Der März war leidenschaftlich, vor allem für die Teilnehmer des Gothic-Friday, die für das Thema „Schwarzer Fächer der Passionen“ ein Stück Bewusstsein dafür entwickelt haben, ihre Leidenschaft in Worte zu fassen. 23 Teilnehmer sind den Beweis angetreten das Gothic eben nicht nur schwarze Klamotten zu düsterer Musik sind. Ob es ihnen gelungen ist?
Das es nicht einfach werden würde, hat maehnenwolf auf einen Nenner gebracht: „Es gibt wohl wenige Fragestellungen oder Aufgaben, die persönlicher wären, als über seine Leidenschaften zu schreiben. Nicht nur, dass es sehr vieler und genauer Überlegungen bedarf, sich überhaupt einmal darüber klar zu werden, was denn genau eine Leidenschaft ist, was sie von einem „gewöhnlichen“ Hobby unterscheidet und vor allem, ob sie etwas ist, das man mit der schwarzen Szene verbindet…“
Das eine schwarze Leidenschaft, nicht immer produktiver Natur sein muss, darüber belehrte uns nrsss: „Bei mir ist die Passion weniger etwas, dass sich an Ergebnissen messen lässt. Sie lässt sich auch nicht beschreiben. Aber ich kann diese Leidenschaft spüren. Sie beeinflusst meine Wahrnehmung, sie steuert mein Denken. Sie ist allgegenwärtig. Und so konsumiere ich weiter. Mit Leidenschaft.“ Denn wenn wir ehrlich sind, sind wir im gleichen Maße Konsumenten von dem, was wir für uns als „schwarz“ definieren. Sie hat damit nicht – wie sie unterschwellig vermutete – am Thema vorbei, sondern vom Kern der Sache berichtet.
Den Kern der Sache hat auch Orphi Eulenforst getroffen, die ihrer mehrfarbigen und größten Leidenschaft, der Schriftstellerei, alle Ehre macht, wenn sie zusammenfasst: „Fließt “das Schwarze” nicht automatisch in jeden Lebensbereich, zieht durch die Gedanken und Gefühle, so dass man es unmöglich abspalten und als eine bestimmte Passion beschreiben kann? Vielleicht ist es einfach nur meine Leidenschaft, mich mit dem zu umgeben, was auf mich Schönheit, Natürlichkeit, Intensität, Fantasie, Wahrhaftigkeit und Tiefe ausstrahlt.“ Damit spricht sich vielen Teilnehmern aus der schwarzen Seele. Stoffel, die leidenschaftlich gerne Bilder und Fotografien tuschelt, schreibt ergänzend: „Meine Leidenschaft für die Photographie, digitales Tuscheln sowie Kräuterkunde wurden nicht erst durch oder wegen der Szene zur Leidenschaft, jedoch hat sich meine Sicht, sei es durch das Objektiv oder die Thematik ansich, durch die Zugehörigkeit zur Szene verändert.“
Gothaholic Rosa Chalybeia liefert ein beeindruckendes Leidenschafstpensum: Neben dem Zeichnen, Schreiben und Bloggen sowie der Schneiderei ihrer eigenen, schwarz-romantischen und teilweise oppulenten Kleidern steht sie nicht unbedingt selten vor und hinter der Kamera. „Szenemitgestaltung war nie ein bewusstes Ansinnen am Anfang, doch wenn man sich zur Szene zählt, wird man früher oder später auch seinen Teil dazu beitragen, da man selbst ja Teil des Ganzen ist – wie auch immer das im einzelnen Fall aussehen mag.“ Zu einem beachtlichen Ruf vor der Kamera hat es auch Melle Noire gebracht, die sich damit ihre größte Leidenschaft erfüllt: „Vor der Kamera zeige ich mich gern vielseitig und wandelbar, experimentiere auch mal mit unterschiedlichen Stilrichtungen und Make Ups […] ich habe die Möglichkeit, in tausend verschiedene Rollen zu schlüpfen, mich zu kostümieren, mich zu inszenieren und dabei immer neue Facetten an mir zu entdecken – das finde ich einfach herrlich!“
Fotografieren, ist wohl ein „Vollgruftiges Interessensgebiet“, dem sich alle Teilnehmer hingeben. Tobikult, dessen leidenschaftliche Bewegung Herr Schubert heißt, schreibt dazu: „Die visuellen Reize in der Szene sind ebenso mächtig wie die akkustischen, und so liegt die Suche nach dem einen, unwiederbringlich anrührenden Motiv für mich in der Szene tief verwurzelt.“
Marcus Rietzsch vermag sogar den Gedanken seiner und sicher auch der Motivwahl aller Teilnehmer, Worte zu verleihen: „Von übermütiger Kinderhand eingeworfene Fensterscheiben mahnen die Vergänglichkeit an. Efeugirlanden erobern die Außenmauern und schleichen sich unaufhaltsam in das Innere der Gebäude. […] Gleißendes Sonnenlicht fällt durch ein mit den Jahren trübe gewordenes Fenster, eingerahmt von verschlissenen, ergrauten Gardinen, auf eine zerknitterte Schwarz-Weiß-Fotografie auf dem Boden. Spinnweben umfassen ein Dreirad aus Holz, dessen Farbe schon vor langer Zeit verblasst ist. Bildhafte Gedanken zum Werden, Sein und Vergehen.“ Wie tief seine Leidenschaft ist, lässt sich nur erahnen, wenn man seine zahlreichen Fotografischen Arbeiten an sich vorbeiziehen lässt.
