Als eine der Ersten schickte mir Mia eine E-Mail mit ihrem Beitrag zum Gothic Friday Thema im April. Seit rund 2 Jahren ist Sie examinierte Altenpflegerin. Ein Beruf, bei dem sich aus meiner Erfahrung tatsächlich eine gewissen Häufung unter den Szene-Mitgliedern herauskristallisiert. Ist das somit schon ein typischer Beruf für Gothics? Soweit würde ich noch nicht gehen, fest steht lediglich, dass es sich um einen „Frauenberuf“ handelt und der Anteil männlicher Altenpfleger seit Jahren konstant unter 20 Prozent 1 bleibt. Mia erzählt in ihrem Beitrag, warum sie sich für die Altenpflege entschieden hat und in wie weit sie Abstriche hinsichtlich ihrer Existenz als Szene-Mitglied machen muss. Sie hat sich dazu ein paar Fragen herausgepickt um sie zu beantworten.
Welchen Beruf übst du aus oder strebst du an?
Seit 2014 bin ich examinierte Altenpflegerin; mein Wunschberuf. Vorher habe ich Sozialassistentin gelernt, um in meinen heutigen Beruf einsteigen zu können. In naher Zukunft strebe ich eine Fortbildung zur Palliativ-Fachkraft an. Das heißt, ich kann anschließend auf Intensivstationen in Krankenhäusern, in Hospizen und in der allgemeinen Schwerstpflege, wie beispielsweise mit Wachkoma-Patienten in Altenheimen, arbeiten. Die Arbeit am und mit dem Menschen ist mir sehr wichtig. Ich bin ein sozialer Mensch – womöglich mit ausgeprägtem Helfersyndrom.
(Wie) Lassen sich Gothic und Beruf verbinden und ist das überhaupt wichtig?
Ich trenne Beruf und Freizeit strikt. Das heißt aber nicht, dass ich mir selbst untreu werde. Ich bleibe immer noch ich selbst, schließlich ist Gothic eine Lebenseinstellung und der Beruf etwas, was mir Spaß macht und womit ich mein Geld verdiene. In meiner Freizeit trage ich nicht nur schwarz, ich lebe auch meine Hobbies (was sicher nicht immer einfach ist) und tue allgemein, wonach mir der Sinn steht.
Welche Abstriche nimmst du bei deinem Äußeren im Kauf oder würdest du in Kauf nehmen?
Nun ja, die Altenpflege ist meiner Erfahrung nach tolerant. Es spielt keine Rolle, welche Haarfarbe oder Frisur jemand trägt. Die Anzahl der Tattoos ist irrelevant. Piercings stellen kein Problem dar. Natürlich müssen diverse Sicherheits- und Hygienerichtlinien befolgt werden. Das bedeutet, dass übergroßer Schmuck abgedeckt oder für die Dauer der Arbeitszeit entfernt werden muss.
Ich bin weder tätowiert, noch übermäßig gepierct. Wäre dem so, würde ich mich für den Beruf den ich mir ausgesucht habe, in gewissem Maße anpassen. Immerhin stellt das Tragen von Körperschmuck, an dem man hängenbleiben oder an welchem sich ein Bewohner oder Patient festhalten könnte, ein Sicherheitsrisiko dar. Und mir persönlich ist meine eigene und die Sicherheit meiner mir anvertrauten Personen wichtiger, als irgendein Schmuckstück. Meine Haare sind, oh Wunder!, schwarz. Daran nimmt keiner Anstoß und ich ließe mir auch nicht verbieten, meine Haare zu färben. Ich habe einen Sidecut, an dem sich ebenso niemand stört.
Gäbe es einen Arbeitgeber, der sich an Banalitäten wie Frisuren stören würde, wäre er für mich definitiv nicht der Richtige. Und dass man gepflegt im Beruf und vor allem in der Alten- oder Krankenpflege auftritt, ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Mein Arbeitgeber mir die Arbeitskleidung. Das bedeutet mit anderen Worten: Weiß. Daran störe ich mich nicht. Für die Dauer der Arbeit ist sie praktisch – und auch hygienisch.
