschrieben. Nicht irgendwer, sondern die Manifestation der unbestimmten Person selbst. Irgendwer eben. Für den Gothic Friday hat sich eben dieser mit der Frage „Woran glaubst Du?“ auseinandergesetzt. Den Gedanken, von dem Irgendwer Eingangs erzählt, teile ich uneingeschränkt. Der beste Beweis, dass der Einstieg in die Gothic-Szene eben nicht nur aus Musik- und Klamotteninteressen besteht, sondern auch aus der Suche nach Gleichgesinnten. Nach einem Kommentar zum Ursprungsbeitrag erhielt ich seinen Beitrag per E-Mail. Er ist wie immer ungekürzt und wurde lediglich in Form gebracht.
Da ich nun seit einiger Zeit Spontis Blog besuche und gerne die Artikel zum „Gothic Friday“ lese, dachte ich mir, dass ich auch einsteigen könnte. Der Austausch über derartige Fragen ist etwas, das ich in der „schwarzen Szene“ gesucht habe und wenn, dann nur stark vereinzelt bei Szenegängern gefunden habe. Vor allem in meiner Altersklasse (+/- 25) scheint das Interesse an sowas nicht vorhanden zu sein, da muss man schon jenseits der 30 suchen. Denen bin ich aber oftmals zu jung. Hier nun mein evtl. etwas holpriger Beitrag zur Frage: „Woran glaubst du?“
Die meiste Zeit über glaube ich an nichts. Ich frage mich auch, warum ich das müsste. Warum gibt es verpflichtenden Religionsunterricht in der Schule? Immer wenn in Fragebögen nach Religionszugehörigkeit gefragt wird, frage ich mich: Warum ist Glaube „normal“ bzw. so elementar wie z.B. der Name oder das Geschlecht oder irgendetwas anderes auf dem Bogen?
Ich stelle mir oft die Frage, warum Menschen glauben. Es gibt in meiner Familie ein (älteres) Ehepaar, das streng christlich ist. Sie besuchen nicht die Kirche sondern tauschen sich in einem Bibelkreis aus und preisen den Herrn. Klingt immer ein wenig wie eine extremere Form der Baptisten. Mit diesen Menschen rede ich gern, habe ich doch viel meiner Kindheit dort verbracht. Mir wurde viel aus der Bibel vorgelesen (oder aufgesagt, da beide die Bibel auswendig kennen) und gezwungenermaßen musste ich vor dem Essen beten. Und doch habe ich nie den Glauben an einen Gott gefunden.
Vor kurzem haben sie mir erzählt, dass es bald Zeit für sie ist, zu ihrem Herrn zu gehen. Sie sind bereit und freuen sich darauf. Dann erzählte Er mir, wie er zu seinem Glauben gekommen ist. Eine Vision sagte ihm, wohin er zu gehen habe (irgendwo in der Botanik) und dort werde er Menschen treffen und so war es dann wohl auch. Während er das erzählte, fragte ich mich, ob er evtl. versehentlich halluzinogene Pilze gegessen hatte. Es hörte sich an wie ein Erfahrungsbericht mit bewusstseinserweiternden Drogen.
Ich hatte einmal einen Artikel gelesen, der sich mit der Psychologie des Glaubens beschäftigt. In diesem wurde berichtet, dass (vor allem sehr ausgeprägter) Glaube neurologisch der Schizophrenie gleicht, also eine Art Wahn ist und somit eine psychische Erkrankung darstellt. Auf Fundamentalisten trifft dies sicherlich zu, abzuwägen ist, ob dies beim Großteil der Gläubigen ebenso ist. Wahrscheinlich eher nicht. Dennoch empfinde ich den Glauben – vor allem an übersinnliche Wesen aber auch an Schicksal – als Realitätsflucht, zumindest aus „meiner Realität“, die nicht zwangsläufig allgemeingültig ist. Alleine der naturwissenschaftliche Disput zur Quantenmechanik, also zum Verhalten der Elementarteilchen, ist stark durch Meinungen und letztendlich Glauben bestimmt. Lebt Schrödingers Katze?
Ich selbst würde gerne an ein großes Ganzes glauben, an einen Gott, in welcher Form auch immer.. Etwas, das Sinn in die eigene Existenz bringt, etwas, das den Tod weniger schrecklich erscheinen lässt und am Ende Gerechtigkeit bringt. Aber das kann ich nicht, höchstens an einen Spielwürfel, der den Zufall repräsentiert. Aber dieser erfüllt die Anforderungen leider nicht.
Vielleicht stellt das meinen Glauben dar. Der Glaube das Dinge passieren, weil sie es können. Und einer der besten Sätze den ich je hörte: Dinge werden passieren. Was, wie und wo ist völlig variabel, das Warum ist das einzig Konkrete: Zufall und evtl. Kausalität.
Wer meint, dass diese Sichtweise sehr simpel ist, hat wohl Recht, dennoch ist sie mindestens so abstrakt wie der Glaube an ein höheres Wesen, wahrscheinlich abstrakter. Und sie zieht sich durch mein Leben, so lange ich mich erinnern kann, die große Sinnlosigkeit. Das bedeutet nicht zwangsläufig ein freudloses Leben, aber das ist eine andere Sache. Auch will ich niemandem seinen Glauben streitig machen, auch wenn es bei vielen, meistens bei theistischem Glauben, ein Motiv dahinter gibt und ich es nicht wirklich, als solchen anerkennen kann, eher als ein Lippenbekenntnis. Mit solchen Menschen kann man auch nicht über den Glauben sprechen, es hat keine Substanz.
Dennoch kann ich die Religionsausübung nachvollziehen, sei es um nicht allein zu sein, anderen zu helfen oder die Angst vor dem Tod zu überwinden. Doch könnte man die Aktivitäten auch ohne den Glaubenshintergrund ausüben und die Welt einfach nur etwas besser machen, weil man es möchte. Schön wäre es, aber Menschen sind nicht gut. Wieder etwas, an das ich glaube. So langsam wird es unheimlich…