Friedhof Ohlsdorf – Eine beruhigende Lebendigkeit

Ein Friedhof, auf dem Autos und Fahrräder herumfahren? Eine Unmöglichkeit, dachte ich bisher. Leserin Kerstin, die einige schon von ihren Bildern vom Frankfurter Hauptfriedhof kennen, empfindet jedoch genau diese Lebendigkeit auf dem Ohlsdorfer Friedhof als beruhigendes Element. Und schon verliert man sich in Gedanken über Pietät und das Verhältnis zum Tod, ob man will oder nicht. Ein Fernsehbeitrag vom NDR, auf den sie mich auch aufmerksam machte,Ihre Bilder – eine Mischung aus neuem und altem Material – hat sie diesmal mit ihren ganz eigenen Eindrücken versehen, die ein Stück ihre Faszination für diesen Friedhof erklären.

Der Hamburger Friedhof Ohlsdorf ist der größte Parkfriedhof der Welt. Auf einer Fläche von rund 391 Hektar 1 wurden seit dem 1. Juli 1877 – heute feiert er seinen 138. Jahrestag – über 1,4 Millionen Beerdigungen durchgeführt unter anderem die von Gustaf Gründgens, Hans Albers, Inge Meysel und Heinz Erhardt. Doch bevor ich mich über einen Friedhof auslasse, den ich leider noch nicht besucht habe, lasse ich Kerstin zu Wort kommen.

Irgendwer oder irgendwas wird irgendwie immer fotografiert

Das Faszinierende am Friedhof Ohlsdorf ist für die meisten – und auch für mich – seine unfassbare Grösse. Ich habe es in 12 Jahren nicht geschafft, einmal über den ganzen Friedhof zu kommen. Die Vielfalt der unterschiedlichen Gräber ist schon fast erschlagend schön – neben neuen und modernen Gräbern gibt es auch solche, die in der Natur verschwunden sind. Bis vor kurzem war der Friedhof noch in einen alten und einen neuen Teil unterteilt, was aber im Zuge jüngster Modernisierungsmaßnahmen aufgehoben wurde. Die neueren Gräber finde ich nicht so interessant, alle sieht sehr geordnet und gleichförmig aus, klassische Grabsteine oder Kreuze in Reih und Glied. Dafür spiegelt der Friedhof 130 Jahre Bestattungskultur unzähliger Epochen und Einflüsse, neben Gräbern der verschiedensten Religionen und Kulturen finden sich auch eine Vielzahl von Gedenkgräbern, vor allem für die Opfer des Nationalsozialismus.

Auf der linken Seite – vom Eingang aus gesehen – findet man die Mausoleen alter hanseatischer Familien. Viele von ihnen werden nicht mehr genutzt und von einem wird behauptet, das dort mittlerweile ein Weinkeller verborgen ist, wo ein Nachfahre dieser Familie Weinverkostungen anbietet. Ich muss dann immer an Vampire denken, die auf dem Friedhof stilecht ihrer Dekadenz frönen.

Auf der linken Seite befinden sich die meisten der wunderschönen Engelsstatuen, sowie etliche der prominenten Gräber. Hier gibt es das Meiste zu entdecken: wunderschöne bronzefarbene Madonnen, Männer mit den verschiedensten Instrumenten, Paare aus Marmor, alte Säulengräber oder auch alte Plattengräber, die in ihrer Art auf adelige Ritter zurückzuführen sind. Leider sind viele der Werke oder Gräber mittlerweile schwer verfallen, da sich die Familien nicht mehr darum kümmern oder mittlerweile ausgestorben sind.

