Auch das aktuelle Thema im Gothic Friday ist wieder eines über das ich mich stundenlang in aller Breite auslassen könnte, wenn man mich nur lässt.
Die Rede ist von einer Top 5 von Büchern und ich muss mich Robert in seiner Einschätzung uneingeschränkt anschließen, dass gerade dies ein sehr sehr interessantes und vielseitiges Thema unter Schwarzvolk sein kann und bin daher mehr als gespannt auf die Beiträge meiner Mitblogger.
Genau diese Vielfalt ist es aber auch, die es mir ausgesprochen schwer machen würde mich für 5 konkrete Bücher zu entscheiden die es Wert wären vorgestellt zu werden. Daher möchte ich mir die Freiheit herausnehmen den Titel etwas freier auszulegen und eher fünf Kategorien vorstellen und dafür auf all zu konkrete Beschreibungen einzelner Werke zu verzichten.
5. Sachliteratur
Auf Platz fünf nicht deshalb weil ich sie mir weniger wichtig ist als die anderen, sondern weil sie mir am wenigsten relevant scheint für den Gothic Friday, denn thematisch haben meine Bücher meist wenig mit Gruft-Clichées wie etwa Spiritualität sondern vor allem mit meinen Hobbys der Sprachwissenschaft und der Mittelalterdarstellung, oft auch in Kombination. Bücher über mittelalterliche Kleidung, über Dialekte und historische Ausspracheentwicklung des Englischen oder über die Entwicklung der Schrift im mittelalterlichen Deutschland (siehe etwa die Entwicklung des Buchstaben „a“ rechts).
Alles in allem sehr spezieller und daher für die meisten wohl sehr trockener Kram, der daher hier zunächst nicht genauer unter die Lupe genommen werden soll ;)
4. Trivialliteratur
… ist so ein böses Wort, klingt es doch immer nach Literatur von geringerem Wert. Ich meine damit ganz einfach Unterhaltungsliteratur ohne den Anspruch sich in nennenswerte Tiefen zu begeben. Mein Lieblingsautor in dem Bereich etwa, J.R.R. Tolkien (den ich vor allem für das „Silmarillion“ schätze, weniger für den „Lord of the Rings“), ist geradezu offensiv umgegangen indem er allegorische Lesung seiner Werke vehement abgelehnt hat und sie als reine Unterhaltung mit nichts als ästhetischem Wert (literarisch, sprachlich, ggf. historisch) gelesen wissen wollte.
Und so genieße ich etwa auch „Harry Potter“ oder sogar die „Twilight“-Serie und es ist mir nichtmal peinlich ;) Mein Favorit ist und bleibt wohl jedoch Tolkien, dessen Werke jenseits des „Herrn der Ringe“ man sich auch mal zu Gemüte führen sollte – von weniger oder nur partiell bekannten Werken aus seinem Mythos wie der Narn i Chîn Húrin bis hin zu seinen herzerweichenden Kinderbüchern wie Roverandom.
3. Lyrik
Die nächste Art von Literatur, die ich anführen möchte ist eine noch weiter gefasste Kategorie als die letzten beiden, denn mit Lyrik und Poesie kann man mir eigentlich immer kommen. Ich liebe etwa Goethe (wohl wissend dass auch das nicht sonderlich originell ist), kann persönlich aber in aller erster Linie nur etwas mit seinen Gedichten anfangen. Von „Der Gott und die Bajadere“ bis hin zum „Totentanz“ – besonders seine kunstfertigen strengen metrischen Strukturen haben es mir angetan und sind auch für mich stets Ansporn gewesen meiner Dichtung ein starres Korsett zu verpassen, dem dann jede einzelne Zeile gerecht zu werden hat – für mich liegt darin ein Stück weit mehr Kunstfertigkeit, aber ich bin ja auch furchtbar altmodisch :)
Auf der anderen Seite kann ich mich aber auch für sehr moderne Werke begeistern, wie etwa für die grandios absurden Werke Ernst Jandls, etwa „Schtzgrmm„, wenngleich derlei Werke für mich persönlich immer weniger inspirierend waren.
Daher stapeln sich bei mir die Lyrik-Sammelbände, von „English Love Poems“ über „Goethes Gedichte“ bis hin zu Poe-Sammlungen um den „Raven“ und „Annabel Lee„.
