Was hat der Mülheimer Stadtteil Holthausen und ein Prinz namens Equalla Deido gemeinsam? Wer nicht genau hinsieht und sich auch nicht besonders für die Stadtgeschichte Mülheims interessiert, benutzt die kleine Parkanlage einfach nur als Abkürzung zwischen zwei Querstraßen. Und manchmal schauen dann schnell vorbei huschende Leute verdutzt, wenn interessierte Menschen in den Hecken und Büschen fotografieren oder sogar Blumen niederlegen. Es gibt auf diesem Friedhof nämlich Interessantes zu entdecken. Unter den wenigen noch existierenden Grabstellen ist auch das Grab eines echten afrikanischen Prinzen.
Ein Friedhof für Holthausen und Menden
Der Friedhof des Dorfes Holthausen, das damals noch nicht zu Mülheim a.d.Ruhr gehörte, wurde am 25. Oktober 1878 eingeweiht. Aus Platzmangel wurde der Friedhof für Beisetzungen in Reihengräber schon am 6. August 1917 wieder geschlossen. 1965 fanden die letzten Beisetzungen in Erbgräbern statt.
Equalla Deido – Der Prinz aus Kamerun
Neben Ruhestätten bekannten Mülheimer Familien gibt es auch das Grab des Kameruner Prinzen Equalla Deido, der zur Kolonialzeit nach Mülheim kam.
Equalla Deido aus Kamerun war der erstgeborene Sohn des berühmten König Deido Duala Epee Ekwalla und wurde wie viele andere männliche Jugendliche aus kamerunischen und togoischen Elitefamilien vor 1914 in Deutschland zur Schule geschickt. Wieso der Prinz unbedingt in dem Dorf Holthausen bei dem Lehrer Heinrich de Jong und seiner Frau Anna wohnte und ausgebildet wurde, ist nicht eindeutig zu klären. Genau wie seine Todesart. Equalla Deido starb wenige Monate nach seiner Ankunft in Mülheim an der Ruhr im Mai 1891.
Bei einem Sturz beim Spielen an einer Lehmgrube verkühlte er sich so stark, dass er wohl kurz darauf an einer Lungenentzündung verstarb.
Allerdings gibt es auch immer noch eine andere Version, die besagt, dass Prinz Deido bei einem Duell starb. Er soll diskriminierend beleidigt worden sein, worauf es zu einem Duell kam und ihn ein Säbel tödlich durchbohrte. Diese Version wurde von seinem Vater verbreitet, der die Grabstätte während seines Aufenthaltes in Deutschland als Teil der Duala-Delegation 1902 besuchte.
Der Friedhof soll weichen
Die Stadt Mülheim an der Ruhr sah sich 2019 gezwungen, die Grünanlage aus Kostengründen zu veräußern und bebauen zu lassen. Die 10.000 Euro, die für den Unterhalt der Grünfläche jährlich benötigt werden, erschien der Stadtspitze zu viel. Die Bürger von Mülheim-Holthausen waren sehr aufgebracht und gründeten eine Bürgerinitiative. Man konnte sich zum Glück einigen. Wenn jedes Jahr 10.000 Euro auf ein Spendenkonto zur Pflege der Anlage zusammenkommen, kann der Friedhof weiterbestehen. Falls nicht, wird es zu neuen Streitigkeiten um den Erhalt des Friedhofes kommen.
Ein paar Quadratmeter, die nachdenklich machen
Warum ein kulturelles Kleinod und eine grüne Lunge in der Großstadt für die läppische Summe von 10.000 Euro weichen soll, erschließt sich mir als Normalbürger nun wirklich nicht mehr. Besonders wenn man überlegt, wie viel Geld für andere Sachen zum Fenster rausgeschmissen werden. Die Gegend ist schön und Bauland kann man vermutlich teuer veräußern. Aber sollte man wirklich alles platt machen, nur weil es auf den ersten Blick keinen Nutzen für die Wirtschaft hat? Der Mensch, die Erinnerung und der Tod, die Beerdigungskultur, die Geschichte der Menschen, die hier ihre letzte Heimat fanden, was ist sie uns (noch) wert?
Hier gibt es alle Bilder des Friedhofs:
Wieder ein spannender Bericht mit schönen Fotos. Vielen Dank für die Mühe.
Der Bericht über den Prinzen und sein mysteriöser Tod lässt einen doch etwas grübeln. Mir kommt da auch ein rassistischer Hintergrund in den Kopf, besonders zu damaligen Zeiten. Bei meiner persönlichen Recherche bin ich auf einen Bericht gestoßen, wo ähnliches erwähnt wird (Quelle):
„Ganz vorurteilsfrei wird also auch der „Prinz von Holthausen“ nicht willkommen geheißen worden sein in einem gesellschaftlichen Klima, das mit rassistischen Kinderbüchern wie dem „Struwwelpeter“ Pädagogik betrieb und in den Kirchen „Nickneger“ als Spendenautomaten aufstellte, die für jeden eingeworfenen Pfennig oder Hosenknopf artig mit dem Kopf nickten. Ein Foto jedenfalls, das von Equalla Deido existiert, zeigt einen ernst bis traurig schauenden Teenager in einem hochgeschlossenen dunklen Gehrock – keinen Jungen, der mit anderen Kindern ausgelassen in wassergefüllten Lehmkuhlen spielt und sich dabei die tödlich verlaufene Lungenentzündung zuzieht, wie es eine der wenigen mündlichen „Überlieferungen“ um den Prinzen erzählt.“
Jedenfalls liegt mit den jungen Prinzen auch ein Stück Geschichte auf dem Friedhof. Da ist es schon traurig, wie wenig Bedeutung das für die Obrigkeit der Stadt hat. Deshalb kann ich nur ein großes Lob für die Bürger und ihrer Initiative aussprechen. Es gab sogar eine Online-Petition.
