Der Gruftfrosch hat bereits im Februar einen kleinen Einblick in seine schwarze Lebensbahn gegeben und gezeigt, welch‘ wichtigen Bestandteil die Musik darin einnimmt. Hier im März-Thema des Gothic Friday nun einige Details mehr dazu…
Das aktuelle Thema des Gothic Friday ist sicherlich mit DAS Umfangreichste, ist der Pfad dessen, was sich Musik der „Schwarzen Szene“ schimpft nicht unbedingt gerade, und vor allem weit verzweigt. So kam wohl so mancher (zu) spät Geborener nicht den direkten Weg, sondern als Seiteneinsteiger. So wie ich zum Beispiel, wie beschrieben, über die Mittelalter-/Symphonic Metal-Schiene. Unwissenderweise habe ich bereits beim Thema „Wie seid in die Szene bekommen“ von meinen ersten zarten Berührungen berichtet. Aber Kunststück – ist es doch die Musik, die uns am ehesten verbindet und den Einstieg verschafft.
Es ist mir heute ein Rätsel, wie ich Sharon den Adels Stimme (Within Temptation – Another day) mal so lange aushalten konnte, ja gar Gefallen an ihr fand. Vielleicht überspielte ihr Aussehen so manchen Missklang bei mir. Bei Tarja Turunen war’s ja ähnlich, aber ihre Stimme war/ist der von der Niederländerin doch um Einiges überlegen. Mein erstes Lied, was ich von Nightwish hörte, war „The Kinslayer“ und hat mich damals gefesselt. Bei Schandmaul war es „Kalte Spuren“, wenn ich mich recht entsinne. All dies geschah auf der Party eines Kumpels.
Es folgten Erweiterungen des Horizonts gen Helium Vola (Les Habitants du Soleil) und Qntal (Entre moi et mon amin), die ich heute noch manchmal höre. Langsam wurde es elektronischer und synthesizerlastiger. Dann stieß ich um das Jahr 2004 auf Wolfsheim und fand’s großartig. Klassiker (The Sparrows and the Nightingales) und das doch recht ruhige „Übers Jahr“ dudelten durch Gruftfroschs Gehörmuschel, ebenso wie Lieder des Wahlschweizers Tilo Wolff. Die ersten Lieder, die mir damals eine Freundin mit auf eine CD packte, waren „Ich verlasse heut dein Herz“ und „Ich bin der brennende Komet“. Es sollten nicht die letzten bleiben, die in meine Sammlung wanderten. Hatte ich in der Schule doch bisweilen Mobbingerfahrungen machen müssen, so schien mir die Musik wie eine Therapie zu sein. Ich mochte neben dem Dark-/Synthiepop von Wolfsheim die Mischung aus Orchestralem und den rockigen Gitarrenriffs und ja, auch den wehleidigen Texten. Das schleppe ich wohl irgendwie seit den „Anfängen“mit mir herum. Leider war es auch die Zeit als mein geliebter Opa starb. Es war die richtige Musik zur richtigen Zeit. Was habe ich damals auf den Autofahrten quer durch Deutschland „Kelch der Liebe“ auf der Autobahn aufgedreht und mitgebrüllt.
Viel von der Musik bekam ich damals während des Studiums von Bekannten als Tipp, hörte mal da, mal dort herein und landete schließlich bei ASP, die mich lange begleiten sollten.
Zwischen 2007 und 2010 Vollblutfan, so habe ich heute ein distanzierteres Verhältnis zu dieser Musik, wenngleich mancher Text für mich heute noch ein Kunstwerk darstellt, sei es bei „Tiefenrausch“ oder vor allem „Biotopia“. Was für ein Gleichnis von Naturzerstörung und Entsozialisierung der Gesellschaft – klasse. Gänsehaut. Gut gemacht.
In dieser Zeit erweiterte sich dank Internet und Festival-Besuchen das Feld immer weiter und näherte sich dem Bereich des Postpunk und Darkwave immer weiter an, was hier nicht unter den Tisch fallen soll.
Doch was ist es nun, was mich bei Musik fesselt. Die Texte? Die Melodie? Im Grunde schwer zu entscheiden. Bei manchen Liedern steht das eine im Vordergrund (so der Text bei ASPs Biotopia), bei manchen das Andere. Da vermittelt die Melodie – die Komposition – mehr als ein Text es je könnte. Er wirkt nur noch ergänzend, während die Melodie in Klang- und Gedankenwelten entführt, die einen entschweben lassen. Dann könnte ich einfach nur da liegen, die Augen schließen und träumen. Ein absolutes Lieblingsalbum ist „The Pale Collection“ von The Frozen Autumn für mich geworden. Besonders „When Dreams Become Memories“ hat es mir angetan.
