Im April gibt es diesmal ein ganz alltagstaugliches Gothic-Friday-Thema, es geht um Berufe und Berufung. Die Frage dabei ist, ob es Gothic-typische Berufssparten gibt, ob sich Schwarzgewandete gezielt bestimmte Berufe suchen oder ob es da irgendwelche scheinbaren Gemeinsamkeiten gibt. Ich für meinen Teil kann, wenn ich meinen Freundes- und Bekanntenkreis unter die Lupe nehme, schon bestätigen, dass es viele gibt, die in kreativen oder sozialen Berufen arbeiten. Im Einzelhandel sind auch ein paar, ebenso im Marketing und Kulturbereich, sogar zwei im juristischen Metier, einer ist Archäologe. Eigentlich ein breiter Querschnitt, nur typische Büro- oder „Fließbandjobs“ fehlen gänzlich. Es gibt ein paar, die auch gestylt arbeiten gehen (dürfen), aber die meisten passen sich im Alltag schon ein wenig bis stärker an.
Bevor ich auf die Vereinbarkeit Gruftisein und Job in meinem Fall näher eingehe, skizziere ich erst mal meinen Lebenslauf.
Mein beruflicher Werdegang war ein ganz schöner Zickzack-Kurs, auch wenn sich vieles von dem, was ich zuvor gelernt habe, auch heute noch gebrauchen und nutzen lässt. Und letztlich haben alle meine Berufe, die ich gelernt und ausgeübt habe, als kleinsten gemeinsamen Nenner doch eines, und zwar wird (mal mehr, mal weniger) Kreativität gefordert.
Schon als Schülerin wollte ich am liebsten etwas Kreatives erlernen, Zeichnen, Texten oder Gestalten. Mein Lieblingsfach war Kunst und ich habe auch in meiner Freizeit sehr viel gebastelt und gezeichnet, aber auch Gedichte und lustige bis ernste Texte verfasst. Als ich einmal an einem sehr umfangreichen Test zur Ermittlung der persönlichen Berufs-Eignung teilnahm, wurde mir als Ergebnis unter anderem eine Ausbildung zur Dekorateurin vorgeschlagen. Kunst-Lehrerin wäre ich zwar auch gerne geworden, aber da mein Selbstbewusstsein nicht das stärktste war, gruselte mich doch etwas die Vorstellung, später vor vielen Menschen stehen und reden zu müssen. Dekorateurin/Schauwerbegestalterin klang aber auch interessant, ich mag liebevoll dekorierte Schaufenster und habe schon immer die Regale in meinem Zimmer (und später meiner Wohnung) optisch ansprechend gestaltet. Als Grundschülerin hatte ich eine „Schatzecke“ in einem Schrankfach, in der ich Federn, Steinchen, allerhand Nippes und Fotos anordnete. Auch archäologische Restauration hätte mich gereizt, aber da war es sehr schwer, überhaupt ranzukommen.
Dunkle Deko
Also entschloss ich mich, trotz bestandenem Abitur, zu einer Ausbildung zur Schauwerbegestalterin und ergatterte 1995 sogar einen sehr begehrten Ausbildungsplatz in einem großen Kaufhaus – aus über 80 Bewerbern als einzige ausgewählt zu werden, machte mich unheimlich glücklich und stolz. Ich nahm damals an einem Einstellungstest teil, und als wir zum Schluss mit einer Zange aus einem Stück Draht ein Weihnachtssymbol biegen sollten, bastelten alle anderen Sterne und Tannenbäume. Ich baute einen Engel, dessen Flügel ich nach hinten wegbog, so dass die Figur dreidimensional wurde. Das war der Grund, weshalb sie mich nahmen. Leider nütze mir meine doch etwas „unkonventionellere“ Kreativität nur hier etwas, später in der Ausbildung gab es hier doch öfter Reibereien, da ich mich stärker „austoben“ wollte, als ich durfte. Die Ausbildung machte zwar Spaß, aber ich merkte schon bald, dass man längst nicht so frei arbeiten konnte, wie man wollte. Gerade in Filialunternehmen gibt es oft Vorgaben, wie genau eine Deko auszusehen hat (oft ein Foto/Skizze zum Komplett-Nachbauen). Dann verbringt man, wenn es um Bekleidung geht, einen nicht unerheblichen Teil der Arbeitszeit damit, Klamotten zu bügeln und fehlende Arme an Schaufensterpuppen aus Kartonresten wieder anzubasteln :-( Ich hatte auch das Pech, in der Ausbildung eine direkte Vorgesetzte zu haben, mit der ich nicht klar gekommen bin. Schüchtern wie ich war, traute ich mich nicht, Grenzen zu setzen, und wurde zum Teil ganz schön schikaniert. Dennoch zog ich die Ausbildung durch und schloss mit „sehr gut“ ab, was mir etwas Genugtuung verschaffte gegenüber der blöden Vorgesetzten.