Ich gehe so 3 vielleicht 4 mal im Jahr nach Ohlsdorf und wähle immer unterschiedliche Routen. Oft mache ich dort Fotos und es wurden dort auch schon Fotos von mir gemacht. Aber die meiste Zeit schlendere ich einfach so rum. Ich finde die Atmosphäre dort sehr beruhigend .Was schön und irgendwie anders ist, das es dort eben nicht so ruhig ist wie auf anderen Friedhöfen. Dort fahren Busse, Autos und Fahrräder herum und Leute mit einer Kamera fallen kaum auf und werden nicht gleich als Pietätlos empfunden. Immer wenn ich dort bin, wird irgendwer oder irgendwas irgendwie fotografiert. Und das sind nicht nur Gothics, wie einige meinen. Oft bin ich dort, um an meine Eltern zu denken. Die wurden zwar in Bremen, meiner Heimatstadt, beerdigt – da sie sich aber verbrennen und anonym beisetzen ließen, fühle ich auch von Ohlsdorf aus eine beruhigende Nähe, denn dort gibt es ebenfalls einen Bereich für anonyme Urnengrabstätten, die alle einen Gedenkstein oder Gedenkplatz haben, wo man dann Blumen oder Kerzen aufstellen kann. In den letzten Jahren ist dort auch ein neuer Platz entstanden, der sogenannten Rosengarten. In seinem Innern ein Meer aus Rosen, der von einem Rundgang gesäumt ist, auf dem man auf viele neue Gräber und Gedenktafeln stößt. Vielleicht schaffe ich es dieses Jahr das Rosenmeer in seiner vollen Pracht zu fotografieren.

Im Laufe der Jahre habe ich so immer wieder interessante Menschen kennengelernt: Lebenskünstler und Künstler, „Überlebende“ und viele die dort, wie ich, einfach nur herumlaufen und über die eigene Lebensgeschichte nachdenken. Man lernt sich dort irgendwie einfacher kennen, wenn man auf einer Bank sitzt, liest und entspannt.

Reisetipps

Der Friedhof ist zu groß, um ihn auf einmal kennen zulernen. Hamburg-Besuchern, die nur ein paar Tage da sind, empfehle ich eine geführte Rundfahrt – wie im Video zu sehen – oder einen der zahlreichen Rundgänge oder Führungen. Die meisten finden an den Wochenenden statt und können direkt vor Ort gebucht werden. Sie dauern etwa 1,5 oder 2 Stunden und kosten zwischen 4 und 13 Euro, je nach Umfang und Dauer. Einige Führungen sind sogar kostenlos.

Wenn man alleine unterwegs ist, empfehle ich dringend, sich vorher einen Plan zu zulegen. Den kann man auf der Internetseite des Friedhofs runterladen, oder sich vor Ort, im Büro am Haupteingang, einen gedruckten Plan besorgen. Pikes sind in diesem Fall nicht unbedingt geeignet um ausgiebige Märsche zu absolvieren, vor allem wenn man von den Hauptwegen querfeldein gehen möchte und es zu allem Überfluss am Vortag noch geregnet hat, denn da ist der Untergrund häufig weich und sehr matschig. Ein kleines Museum, das Sonntags von 10 bis 14 Uhr geöffnet ist, zeigt auch immer wieder Ausstellungen, die immer irgendwas mit Tod und Bestattungskultur zu tun haben.

Einzelnachweise

  1. Zum Vergleich: Die Konzerthalle auf der AGRA, in dem zu Wave-Gotik-Treffen die Headliner auftreten, passt hier etwa 800 mal drauf[]
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Kerstin
Kerstin (@guest_50611)
Vor 9 Jahre

Danke Robert …vielen vielen Dank,Du hast es wieder genau getroffen

Hexenstern
Hexenstern (@guest_50706)
Vor 9 Jahre

Apropos Fußball ..der HSV besitzt eine Grabstelle auf Ohlsdorf ,wo sie die Fans des HSV beerdigen lassen können .In Bremen habe ich wiederum einen Grabstein entdeckt mit der Werder Raute drauf ,also so abwegig ist der Gedanke mit der Steilvvorlage aus dem Fußball garnicht .
Sag mir Bescheid ,wenn Du nach Hamburg kommst ,ich werde mich für den Kaffee freischaufeln
Das mit den Autos ist erstmal sicherlich schon befremdlich ,viel befremdlicher fand ich aber immernoch das die Busse dort in zwei Richtungen fahren und es mehr als 20 Haltestellen dort zu finden sind.Vielleicht zeichnet das ein wenig die Ausmaße dieses wirklich grossen Friedhofs auf und ohne die Bussen könnten vermutlich viele, vorallem ältere Herrschaften, nicht zu den Gräbern ihrer Lieben .Aber ja -es ist schon ziemlich komisch ,wenn man nach links und rechts gucken muss um eine Strasse zu überqueren ,wenn man auf einem Friedhof ist

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