Eigentlich, so schreibt Sie mir, wollte Sie schon länger einen Artikel zum Gothic Friday beitragen. Jetzt hat Sie aber die Weihnachtsferien dazu genutzt, zum aktuellen Dezember-Thema etwas zu schreiben. Das die Räbin den Spitznamen Rabe hat, verwirrte auch mich zunächst und führte zu einer falschen geschlechtlichen Einordnung, denn Rabe ist eine Gruftine. Jedenfalls zählt Sie sich mit Ihren 18 Jahren zur jüngeren Generation, obwohl Sie bereits „vier Jahre im schwarzen Gewand“ verbracht hat. Trotzdem reicht die Zeit aus, eine erste, ja fast schon vorsichtige Kritik an dem zu üben, dem man sich zugehörig fühlt.
Wenn ich mich so betrachte, sehe ich mich als einen Mischmasch aus allen möglichen Strömungen dieser Szene. Zwar bestehe ich mehr aus „Alt Grufti“ á la 80er und spitzenliebendes, verträumtes Etwas, aber in diesen „Grundteig“ mischen sich Zutaten aus den Bereichen Mittelalter, EBM und Steampunk. Vermutlich gibt es noch mehr Zutaten in diesem Teig, die ich selber nicht mehr ausmachen kann. Da sind schließlich noch diese Filzsträhnen, die ich habe und in meinem Haar mit mir herumtrage…
Aber warum erzähle ich dies? Nun, mittlerweile kommt es mir so vor, dass das Individuelle immer mehr verloren geht. Man trägt schließlich Marke XY aus dem Shop XZ. Alles Andere ist bei einigen nicht mehr „true“, wie das auch immer aussehen soll. Klar, ich kann mich auch nicht ganz davon freisprechen. Schließlich schaue ich auch gerne in einschlägige Internet-Läden rein und bestelle auch mal das ein oder andere, schließlich habe ich keine andere Chance in meinem 5.000 Seelendorf etwas Bestimmtes zu bekommen.
Allerdings sind das meist Sachen wie Mantel, Schmuck oder momentan die schon lange ersehnten Pikes. Alles andere bekommt man auch sehr gut in ganz normalen Läden, ob im Web oder ganz altmodisch zu Fuß erreichbar. Schließlich erwirbt man dort das Meiste billiger und es tut auch nicht so weh, wenn man da selber mal Hand anlegt und dem neuen Kleidungsstück seine ganz eigene Note verpasst. Traurig finde ich ebenfalls, dass Wörter wie Flohmarkt und Second-Hand langsam wohl immer mehr Richtung rote Liste wandern. Worauf will ich hinaus? Nun ja, ganz einfach: Warum lehnen wir die Konsumwelt der Gesellschaft ab und wollen nicht zum Mainstream gehören, wenn wir selber genau das gleiche in unserer Gesellschaft entwickeln? Klar, Konsum ist nicht schlecht, verspricht er doch das aktive Bestehen des „Netzwerkes“. Aber muss das soweit gehen, dass man nur Marke XY trägt und nur die großen Läden Gewinn einfahren? Ich kann nicht beurteilen, ob es das schon immer gab oder es eher ein Phänomen der heutigen Zeit ist; dafür bin ich leider zu jung.
Eigentlich gehört dieser Absatz noch zu den obigen, aber irgendwie auch nicht. Er ist mehr das Ergebnis von ihm. Ich meine das Bewerten und in Schubladen stecken: Du trägst dies nicht, also bist du das nicht. Du trägst dies und das geht damit nicht. Und was soll ich sagen? Klar, selbst das hat sich schon dezent auf mich abgefärbt. Gemerkt habe ich es auf meinen täglichen „Klicktouren“ auf Instagram. Wer die Plattform kennt, weiß: Von nichts kommt nichts. Und was soll ich sagen? Ich mache es auch! Nein das likest du jetzt nicht. Der hat nur Sachen von Marke XY an oder nein das sieht zu Mainstream aus, das likest du jetzt auch nicht. Klar nicht jedes Bild mag man, aber es erschreckt mich doch, dass ich so aussortiere und dies auch häufiger bei anderen beobachte. Wie kommt das? War das auch schon immer da? Oder ist auch dies ein Phänomen der heutigen Zeit?