2. Kurzgeschichten
Auf Platz zwei meiner reichlich unkonzeptionellen Liste eher ein Medium als eine Literaturgattung, nämlich die Kurzgeschichte. In den letzten Jahren hat sich herauskristallisiert, dass dieses Medium mir im Großen und Ganzen am meisten zusagt. Das mag auf meine manchmal eher geringe Aufmerksamkeitsspanne zurückzuführen sein, aber vielleicht auch auf die mit der Kurzgeschichte an sich einhergehende Reduktion, die ich mitunter sehr spannend finde.
Nicht selten fehlen Aspekte wie etwa Tiefe oder Entwicklung der Charaktere, was bei Romanen natürlich einen offensichtlichen Mangel darstellen würde. Bei der Kurzgeschichte jedoch kann dies zum Konzept gehören und als Stilmittel verwendet werden. Besonders in meinen favorisierten düsteren Genres kann dies z.B. in der Form des nicht vertrauenswürdigen Erzählers ein zentrales Motiv sein, da man erst nach und nach beginnt zu verstehen was denn tatsächlich vorgeht. So etwa in Poes „Tell-tale Heart“ oder Gilmans „The Yellow Wallpaper“, wo der „Gothic Villain“ und der Erzähler im „Madman“ zusammenfallen.
Besonders angetan haben es mir hier die Werke von H.P. Lovecraft (die zu umreißen eine eigene Serie von Artikeln wert wäre) oder auch andere Werke wie etwa Matthew Phipps Shiels „House of Sound“, Hoffmanns „Sandmann“ oder Ernest Dowson’s „The Visit“, dessen Kürze auch dem Medium Kurzgeschichte noch die Krone aufsetzt.
1. Gothic Novels
Auf Platz 1 die Königsklasse der Düsterliteratur, der Beginn aller elaborierteren morbiden Kunst und die (oft unbekannten und teils verleugneten) Grundmauern unserer schönen schwarzen Subkultur. Das weitere Genre „Gothic“ ist ganz offensichtlich mein liebstes, wie auch an den aufgeführten Kurzgeschichten leicht zu erkennen ist (die zwar vielleicht nicht alle explizit Gothic sind, aber doch in deutlicher Tradition stehen), aber begonnen hat alles letztlich mit längeren Romanen.
Klassiker wie Stokers „Dracula“ oder Shelleys „Frankenstein“ müssen kaum noch erwähnt werden, und auch die allererste Gothic Novel, nämlich Walpoles „The Castle of Otranto“, wird regelmäßigen Lesern meines Blogs nicht gänzlich unbekannt sein. Doch auch etwa Matthew Lewis‘ „The Monk“ sei dem geneigten Leser ans Herz gelegt, eine Geschichte um Verführung und Blasphemie, Gewalt und Satanismus, garniert mit etwas Homoerotik, Inzest und Vergewaltigung. Und das alles innerhalb von Klostermauern.
Um dem modernen Leser vor Augen zu führen welch eine abartige Ungeheuerlichkeit das alles für die englische Gesellschaft um 1800 war wird teils der Vergleich zum Thema Kindesmisbrauch gezogen als einem Thema das die heutige Gesellschaft (verständlicherweise) als widerliches Tabu betrachtet. Ein solcher Vergleich scheint gewagt, doch tatsächlich war das Buch zunächst höchst umstritten und wurde von vielen zeitgenössischen Kritikern komplett verrissen.
Nur andere zeitgenössische Romantiker sowie spätere Kritiker erkannten den literarischen Wert und die inhaltlichen Motive, die zumindest beim frühen Gothic fast nie fehlten – nur selten war Gothic nicht nur das Genre sondern auch der gesamte Inhalt – kaum einmal finden wir nur Horror des Horrors wegen.
Wer jedoch einen anderen Blickwinkel vorzieht, dem sei Jane Austens „Northanger Abbey“ empfohlen, ein Buch das man als Romantik-Persiflage, ja sogar konkreter als Gothic-Satire lesen kann. Charaktere und Motive die in jedem Aspekt den gängigen Clichées der (schwarzen) Romantik entsprechen – nur mit umgekehrten Vorzeichen.
Helden die nicht sehr heroisch sind. Frauen die weder allzu hübsch noch nennenswert intelligent sind. Mysterien die beim näheren Betrachten keine sind und Horror der auf ernüchternde Art und Weise völlig banal zu erklären ist. Und das alles mit Austens sehr speziellem Humor.