Etwas weniger poetisch aber genauso treffend nennt Shan Dark ihre Leidenschaften „verfallen, abgeschabt und morbide„, für die sie auch mal gerne in andere Länder fährt. „An skurrilen oder morbiden Orten wie Beinhäusern, Katakomben, Gruften, Lost Places, Ruinen und natürlich Friedhöfen kann ich mich stundenlang aufhalten. Dort genieße ich die Ruhe und Natur, die Vergangenheit, die durch die Räume weht und lasse die manchmal vorhandene mystische oder sogar ‘gespenstige Atmosphäre’ auf mich wirken. Am liebsten würde ich das Erlebte, Gefühlte in mich aufsaugen. Sowas berauscht mich.“ Welch ein Glück das sie darüber auch noch schreibt, denn dadurch wird ihr Blog zum Recherchefundus eben solcher Orte.
Auch Madame Mel ist viel herumgekommen, hat sich aber mit ihren Meligrammen einen besonderen Namen bei den Leser gemacht, denn die Malerei ist ihr besonders ans Herz gewachsen: „Die Malerei ist völlig stimmungsunabhängig — diese kann zwischen Melancholie und Euphorie schwanken. Ich versuche, meine Gefühle, die aus der jeweiligen Stimmung heraus entstehen, in die Werke zu einzubringen. Das gilt sowohl für die Malerei als auch für die Fotografie. Je nach Lust und Laune höre ich dabei Musik, ein Hörspiel, sehe einen Film oder es herrscht um mich herum einfach nur gruftige Stille.“
Ricarda schlägt eine Brücke zur ihrer größten Leidenschaft, dem Schreiben, wenn sie uns zum nachdenken auffordert: „Der größte Teil unsere Lebens spielt sich in unseren Köpfen ab, deswegen sollten wir unsere Köpfe möglichst oft und intensiv benutzen, es sei denn wir haben unser Leben schon aufgegeben.“ Mit geschriebenen Gedanken schafft sie Erinnerungen, die sie in ihren Blogs auch mit anderen teilt. Auch Guldhan erklärt das Schreiben, neben seine sehenswerten Fotografischen und künstlerischen Arbeiten, zu seiner Passion: „Dieses wird dem Begriff Passion gerecht. Da ich damit eine allzu große Hassliebe verbinde. Zum einen ist es faszinierend den Gedanken Worte zu geben und damit Bilder zu formen. Andererseits ist es für mich die Aufgabe, die mich schlechthin aufopfert und aufgrund des hineingelegten Anspruchs oft zur Verzweiflung bringt.“ Wenn Schmerz und Leid sein Schreiben bedingt, ja dann wünsche ich ihm viele weitere Martyrien.