Diese langsame Steigerung bis der Gesang von Diego einsetzt, ist wie ein kühler Wind, der sanft die Seele von Sorgen und Stress freipustet. Ähnlich geht es mir mit „Inner Pale Sun“ von Arcana. Einlegen, Aufsaugen- (Weg-)Träumen…
Erwähnte ich schon meinen Faible für kühle, spröde und unnahbar wirkende Frauenstimmen? Nein? Dann ist das nun geschehen. Kein Wunder, dass mir Bands wie Linea Aspera (Reunion), Tropic Of Cancer (A Color) oder Minuit Machine (Midnight Love) wohlige Schauer über den Rücken jagen um mich sogleich mit geschlossenen Augen umherschlurfen zu lassen.
Unterschätzt ist meines Erachtens Zohra Atash mit ihren Bandprojekten Azar Swan (Dance Before the War) und Religious to Damn. Sie erinnert mich sehr an Kate Bush. Auch von Chelsea Wolfe werden wir hoffentlich noch Einiges hören. Unerwähnt möchte ich auch nicht lassen, dass ich von Zeit zu Zeit auch abseits des finsteren Pfades auf Hörkurs gehe. Meist ist der Exkurs aber nicht so weit, sei es im Rockabilly wie bei Mystery Gang, im (New)Beat (Allah-Las – Long Journey) oder im Punk.
Kommen wir zum Abschluss, dem für mich schwersten, nämlich mich für nur 5 Lieder zu entscheiden, die es in meine ewige Top5 und meine aktuelle Top5 schaffen. Dabei enstspricht die Rangfolge nicht der Wertung an sich.
Des Gruftfrosches aktuelle Top5:
- The Soft Moon – Insides
- Chelsea Wolfe – House of Metal
- Agent Side Grinder – For The Young
- Soror Dolorosa – Exodus
- The Devil And The Universe – It Is Our Will
Seine ewigen Top 5:
Danke dankö für den Eintrag, hab mich dank deiner Rückbesinnung an die Anfänge auch wieder an meine eigenen erinnern können und kann bezeugen dass es bei mir damals auch mit Within Temptation anfing wenn ich so richtig überlege. Jaja aller Anfang ist, bei der Musik wohl eher..leicht!
Oh ja, Arcana, Linea Aspera und The Frozen Autumn mag ich auch sehr – erstere kann ich aber nicht immer hören. Das passt einfach nicht bei Tageslicht bzw. Sonnenschein. Dazu muss es dunkel und/oder trübe sein. Am besten Herbst oder Winter.
Sagt Dir Nina Belief etwas? Die macht ähnlich wie Linea Aspera schönen kühlen Synthiewave/Minimal mit angenehmem Gesang.
Nein, sagt mir nix. Werde ich gleich nachforschen. Ich muss mich eh noch bei dir bedanken. Erst durch dich bin ich auf The Chameleons aufmerksam geworden. Die waren bisher an mir – unglaublich, aber wahr – vorbeigangen. Kann sein, dass ich sie mal streifte, aber dann wohl mit nem Lied, was mich nicht so packte. Ich kann dir aber gar nicht sagen, wie oft ich in den letzten Tagen „Second Skin“ schon gehört habe. Magisch! Danke, danke, danke. Musste mir sodann gleich „Script Of The Bridge“ besorgen.
Ja, Arcana ist generell für mich was für’s Winterhalbjahr.
Ich habe im Gegenzug auch direkt Bands, die erst jetzt, wo’s wärmer wird wieder vorgekramt werden. Motorama ist so ne Band.
Edit meint:
DAS Ist ganz nach meinem Geschmack. „Severance“ hingegen musste ich abbrechen. ;)
Gern geschehen, ich freue mich, dass es Dir gefällt. Es funktioniert hier ja ganz gut bei Spontis mit der gegenseitigen Musik-Inspiration :-)
Motorama kenne und mag ich auch, hab sie aber auch erst vor kurzem entdeckt.
Und die Chameleons habe ich auch erst um das Jahr 2000 kennen gelernt – dafür bin ich dann aber auch gleich darauf zu deren Konzert nach Hamburg gefahren. Das was das mit Abstand beste Konzert meines Lebens. Seitdem habe ich sie noch fünf- oder sechsmal live gesehen (die nennen sich ja mittlerweile Chameleons Vox, da in anderer Besetzung), und jedes Konzert war ein echtes Erlebnis. Selten habe ich so eine tolle Konzertatmosphäre genossen. Der Sänger geht sehr mit seinen Songs mit, agiert mit dem Publikum und man merkt, dass ihnen die Auftritte viel Spaß machen. Script of the Bridge ist definiv ihr bestes Album, ich kann es rauf- und runterhören, da ist kein Ausreißer dabei.
Wie konnte ich bei meiner Aufzählung der wunderbaren Frauenstimmen eigentlich Molly Nilsson und Sally Dige vergessen?