Diesen Monat stellen Robert und Shan die Teilnehmer des Gothic Fridays vor eine wirkliche Herausforderung: Da Gothic ja bekanntlich mehr ist als schwarze Klamotten und bestimmte Musik sind wir also aufgerufen über all das zu referieren, was wir so fabrizieren und das einen irgendwie schwarzen Kontext hat oder haben kann. Ein genialer Ansatz, wie ich finde, hat doch schon etwa Marionettes-Frontmann Sean Cronin 1987 verlauten lassen: „Viele Leute gehen sehr sehr kreativ mit Gothic um und machen alle möglichen Dinge. […] Manche von ihnen machen ihre eigene Kleidung, gründen eine Band oder machen etwas mit Theater oder so. Ich denke, solche Leute sind oft bei weitem kreativer.“
Wie kreativ ich persönlich da letztlich bin ist nicht an mir zu entscheiden, mein Problem ist hier allerdings, dass ich zu viele Interessen habe und mich an allem irgendwie mal versuche, wobei ich mich bei manchen Sachen sicherlich geschickter anstelle als bei anderen. Was wähle ich also aus um es der Öffentlichkeit zu präsentieren und was ist so peinlich, dass ich es lieber unter Verschluss halte? :)
Friedhofspaziergänge werden da von Robert als Thema vorgeschlagen, Klamotten-Nähen, eigene Poesie, Musiksammlung, selbst Musik machen, Literatur, Filme, Zeichnen, Photographie/Modeln, anderweitige Darbietungen,… Verdammt, trifft irgendwie alles auf mich zu! Ich fürchte, ich muss also mal ganz tief im Karnstein’schen Fundus wühlen und die Herausforderung in lesergerechter Kürze suchen.
Friedhöfe
Vielleicht das Gruft-Clichée schlechthin, aber ich kann mich ihm nicht entziehen. Gern trieb ich mich ja schon auf dem Domfriedhof Limburg herum, der allerdings so klein ist, dass man da nicht wirklich spazieren gehen kann, sondern sich eher auf die Bank setzt (ja, „die Bank“, nicht „eine der Bänke“) und die Atmosphäre in sich kriechen lässt – der spätromanische Dom ist nachts beleuchtet, was eine wahnsinnig schöne Atmosphäre erzeugt, die man besonders in warmen Sommernächten mal erlebt haben sollte. Aber dann habe ich irgendwann den Nordfriedhof Wiesbaden kennengelernt und seitdem bin ich ganz offiziell taphophil (ja, so nennt man das, wenn man Friedhöfe liebt). Die Steine sind zwar „nur“ maximal 300(?) Jahre alt, aber die schiere Größe und Verschachtelung des Friedhofs ist atemberaubend. Riesige Mausoleen, Gruften, Statuen, ein faszinierend anderer jüdischer Teil,… einzig die vereinzelten winzigen Kindergräber sind deprimierend.
Ich weiß nicht, wie oft ich mit allerlei Freunden schon da gewesen bin um Photos und Videos zu machen, rechts daher einfach mal willkürlich ein Photo von unserem Halloween-Spaziergang 2010, auf dem man zwar nicht so viel vom Friedhof selbst sieht, dafür aber Schwarzvolk, dass die Atmosphäre genießt :) Achja, und Anna-Varney Cantodea hat dort auch schon Video-Aufnahmen für Sopor Aeternus gemacht ;)
Lesungen
Der nächste Punkt, der mir beim Nordfriedhof einfällt ist direkt etwas, das unter Roberts Vorlage „Tanzen oder etwas darbieten“ fallen mag, nämlich Gedichtlesungen. Als (Hobby-)Sprachwissenschaftler habe ich mich viel mit Bühnen-Aussprache beschäftigt, deutsche wie englische, und habe allein schon daher einen Heidenspaß daran vorzulesen, was mir übrigens interessanterweise auch bei der Stotter-Bewältigung geholfen hat. Warum fällt mir das beim Nordfriedhof ein? Weil das wohl vorzeigbarste und aufwändigste Ergebnis dieser Leidenschaft ebendort mit meinem guten Freund Richard entstanden ist: Eine Lesung von Edgar Allen Poes „The Raven“. Die Dreharbeiten haben drei Tage gedauert, es waren immerhin 5 Leute beteiligt, und zum ersten und bisher einzigen mal bei dieser Art Projekten haben wir eine offizielle Drehgenehmigung einholen müssen. Schade nur, dass ich mit meiner Aussprache nicht mehr zufrieden bin und meine missglückten Schauspielversuch auch eher peinlich finde – aber naja, Richard findet auch filmisch einiges heute doof, was ich absolut nicht nachvollziehen kann :)
Dichtung
Das bringt mich naturgemäß zum Thema Poesie an sich. Das ist ohne jeden Zweifel der Bereich bei dem ich mich mit Abstand am häufigsten fremdschäme, weil quasi jeder Grufti(-Nachwuchs) zu denken scheint, dass er unbedingt etwas über Nacht und Schmerz schreiben müsste, am besten garniert mit Tod und vielleicht Wölfen. Selbstverständlich maximal im unsauberen Paarreim und ohne weitere metrische Ansprüche – man ist ja modern (oder faul). Natürlich habe ich das Thema an sich aber auch nicht ausgelassen :) Und tatsächlich gibt es da ein Werk, das ich auch nach einigen Jahren noch immer ganz gut finde, und das auch immer positive Reaktionen hervorgebracht hat (schlechtere Sachen werden ja naturgemäß eher garnicht kommentiert, ich halte das also für ein gutes Zeichen :) ). Entstanden ist es basierend auf einem Photo, das Alice K. vor ein paar Jahren von mir gemacht hat, und das ich daher immer mit dazu stelle:
Allein in Scherben auf der Schwelle
Weiß nicht vor und nicht zurück
Eilend tretend auf der Stelle
Auf welcher Seite liegt das Glück?Rechterhand vertraute Schmerzen
Linkerhand Unsicherheit
Lauschend angsterfülltem Herzen
Dass keine Fehler mehr verzeihtIst es Suche nach Katharsis?
