Man hat mir erzählt, dass die Einheimischen den Friedhof auf Barcelonas Berg, dem Montjuïc, nicht mögen. Die Vorstellung, dass ein Friedhof eine Sehenswürdigkeit sein könnte, ist ihnen fremd. So ist es, nicht ganz unerwartet, menschenleer als ich den Eingangsbereich des Friedhofs erreiche, nur ein gelangweilter Wärter im klimatisierten Häuschen spielt mit seinem Smartphone. Ich freue mich auf einen ungestörten Tag auf dem Friedhof, der 150 Jahre spanische Gräberkultur präsentiert und den man anhand eines Tourplans auf drei unterschiedliche Routen erkunden kann. Auf der Suche nach den Plänen betrete ich das Gebäude der Friedhofsverwaltung. Der Infostand ist ebenfalls leer, nur eine lächelnde Putzfrau zeigt mir – sie ahnte wohl mein Begehren – die entsprechenden Ständer. Mit meinem Plan für die historische Route und meinem Fotoapparat bewaffnet, meistere ich die ersten Treppen, die den Eingang des Friedhofs markieren.
Es ist ein sonniger Tag und vor mir hat sich eine nahezu unüberschaubare Anzahl von Wegen, Treppen, Gräbern und Kapellen in den Berg gekrallt. Unter mir höre ich die Geräuschkulisse der Schnellstraße, die nur vom Stöhnen vereinzelter Schiffshörner durchbrochen wird, denn am Fuß des Montjuïc erstreckt sich Barcelonas Containerhafen. Der Friedhof ist sehr gepflegt, alles ist in einem erstaunlich guten Zustand – ich frage mich, für wen die das eigentlich machen? Überall sind Hinweistafeln und Wegweiser, die auch in Englisch beschriftet sind, so bekomme ich einen Überblick über die Grabstätten und die Geschichte des Friedhofs.
Zum Ende des 19. Jahrhunderts wuchs Barcelona schnell, die Friedhöfe im Zentrum der Stadt waren überfüllt. Der damals kaum genutzten Berg im Rücken der Metropole schien ideal für einen neuen Hautpfriedhof. Im März 1883 wurde der Friedhof durch den Bürgermeister Barcelonas eröffnet. José Fonrodona Riva, ein Bürgermeister aus Kuba, war der Erste von 152.000 Toten, der hier begraben wurden. Auf dem Friedhof kann man 150 Jahre Kunstgeschichte und Bestattungskultur bewundern: Prachtvolle Mausoleen im neogotischen oder neoägyptischen Stil zeugen von reichen Geschäftsleuten und wohlhabenden Bürgern, die sich um die Jahrhundertwende in Design und Ausführung zu übertreffen versuchten. Später schuf man detailreiche Statuen und Engelsfiguren, die über Grabplatten ruhten. Bis 1960 beerdigte man dann viele Verstorbene in sogenannten Gemeinschaftsgräbern, bei denen man 8 Gräber übereinander in Nischen anlegte und am Fuß eine entsprechende Platte einließ, auf der die dort beigesetzten Menschen verzeichnet wurden. Vor allem der obere Teil des Friedhofs ist mit diesen gebäudeartigen Sammelgräbern übersät. Heute findet man hauptsächlich winzige Urnengräber und auch ein Waldstück, in dem man die Asche seines Angehörigen verstreuen kann, denn obwohl ist mittlerweile einen neuen Hauptfriedhof gibt, findet man immer wieder frische Gräber.
