Im Rahmen des Gothic-Friday 2011 bin ich wieder einmal sehr froh, einen Beitrag für das März-Thema von ASRianerin präsentieren zu dürfen. Alle Bilder darin wurden von ihr zur Verfügung gestellt. Das Tafel-Bild ist von Rafel Sonneberg, für „Freies Wort„. Der Text befindet sich selbstverständlich im Originalzustand und wurde lediglich durch Absätze und Formatierungen bearbeitet.
Endlich ist es wieder soweit. Gothic-Friday auf Spontis! Leidenschaften, Hobbies und dergleichen innerhalb der schwarzen Szene. Ich grübel und grübel und grübel… dabei bin ich schon mitten drin! Schreiben. Gedanken und manchmal auch Bilder mit Worten formen.
Hier sind es Fließtexte. Und gerade bei Spontis schreibe ich gerne, da ich mich hier auch immer auf eine kritische Art und Weise selbst reflektieren muss. Es ist zum einen eine Horizonterweiterung über das eigene Selbst, aber auch über die Welt. Doch genauso ist es Tor der Gefühle und Gedanken, welches man beliebig öffnen kann. Manchmal öffnet man es durch seine Wortwahl nur einen Spalt breit und der Leser muss sich überlegen, was wohl hinter der Tür verborgen ist. Denn das was er sieht ist ja nur ein ganz kleiner Teil.
Doch sind es nicht nur Fließtexte, Berichte oder einfach nur Gedanken. Nein, auch ein Gedicht darf es mal sein. Grundsätzlich bin ich nie zufrieden mit den Gedichten die ich schreibe. Aber da es mir dennoch Spaß macht und es dennoch dazugehört, wäre es an dieser Stelle auch irgendwie nicht so passend, wenn ich euch davon etwas vorenthalten würde, auch wenn ich es selbst nicht mag. Aber wie erwähnt, mag ich meine Gedichte nie.
Wintertanz
Winterkälte streichelt meine Wangen,
bei meinem Tanz barfuß im Schnee.
Der Frost dringt in meinen Körper
und betäubt den Schmerz der in mir lebt.
–
Um mich herum ein weiß-grauer Schleier,
eine Träne bahnt sich ihren Weg.
Die Gedanken kreisen in meinem Kopf,
wie mein Körper im Schnee.
–
Der Mittelpunkt des Denkens
ist dein Name, dein Körper, dein Gesicht, deine Person.
Der Gedanke an das strahlen deiner warmen Augen
taut mein Innerstes einen Moment lang auf.
–
Doch gefriert meine Seele wieder zu Eis,
denn dein Körper, dein Gesicht, deine Person ist so fern.
Und ein Wiedersehen erscheint mir nur als Traum.
Ich flehe, dass wir das Selbe träumen…
–
Der Schwindel überwältigt meinen Körper,
ein Taumeln, ein Seufzer,
ein warmer Leib ruht im kalten Weiß.
Der Wunsch nach deiner Wärme nimmt mich vollständig ein.
–
Stunden vergehen.
Und mit den letzten Sonnenstrahlen
stirbt auch mein Atem.
Manchmal habe ich meine Werke in diversen Foren dann auch schon mal vorgestellt, was aber sehr sinnlos war, da ich kaum die Antworten darauf las. Fragt mich nicht, wozu ich sie dann präsentiert habe. Vielleicht ein versteckter Wunsch, dass jemand sagt, sie sind doch nicht so miserabel, wie ich sie sehe?! I don’t know. Ist auch nicht wichtig.
Aber nicht alle Gedichte entsprechen meiner melancholischen Ader. Wie ihr beim letzten Gothic-Friday gelesen habt, habe ich noch eine andere Seite: Die, die gerne albern ist und herumalbert und die manche Menschen (gerade meine Klassenkameraden) sooft sehen, dass sie überrascht sind, wenn sie dann wirklich mal die melancholische Seite in mir entdecken. Und manchmal albert es mich dann eben auch beim schreiben. Und so musste das Lied „Traum von Tod II“ von Subway to Sally für eine ganz neue Version herhalten:
Traum vom Bier
Ich hab heut nacht von Bier geträumt,
es floß in allen Schenken.
Es plätscherte und rief nach mir so laut.
–
Es sprach mein Durst der sei verwirkt,
ich sollte es nur trinken
Und die Kehle die war trocken wie Staub.
Die Kehle die war trocken wie Staub.
–
Ich trank soviel ich schlucken konnt‘,
soviel das Fass hergab.
Und die Leber die hatte ihren Spaß.
Die Leber die hatte ihren Spaß.
–
Da wusste ich, die Welt dreht sich
Und Schwerkraft zieht sehr nieder
auch wenn der Durst schon längst erloschen ist.
–
Ich hab heut‘ Nacht von Bier geträumt,
das gibt ’nen bösen Kater
für Mann und Weib in jedem Schankraum.
Das war mein Traum.
Dass dieser Text nun vielleicht ein ganz falsches Bild von mir zeigt, nehme ich gerne in Kauf. Denn Bier spielt gerade bei diesen Texten oftmals eine entscheidende Rolle.