Welche Vorurteile oder Probleme tauchen im Umgang mit Chefs, Kollegen oder Kunden auf?
Bisher habe ich keine Vorurteile oder Probleme erlebt. Sicher fragen die Leute, was es mit dem Gruftitum auf sich hat. Man erklärt, wo man kann. Auch die Heimbewohner fragen teilweise – oder interessieren sich nicht dafür. Sieht ein Mitarbeiter mich im Privatkleidung, werde ich häufig gelobt. Ohne arrogant sein zu wollen. Und Komplimente hört sicher jeder gern. Selbst wenn jemand ein Problem mit meiner privaten Erscheinung hätte, stünde ich darüber. Immerhin obliegt es mir, wie ich mein Privatleben gestalte!
Einzelnachweise
- Quelle: Wikipedia –Â https://de.wikipedia.org/wiki/Altenpfleger[↩]
Danke für deinen Beitrag!
Deinen Beruf stelle ich mir als psychisch echt anstrengend vor und ich habe großen Respekt vor allen Leuten, die ihn ausüben. Es ist schön zu lesen, dass du für dich offenbar das richtige gefunden hast und dass es in der Altenpflege tolerant zugeht (obwohl gängige Vorurteile etwas anderes behaupten, von wegen „so etwas“ könne man älteren Menschen nicht zumuten). Deine Herangehensweise mit der strikten Trennung klingt sehr pragmatisch und scheint zu funktionieren. Dabei würde mich noch interessieren, ob das eine bewusste Entscheidung von dir war oder ob sich das eher ergeben hat?
Guten Abend, Levi!
Der Beruf ist manchmal nicht nur psychisch sondern auch physisch anstrengend. Ich bin alles andere als kräftig gebaut und muss sagen, dass ich teilweise an meine Grenzen stoße.
Das tut meiner Liebe zum Beruf aber absolut keinen Abbruch!
In meinem „Lehrbetrieb“ gab es durchaus eine Bewohnerin, die sich an meinem Äußeren gestört hat. Sie hat mir das auch brühwarm erzählt und auch teilweise die Pflege durch mich verweigert. Jedoch stand ich schon immer darüber – immerhin ist die Optik die eine und Empathie sowie Lernbereitschaft eine andere Sache.
Die Trennung zwischen Beruf und Freizeit war während der Lehrzeit eher unbewusst geschehen. Sie schlich sich sozusagen ein und mittlerweile passiert sie ganz bewusst!
Hut ab, dass Du Dir diesen schweren, aber bestimmt auch sehr erfüllenden Job gesucht hast. Ich könnte ihn nicht machen, das weiß ich, ich würde viel zuviel grübeln und die Schicksale Einzelner „mit nach Hause“ nehmen, könnte am Feierabend nicht abschalten. Außerdem komme ich ungern fremden Menschen sehr nahe. Aber es ist toll, dass es Menschen gibt, die diesen Job mit Freude machen, sie verdienen meinen ehrlichen Respekt.
P.S. Deinen Look auf dem Foto finde ich ausgesprochen schick!
Grüß dich, Tanzfledermaus!
Ich finde, dass man für den Beruf, welchen man ausübt, geschaffen sein muss. Beispielsweise könnte ich niemals im Verkauf oder im Büro arbeiten – mir wäre es zu langweilig; und ich brauche zudem auch Bewegung.
Und vielen Dank für’s Kompliment! ;)
Auch ich gehöre zur Fraktion, die diesen beruf definitiv nicht ausüben könnte. Nicht nur wegen der körperlichen und psychischen Belastung. Für mich sind regelmäßige freie Tage (Wochenenden) sehr wichtig und mich hat das damals zu Anfang des Studiums als ich im Supermarkt gearbeitet hat doch teilweise sehr an die Grenzen gebracht, wenn ich sechs Tage (studieren und arbeiten) am Stück durchziehen musste.