Stummes Harren – schamerfüllt
Ein Erkalten nur in Stasis
Jeder Hunger ungestilltAllein in Scherben auf der Schwelle
Was ist Dunkel – was ist Licht?
Weiter suchend nach der
Quelle Vor – zurück – Ich weiß es nicht.
Ist sicherlich auch nicht pathosfrei und manchem mögen sich die Zehennägel hochrollen – aber damals sprach es mir eben aus der Seele und ich habe einfach einen Hang zum Theatralischen :) Irgendwann ging ich dann aber dazu über die Texte direkt in Lieder umzusetzen, womit wir schon beim nächsten Thema sind.
Musik
Ich dachte immer, ich wäre unmusikalisch. Als ich vor zehn Jahren(?) dann für eine Weile Live-Rollenspiele für mich entdeckt habe hab ich irgendwann das Trommeln angefangen. Irgendwer war immer da, der abends am Lagerfeuer gesungen oder Gitarre geklampft hat, das wollte ich einfach etwas unterstützen. Dann hab ich irgendwann angefangen mitzusingen und irgendwo lag auch mal eine Blockflöte herum aus der ich dann recht schnell auch saubere Melodien herausgebracht habe. Also selbst mal eine gekauft, und noch eine, und noch eine… heute habe ich fünf oder sechs Flöten verschiedener Größen und Arten. Mein Bruder fing dann an Drehleier-Spielen zu lernen, und die Grundzüge hat er mir auch beigebracht. Ich war voll im Folk-Fieber angekommen und besorgte mir ein kleines Épinette, eine Art minimalistische Renaissance-Zither, bis heute mein Lieblingsinstrument. Es folgten zwar noch eine kleine Harfe und Kleinkram wie etwa ein Berimbau und immer mehr Trommeln, aber das Épinette blieb immer meine große Liebe. Bis ich dann ein Keyboard geschenkt bekam und merkte, dass Wave auch nicht schwieriger ist als Folk :) Es folgte eine Bassgitarre und neben der mittlerweile aktiven Folkband Tritonus wurde das Wave-Soloprojekt Farblos ins Leben gerufen, über die ich jüngst bereits berichtet habe. Noten lesen kann ich übrigens immer noch nicht so richtig…
Musiksammlung
Auch hier ist Ãœberleitung quasi vorprogrammiert. Mittlerweile bin ich auch Musiksammler geworden. Zwar in erster Linie ganz zeitgemäß in Form von MP3s, aber das bringt meines Erachtens zumindest den Vorteil einer Ordnerstruktur. Öffnet man den Bandordner finden sich chronologisch angeordnete Alben und gibt es keinen Bandordner dann findet man bestimmt was bei den einzelnen Songs die stilistisch geordnet ist: Alphaville bei „Synthpop“, Haus Arafna bei „Industrial“, Malaria! bei „Gothic, Wave, Alternative“ oder auch Small Faces bei „60s“. Alles ganz fürchterlich deutsch, sozusagen :)
Literatur
Und wo wir gerade quasi beim Konsumieren sind: Wer mich kennt weiß, dass Bücher ebenso wenig weit sind wie Musik, manchmal wohl noch näher. Angefangen zu lesen habe ich mit etwa 12, damals Wolfgang Hohlbeins Adaption des Cthulhu-Mythos im „Hexer von Salem“ – die düstere Literatur war also schon quasi vorprogrammiert. Heute bin ich auf der einen Seite großer Tolkien-Fan, habe mich aber auf der anderen Seite ganz besonders intensiv in die Gothic-Literatur und Artverwandtes eingearbeitet (ich hätte nie gedacht, wie intensiv man das professionell an der Uni studieren kann) und bin heute der erste, der versucht dem deutschen Grufti den traditionellen Gothic nahezubringen, und der ist eben erstmal literarisch. Und so steht in meinem Bücherregal zwischen dem Silmarillion und dem Nibelungenlied in erster Linie so schöner Kram wie Frankenstein, The Monk oder natürlich The Castle of Otranto ;)
