Ob bei der Suche nach dem Glauben das sprichwörtliche Glück eine Rolle spielt? Zum Gothic Friday hat sich Glückssucher die Ehre gegeben und einen Beitrag zum November-Thema „Woran glaubst Du?“ an mich geschickt. Was mich grundsätzlich freut, artete heute in Arbeit aus, denn gleich 3 Teilnehmer nutzten die Gunst der letzten Stunden und schickten einen Beitrag. Weiter so! Überschüttet mich mit euren Gedanken und Texten, ich glaube ich nehme darin ein Vollbad. Ich bin sehr froh, wieder mal ein neues Gesicht begrüßen zu dürfen, das sich selbst „Glückssucher“ nennt. Ob wir ihm helfen können es zu finden?
Eine höhere Wahrheit
Glaube – ich gebe zu, dass ich eine sehr ambivalente Einstellung zu dem Thema habe. Oder um es anders auszudrücken: ich würde ja gerne – allein, mir fehlt s am rechten Glauben.
Grundsätzlich finde ich den Gedanken schön, so etwas wie einen Leitfaden im Leben zu haben, den Glauben an eine höhere Macht, die über einen wacht und das ganze Leben und Sein lenkt und mit einem Sinn durchwirkt. Es ist sicherlich sehr tröstlich, sich darin geborgen zu fühlen. Ich kann mir gut vorstellen, dass es Menschen gibt, denen es in bestimmten Lebenssituationen hilft, Ihnen Kraft und Trost gibt. Freilich denke ich, dass Ihnen in dieser Situation der Glaube an sich hilft und nicht etwa eine himmlische Macht. Es scheint mir also eher so etwas wie eine Selbstheilungskraft zu sein. Also eher eine psychologische Komponente, als dass ich wirklich die Existenz einer höheren Macht akzeptiere.
Ehrlich gesagt, haben die Kirche und die Wissenschaft, der ziemlich bei mir versaut. Oder sollte ich einfach sagen, dass ich viel zu sehr Realist bin, um naiv und fromm an das zu glauben, was die Bibel und die Kirche einem so alles vorkaut? Um brav alles so hin zu nehmen, was in der heiligen Schrift vorgegeben wird, dafür habe ich wohl zu viele wissenschaftliche Artikel zu Historie und Architektur der damaligen Zeit gelesen und auch viel zu viel über die Grausamkeiten, die im Namen Christi vollbracht worden sind. So kam es dann, dass ich in der Kirche – insbesondere in der Katholischen – nichts Heiliges mehr sehen konnte. Wie steht schon in der Bibel: „An Ihren Taten sollt Ihr sie erkennen…“Und sobald die erste Saat des Zweifels gesät war, so fing ich auch – so nach und nach – an, den Rest anzuzweifeln und – zuletzt auch die Existenz Gottes an sich. Denn auf dieser Welt geschieht viel zu viel Schreckliches, als dass ich noch an einen Gott glauben kann, der für das Prinzip Liebe stehen will. Mittlerweile sehe ich in der Bibel eher so eine Mischung aus dem Geschichtsbuch des Volkes Israel und deren Mythen und Sagen, die sie sich erzählt haben, um Dinge zu erklären die sie nicht verstanden haben. So wie es wohl die Mythen und Sagen der anderen Religionen auch tun. Nur dass die anderen Religionen nicht mit der grenzenlosen Arroganz der monotheistischen Glaubensrichtungen ausgestattet sind, aus der heraus sie dann meinen, allen die nicht an Ihren Gott glauben, ihren Glauben aufnötigen zu müssen (sprich zu missionieren) oder alle Andersgläubige zu vernichten. Gerade bei der christlichen Religion finde ich es nahezu widersinnig diese (also die Religion der Liebe) mit dem Schwert zu verbreiten.
Nun könnte man natürlich sagen, dass ich mir eine neue Religion suchen soll. Möglichkeiten gäbe es da ja eine ganze Menge: die anderen Weltreligionen, Naturreligionen, Sekten, der Irrglaube unserer modernen Welt; das goldene Kalb Mammon oder Fortschritt. Aber auch das macht für mich keinen Sinn. Denn dann würde ich das Eine, mit dem ich nichts anfangen kann, gegen etwas Anderes austauschen, mit dem ich genau so wenig anfangen kann, was vielleicht von genauso her kommt (geografisch gesehen) wie das Christentum. Und sind wir doch ehrlich, wie sehr wir auch die aufgeklärten Menschen sind, die von der Frucht der Erkenntnis genascht haben und den kindlichen Glauben an Gott verloren haben, so sind wir doch alle mehr oder minder von der abendländischen Kultur geprägt, durch dieses Mischmasch aus griechischen, römischen und christlichen Gedankengut. Unsere Wurzeln können wir nicht verleugnen. Wobei es sich trefflich darüber streiten ließe, ob dies nun christliche oder humanistische Wurzeln sind…
Aber dies ist ja im Grunde egal. Letztendlich führt mich diese Gedankenkette dorthin, wo ich mit diesen Ausführungen hin möchte. Ist es wirklich wichtig , mit welchem Namen man das umgibt, an das man glaubt? Muss man überaltete Bräuche aus einer Kultur die in einem fernen Land entstanden ist, zu einer Zeit, die Lichtjahre der Entwicklung von dem entfernt ist, wo wir heute stehen, auf Teufel komm raus konservieren?
Oder ist es nicht einfach wichtig, an etwas wie ein höheres Prinzip zu glauben. Etwas, was der innere Kern von vielen Religionen ist, der viel tiefer geht als das ganze Bromborium drum herum, ob es nun Kirche, Dogma oder sonst wie heißt: das Prinzip der Menschlichkeit und des menschlichen Miteinanders. Ich gebe zu, dass ich – wie sicher alle Menschen – das Bedürfnis habe, mich geborgen zu fühlen, sei es in einer Partnerschaft, sei es in einer Gruppe von Gleichgesinnten. Und das ist es zu einem großen Teil wohl das, was für mich, wie für viele von uns, in unser heutigen aufgeklärten Zeit den Glauben ausmacht. Nicht der Glaube an ein höheres Wesen, sondern der Glaube an Werte wie Menschlichkeit, Toleranz und gegenseitige Akzeptanz. Und dazu brauch es keine Gottheit, keine Institution, keine zigtausend Jahre alten Rituale.
Wirklich ein sehr schöner Beitrag. Ich denke bei diesem Thema sehr ähnlich und es tut gut zu wissen, dass es auch andere gibt. Wie die Pointe des Textes schon versucht zu vermitteln: Das WIR-Gefühl kann auch als Glaube herhalten denn mehr muss ein Glaube im Endeffekt garnicht sein.
Es ist erstaunlich, in welche individuellen Richtungen sich der persönliche Glaube entwickelt. Für die Kirche zeichnet sich ein düsterer Weg, Glaube ist Privatsache und nicht mehr an eine, wie du geschrieben hast, institutionelle Organisation gebunden. Der Weg zum Ich ohne das Wir zu vergessen, gefällt mir sehr gut. Denn neben einer Glaubensrichtung, etwas an dem man sich festhalten kann, sind Kirchen oder Glaubensrichtungen immer auch ein Treffpunkt, eine Gemeinschaft.
Ein wirklich toller Beitrag!