Morella schickt uns mit Ihrem Beitrag zum Gothic Friday im April auf eine Rätselreise. Schon während der ersten Zeilen dachte ich: „Was macht Sie denn nun?“ und konnte nicht aufhören zu lesen, bis ich eine Antwort fand. Daher erscheint der Titel „Auf dem Weg der Antworten“ wie Morella ihren eigenen Beitrag nennt, auch mehr als passend. Findet heraus, wie Sie Ihre Neigungen zum Berufsziel gemacht hat.
Nun möchte auch ich darüber sinnieren, warum ich eigentlich genau hier stehe und warum die Szene etwas damit zu tun hat.
Beginnend von klein auf, wurde ich wohl eher zu den „Naturburschen-Mädchen“ gezählt, die eine Ronja Räubertochter und Bibi und Tina Philosophie hatten. Viel Phantasie, viele Ideen und äußerst aktives Dasein und Denken wurde an den Tag gelegt. Ich weiß noch der kleine Vampir, war damals einer meiner liebsten Kindersendungen und ich versuchte mich beim Milchzahnauswurf immer und immer wieder in der perfekten Vampirrolle, als ich nur noch beide Eckzähne stehen hatte. Ich fand diese Gruselatmosphäre und das Vampirdasein und dem darüber nachdenken wie das wohl sein würde, super toll.
Also mal eben zusammengefasst, düster und ein bisschen speziellere Interessen und Philosophien auf Kinderbeinen.
Mit Beginn der Teenie Zeit und der Suche nach dem passenden Selbst, probierte ich mich zunächst in der Punkerszene aus. Dort fand ich die ersten Kontakte, die dann in ähnlicher Weise Interesse hegten. Auch der Musik, die inzwischen ein unheimlich wichtiger Begleiter in meinem Leben war, wurde hier eine große Wertschätzung entgegengebracht. Es wurden viele Konzerte besucht und sozial kritische Themen kamen auf den Tisch und man philosophierte so rum. Bei den dort gefundenen Kontakten lernte ich neben dem Punkrock auch Musik aus dem zugeschrieben Genre „Gothic“ kennen. Irgendwie meinte ich nun endlich einen Stil mit Namen gefunden zu haben, der mich bewegt und mit dem ich mich unheimlich wohl fühlte. Irgendwann wurde auch Postpunk/Batcave ein Thema und der wunderbar punkige Charme gekreuzt mit der herrlich düsteren Weise war für mich ein absoluter Treffer. Ich ging meinen Interessen nach und besuchte nun eher Konzerte und Veranstaltungen aus dem Genre, lernte neue Kontakte kennen und nistete mich hier erstmal ein. Ich hatte also Menschleins gefunden, die meine Interessen teilten und mir offensichtlich doch etwas ähnlich waren. Prima und die hatten sogar nen Namen…“Gruftis“.
Nun ich war also völlig begeistert von den vielen Gemeinsamkeiten und dachte, wir müssen doch alle in ähnlicher Weise „ticken“. Im Laufe der Jahre habe ich viele Menschen in der Szene kennenlernen dürfen und merkte, trotz all dieser Gemeinsamkeiten, sind wir doch so verschieden. Jeder hat eine andere Auffassung von Szene, Gothic, dem Ausleben, dem Miteinander…..Die Szene ist so vielfältig und zu Recht kann man fragen „welche Szene“ um zu erfahren, was ein einzelner Interaktionspartner nun darunter versteht und ob in der jeweiligen Welt der Person nun das „Gruftidasein“ das ist, was es für den anderen auch ist, oder ob lediglich gleiche Worte mit unterschiedlichen Inhalten verwendet werden.
Ich denke, dass meine Erfahrungen in der „Gothicszene“ (Irgendwie sind wir so gleich und doch so anders) nun ausschlaggebend dafür waren, dass ich anfing, mich besonders für das Thema Mensch und all seine Facetten zu interessieren. Wie kann es sein, dass er so und so ist, denkt, handelt. Wie kann man das überhaupt in Worte fassen? Ich wollte mehr verstehen und behandelte die ersten psychologischen Themen.
