Nach einer offenen Wahl des Dezember-Themas läuft nun der finale Gothic Friday, bei dem das Thema lauten soll „Subkultur in deiner Stadt“ (was ich aufgrund meiner dörflichen Lage etwas weiter gefasst habe). Ein dumpfes Gefühl der Schwermut überkommt mich bei dem Gedanken, dass dies nun der letzte Gothic Friday sein soll (umso bizarrer da der Abgabetermin feiertagsbedingt eben erst im Januar liegt), doch als Cliché-Grufti genießt man dieses Gefühl natürlich ;) Außerdem freue ich mich auf das Thema, da es einem erlaubt mal sein schwarzes Umfeld zu präsentieren, Locations, Veranstaltungen und natürlich Leute.
Im Ort in dem ich lebe gibt es keine Subkultur. In einem Dorf das es inklusive Schafen und Kühen auf gerademal 1500 Einwohner bringt überrascht es aber sicherlich auch niemanden, dass sich die Zahl der Fledermäuse auf 2 beläuft (und einen partiellen Sympathisanten). Mein schwarzer Freundeskreis ist auch fast ausnahmslos in Dörfern hier im mittelhessischen Hinterland zu finden, und so sind subkulturelle Veranstaltungen für mich stets mit mehr oder weniger langen Fahrten verbunden – aber mehr als eine Stunde mag ich mich eigentlich nicht ins Auto setzen, weshalb dieser Artikel so etwas wie ein subjektiver Abriss des Rhein/Main/Lahn-Gebietes ist.
Mit einer der ersten Locations die ich nach meiner bewussten Schwarzwerdung für mich entdeckt habe verbindet mich eine gewisse Hassliebe. Schon mehrfach habe ich mich hier über das Einhaus im 45 Minuten entfernten Asslar-Werdorf ausgelassen, und wirklich gut abgeschnitten hat es dabei nie. Und trotzdem zieht es mich immer wieder hin… aber wieso nur?
Hm, vermutlich ist die Musik letztlich halt doch nicht alles, denn quasi jedes einzelne mal wenn ich da bin ärgere ich mich früher oder später mal über zu viel Techno. Aber die Örtlichkeit an sich ist halt einfach irgendwie klasse. Urig und nicht ungemütlich, seit Jahr und Tag fast unverändert, genügend Platz, gute und reichliche Sitzgelegenheiten, eine angenehm abgetrennte Tanzfläche, angemessen dunkles Flair und Atmosphäre.
Man muss halt nur mit der Erwartungshaltung aufpassen… Ich persönlich bin nur noch am jeweils zweiten Freitag des Monats da wenn DJ Matze auflegt, der in meinen Augen der einzige dort ist, der eine Ahnung davon hat was Gothic bedeutet. Die Musikauswahl ist auch hier nicht brillant, aber ich komme auf meine Kosten und bin mitlerweile eigentlich doch wieder fast jeden Monat dabei.
Die an Weihnachten stattgefundene Sonderveranstaltung mit dem Schwerpunkt „80’s/Depeche Mode“ war aber zugegebenermaßen grandios. Lustig, dass ich auf der ersten nicht explizit schwarzen Veranstaltung im Einhaus bisher den meisten Spaß hatte :)
Die schon häufiger beworbene Horror Highschool im QKaff in Mainz ist da alles in allem für mich irgendwie fast das Gegenteil des Einhauses:
Die Musik finde ich immer absolut grandios, schlichtweg das beste was mir persönlich bisher untergekommen ist, und auch das Publikum ist eher mein Schlag Mensch, so ganz und gar neon-frei, ohne großes Bondage/XtraX-Gepose, etc., aber so richtig gemütlich will es irgendwie nicht werden. Zu viele Menschen, zu wenig Tanzfläche, und für mich eben auch eine Fahrt von mindestens einer Stunde via Autobahn.
In der gleichen Location und meines Wissens auch von DJs Tino und Kampfzwerg veranstaltet gibt es aber auch immer wieder Konzerte von Bands wie etwa Fliehende Stürme, die ich bislang allerdings immer verpasst habe.
