Kleidung und Aussehen gehören mal mehr und mal weniger zum Berufsleben dazu. Für GM gehört es einfach dazu, auf ihre Kleidung zu achten. Sie weiß um die Wirkung, die ein extravaganter Kleidungsstil auf ihre Mitmenschen haben kann und muss sich manchmal dümmlichen und unreflektierten Fragen stellen. Für den Gothic-Friday im April erzählt Sie ein wenig über ihre Tätigkeit und auf welche Art Sie den Spagat zwischen bewusster Szenezugehörigkeit und dem beruflichen Erscheinungsbild ausführt.
Welchen Beruf übst du aus?
Ich bin die Assistenz (irgend)einer Leitung, auch Sekretärin genannt, was mir persönlich mehr behagt. Angestellt im öffentlichen Dienst, ich mag die Sicherheit. Der Beruf macht mir auch noch Spaß, derzeit besonders, weil ich ohne Chef bin. Der Job selbst ist trocken, Büroarbeit halt, tippen, telefonieren und Kaffee kochen, manchmal recherchieren. Es kommen oft Besucher aus den Referaten und Abteilungen. Ich mag den Umgang mit ihnen, die meisten kenne ich bereits über zehn Jahre. Mein Büro liegt in der obersten Etage. Obgleich ich nicht zur Hausleitung gehöre, komme ich doch manchmal mit deren externen Besuchern in Kontakt. Darum muss ich schon von Hause aus etwas auf meine Kleidung achten.
(Wie) Lassen sich Gothic und Beruf verbinden und ist das überhaupt wichtig?
Mein Privatleben trenne ich strikt von der Arbeit, ohne jedoch meine Persönlichkeit an der Eingangstür abzugeben. Natürlich haben sich über die lange Zeit, in der ich zum Haus gehöre, einige soziale Kontakte ergeben.
Als ich in diesem Haus anfing, in einem Bürojob ohne Kundenverkehr, kam ich noch in langen, spitzenbesetzten Röcken, zu Schnürstiefeln und Blusen oder Shirts, zur Arbeit. Nach sieben Jahren begannen meine Vertretungen auf der jetzigen Stelle. Im Laufe der Zeit änderte sich mein Kleidungsstil im Büro, gar nicht mal nur berufs-, sondern auch altersbedingt. Ich legte mir einen gewissen Fundus an Arbeitskleidung zu. Selbstgenähte Etuikleider, die nicht immer (nur) schwarz sind, dafür immer mit schwarzen Strümpfen und Schuhen kombiniert werden und Röcke die ich ebenfalls mit schwarzen Teilen kombiniere. Da ich keine Piercings und Tätowierungen habe, muss ich weder etwas verdecken noch entfernen. Der Schmuck ist Silber, manchmal mit keltischen Knoten oder Ornamentik. Schminken ist Teil meines morgendlichen Ablaufs. Es wird aber, bis auf den Kajal, meist nur dezent aufgetragen.
Die Kollegen, die ich in meine Nähe lasse, kennen meinen Hang zum Düsteren, wissen von meiner Vorliebe auf Friedhöfen zu fotografieren. Sie wissen auch, dass ich meine Klamotten selbst nähe, die sie nicht nur auf Fotos sehen möchten, sondern teils auch gerne in natura vorgeführt bekommen, sofern sie bürotauglich sind.
Vergangenes Jahr bekam ich von „meiner“ Etage eine CD von Goethes Erben und ein Buch von Christian von Aster zum Geburtstag. Für die, die noch nicht wussten, was ich so in meiner Freizeit mache, musste ich am nächsten Tag Fotos von meinen Klamotten mitbringen. Manche Kollegen zeigen sich sehr interessiert an meinen Lebenswandel, aber nur denen, die mir nicht zu neugierig erscheinen, sondern ehrliches Interesse vermuten lassen, erzähle ich davon.
Welche Abstriche nimmst du bei deinem Äußeren in Kauf oder würdest du in Kauf nehmen?
Ich denke, dass es an meinem jetzigen Arbeitsäußeren nichts auszusetzen gibt. Deswegen würde ich auch keine Abstriche machen, sollte zum Beispiel dem neuen Chef mein Äußeres nicht gefallen. Dafür ist das Haus auch zu individualisiert, mein Arbeitgeber ist in Sachen Personalführung ganz hervorragend.
Welche Vorurteile oder Probleme tauchen im Umgang mit Chefs, Kollegen oder Kunden auf?
Grundsätzlich stoße ich mit meinem Arbeitsaussehen, das vielleicht speziell ist, aber nicht überborden anders, auf Akzeptanz. Dennoch muss ich mich zeitweilig dümmlichen, unreflektierten Fragen gegenüber gestellt sehen. Kollegen, die mich schon Jahre kennen und wissen wie ich rumlaufe, fragen ob etwas passiert sei. Wenn ich dann zurückfrage warum, kommt die Antwort, weil ich so schwarz angezogen bin. Manchmal werde ich auch gefragt, ob ich denn immer schwarz trage und es gibt ungefragt Stylingtipps, welche Farben mir besser stehen würden. Letztes Jahr erzählte ich, dass ich während des WGT in der Kirche war, da meinte ein Kollege allen ernstes, ob die Kirche entweiht war. Auf meine Frage, warum denn eine Kirche entweiht sein sollte wenn ich sie betrete sagte er, dass solche wie ich sie ja sonst nicht betreten könnten. Manche Kollegen assoziieren eine Domina in mir. Solchen Leuten schieße ich direkt vor den Bug.
Der Spruch mit der Kirche ist ja wirklich krass, ebenso dass Dich manche für eine Domina halten.
Es gibt wohl leider doch noch einige blöden Klischees, die sich hartnäckig halten.
Erstaunlich, dass man doch etwas exotisch erscheint und neugierig beobachtet/befragt wird, nur weil man vorrangig gedeckte und dunkle Kleidung trägt.
Ich habe allerdings auch schon erlebt, dass ich scheinbar ein wenig beneidet wurde, weil ich durch meinen Stil jünger wirke als ich bin und auch mit meiner Freizeit sehr viel Sinnvollen anzufangen weiß. Nicht wie viele, die nach Feierabend nur noch Fernseher und allerhöchstens noch Bücher und Sport kennen.
Ungewünschte Styling-Tips von Kollegen finde ich auch grenzwertig, auch wenn sie gut gemeint sein mögen.