Filme
Und weiter wird konsumiert :) Filme hab ich schon immer gerne gesehen, und bin dabei in den letzten Jahren sehr kritisch geworden – oft zum Missfallen meiner Couchgenossen. „So ein platter Chlichéecharakter!„, „was für eine schlechte Ãœbersetzung, das ergibt so doch so gar keinen Sinn!“ oder „Hey, das ist doch jetzt aber sinnbildlich zu verstehen… weißt du noch am Anfang? Das ist so ein generelles unterschwelliges Thema…“ sind nur ein paar Äußerungen mit denen ich oft den Unmut auf mich ziehe – aber ich kann nicht anders! :) Natürlich sind’s auch hier oft auch Sachen, die quasi in der legitimen Gothic-Tradition stehen, wie Nosferatu oder der erste Alien (echt mal, der ist so gothic!) und natürlich Tim Burtons Werke, aber ich liebe etwa auch Loriot und andere leichtherzige Sachen.
Zeichnen
Aber um mal wieder vom Konsumieren wegzukommen hin zum Kreativen: Meine früheste kreative Leidenschaft war das Zeichnen, schon im Kindergarten. In der Schule habe ich dann Abschluss-Shirts entworfen und letztlich sogar ein Gestalter-Fachabi gemacht, dabei dann aber doch beschlossen, dass das nicht mein beruflicher Weg wird. Als ich schwärzer wurde hat sich das natürlich auch in meinen Zeichnungen niedergeschlagen, aber wirklich düster war ich da wohl nie, eher ein bisschen schräg. Heute zeichne ich kaum noch und stecke meine Kreativität eher in die Musik, aber ein paar meiner schrägeren Skizzen (die allesamt schon einige Jahre alt sind) möchte ich euch dennoch nicht vorenthalten.
Kamera-Arbeit
Kreativ versuche ich auch vor und hinter der Kamera zu werden, wobei ich mich allerdings nicht gerade als Model bezeichnen würde und schon garnicht(!) als Photograph. Ich knipse nur hin und wieder mit einer popligen Standard-Knipse und bastle massiv in Photoshop daran herum, und wenn mich jemand vor der Kamera haben möchte bin ich sehr gerne mit dabei. Hier ein paar Beispiele für beides.
Nähen
Bleibt aus Roberts Steilvorlage nur noch das Nähen, und auch hier muss ich immerhin sagen, dass ich mich dann und wann ein wenig daran versuche. Ich bin zwar weit davon entfernt etwas auch nur ansatzweise vergleichbares zu fabrizieren wie etwa Rosa, aber als Mittelalter-Darsteller mache ich doch meine Klamotten mittlerweile ausschließlich selbst und von Hand. Bislang ist meine Näherei also primär anzusiedeln bei Gotik, weniger bei Gothic, aber an gekauften Klamotten etwas herumdoktorn, dazu reicht es immerhin. Rechts immerhin ein Beispiel für meine 1300er Klamotte – knöchellange gelbe Cotta mit Fledermausoberarmen und engen Unterarmen bis zum Handrücken, grüne Gugel, gefütterte Umhängetasche – nicht zu sehen die lange Unterwäsche und die schmucken Herrenstrapse :)
Schreiben
Ja, ich fürchte, ich habe noch mehr, denn ans Schreiben von Prosa haben die Gothic-Friday-Veranstalter nämlich nicht gedacht ;) Mache ich schon ewig, habe aber nie etwas wirklich fertiggestellt. Tatsächlich habe ich aber im letzten Herbst etwas fertig bekommen, das wohl am ehesten in der Lovecraft’schen Tradition anzusiedeln ist, und ich bin nur noch an den Schönheitskorrekturen und wo sollte ich das unter die Leute bringen, wenn nicht in den Otranto-Archiven? Ihr dürft also gespannt sein ;) Die erhoffte „lesergerechte Kürze“ habe ich wie angekündigt natürlich nicht hinbekommen, aber ich hoffe den geneigten Leser dennoch nicht gelangweilt zu haben ;)