Leider hatte ich nach der Ausbildung einiges Pech mit verschiedenen Anstellungen, was ich mir damals sehr zu Herzen nahm. Obwohl mir immer wieder gesagt wurde, dass ich gut arbeite, kam ich nie über die Probezeit hinaus. Bis mir später jemand mal steckte, dass es in dieser Branche häufig vorkommt: wenn eine Ladeneröffnung, Ostern, Weihnachten oder andere umfangreiche Umdekorationen anstehen, werden neue Leute eingestellt, jedoch lediglich als inoffizielle Kurzzeit-Unterstützung. Das sagt einem natürlich keiner… und wenn dann nicht mehr gebraucht wird, weil weniger Arbeit anfällt, und man ein unnützer Kostenfaktor wird, wird einem wieder gekündigt. In der Probezeit brauchen sie ja keine Kündigungsgründe angeben! Und der neue Mitarbeiter gibt in der Probezeit alles, weil er den Job ja behalten will, kommt selbst noch krank zur Arbeit, hat keinen Urlaubsanspruch… Diese Ausbeutungsmentalität hat mich sehr erschreckt. Inzwischen hatten sich auch die Berufsaussichten für Dekorateure verschlechtert, weil immer mehr Schaufenster zu Verkaufsfläche wurden und die Verkäufer notfalls ja auch eine „Puppe“ anziehen können, man so Kosten einspart. Ich befand mich also gefühlt und tatsächlich in einer Sackgasse und suchte nach einem Ausweg.
Gruftige Grafik
Während eines Deko-Jobs in einem Möbelladen hatte ich zugleich sehr viel mit Blumen und Pflanzen gearbeitet, daher dachte ich zunächst an eine Umschulung zur Floristin. Das Arbeitsamt genehmigte mir jedoch leider keine Umschulung, da ich ja offiziell in meinem Ausbildungsberuf noch als vermittelbar galt… Und letztlich schreckte mich das dann doch sehr geringe Gehalt eines Floristen etwas ab. Der Versuch, doch noch Grafikdesign oder Kunst auf Lehramt zu studieren, scheiterte an den Aufnahmeprüfungen, unter anderem, weil ich damals noch kaum Computerkenntnisse besaß. Auch eine Umschulung zur Mediengestalterin für Digital- und Printmedien hätte mich gereizt, aber das wurde mir ebenfalls vom Amt verwehrt. Als Alternative bot mir das Arbeitsamt eine Weiterbildung zum dtp-Operator an, also Grafik in Verbindung mit Layout und Drucktechnik, von allem etwas. Das klang auch gut, ich nahm an und besuchte nun für anderthalb Jahre einen Bildungsträger. Das war schon eine coole Zeit, sehr interessant (Bildbearbeitung, Computergrafik, Webdesign, Druckvorstufe, Layout), aber leider umsonst. Denn obwohl ich auch hier mit „sehr gut“ abschloss, bekam ich ohne Berufserfahrung einfach keinen Job! Ich machte mehrere Praktika, baute mir eine eigene Webseite, bewarb mich bundesweit – aber erfolglos. Ich war verzweifelt. In den Praktika war es gut gelaufen, aber sie reichten natürlich nicht aus. Es gab jede Menge jobsuchende Grafiker, die mehr Erfahrung vorweisen konnten. Wieder eine Sackgasse! Zunächst versuchte ich noch, meine Chancen durch private Fortbildungen und Kurse zu verbessern. Doch fand ich damals wenig Brauchbares an Fernstudien für Berufsgrafik, mehr etwas für Hobbyanwender.
