Ja! Meckern, motzen! Das Lieblingsthema aller Gruftis (Und aller anderen Menschen auch. Wenn es sonst nichts zu sagen gibt, meckert man halt). Party doof? Erstmal über die DJs meckern, die haben ja keine Ahnung von Musik, die Getränkepreise ankreiden, sich über das Publikum beschweren, über den Verfall der Szene und sowieso der gesamten Welt und Menschheit lamentieren. Ach nein, so tiefgründig ist ja heute niemand mehr, das war man nur damals, als alles besser war. Da war noch mehr Patchoulie. Da lebte auch Bowie noch. Und sowieso, nicht so oberflächlich und niemand nicht, der nicht dazu gehörte. Da war der Umgang auch besser untereinander. Und Jenny hätte nie über Jacky gelässtert. Nie. Niiiiieeeee! Ningelningelningel!
Als ich letztens aufwachte, hatte ich das dringende Bedürfnis, endlich mal wieder richtig Musik zu hören, endlich mal wieder richtig auszugehen und die Winterhöhle zu verlassen. Da es dummerweise Sonntag war und mein Bett eigentlich ein sehr angenehmer Ort ist, beschloss ich, es müsse reichen, wenn Youtube mich ein Stückchen mitnimmt. Und da man dieses Jahr wohl schon im Januar (JANUAR!!!) Karten für’s WGT bekommt – zumindest startet da der Vorverkauf und das WGT und die Szene erhält somit ihren Todesstoss und geht unter – dachte ich es könne nicht schaden, mich mental schon mal auf den „Karneval der Eitelkeiten“ einstellen und mal wieder eine der WGT-Dokus zu sehen, die ich schon sicher 345 Mal gesehen habe. Da fing ich an, entnervt mit den Augen zu rollen.
Was mich nervt? Dieser Widerspruch zwischen Verklärtheit und Schwarzmalerei. Auf der einen Seite wird die Szene romantisiert und zum Schutzraum der Besonderen ausgerufen, der Anderen, der Ausgestoßenen. Hier ist endlich alles gut und besser als draussen in der grausamen, kalten Welt. Auf der anderen Seite im gleichen Atemzug die Kommerzalisierung, der Verlust des ominösen, aber ständig beschrieenen Lebensgefühls und der inneren Zugehörigkeit beklagt und über die Gruppe hinten links gemeckert, die unmöglich aussieht und so wie so keine Ahnung vom Orgeln und Wehklagen hat. Und nein, davon kann ich mich ganz sicher auch nicht freisprechen. Ich mache das auch. Genau das. Nur bilde ich mir zumindest ein, ich versuche das zu finden was mir tatsächlich fehlt, nicht nur in der Szene, sondern generell und allgemein: die Graustufen, die Differenzierungen, das Verständnis für Entwicklungen und Vorgänge.
Als Junggothe verklärt man gerne die Vergangenheit und malt sich die 80er als verlorenes Paradies aus. Wenn man sich jedoch mal ein bisschen umkuckt merkt man schnell, dass das vermeintliche Paradies auch nur eine Motto-Party war. Zumindest in Teilen. Für Einige. Das Phänomen mag sich verstärkt haben (mir fehlt da der persönliche Vergleich) und ist sicher sichtbarer geworden. Durch die Medien ist vieles leichter zugänglich – aber gerade das nervt mich: Man könnte sich Wissen verschaffen, tut es aber nicht und schmeißt dann alles lustig in einen Topf. Man muss Bauhaus und Sisters of Mercy (etc.) nicht mögen, aber man sollte schon mal die Namen gehört haben und sich einen Begriff davon machen können. Und so wird bezugslos und lustig gewechseln zwischen verschiedenen schwarzen Stilrichtungen – je nachdem was gerade angesagt ist. Jeden Tag ein neues Kostüm. Hintergrund? Bitte was? Willkommen zur Gothic-Motto-Party….
Man kann sich sein Outfit in „Szene-Shops“ zusammen stellen und dem folgen was gerade in und angesagt ist, muss ich aber nicht mögen. Nervt mich, ja. Nervt mich aber generell, nicht nur auf die Szene bezogen. Dieses hinterher laufen der Mode ohne eigenen Stil und die Frage, ob man das überhaupt tragen kann, ohne ein bisschen klitzekleines Fünkchen eigener Kreativität und eigener Kombinationsversuche. Und es nervt mich dann mit Hinz und Kunz in einen Topf geworfen zu werden oder von diesen als Gruppenmitglied angesehen zu werden. Warum? Ich kenn die doch gar nicht. Unser Stil, unser Musikgeschmack, unsere emotionale Verbindung zur Szene hat möglicherweise überhaupt gar nichts miteinander zu tun. Auf der anderen Seite steht dann immer mal wieder so was im Raum, wie warum man solche und solche Leute kennt, die hören doch ganz andere Musik und kleiden sich doch ganz anders. Janee, hab mal gehört, dass man Menschen ihres Carakters wegen schätzen kann…
Viele Aspekte sind für mich sehr zweischneidig und der Grad zwischen bereichernd und störend ist ein sehr schmaler. Neue musikalische Einflüsse: cool. Weichgespülter Electropop zu dem frustierte Hausfrauen tanzen und sich jetzt für ganz alternativ und besonders halten: nein, danke. Etwas Farbe ins Outfit bringen: wenn es gut abgestimmt ist und der Person steht: schön. Übermäßig bebuntete Neonfreunde: nee, lass mal. Es ist das Maß der Dinge und die Reflektion darüber. Klar kann man Dinge mögen, die nicht Teil der Subkultur sind. Voll okay. Aber dann zwanghaft zu versuchen, diese zu einem Teil dessen zu machen, das nervt mich. Für mich verläuft ein seltsamer Zwiespalt durch die Szene: auf der einen Seite alles neue irgendwie an diese anzugliedern und auf der anderen Seite das ewige früher-war-alles-besser und sich auf nichts neues mehr einlassen.