Jede Route endet auf dem höchsten Punkt des Friedhofs, an dem man ein römisches Krematorium finden soll und der einen grandiosen Blick über die Stadt garantiert. Ich habe es zugegebenermaßen nicht geschafft. 5 Stunden und 173 Höhenmeter zwischen unglaublich beeindruckenden Gräbern haben meine Pikes zum Qualmen gebracht und meine Sinne erschöpft. Dennoch: Der Cementiri de Montjuïc ist ein Friedhof, den ich nicht vergessen werde. Eindrucksvoll, bedrückend und imposant. Weniger verwunschen und mystisch wie die englischen Friedhöfe, dafür kunstgeschichtlich atemberaubend. Ein bisschen mystisch ist er dann doch noch gewesen, denn in einem abgelegenen Teil des Friedhofs streunte unzählige Katzen zwischen den Gräbern und beobachteten die Eindringlinge argwöhnisch. Wir wurden bis zu einer imaginären Grenze verfolgt, wo man dann schlagartig von uns abließ. Wirklich ruhig ist es auf dem Friedhof leider nicht, die Schnellstraße am Hafen ist laut und die Straße, die durch den Friedhof führt, ist für Einheimische eine beliebte Abkürzung vom Zentrum zu Autobahn.
Nützliche Tipps
Den Friedhof erreicht man nur mit dem Bus. Mit der Metro fährt man bis zur Station Paral·lel, von der man zur gleichnamigen Haltestelle „Paral·lel Cabanes“(Nummer 722) geht. Von hier aus nimmt man den Bus 21 in Richtung „El Prat“, der fährt etwa alle 30 Minuten. An der Haltestelle „Cementiri de Montjuic“ (3254) steigt ihr aus. Wundert euch nicht, der Bus fährt ein Stück über die Autobahn. Achtet außerdem darauf, den Bus zurück zu erwischen. Steht niemand direkt an der Haltestelle, fährt der Bus durch. Eine Taxifahrt zurück ins Zentrum kostet etwa 15 Euro, wer möchte kann sich auch gleich mit einer Taxi-Stadtrundfahrt über den Friedhof fahren lassen, auch in deutscher Sprach. Führungen (An 2 Sonntagen im Monat) die dort stattfinden, werden nur in katalanisch und kastillisch angeboten. Der Friedhof ist von 8 bis 18:00 Uhr geöffnet. In den Abendstunden sind dort viele Mücken, vielleicht hilft lange Kleidung oder ein entsprechendes Mittelchen, wir haben sicherheitshalber darauf verzichtet.
- Beschreibung des Friedhofs auf der deutschen Touristeninformation von Barcelona
- Spanische Seite der Friedhöfe in Barcelona
- Übersichtsplan des Friedhofs [PDF]
Wizard of Goth – sanft, diplomatisch, optimistisch! Der perfekte Moderator. Außerdem großer “Depeche Mode”-Fan und überzeugter Pikes-Träger. Beschäftigt sich eigentlich mit allen Facetten der schwarzen Szene, mögen sie auch noch so absurd erscheinen. Er interessiert sich für allen Formen von Jugend- und Subkultur. Heiße Eisen sind seine Leidenschaft und als Ideen-Finder hat er immer neue Sachen im Kopf.
Danke für diesen schönen Bericht und die wunderbaren Bilder in der Galerie. Jetzt ärgere ich mich noch mehr, dass wir damals bei unserem Barcelona-Besuch den Montjuic Friedhof nicht mehr geschafft haben. Was Gruften und Statuen dort! *neidischbin* :)
Erst vor wenigen Wochen unfreiwillig in Barcelona gewesen, weil unser Campingbus aufgegeben hat dort gestrandet.
Leider nicht die Situation und ausreichend Zeit um die Stadt wirklich nochmal geniessen zu können und vielleicht wäre dieser Friedhof ein kleines Ausflugziel gewesen wenn wir das gewusst hätten.
Leider hat sich Barcelona in den letzten vier Jahren sehr verändert. Viele Orte kosten nun Eintritt die damals noch frei und mit Leben gefüllt waren wie der Parc Güell oder die Santa Maria Del Mar, welche nun Geld kosten.
Ich kann verstehen das die Touristenflut Grenzen hat, aber überall Eintritt nehmen nimmt den Orten einfach den Charme und das Leben.