Bio-Boom
Wie es der Zufall wollte, stieß ich bei meinen Fernstudien-Recherchen auf einen umfangreichen Lehrgang zur Naturkost-Fachberaterin. Zum einen hat mich Ernährungswissen und Lebensmittelkunde schon länger interessiert, ich koche auch sehr gern mit allerhand Getreide- und Reformhauszeugs, und zum anderen begann gerade der Bio-Boom, so dass die Job-Aussichten im Anschluss nicht schlecht aussahen. Ich kniete mich total rein, paukte wie eine Besessene (Zeit hatte ich als Arbeitslose genug) und suchte mir Praktika in einem Bioladen und Reformhaus. Ziemlich schnell nach erfolgreichem Studienabschluss bekam ich dann auch eine befristete Anstellung in einem Reformhaus – witzigerweise durfte ich dort sogar Schaufenster dekorieren und Werbematerial wie Prospekte gestalten. Leider war es nur befristet, so dass ich wieder suchen musste. Diesmal klappte es aber wirklich mit einer Anstellung in einem Naturkostsupermarkt. Ich hatte lange Zeit auch viel Freude an der Arbeit, vor allem an der schönen Präsentation der Waren (da kam die Deko-Tante wieder durch) und der Kundenberatung. Leider wurde im Laufe der Zeit jedoch immer mehr an Personal gespart, die Arbeit wurde immer stressiger. Unter Zeitdruck arbeite ich nur ungern, ich mache gerne etwas zu Ende, bevor ich was anderes mache, und schon gar nicht mehreres gleichzeitig. Jetzt musste jeder die Arbeit von zwei, drei Leuten machen und es war nur noch unbefriedigend. Gleichzeitig Brot, Käse und Wurst bedienen und dazu noch die zweite Kassenkraft sein, sobald mehr als 3 Kunden an der Hauptkasse anstehen – das schlauchte. Hinzu kam der ständige Schichtdienst, oft mit sogenannten „kurzen Wechseln“, zwischen den Schichten lagen oft nicht mal die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhestunden. Ich wurde immer öfter krank, bekam schließlich Asthma, igelte mich nach der Arbeit nur noch zu Hause ein, soziale Kontakte litten. Da dachte ich erneut daran, so geht es nicht weiter! Ich wollte mich wieder mehr auf das konzentrieren, was mir Spaß macht, anstatt immer mehr die Freude an der Arbeit zu verlieren. Was mir am meisten lag, war beraten und kreative Lösungen suchen. Lösungen suchen…. ich suchte….