Wie beim ausgehen: Die bisherigen Autoren haben es auch schon erwähnt: Was der Gote nicht kennt, auf das tanzt er nicht. Ja, auch ich höre beim Tanzen gerne den einen oder anderen Klassiker, hat ja einen Grund, warum das Klassiker sind. Aber nur, den ganzen Abend, jedes Mal, brauch ich nicht. Wird mir langweilig.
Was mich gleich zum nächsten Punkt führt: Dieses ständige es ist nichts los und wenn dann was los ist sich nur beschweren (Ja, mir geht das auch so. „Nichts los. Zumindest nichts neues…“) Wenn man sich eine Weile in einem gewissen Dunstraum aufhält, weiß man ja irgendwann, mit was man zu rechnen hat, oder wenn man sich einfach mal schlau macht, oder nachdenkt. Ausserdem: der Spaß will ja auch finanziert sein und dauerhaft mit einem Minus aus der Kasse zu gehen kann sich nun mal kein Veranstalter leisten und die Betreiber der Räumlichkeiten haben auch Kosten, welche gedeckt werden müssen. Man muss ja nicht hingehen , auch ich bin nicht immer in Stimmung. Und wenn doch, einfach mal schätzen, wenn Leute was auf die Beine stellen, oder selbst was auf die Beine stellen, wenn man die Möglichkeiten hat, oder einfach mal zu was neuem gehen und die Veranstalter unterstützen, auch wenn man nicht jedes Lied mag.
Was mich auch nervt: Diese Meckerei, dass Gothic nur noch eine Party-Szene sei und keine Tiefgängigkeit mehr hat. Sind sicher viele dabei, ohne Zweifel, will ich nicht abstreiten und mich nerven diese Personen auch. Wochenende- und Party-Gruftis. Auf der anderen Seite, wenn man sich in einer Szene befindet, welche maßgeblich auf Musik fußt, muss man sich nicht wundern, wenn diese auch zelebriert wird. Auf die einen oder andere Art (jaja, ich weiß, nicht bei allen würde man das zelebrieren nennen). Die Zelebrationen zu Hause sind eben nicht öffentlich und allen zugänglich und nicht jeder will nur mit seiner Musik zu Hause sitzen. Auf einer musikalische Veranstaltung passiert es einem eben nicht unbedingt, dass man ein tiefgründiges Gespräch führt. Ist oftmals auch die falsche Umgebung dafür, dass heißt nicht, dass es dort nicht Leute gibt, die das nicht auch machen oder die wirklich gute Gesprächspartner sind. Parties und Veranstaltungen halt sind nicht das Maß der Dinge.
Aber sie spiegeln teilweise wieder, was ich oben schon angesprochen habe und was viele meiner Vorschreiber ebenfalls als ziemlich ätzend deklariert haben:
Die Kostümierung, der zwanghafte Versuch aufzufallen, das ständige sich anbiedern vor Kamerateams und Fotografen, die ständigen „wir sind eigentlich ganz nett“ Erklärungen, sind mir zuwider und ich für meinen Teil durfte bisher auch erfahren, dass ich ohne das ganze mit verschiedenen Menschen in verschiedenen Bereichen des Lebens auskommen kann. Aber dieses fishing for compliments und die gedankenlose, mediale Ausschlachtung der Szene finde ich ätzend, aber psst, nichts sagen, Kritik unerwünscht. (Und ja, ich meine wirklich respektvolle Kritik, keine Sachen wie: Finde ich doof, wegen, weil ich deine Nasenform nicht mag)
Ja, und….ich glaube ich habe genug gemeckert, mache ich auch oft genug. Vieles davon betrifft nicht nur die Szene, sondern auch andere gesellschaftliche Bereiche und Gruppierungen. Manche Dinge sind so alt, dass ich mich nur noch peripher darüber aufrege, andere stacheln mich dann zeitweise doch wieder mehr an und ja, ich lasse mich auch gerne darüber aus. Am Ende, mache ich eh das was ich immer tue, das was mir gut und richtig erscheint, mit Menschen, welche ich schätze und mit der Möglichkeit auch andere Aspekte kennenzulernen.