Es war ihr eine Freude, ein wenig in ihrem Innern zu wühlen und einiges von dem, was sie dort entdeckte, niederzuschreiben. GM in möchte ihren Namen nicht im Internet wissen und hat mich daher gebeten, ihn abzukürzen. Nichts desto trotz tut das der Sache – in diesem Fall den Beitrag für das Februar-Thema des Gothic Friday – keinen Abbruch.
Das Thema führt mich auf die gleiche Zeitreise, die ich erst vor Kurzem nach dem Tod von Steve Strange, möge er in Frieden ruhen, unternahm.
Vorgeschichte
Als Kinder waren wir oft auf einem der zwei Friedhöfe unweit unseres Hauses, es besteht also eine gewisse Grundsympathie dem Morbiden gegenüber. Ich begleitete meine Oma häufig auf ihren Spaziergängen oder zu Einkäufen, die über die Friedhöfe führten. Von ihr erfuhr ich, welche Bäume dort wuchsen, um welche Blumen es sich auf den Gräbern handelte und welche Vögel sangen. Durch sie lernte ich, dass das Leben mehr für mich bereit hielt als das triste Alltagsgrau, wie es damals in den Mietskasernen üblich war.
Der Einstieg
1980 entdeckte ich Steve Strange mit Visage. Seine ausgefallene Kleidung gefiel mir. Ich probierte meinen Kleiderstil etwas nach ihm auszurichten und sparte auf meine allererste LP, die ich irgendwann kaufen konnte. Leider war es mir finanziell und sozialbeziehungsbedingt nicht möglich, mal eben den Kleiderschrank zu räumen und neue Klamotten zu kaufen. Im Übergang zum New Wave schenkte mir eine Freundin – ich erinnere mich an ihre riesige, auftoupierte, rote Mähne – Pikes. Sie waren aus hellgrauem Leder. Dazu trug ich eine schwarze Karottenhose, eine graue Jacke und Strassohrringe, die Haare an den Seiten kurz und oben gelockt, den Pony ins Gesicht fallend. Das war meine einzige New Wave Ausstattung, die ich natürlich möglichst oft zu tragen gedachte. Im Winter fror ich mit den Klamotten entsetzlich, wenn wir um die Häuser zogen.
Das Ballhaus Tiergarten war unser Treffpunkt, in dem alle möglichen Leute verkehrten. Im Tanzsaal befand sich eine große Tanzfläche umgeben von hohen, filzbezogenen Stufen, die gleichzeitig dem Sitzen und Aufsteigen dienten. Mir fiel ein junger Mann auf, der immer an der gleichen Stelle saß. Er war komplett schwarz gekleidet und hatte schwarze Haare, die an den Seiten kurz geschnitten waren und deren langer Pony zur linken Seite fiel. Irgendwann ist er auf mich aufmerksam geworden und kurz darauf wurden wir ein Paar. Wir verbrachten viel Zeit in seinem Zimmer, hörten bei Räucherstäbchen Bauhaus und Joy Division. Er fing an selbst Musik zu machen, noch heute habe ich ein Tape von ihm. Seine Musik war für mich die erste schwarze Musik die ich hörte. Er wurde später ein szenebekannter Musiker.
1984 besuchte ich mit Freunden das erste Konzert in meinem Leben. Depeche Mode in der Berliner Deutschlandhalle. Wir hatten Stehkarten und befanden uns recht weit hinten, konnten also nicht wirklich viel sehen. Das nächste war ein kleines Konzert mit Howard Jones‘, das in einem Club stattfand. An Musik hörte ich alles, was damals New Romantic oder New Wave angehaucht war. Ich habe die Lieder meist mit meinem kleinen Kassettenrekorder aus dem Radio aufgenommen. Meine Favoriten waren Tears for Fears, Ultravox, Heaven 17, OMD, ABC, The Cure und Boytronic.
Was mich in der Szene hält
Nach dem anfänglichen doch eher oberflächlichen Einstieg entwickelte sich meine Leidenschaft zur Romantik, die das Schöne mit dem Bizarren und Morbiden zu vereinen vermag. Es mag klischeehaft klingen, doch Friedhöfe, Ruinen, die Nacht und der Nebel berühren mich innerlich.
Ich mag alte Literatur und Gedichte mit morbidem und melancholischem Einschlag und in denen mit Symbolik gespielt wird. Die Romantiker sind die Maler meiner Wahl, die gotische Architektur liebe ich ebenso wie die romanische. Meine favorisierte Musik reicht von Klassik über Gothic bis Metal. Ich schreibe selbst ein wenig, male meist eher romantische Bilder, fotografiere – natürlich mit Vorliebe Friedhöfe und alte Gebäude – und nähe meine Klamotten weitestgehend selbst um mich und meine Attitüden auszuleben und zu zelebrieren. Die eher szenefreie Zone in der ich mich bewege steht dem immer etwas skeptisch, doch auch teils bewundernd gegenüber. Manchmal bekomme ich Stylingtipps, welche Farben mir besser stehen würden, doch habe ich nicht vor mich in die Reihen der Stinos einzuordnen. Ich liebe es im Alltag auf Schwarze zu treffen, man kennt sich nicht, doch ist in den Blicken manches Mal ein leises Erkennen. Auf Treffen kann ich mich direkt zu andere gesellen oder mich in eine dunkle Ecke setzen ohne als sonderbar zu gelten. Inzwischen kann ich auch wieder vermehrt auf Festivals und Konzerte gehen, was mir familiärbedingt eine Zeit lang verwehrt blieb.
Schwarz sein bedeutet für mich Kontinuität. Schwarz ändert sich weder durch Lichteinfall noch durch Lebensumstände. Es ist der Pol, zu dem ich immer wieder zurückkehre, von dem aus sich alles ausrichtet und ordnet. Dort komme ich zur Ruhe, kann zu mir selbst finden.
Diese Worte würde ich genauso unterschreiben. Auch was du beschreibst mit dem „sich erkennen, ohne sich zu kennen“ kommt mir bekannt vor. Ich finde das immer wieder sehr spannend und es zaubert mir oft ein kleines Lächeln.
Das muss ich mir mal notieren, so schön hast Du das ausgedrückt und es trifft auf mich genauso zu. Ja, es ist eine innere Schwingung, die entsteht, wenn ich über Friedhöfe gehe, eine schöne Nebelformation sehe oder Morgentau – Romantik ist ein Seelenzustand und unsere schwarzen Seelen fühlen sich da offenbar ganz besonders wie im Urlaub.
Danke für Deine Einblicke.
Ich kann mich da Shan Dark nur anschließen. Es ist sehr schön ausgedrückt genau das, was ich persönlich mit der Schwarzen Szene verbinde!
Aber hallo, da schließe ich mich an. Es ist dabei wie mit der Musik in Dur… die bleibt bei mir meist oberflächlich… Moll hingegen geht hinein und durchströmt die Seele…Ein Leben ohne? Unmöglich.
„Leidenschaft zur Romantik, die das Schöne mit dem Bizarren und Morbiden zu vereinen vermag“
Ja, genau, das ist auch für mich der Kern meiner schwarzen Welt.
„Romantik, das ist Glück plus die Erkenntnis der Vergänglichkeit. Fröhlichkeit, das ist Glück mit Scheuklappen. Romantik, Melancholie, sie lassen uns den Tag genießen, uns Kraft tanken, und für neues Glück empfänglich bleiben“, so hatte ich es einmal beschrieben.