Du bist, was du isst
…und fand schließlich tatsächlich eine: Ernährungsberatung! Die hatte ich im Laden zum Teil schon durchgeführt, da Naturkost-Fachleute auch ein umfangreiches Ernährungs-Fachwissen lernen, wie zum Beispiel die Ernährung von Schwangeren, Stillenden und Allergikern. Ich freute mich immer, wenn ich Kunden weiterhelfen konnte, die entweder ein Ersatzprodukt suchten, ihre Ernährung umstellen wollten oder Fragen zu den bioladen-spezifischen Produkten hatten. Ein Ökotrophologie-Studium hätte leider einiges an erneuter Zeitinvestition und finanzieller Unsicherheit bedeutet, aber zum Glück entdeckte ich, dass derselbe Bildungsträger, bei dem ich das Naturkost-Fernstudium absolviert hatte, auch einen Lehrgang zum Ernährungs-Coach anbot. Hinzu kam das unverschämte Glück, dass ich viel Zeit und Kosten sparen konnte, da sich einige Lehrbrief-Inhalte beider Kurse überschnitten! So konnte ich in nur 4 statt 10 Monaten den Kurs berufsbegleitend machen. Der Nachteil war, das ich als nicht klassisch Studierte keine Anerkennung der Krankenkassen bekam, mir also nur der Schritt in die Selbständigkeit blieb, sofern mich keine Praxis oder andere Institution in Ernährungsfragen einstellte. Ich putzte Klinken wie verrückt, baute mir eine neue Webseite und auch ein Netzwerk mit Praxen, Beratungsstellen und Bildungsträgern auf – und landete schließlich in der Erwachsenenbildung und als Leiterin von Kochkursen an Schulen (selbständig). Das ging ein paar Jahre gut, hat mich sehr, sehr beschäftigt und zum Teil auch sehr beglückt, aber leider irgendwann auch wieder sehr frustriert. Die Seminare wurden eingestellt nachdem der Bildungsträger verkauft wurde. Den Schulen wurden nach und nach Gelder gestrichen, ein längeres Ernährungserziehungs-Projekt an einer Schule wurde von Lehrern und Eltern torpediert. Ich brachte das Projekt noch zu Ende und überlegte, was ich nun machen könnte, um wieder mehr finanzielle Sicherheit zu haben. Es war mir zwar nie wichtig, viel Geld zu verdienen, aber ein gewisses Maß an Sicherheit möchte ich doch haben.
Hungrige Mäuler stopfen
Ich ließ mich nicht entmutigen – wieder mal war Lösungsfindung angesagt (ist ja kreativ). Warum nicht FÜR Kinder kochen, wenn ich schon MIT Kindern gekocht habe und in Seminaren über Kinderernährung dozierte? Also putzte ich wieder Klinken bei Kitas und Jugendprojekten, ob sie nicht eine Köchin bräuchten, die sich in Fragen zu Kinderernährung und Allergien gut auskennt. Ich bot an, auch erstmal als Vertretung zu arbeiten, was letztlich dankbar aufgenommen wurde. So durchlief ich einige Kitas, lernte immer mehr hinzu und hatte überraschend viel Erfolg: in fast allen Kitas, in denen ich kochte, hätten sie mich im Anschluss am liebsten weiterbeschäftigt! Das tat meinem etwas angeknacksten beruflichen Selbstbewusstsein unglaublich gut, zumal ich ja Quereinsteigerin bin, keine ausgebildete Köchin. Doch es fiel mir überhaupt nicht schwer, mich in die „Massenverpflegung“ hineinzufinden, zumal es immer kleine, familiäre Kitas waren, in denen ich arbeitete. Inzwischen habe ich einen befristeten Vertrag bekommen, mit recht guten Aussichten auf anschließende Weiterbeschäftigung. Die Arbeit macht Spaß und Kochen ist letztlich auch eine kreative Tätigkeit, zumal ja noch einiges an Organisation und Planung hinzukommt. Ich hoffe, dass ich jetzt wirklich mal „angekommen“ bin und diese Arbeit noch lange mit Freude machen kann.
Hier beim Kochen mit Kindern in einem Ferienprojekt:
Grufti bei der Arbeit
Bisher hatte ich das Glück, mich mit meinem Äußeren nicht allzusehr an irgendwelche gesellschaftlichen Normen anpassen zu müssen. In der Deko-Branche gab es nie Probleme mit einem etwas „anderen“ Outfit, es wurde sogar eher gut gefunden, dass sich ein kreativer Mensch auch optisch etwas abhebt und mutiger ist. Dennoch bin ich nie heftig gestylt arbeiten gegangen, zu unpraktisch durften die Sachen beim Herumwerkeln schließlich auch nicht sein und es reichte mir, mich durch bunte Strähnen, „Katzenaugen“ und dunkle Kleidung ausdrücken zu können.