Eine Zeit lang übte ich mich auch im fotografieren, da ich damals viel auf deviantart.com herum surfte und mir eben die düster angehauchten Bilder und diese „alternative Kunst“ dort gefiel. Also kaufte ich mir vom ersten Gehalt eine Olympus und versuchte mich selbst. Ein Profi bin ich nicht gerade und auch meine Bilder sind eher Standard. Aber vielleicht habe ich ja bald auch wieder etwas mehr Zeit, durch die Gegend zu schleichen und mir geduldig schöne Motive zu suchen.
Ab und an stand ich auch selbst vor der Kamera. Doch auch das musste ich hinten ranstellen, da mir das *räusper* blöde Abitur gerade keine Zeit mehr für zeitaufwendige Shootings lässt. Ärgerlich. Aber auch das geht zu Ende. Das größte Hobby, welches ich auch zu meinem Beruf machen möchte, ist aber die soziale Arbeit. Vielleicht wird sich jetzt der ein oder andere fragen:“Mh joa. Nett. Aber wo ist der Zusammenhang mit dem schwarzen Lebensgefühl?“
Ich möchte es beantworten:
Es ist schlichtweg konsequent. Ich möchte mich bewusst von einer Gesellschaft abwenden, die ich als kalt und manchmal auch als sehr beängstigend empfinde. Es ist ein Wechselspiel zwischen Weltflucht und Gesellschaftskritik. Doch ich möchte nicht nur kritisieren: Ich möchte auch etwas tun. Ich bin nicht so idealistisch, dass ich glaube, ich könnte alles umkrempeln. Von daher tue ich was ich kann, damit ich wenigstens ein bisschen lindern kann.
Bevor ich dann zum Sozialzweig an die FOS ging, habe ich ein halbes Jahr bei der Sonneberger Tafel ehrenamtlich geholfen. Anfangs nur einmal die Woche und zum Schluss war ich jeden Tag von 8.00 oder 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr da und habe Lebensmittel sortiert, oder bin Touren mitgefahren. Manchmal saß ich auch an der Ausgabe an der Kasse. Ich habe Kisten geschleppt, Lebensmittel verteilt, die Räumlichkeiten geputzt und zum Schluss sogar neue Ehrenamtliche eingewiesen.
Es war die schönste Zeit meines Lebens. Egal was ich dort getan habe, ich hatte immer das Gefühl ich tue was Gutes, etwas wirklich sinnvolles. Egal ob ich gekehrt oder Brot eingetütet habe.
Und auch bei meinen Praktika im Altenheim und in einem integrativen Kindergarten war ich einfach nur glücklich. Auch wenn die Zeit im Altenheim manchmal wirklich schlimm für mich war, da gerade der Pflegebereich nicht gerade mein Fall ist. Aber ich glaube, die Heimbewohner mochten mich. Manchmal stand ich einfach nur an den Betten und habe Hände gehalten. Oder ich habe mich mit Heimbewohnerinnen auf ein Sofa gesetzt und mit ihnen Bilder angesehen. Egal wie verwirrt sie waren, ich glaube, das hat ihnen gut getan.
Und auch im Kindergarten war ich furchtbar gerne. Als meine Praktikumszeit da zu Ende war musste ich so sehr weinen, da ich die Kids echt ins Herz geschlossen habe. Doch auch all‘ diese schönen Erlebnisse hatten Schattenseiten:
Die Menschen die zur Tafel kommen, kommen dennoch jede Woche, weil sie kaum eine Chance haben, ihrer Situation zu entfliehen. Einige Menschen im Altenheim hatten seit Jahren keinen Besuch, obwohl ihre Kinder nur zwei Straßen weiter wohnen. Und so manches Kind in meinem Kindergarten hat an den Wochenenden so schreckliche Dinge erlebt, dass ich es nicht über mich bringe, sie hier aufzuschreiben. Und dennoch: Ich war bei diesen Menschen. Und ich glaube, in diesen kleinen Momenten verspüren sie Hoffnung. Einfach, weil jemand da ist, der bereit ist zu helfen, auch wenn diese Hilfe nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist. Vielleicht vergessen einige diese Hoffnung dann wieder, wenn der Augenblick vorbei ist.
Aber das ist jede Mühe wert.
Doch ich kämpfe nicht nur „direkt“ an der Front. Ich bin auch immer dabei, mich mit vielen Themen zu beschäftigen. Mit Dingen die in unserer Gesellschaft passieren und vor denen wir ohnmächtig und kraftlos stehen, weil wir nicht wissen was da passiert.
Augenblicklich habe ich hier 5 Bücher (Lesen ist, nebenbei bemerkt, auch so ein Hobby), wenn nicht gar mehr, auf meinem Schreibtisch liegen, weil ich mich nach all den Jahren noch immer Frage, wie es zu Amokläufen speziell an Schulen kommt. Und somit habe ich das Thema auch (passender- oder gar makabererweise?) zu meinem Thema für mein Fachreferat in Englisch gemacht. Ich versuche immer zu verstehen, was in anderen Menschen vorgeht. Wobei ich natürlich nicht alles immer WIRKLICH verstehen kann. Denn trotz Psychologieunterricht und vielseitiger Auseinandersetzung mit diesen Dingen, kann ich es dennoch nicht ganz begreifen, oder mir vorstellen, wie es in den Menschen aussieht.