Weniger Schmerz beim schreiben in seinem Blog verspürt Robert, der das was in seinem Blog geschrieben ist und wird, als Passion bezeichnet: „Aus Spontis ist eine Passion geworden. Die Passion, die Szene so zu zeigen, wie sie wirklich ist und denen, die sie ausmachen, etwas zurückzugeben. Nicht die Künstler auf der Bühne machen Gothic, sondern die Menschen davor, die Szene selbst, ihr.“
Selbermachen steht auch hoch im Kurs und wird von TKindchen, die sich auch gerne mit Mythen, Sagen und Paranormalem beschäftigt, wegen seiner Einzigartigkeit geschätzt: „Das Schöne daran ist, dass niemand anderen ganz genau das Gleiche besitzt, wie du. Auch, wenn man die gleichen Pattern als Vorlage benutzt hat, das Ergebnis ist immer unterschiedlich.“ Einzigartig sind auch die Bereiche, die die Selbermacher erkunden, so hat sich Schatten eine mandalorianische Rüstung geschmiedet : „Dabei kann ich einfach so richtig schön abschalten und mich auch mal abreagieren. Mein wohl bekanntestes Werk ist meine Mandalorianische Rüstung, für die ich über ein Jahr gebraucht hab, wahrscheinlich sogar über 2, aber war auch sehr aufwendig und nicht einfach, besonders ohne die Erfahrung die ich inzwischen habe.“ Schmetterding zauber sogar aus Computerschrott einzigartige Schmuckstücke „Wie hübsch die Transistoren doch waren und die kleinen Spulen! Eine rote Grafikkarte! Silberne Kabel! Viel zu schade zum Wegschmeißen. Also fing ich an zu basteln.“
Bei einigen geht auch die Leidenschaft zur Musik über das Hören selbiger hinaus: Karnstein beispielsweise, der jede der möglichen, schwarzen Leidenschaften mit seiner Kreativität beglückt, hat auch das Musikmachen für sich entdeckt: „Irgendwer war immer da, der abends am Lagerfeuer gesungen oder Gitarre geklampft hat, das wollte ich einfach etwas unterstützen. Dann hab ich irgendwann angefangen mitzusingen und irgendwo lag auch mal eine Blockflöte herum aus der ich dann recht schnell auch saubere Melodien herausgebracht habe […] und neben der mittlerweile aktiven Folkband Tritonus wurde das Wave-Soloprojekt Farblos ins Leben gerufen.“
r@zorbla.de, der sich vornehmlich mit elektronischer Musik beschäftigt, beschreibt seine Leidenschaft zu Musik so: „Die Musik an sich, also das Machen derselben ist für mich der entspannende Ausgleich vom Alltag. Auch wenn einiges dieser Musik von anderen eher als anstrengend empfunden wird. Je nach Stimmung versuche ich Verschiedenes herzustellen: Klanggebilde, die den Empfindungen meiner visuellen Wahrnehmung entsprechen.“
Micha Schmidt hat die Band Bauhaus zu seiner Leidenschaft erklärt die ihn nachhaltig geprägt hat: „Peter Murphy habe ich schon 1992 bei der WDR-Rocknacht in Düsseldorf gesehen, aber die ganze Band zu erleben, das war ein sehr prägendes Ereignis. So prägend, dass ich mich bei einem bekannten Online-Auktionshaus auf die Jagd nach den Vinyl-Singles von Bauhaus machte.“ Eben diese Band versucht Grabesmond, als frisch gebackene DJane ihren Zuhörern zu vermitteln: „Ich versuche abwechslungsreich aufzulegen und ich möchte es für die Gäste möglich machen, dass sie für eine Weile abschalten können, dass sie sich voll und ganz der Musik hingeben und für ein paar Stunden den grauen Alltag vergessen.“
Doch auch ungewöhnliche Leidenschaften bescherten uns neue Einblicke. Simone widmet sich neben dem Zeichnen vor allem dem Gothic Bellydance, das für sie mehr ist als die simple Lust an der körperlichen Bewegung: „Es kostet […] wesentlich mehr Überwindung mit dem ganzen Körper und mit Gefühl, im Raum irgendetwas hervorzubringen und es muss wesentlich tiefer in einem gegraben werden […] Manchmal ist zu tanzen wie einfach Mal laut schreien, oder weinen, oder lachen oder was auch immer gerade ausgelebt werden will. Man kann zumindest Teile von sich ausleben die völlig surreal oder unbegreiflich sind, ohne dafür in eine Anstalt zu kommen und das ist einfach wunderbar.“ Auch das Ballett, dem Rosa Chalybeia auch etwas ihrer Leidenschaft schenkt, ist eine Form „schwarz“ zu sein. Sibel schreibt: „Damals verband ich Ballett lediglich noch mit Prinzessin und rosa. Doch mit den Jahren […] merkte ich, wie schön düster eigentlich Ballett sein kann. […] Fragil gebaute Frauen welche zu melodisch düsternen Klavierstücken auf Spitzenschuhen tanzen. Das ist definitiv meine liebste Leidenschaft.“
ASRianerin möchte ich das Schlusszitat überlassen, die sich neben ihrer Leidenschaft für Gedichte vor allem sozial engagiert. Warum sie das tut und was das mit der schwarzen Szene zu tun hat, erklärt sie uns selbst: „Es ist schlichtweg konsequent. Ich möchte mich bewusst von einer Gesellschaft abwenden, die ich als kalt und manchmal auch als sehr beängstigend empfinde. Es ist ein Wechselspiel zwischen Weltflucht und Gesellschaftskritik. Doch ich möchte nicht nur kritisieren: Ich möchte auch etwas tun. Ich bin nicht so idealistisch, dass ich glaube, ich könnte alles umkrempeln. Von daher tue ich was ich kann, damit ich wenigstens ein bisschen lindern kann.„
Der Wahnsinn, was ihr mit dem Gothic-Friday losgetreten habt! All diese schönen Artikel. Das Netz wird immer schwärzer und dadurch attraktiver. Gibt es eigentlich ein offizielles Gothic-Friday-Blogger-Treffen auf dem WGT?