Neben dem beständigen Musikthema und den Anfängen der CD Sammlerei (Ich liebe es die Hüllen in der Hand zu halten, ein Booklet herausholen zu können und eine CD in den Player schieben zu können), hatte ich auch meinen bevorzugten Filmstil gefunden. Eine Suppe aus Kontrovers, Drama, Psycho und Horror bekam mir besonders gut. Das Dessert stellten Dokumentationen dar, insbesondere von großen Kriminalfällen. Irgendwann zogen dann also auch solche Fragen in mein Gedankengut und ich wollte verstehen, wie es zu delinquentem Verhalten kommen kann. Großartige Bücher über das Milgram Experiment oder Stanford Prison waren einer der ersten Begegnungen.
Was ich dort fand, war die Erkenntnis – um es mal in Alien Sex Fiends Worten sagen zu wollen – , dass die Linie auf der wir uns bewegen, die zwischen beispielsweise Totschläger und nicht Totschläger unterscheidet, so zart ist und wie relativ die Aussage „niemals“ besonders in diesem Kontext ist.
Ich denke es sollte nach all dem Herleiten nun keine Überraschung mehr sein, dass ich mich zum Studium der Psychologie entschied und im Schwerpunkt der Rechtspsychologie auch voll nach meinen Interessen gehe.
Ein Resümee:
Neben meinen Neigungen haben mich also auch die Auseinandersetzung mit der schwarzen Szene zu meinem beruflichen Werdegang gebracht. Mein großes Interesse an „düsteren“ Themen brachte mich quasi von Rüdiger dem kleinen Vampir, über die Szene insbesondere die Musik, zu sexualdelinquenten Menschen, Mördern und Totschlägern. Als kleine Randbemerkung zur Kleidung und Erscheinung, in gedeckten Farben fühlte ich mich schon immer am wohlsten. Hatte trotz der Begegnung in der Punkerszene nie wirklich den Anspruch sonderlich ausgefallen auftreten zu wollen. Ich freue mich nun in einem Bereich sein zu dürfen, in dem das überwiegend schwarz gekleidet sein, kein relevantes Thema darstellt, weil der Fokus auf anderen Themen liegt.
Heftig, heftig, war mein erster Gedanke. Du beschäftigst Dich mit menschlichen Abgründen. Sicher faszinierend, hinter solche Fassaden zu blicken.
Ich selbst habe kein allzu gutes Menschenbild, dazu habe ich zuviele unangenehme Erfahrungen gemacht und auch die täglichen News sowie ein Blick in unsere Geschichte lassen eher Zweifel daran zu, dass wir moderne, aufgeklärte, vernunftfähige und soziale Wesen sind – vor allem letzteres.
Tag für Tag entsetzen mich Gleichgültigkeit, Rücksichtslosigkeit und mangelnde Empathie vieler Menschen. Wir sind scheinbar alles andere als soziale Wesen.
Psychologie, Verhaltensforschung etc. vermögen es bei weitem nicht, Menschen zu erklären, enträtseln und selbst vertraute Personen können plötzlich „austicken“ oder ganz anders (re-)agieren als erwartet. Können zu Verbrechern und Mördern werden. Nicht nur für Angehörige furchtbar, diese Vorstellung.
Meine Schwester, angehende Neurologin, erzählte mir mal von einem Fall auf einer Rettungsstelle, wo ein Mann (ich weiß nicht mehr, ob durch einen Unfall oder eine Erkrankung) plötzlich hochgradig aggressiv und gefährlich wurde, weil in seinem Kopf Areale blockiert oder gelöst wurden, die sonst unterdrückt werden. Er war so aggressiv, dass ihn mehre Erwachsene kaum bändigen konnten.
Von sollchen Fällen zu hören/lesen, ist spannend, beeindruckend, macht betroffen. Die Frage ist, was man durch Therapien oder Forschung erkennen, abmildern oder gar behandeln kann. Und was passiert, wenn jemand als nicht therapierbar und gefährlich gilt. Ich hätte Angst vor Menschen, die bereits die Schwelle zum Verbrecher überschritten haben. Die Frage ist natürlich immer das „Warum“ und dann relativiert sich vermutlich manches. Aber scheinbar wirklich bösartige Menschen, die kein Unrechtsbewusstsein und keine soziale Intelligenz zeigen, möchte ich nicht um mich haben, das würde mich fertig machen. Auch nach der Arbeit, das würde ich „mit nach Hause nehmen“.
Vielen Dank für dein Kommentar.
Ja zuviele unangenehme Erfahrungen machen es sicher nicht einfach, noch ein „gutes“ Menschenbild zu haben. Irgendwann bemerkt man, dass die Welt auch bestückt ist mit Gleichgültigkeit, Rücksichtslosigkeit und das es hier und da an Empathie mangelt. Es wäre schön, wenn man die Welt/die Menschen, dahingehend verändern könnte. Leider stellt das lediglich ein Wunschtraum dar.