Bei all den Lobeleien für den Beruf finde ich es allerdings sehr ironisch, dass die finanzielle Vergütung und die Schichtstärken häufig nur sehr ungenügend sind und der Bewohner / Patient dadurch teilweise auf der Strecke bleiben muss, weil es gar nicht anders zu schaffen ist
Eine absolute Schattenseite. Warum sind so wenig Männer in pflegenden Berufen? Vielleicht weil die Bezahlung so unterirdisch ist, dass man davon keine Familie ernähren kann? Bei uns in der Industrie arbeiten Erzieher und Pfleger und Pädagogen. Nicht etwa, weil sie ihren Beruf nicht mögen, sondern weil sie sonst die Kohle nicht reicht. Ich finde die Pflege ist der herausfordernste Job überhaupt und irgendwann kommt jeder in den Genuss/Situation einen solchen Menschen für sich in Anspruch zu nehmen oder nehmen zu müssen. Ich habe höchsten Respekt, gerade in der Altenpflege.
Was dieser Gesellschaft fehlt, ist der Respekt vor dem Alter. Wenn die Pflegekräfte streiken, weil sie mehr Geld haben wollen, wen juckt das denn außer denen, die auf ihre Hilfe angewiesen sind? Wenn aber die Piloten, die Lokführer oder LKW-Fahrer streiken und es uns unmittelbar betrifft, ist das Geschrei groß. Ich finde das tatsächlich ein wenig traurig.
@Mia ( Ex-Arbeitskollegin) …
Sehr guter Beitrag – in vielen finde ich mich wieder !
@Robert – stimmt , in der Pflege kann man nicht einfach mal streiken und wenn dann sind die Leittragenden , die Bewohner .
Und der Respekt fehlt wirklich vielen vor dem Alter. Am einfachsten wäre es – man gräbt eine Grube – alle alten kommen da rein – und gut . TRAURIG !!!
Aber zum Glück gibt es auch genug Menschen , die dies anders sehen ;-)
Auch ich bewundere Menschen, die für andere Menschen da sind und sich aufopfern. Es ist viel, was man von sich selbst mit einbringt, mehr als ich bereit wäre zu geben. Deswegen bin ich froh, dass es Menschen gibt, die das gerne auf sich nehmen, darin vielleicht sogar eine Art Erfüllung sehen.
Hallo, Federflausch & Robert:
Dass die Vergütung tatsächlich mehr schlecht als recht ist, stößt mir auch sauer auf. Natürlich sollte man (meines Erachtens nach) einen Beruf nicht nur auf’s Geld reduzieren – aber es ist ein wichtiger Bestandteil. Oftmals höre ich andere Pflegende sagen, dass der größte Lohn in dem Beruf die Zufriedenheit, ein nettes Wort oder ein Lächeln des Bewohners ist.
Ich streite nicht ab, dass dies positive Nebeneffekte sind – aber ein Lächeln zahlt weder meine Miete, noch macht es satt.
Huhu, Ronny :)
Wie du tickst, weiß ich. Ich vermisse es doch ein bisschen, mit dir zu arbeiten. Wenngleich wir uns öfter die Türe in die Hand gegeben haben, als dass wir gemeinsame Schichten haben. ;)
Oft höre ich die Leute reden, dass Alte nur Geld kosten und nerven (Ich gebe zu, manchmal bin ich auch genervt, wenn sie ausgerechnet nachmittags lange Schlangen im Supermarkt bilden, obwohl sie doch auch vormittags Zeit hätten. Doch darüber kann man streiten. :D) – aber wer hat denn x-Jahre gearbeitet, Geld in die Staatskasse befördert? Die jüngeren Generationen vergessen sowas leider zu häufig…
Hallo,Gabrielle:
Ich sehe es so: Ich lebe nicht, um zu arbeiten. Natürlich übe ich meinen Beruf gerne aus, doch ich bin nicht, wie manche meiner Arbeitskollegen, noch gern in die späten Abendstunden auf Arbeit (Obwohl sie Frühdienst haben), um mit den Bewohnern z.B. ins Theater zu gehen.
Arbeit und Freizeit trenne ich strikt, dennoch sehe ich schon eine gewisse Erfüllung in diesem Beruf.