Aber ich würde gerne. Und immer wenn ich es doch wieder ein Stück weit geschafft habe, mehr Empathie aufzubringen, dann habe ich wieder das Gefühl, besser helfen zu können. Ich weiss, ich sollte vorsichtig sein und nicht alles an mich heranlassen. Doch ich habe schon meine Strategien gefunden, damit umzugehen. Und eine davon ist Musik. Und mit dieser neuen Verbindung zum vorherigen Gothic-Friday-Beitrag möchte ich auch nun diesen Beitrag beenden.
Wow ein toller Beitrag und die Gedichte gefallen mir sehr gut. Gerade der Kontrast zw. Melancholie und Spass beweist wieder einmal das wir nicht „todessüchtige Spinner“ sind :)
Dein Engagement sowie Deine Ambitionen warum Du dies tust wünsche ich mir von allen Menschen… Respekt von meiner Seite!
BTW, heute Abend kommt auf VOX eine Doku: „Täter: Mensch – Das Böse in uns“ … vielleicht hilft diese Doku zu verstehen bzgl. Amoklauf (spontane Idee von mir).
Danke für den Tip.
Da wird auch der Ritualmord aus Witten angesprochen
Schön geschrieben :)
Aber das kenn ich gut, dass die Menschen um einen rum eher die spaßige Seite von einem mitkriegen, als die melancholische.
Sehr persönlicher Post. Vielen Dank für die Einblicke, die Du uns gewährst und ich wünsche Dir viel Erfolg bei Deinen Vorhaben!
Ich schließe mich der Meinung der bisher kommentierenden nahtlos an. Ich kam ja in den persönlichen Genuss, den Artikel schon während des „Einpflegens“ intensiv zu studieren. Ein Zitat hat mir besonders gut gefallen:
„Doch ich möchte nicht nur kritisieren: Ich möchte auch etwas tun. Ich bin nicht so idealistisch, dass ich glaube, ich könnte alles umkrempeln. Von daher tue ich was ich kann, damit ich wenigstens ein bisschen lindern kann.“
Eine Bereicherung für die „aktive Gegenkultur zu deutschen Meckerbewegung“, wie ich es selbst in der Beschreibung dieses Blogs nutze. Genau das ist der Punkt! Meckern ist leichter als handeln. Jeder sollte sein Talent für eine Sache dazu nutzen auch etwas Energie darin zu invenstieren, die Welt, in der wir leben ein kleines Stückchen besser zu machen. Niemand ist Talentfrei, doch die meisten bleiben im verborgenen, weil sie im Strom der Gleichgültigkeit ertrinken. Was nützt all der Protest wenn das, was man fordert von keinem Umgesetzt wird?
In diesem Sinne möchte ich diesen Teil deiner Leidenschaft unterstreichen, ohne eine Wertung über die anderen Talente abgeben zu wollen, das überlasse ich denen, die sich damit besser auskennen. Danke Sophie!
Wirklich ein besonders gelungener Beitrag.
So untypisch ist das soziale Engagement nicht für Schwarzträger. Es scheint da so ein paar Gruft-typische Berufe zu geben – ohne pauschalisieren zu wollen – die irgendwie auffällig oft von Szeneangehörigen ergriffen werden, ich kenne selbst einen Altenpfleger, eine Krankenschwester die auf der Palliativstation arbeitet, und etliche mehr. Der Wunsch auf dem Wege etwas zu tun scheint durchaus ganz verbreitet zu sein.
Ich gestehe, ich könnte das nicht. Nicht aus Desinteresse, ich habe einfach kein Händchen dafür mit Menschen umzugehen, besonders nicht in dem speziellen Fall. Hut ab für alle die das können.
Rosa, ja das ist mir auch schon aufgefallen.
Bei der Tafel sind auch viele Metaller und Goths bzw. andere „Alternative“ gewesen, die geholfen haben.
Und ansonsten: Merci :)
Das wäre sicherlich einmal „Stoff“ für einen Artikel. Denn ich schließe mich euren „Auffälligkeiten“ an, obwohl ich mich ähnlich wie Rosa dazu nicht eigne. Der Wunsch etwas zu tun, oder seine Spuren zu hinterlassen, ist ungleich stärker und treibt auch mich in einigen Bereichen des Lebens weiter. Im Hinblick auf die männlichen Szenegänger kann ich ebenfalls hinzufügen, das viele Mitglieder der Goths oder Alternativen und auch der Metaller der Wehrpflicht verweigert haben um einen sozialen Ausgleich zu leisten. Viele aus ähnlich Gründen, wie bereits beschrieben und nicht etwa, weil sie den Kriegsdienst an der Waffe nicht leisten wollten.