Persönlich gefallen mir diese kleinen verträumten alten Friedhöfe, die der Natur überlassen wurden. Die Fotos laden einem zum verweilen dort ein.
Ich fürchte, in den kommenden Zeiten klammer Kassen werden wir umso manches „nur Kosten verursachendes“ Stückchen Kultur, sei es in Form von Kulturstätten, Denkmälern, Friedhöfen usw. bangen müssen. Danke Hagen für diesen interessanten Bericht mal wieder. Deiner Befürchtung mit dem rassistischen Hintergrund schließe ich mich an, obgleich „ernste Gesichtsausdrücke“ auf damaligen Bildern keine Seltenheit waren.
Ich fürchte, in den kommenden Zeiten klammer Kassen werden wir umso manches „nur Kosten verursachendes“ Stückchen Kultur, sei es in Form von Kulturstätten, Denkmälern, Friedhöfen usw. bangen müssen
Das stimme ich Dir zu – leider.
Ja, da wird wohl leider (noch) viel (mehr) verloren gehen… :(
Das stimmt natürlich schon – Fotografieren war mal eine todernste Angelegenheit (siehe auch alte Familienfotos). ;)
(Beweist jetzt natürlich nicht dass es keinen rassistischen Hintergrund gab, möglich ist das ja trotzdem.)
Ein sehr schöner Artikel.
An einer Lungenentzündung zu versterben, war in dieser Zeit leider nichts ungewöhnliches. Insofern ist das nicht unglaubwürdig.
Es sollte nicht allein Privileg eines Prinzen sein, sein Grab zu erhalten. Einen Friedhof zu bewahren, ist ein Akt des Respektes gegenüber denen, deren Überreste dort ruhen. Auch früher hat man Friedhöfe überbaut, aber mit Sakralbauten gewissermaßenals Upgrade der Ruhestätte, nicht mit Wohn- und Geschäftshäusern.
Wenn Kommunen solche Flächen, die der Öffentlichkeit zur Erholung und zur Verbesserung der Luft dienen, als Bauland verkaufen wollen, hat das vermutlich mehr als nur ein „Geschmäckle“. Zehntausend Euro dürfte selbst eine Stadt wie Mülheim aufbringen können.
Freuen wir uns, dass es solche Orte noch gibt. Ich frage mich oft, wenn ich Friedhöfe besuche, welche Schicksale die hatten, deren Namen ich auf den Grabsteinen lese, und wer um sie geweint haben mag.
Berechtigte Fragen… :(
Ich will jedenfalls nicht in einer Welt leben in der Dinge „ohne (wirtschaftlichen) Nutzen“ überall verschwinden bzw. weichen müssen.
PS: Danke für die mir noch unbekannte Geschichte und die wunderbaren Fotos!
Auch in Berlin gibt es (wieder) Pläne, Friedhöfe umzuwidmen:
https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2023/08/berlin-friedhoefe-bauen-wohnungen-parks-bezirke.html
Hier noch ein Interview als Ergänzung:
https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2023/08/berlin-friedhoefe-nachnutzung-evangelischer-friedhofsverband-interview.html
Danke für den Link. Aufgrund der entstehenden Kosten für die Haltung alter Friedhöfe ist natürlich wirtschaftlich verständlich. Aber durch die Krise mit dem Klimawandel, sollen besonders Städte bestrebt sein, mehr Grünflächen zu schaffen bzw. zu erhalten. Besonders Friedhöfe bieten doch diesen Vorteil, wodurch das irgendwie auch einen Gegensatz darstellt.
Es ist schade, dass so etwas wie zum Beispiel ein Friedhof weichen soll, nur weil er nicht finanziert werden kann oder will. Gerade alte Friedhöfe haben so einen ganz speziellen Charm, mit ihren alten rostigen Zäunen, dem Efeu der sich seine Weg gesucht hat und die Steine und Gedanktafeln, die noch mit viel Liebe und Aufwand gestaltet wurden. Nicht so langweilig und trist wie das was man heute auf Gräber stellt.
Ich finde es daher gut, dass sich eine Initiative gefunden hat, die den Erhalt sichern möchte.
Ich kann mich noch erinnern, mal auf einem Friedhof gewesen zu sein, der für Gräber Patenschaften anbot. Habe ich zuvor noch nie gehört gehabt, aber definitiv auch eine Möglichkeit, um altes zu erhalten. Vll. sollte so etwas einfach öfter in Erwägung gezogen und angeboten werden.