Der atmosphärisch genialste Szeneschuppen ist jedoch mit Sicherheit das Nachtleben in Frankfurt. Kennengelernt habe ich den kleinen, dunklen Kellerladen mit der schweren Barocktapete durch ein Konzert (auf dem ich übrigens auch auf die sehr gute lokale Band Love’s Labour’s Lost aufmerksam geworden bin).
Dort fiel mir dann ein Flyer von der Dead Kennys Party in die Hände, und als ich dort das erste mal aufgetaucht bin war es für mich sowas wie eine gruftige Offenbarung. So düster, so old-school, das Publikum so ganz und gar anders als ich es bis dahin von technoid verseuchten Standard-Locations wie dem KUZ in Mainz kannte. An der Wand ein großer Schriftzug NEW WAVE, überall Knochen und Fledermäuse, Photos von Joy Division und The Cure, knuffige Bilder von gruftig aufgemachten Charakteren aus Southpark und anderen Cartoons.
Einziger Wermutstropfen (abgesehen davon dass ich auch dahin eine gute Stunde via Autobahn unterwegs bin) ist die leider dann oft doch etwas ZU einseitige Musik. Wenn wirklich Stück um Stück um Stück NUR psychedelischer Post-Punk läuft den man nicht kennt, reine Synthetik eher nur am Rande mal auftaucht und große Klassiker prinzipiell nicht gespielt werden (weil ausgelutscht) ist mir das halt schon manchmal etwas zu viel des Guten.
Dennoch ein unbedingter Tipp für Besucher der Gegend, und auch ich sollte mich dort endlich mal wieder blicken lassen.
Das einzige größere Städtchen in wirklich unmittelbarer Umgebung ist Limburg, das ich für die Altstadt oder für’s Shoppen auch immer wieder gerne aufsuche (mit 15min Autofahrt ist das auch was ganz anderes), und hier gibt es durchaus Subkultur. Nur nicht meine :)
Am Bahnhof lungern die Punker, an der „Puste“ wurden sie mittlerweile von den Emos verdrängt, und im „Kalkwerk“ treffen sie sich allesamt mit Skatern und der hiesigen Metal-Szene, die hier die mit einigem Abstand größte Subkultur im Limburger Raum ist. Für sie gibt’s etwa die enorm urig-gemütliche Kneipe „Second Home“, die mich auf ihre sehr sehr dunkle und irgendwie psychedelische Art eigentlich sehr anspricht. Nur die musikalische Vielfalt zwischen Metal, klassischem Metal, Metal, Black Metal, Proll-Metal und Metal ist halt auf Dauer einfach nichts mehr für mich.
Entsprechend sieht es dann auch aus, wenn mal jemand im metallischen Limburg versucht was Schwarzes auf die Beine zu stellen. Die einzigen die kommen sind die Metaler, und die wollen neben Metal höchstens noch einen der „Hits“ von Combichrist oder Agonoize hören – weil rummst ja auch schön und ist böse. So jüngst wieder erlebt als ich meinen Heiligabend anders verbringen wollte… Aber ich mache niemandem Vorwürfe, als DJ muss man halt schon etwas auf’s Publikum eingehen, auch wenn der Veranstalter ein alter Depeche-Mode-Hase ist und eigentlich ein anderes Publikum ansprechen will…
Dieser möchte daraus jetzt eine regelmäßige Veranstaltung machen, und wie ich ihn kenne wird er dafür auch einiges an Werbung fahren. Man wird also sehen, ob sich vielleicht doch noch mehr Schwarzvolk nach Limburg verirrt und die Feiern sich halten können und auch für mich was sind.
Ich werde dem Ganzen auf jeden Fall sicherlich nochmal ’ne Chance geben.
Alles in allem aber bleibt mir auch wohl weiter nichts als hin und wieder etwas weitere Wege in Kauf zu nehmen. Aber das stört mich letzten Endes nicht sehr, denn so schön es auch sein kann sein Szeneleben in der Stadt auszuleben, wichtiger ist mir dann doch mich auch im Alltag rundum wohl fühlen zu können. Und das würde bei mir nie in einer größeren Stadt funktionieren :)