Diese Thematik lässt sich auch auf die Musik ausweiten. Wer hat schon einmal nach Bauhaus gefragt und die Wegbeschreibung zum nächsten Baumarkt erhalten oder wurde total niedergemacht, weil man nicht Blutengel, Unheilig oder Marylin Manson hört? Gehört wird bei einigen das, was die Zeitschriften vorgeben. Ist ja nichts Verwerfliches dran, tue ich schließlich auch und jeder hat eben seinen eigenen Geschmack. (Hoch lebe der Individualist.) Aber dann andere dafür zu verurteilen, weil sie was anderes hören oder direkt dicht machen und sagen „das ist nicht gut, das will ich nicht„-… Tut es weh mal etwas anderes auszuprobieren? Meiner Meinung nach nein. Im Gegenteil: Es sorgt für Schwung im Leben und man gibt so auch kleineren Bands vielleicht die Chance bekannter zu werden.
Ebenso verhält es sich mit der Literatur. Ohne Bücher geht es nicht. Und es gibt Autoren, die man als Grufti kennen sollte. Hoffmann, Lovecraft…Etc. Ausreden wie.“Ich finde das Buch nirgends!“, sind jetzt, im 21. Jahrhundert so wasserdicht wie ein Sieb. Vielleicht kennt ihr die Seite Gutenberg.de. Hier gibt es eine Sammlung von vielen großen Autoren und Werken. Einfach nur zu empfehlen ;).
Ich möchte noch einmal das Wörtchen Bauhaus aufgreifen und damit mein derzeitiges Lieblingsthema einleiten: „Warum sollte ich das wissen? Das ist doch voll lange her?“, „Was sind Pikes?“und „Sollte ich wissen was das für ein Symbol ist, das um meinem Hals hängt?“ sind Fragen, bei denen ich die Nase rümpfe. Meiner Meinung nach gibt es bestimmte Bereiche mit denen man sich beschäftigen sollte, und sei es nur oberflächlich. Es gibt für mich nichts Schlimmeres als Unwissenheit, gerade jetzt, wo immer mehr auf die Idee kommen: „Oh, damit lässt sich ja ordentlich Geld machen„. Aber hier sehe ich auch ein großes Problem. Wir leben im 21. Jahrhundert. Das Internet und die sozialen Netzwerke bestimmen einen großen Teil unseres Lebens. Wer sich für die Subkultur entschieden hat, wird erstmal darüber googeln. Und was findet er zunächst? Recht oberflächliches Zeug. Symbolik scheint für den ein oder anderen etwas zu sein, das noch nie zur Szene gehörte und erst durch Einzug halten des Mainstreams hinzugedichtet wurde. Na ja, Kreuz und Ankh um den Hals vom Wavern der 80er sind ja natürlich auf Bildern in mühsamer Einzelarbeit nachträglich per Photoshop eingefügt worden… *Ironie aus* Aber da rege ich mich gerade wohl zu sehr auf.
Meine Uhr zeigt gerade ein Uhr nachts und der Kater neben mir macht sich auch immer länger. Langsam mischt sich unter das Gefühl nichts getan und erfasst zu haben das Gefühl von Zufriedenheit über diesen Text.
Und so schlage ich den Bogen zum Beginn meines Beitrages: Angefangen habe ich mit Kleidung und so ende ich jetzt auch. Schere raus und selbst Hand anlegen, kein Problem. Aber dadurch scheint weniger ist mehr oder der neue Trend zu werden. Ergebnis davon sind Röcke, die auch Stirnband sein könnten oder Oberteile, bei denen man rätselt, wie sie überhaupt zusammenhalten. Aber ok. Jeder darf tragen was er will. Mir stößt es trotzdem auf. Das ist schließlich was man überall als Bild in den Medien zusehen bekommt…
Nun ziehe ich aber den Schlussstrich. Es gäbe noch mehr Themen, die man erwähnen könnte, aber das wäre an dieser Stelle zu viel. Erstmal in Fluss gekommen, wird man schnell ausschweifend, doch wie heißt es noch so schön: „Wenn man sich selbst nicht im Spiegel sehen kann, sollte nicht über andere herziehen„. Und so fasse ich mir an meine eigene Nase und ändere das, was mich stört erstmal an mir selbst.
Hallo Rabe,
so lange es Nachwuchs wie Dich gibt, sehe ich die Szene in guten Händen!
LG vom „68er“ Jörg