Im Bioladen hatten wir anfangs einfach eine Schürze über unserer Alltagskleidung, da hatte ich auch ziemliche Narrenfreiheit, zumal außer mir noch ein Punk und ein Heavy Metal-Freak bei uns arbeiteten. Die Bio-Szene ist ja auch zum Großteil etwas alternativer. Später gab es leider einheitliche Arbeitskluft, zum Glück in Dunkelblau (beim Reformhaus-Praktikum war es neongrün, da fühlte ich mich schon reichlich komisch drin), das ging noch. Bei einem Käppi hätte ich allerdings gestreikt ;-)
Während meiner Selbständigkeit schwankte ich im Kleidungsstil zwischen praktisch-unempfindlich-schwarz (Kochkurse), schlicht schick schwarz (Beratung) und dunkelbunt-elegant (Seminare), letzteres war schon das Harmloseste, was ich bislang aufbieten musste. Beim Kochen habe ich jetzt das Glück, dass es auch schwarze Kochbekleidung gibt, und meine Chefin sich auch mit simplen schwarzen Shirts arrangieren konnte. Ein Zugeständnis an meinen jetzigen Job habe ich jedoch machen müssen: wieder in die Kirche einzutreten (heutzutage eigentlich unsinnig, sowas, zumal wenn’s nur auf dem Papier ist).
Schminken und Haare stylen mach ich derzeit nur selten, da ich für meine furchtbaren Haare keine befriedigende halbwegs flippige Alltagslösung gefunden habe und da meine Augen auch häufig gereizt sind, fällt Schminken oft aus. Durch die Brille, die ich erst recht spät bekam, habe ich eh nur noch wenig Lust, mich zu schminken – sieht man ja dann kaum. Aber ich würde schon gerne auch im Alltag (wieder) mehr aus mir machen. Eine sowohl-flippige-als-auch-alltagstaugliche Frisur, die bei mir nicht schon nach wenigen Stunden zusammenfällt, das würde mich schon sehr glücklich machen. Irgendwie möchte man sich ja doch äußerlich ausdrücken, für sich selbst ansehnlich finden. Ich suche auch hier (noch) nach einer idealen Lösung… ;-) Es ist ja auch die Frage, wie viel Zeit man morgens im halbgaren Zustand für sein Styling investieren möchte. Da ist mir etwas mehr Schlaf mittlerweile wichtiger als äußerliche Selbstverwirklichung. An freien Tagen genieße ich es allerdings schon, einfach das anziehen zu könne, worauf ich Lust habe, und niemand mir da reinreden kann. So fühle ich mich dann auch am wohlsten.
Ich muss nicht auf Biegen und Brechen deutlich als Grufti erkennbar sein, aber meinen Anspruch an eine gewisse Ästhetik ausleben dürfen. Jeden Tag auf der Arbeit auch stilistisch in eine komplett andere Kluft zu schlüpfen, ist für mich irgendwie seltsam, fühlt sich fremd an. Aber das geht dem Banker, der am Feierabend wieder vom Anzug mit Schlips in seine geliebten Jeans und das Lieblings-Shirt wechselt, vermutlich ebenso. Das ist nichts speziell Gruftiges. Ich für meinen Teil kann mit Kompromissen in Bezug auf Arbeitskleidung leben, sofern mir eine gewisse Narrenfreiheit in Sachen Frisur und Haarfarbe gewährt wird. Zum Glück ist es heutzutage und besonders in einer Großstadt kein Stein des Anstoßes mehr, bunte Haare oder Strähnen zu haben. Tattoos und heftige Piercings habe ich keine und will auch keine, daher mache ich mir darum keine Gedanken. Mein kleiner Nasenstecker hat bislang auch noch keinen gestört. Gruftis werden von der Gesellschaft immer mehr akzeptiert, daher stellt sich heute nicht mehr so deutlich wie noch in der 80ern oder 90ern die Frage, inwiefern man seine Szenezugehörigkeit nach außen tragen kann, wenn man ins Berufsleben eintritt. Und das ist etwas, das ich sehr genieße, denn ich bin jemand, der es hasst, aufgrund seines Äußeren mit Vorurteilen und fiesen wie falschen Klischees konfrontiert zu werden.