Ich würde sogar hinterfragen, ob unsere Welt ohne all das „Negative“ überhaupt funktionieren könnte. Die Kunst scheint bei dieser Menschenbildthematik zu sein, den für sich persönlich geeignetesten Umgang zu finden und weiterhin empfänglich für die schönen Erfahrungen mit Menschen zu bleiben.
Ja da gebe ich dir vollkommen Recht, weder die Psychologie noch sonst irgendwas kann den Menschen vollkommen erklären und das Verhalten vorhersagen. Was die Psycholgie allerdings im Gegensatz dazu kann, sind zum Beispiel systematische und repräsentative Studien erheben, die im Gegensatz zu unseren Alltagsannahmen, objektive Aussagen erlauben. Diese systematischen Beobachtungen sind eben dann wichtig wenn es zum Beispiel darum geht zu beurteilen, ob die und die Therapie Erfolge erzielt oder nicht, bzw. was könnte alternativ helfen oder aber auch Prognosegutachten mit wissenschaftlichen Methoden, bietet natürlich eine sehr wichtige Grundlage.
Auch Aussagen zu deinen geposteten Fragen nach dem, was kann man durch Therapie überhaupt erkennen, abmildern oder gar behandeln, kann man dann so durch viele replizierte Studien objektiv beantworten.
Sehr interessanter Beitrag, vielen Dank dafür.
Du schreibst das Studien Antworten geben (können) … Gegenfrage: wie werden dann diese Studien ein- und umgesetzt? Es obliegt doch den Verantwortlichen entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, jedoch sehe ich das dies (aus welchen Gründen auch immer) eher selten passiert (korrigiere mich wenn ich falsch liege) … liegt es an mangelndem Interesse oder Lobbyismus? Denn was bringen die besten Studien, wenn nix passiert?
Vielen Dank für deinen Post.
Es ließt sich, als hättest du ein konkretes Beispiel vor Augen oder sogar verfolgt?
Um mal global auf deine Fragen einzugehen. Die Studien speziell im Behandlungsansatz obliegen auch, wie du schon richtig geschrieben hast, der Ergreifung des Behandlers. Gründe warum dieser sich dann doch für einen anderen Ansatz entscheidet, können häufig mit den individuellen Gegebenheiten begründet werden.
Bei manchen Krankheitsbildern hat man beispielsweise erheben können, mit einem bestimmten Therapieansatz bestimmte Erfolge zu erzielen. Jetzt hat der Patient zwar ein bestimmtes Krankheitsbild, allerdings noch weitere komorbide Beeinträchtigungen. In diesem Beispiel könnte es also sein, dass genau dieser Therapieansatz, der bestimmte Erfolge beim eigentlichen Krankheitsbild erzielen könnte, absolut kontraindikativ für die komorbiden Beeinträchtigungen ist.
Weiterhin kann auch dieser Therapieansatz für genau diesen Patienten einfach nicht geeignet sein, weil es ihm vielleicht einfacher fällt anders zu arbeiten.
In der Regel gibt es ja nicht „den“ Therapieansatz. Die Studienlage zeigt verschiedene Ansätze, die Erfolge oder keine Erfolge aufweisen oder sich gar kontraindikativ zeigen. Die Arbeit des Therapeuten wird sein, auf Grundlage seines Wissens, einen geeigneten Ansatz mit seinem Patienten zu erarbeiten.
Ich hatte mich zum Beispiel mal mit sexueller Orientierung und hier speziell mit prähomosexuellen Kindheiten und Suizidalität im Erwachsenenalter beschäftigt. Im Ansatz ging es da um Prävention unter anderem auch Resilienzfaktoren, welche Diskriminationsfaktoren kann man beobachten etc. Hier wurde teilweise mit Längsschnittstudien gearbeitet, deren Erhebung über mehrere Jahre erfolgte.
Um das mal zu übertragen, manche Erhebungen sind unheimlich langwierig und wenn dann Ergebnisse da sind, wird man mit methodischem Wissen interpretieren und womöglich Replikationen fordern. Also wenn die Studienlage so quasi noch am Anfang steht.
Nur mal so ein paar Beispiele. Ich hoffe ich konnte deine Frage dahingehend ein wenig beantworten. :-)