Wieder einmal sehr schön
zusammengefaßt! Und ich fand
es sehr spannend, die Artikel der
anderen Teilnehmer durchzulesen! :)
Dunkle Grüße
Melle
Tolles Resümee, da bekommt man immer erst so einen richtigen Eindruck der ganzen Bandbreite (allein schon weil ich es dann irgendwie doch nie schaffe, ALLES Beiträge zu lesen).
Schön ausgewähltes Schlusswort auch! Das klingt für mich nach dem Inbegriff von „Positive Punk“ :)
Ihr seid so super! Nicht nur, dass ihr schon wieder das geschafft habt, was mir immer erst nach eurem Resümee gelingt – alle Beiträge zu lesen – die Zusammenfassung ist einfach genial.
Dieser gemeinsame Nenner Fotografie kommt gut raus. Egal ob betrachten oder selbst machen. Und dennoch zeigt sich erst hier wirklich die gesamte Vielfalt des „Fächers“ der schwarzen Passionen.
Ihr habt einwundervolles Gesamtbild erstellt! Der Versuch die schwarze Szene so darzustellen wie sie ist gelingt hier in einmaliger Weise!
Ich bin schon so gespannt auf den nächsten Monat! Momentan habe ich das Gefühl, dass dieses Thema in seiner Vielfalt und Tiefe eigentlich gar nicht übertroffen werden kann.
Was fehlt denn eigentlich noch?
Auch wenne es jetzt gerade meine Vorstellungskraft übersteigt, ich weiß, dass ihr der schwarzen Szene noch viele Hände reicht. Hände, die dabei helfen das, was wir jeden Tag ganz einfach nur sind und fühlen, in Worte zu fassen und festzuhalten.
Danke!
Feiner Überblick, bei den Resümees merkt man wirklich erst immer, welche Artikel einem noch entgangen sind, jetzt bin ich gespannt aufs nächste Thema :)
Diese Runde war bis jetzt eindeutig die anstrengendste, aber daher auch die interessanteste. Es ist spannend zu lesen daß andere manche Dinge ähnlich sehen wie man selbst, ähnliche Interessen verfolgen – verbindet irgendwie auch wenn ich die wenigsten Mitkommentatoren jetzt in real kenne – schon alleine deswegen will ich mich nochmal für ein Treffen am WGT aussprechen und bin da freilich gespannt auf euch alle – soweit dann am WGT auch zugegen versteht sich :)
Es ist auch sehr spannend wie auf der anderen Seite die Teilnehmer hier auch doch wieder irgendwie grundverschieden sind, das macht ein mögliches Treffen noch spannender wenn ich mir jetzt vorstelle wie da grüne Tarnklamotten neben Pikes, neben Punk und riesigem Reifrock stehen :D
Da sieht man dann auch daß nicht die optische Zuordnung zu gewissen Szeneinternen Splittergruppen der verbindende Faktor sind, sondern Dinge die dann doch weiter gehen als Oberflächlichkeiten – sehr schön! Zumal die Splittergruppen-Zurdnung in der Realität eh nie gestochen scharf ist und auch nicht sein kann, wo es tatsächliche Individuen gibt.
Anstrengend war sie, das gebe ich zu. Aber ebenso interessant, so wie es die meisten Teilnehmer schildern. In der nächsten Runde wird es etwas entspannter, soviel kann ich verraten. Aber der Gothic Friday wächst und verändert sich mit seinen Teilnehmern, daher kann ich versprechen, das es auch weiterhin interessant und herausfordernd bleibt.
Obwohl diese Runde weniger Leute mitgemacht haben als in den letzten Runde (was vielleicht der Schwierigkeit oder Komplexität der Fragestellung geschuldet war) fand ich das Endergebnis nicht schlechter, sondern auch mitunter sehr überraschend, wie viel von dem was ihr leidenschaftlich gerne tut, an mir vorbeigegangen ist :) Schön das sich das nun geändert hat.