Du hast ja einen spannenden Weg hinter dir und scheinst echt Spaß an deiner jetztigen Arbeit zu haben. Mir geht es wie dir, mir ist mein Schlaf da oft auch wichtiger als richtig gestylt zu sein und wenn ich meine Haare nicht mit Unmengen Haarspray befestige ist nach einer Stunde wieder alles zusammen gefallen – ist halt so. Ich lasse mir meinen Geschmack zwar nicht nehmen, aber ich muss auch nicht mehr jedem meine Szenezugehörigkeit durch meine Kleidung auf brechen und bieten auf die Nase binden.
Danke, Flederflausch! Ja, es macht Spaß und eigentlich hatte ich auch an allen meinen Tätigkeiten Freude. Nur gab es häufig auch vieles, was mir entweder die Freude verleiden konnte (miese Arbeitsbedingungen) oder aber irgendwelche Stolpersteine. Ich bin froh, dass ich mich immer wieder aufgerappelt und nach neuen Wegen gesucht habe. Dabei war ich oft genug am Verzweifeln, wusste erstmal nach einer „Bauchlandung“ nicht weiter.
Wenn ich gefragt werde, warum ich so oft den Kurs gewechselt habe, räume ich ein, dass ich eben vielseitig interessiert bin und all das, was ich gemacht habe, auch echten Interessen entspricht. Heutzutage ist ein Lebenslauf mit verschiedenen Branchen ja nicht mehr so ganz ungewöhnlich wie früher, als man zwischen Schulabschluss und Rente meist sein ganzes Arbeitsleben im selben Beruf oder sogar beim gleichen Arbeitgeber verbrachte. Flexibilität wird sogar häufig gewünscht, die Fähigkeit, über berufliche Tellerränder zu schauen und sich schnell in Neues einzuarbeiten. Das kommt mir zugute, und daher schäme ich mich auch nicht (mehr), so häufig neu begonnen zu haben. Ich sehe darin selbst Potential und das hilft mir, selbstbewusster zu meinem Lebenslauf zu stehen und mich entsprechend zu „verkaufen“.
Ich sehe es uch nicht als etwas für das man sich „schämen“ muss. Du hast viele Interessen, es hat nicht immer alles geklappt, aber du hast dich wieder auf die Beine gekämpft und bist für deine Wünsche eingestanden. Das finde ich sehr stark und bewunderns wert.
Wie du sagst, die wenigsten habne heute noch einen geradlinigen Lebenslauf und ich sehe darin auch Vorteile (auch, weil das die eigene Situation unsicher und prekär machen kann), so können neue Potentiale genutzt und Innoationen freigesetzt werden. Meiner Meinung nach kommt es weniger darauf an was an kann, sondern auf das was man bereit ist sich zu erarbeiten und zu lernen.
Ich bezog mich auf die allgemeinen Vorurteile mancher (vor allem älterer Leute), die einen da schief angucken und einen in die Schublade „weiß wohl nicht, was er/sie will“ packen. Und um das Gefühl, dass ich früher oft genug hatte, dass ich wohl immer noch nicht das Richtige für mich gefunden hätte… Das ist zum Glück vorbei :-)
Die, die da heute noch schief gucken, haben einfach keine Ahnung oder machen schön die Augen zu. Was sich heute perverserweise häufig hinter Chiffren wie „Flexibilität“, „Auffassungsgabe“ usw. verbirgt, durfest du ja auch am eigenen Leibe spüren. Nein, DU musst dich dafür auch nicht schämen, andere hingegen schon, die gar zu arg am Humankapital herumpressen bis auch das letzte Tröpfen herausgedrückt ist und sich dernach nicht zu blöd sind noch nen derben Spruch hinterherzuwerfen.