@Shan Dark: Nicht ärgern. Ich bin mir sicher, du wirst irgendwann nochmal Gelegenheit haben, dir selbst einen Eindruck zu verschaffen ;) Wie ich dich Weltenbummlerin kenne, wirst du Spanien sicherlich wieder einen Besuch abstatten.
@Sebastian: Das stimmt allerdings. Die Orte sind nicht nur kostenpflichtig, sondern auch hoffnungslos überteuert. Man kommt sich als Besucher der wirklich schönen Stadt wie ein Melkesel vor, ganz ehrlich. Stadtrundfahrt mit dem Bus, 27€. Museum für Stadtgeschichte, 7€. Parc Güell mit Führung, 20€. Sagrada Familia mit Führung, 34€. Dazu kommt noch das „Durchschleusen“ an den einzelnen Orten, was auch die Ruhe und Erholung verpuffen lässt. Immerhin, nicht so bekannte Orte, wie eben der Friedhof, sind noch kostenlos, wenngleich es auch nur sehr schwer ist, an eine Führung zu kommen.
Ich möchte alle, die vorhaben, auf diesem Friedhof zu fotografieren, vorwarnen:
ich habe im Internet die Info gefunden, dass dort Fotoverbrot herrscht – wenn man fotografieren möchte, muss man sich extra eine Fotoerlaubnis erbitten.
„Sie sollten sich per E-Mail an comunicacio@cbsa.cat an die Direktion für Kommunikation, institutionelle Beziehungen und Erinnerung wenden. Wir erläutern Ihnen dann das Protokoll und die Vorschriften zum Fotografieren auf Friedhöfen.“
Daraufhin habe ich die Friedhofsverwaltung freundlich angeschrieben und um eine Fotoerlaubnis für rein privaten Zweck gebeten.
Zurück kam eine Mail, dass ich hierfür folgende Angaben machen soll:
Datum des Besuchs
genauer Zeitrahmen
genaue Ortsangaben wo fotografiert wird
Art der Fotos
auf welchen Plattformen sie gezeigt werden (sollen)
Namen aller Teilnehmer
dazu der Hinweis, das neben lebenden Personen und Trauerzügen (was klar ist) selbst Grabinschriften nicht auf Fotos auftauchen dürfen (letzteres dürfte das Fotografieren einiger Monumente ziemlich erschweren).
Puh, das gleicht ja einem Verhör… da vergeht einem echt die Lust auf einen Besuch dort.
Man könnte denke das ist in Deutschland, bei der Fülle an Angaben, die man machen muss 😅.
Aber schon heftig!
Vorallem genauer Zeitrahmen!?! Wer plant denn auf die Minute genau einen Friedhofsbesuch?!
Ja und vor allem was da im einzelnen (mit Ortsangabe und wie) fotografiert werden soll…. ich weiß doch nicht im Voraus, welche Grabmäler da interessant aussehen, wo genau die sind und in welcher Art und Weise ich sie ablichten werde… *augenroll*
Vielleicht sollte man im Voraus einen Kurs im Glaskugel-Lesen besuchen :-D
Na ob dir die Glaskugel aber dann auch das sagt, was du wissen willst, ist auch noch nicht raus. Vll. sagt die dir dann nur das Wetter an! 😂
Na das wäre ja auch nicht verkehrt – so oft, wie die Wettervorhersage daneben trifft…netter Nebenverdienst als Wetterfrosch (ach nee, das wäre ja ne Konkurrenz für den Gruftfrosch)
Hmm. Das ist sehr verworren, auch nach einiger Recherche zu dem Thema. Neben den Hinweisen auf der Homepage des Friedhofs, auf die du dich beziehst, finde ich dazu keine Informationen. Selbst der offizielle Reiseführer für Barcelona, der den Friedhof für einen Besuch vorschlägt, schreibt dazu nichts.
Ist der Friedhof öffentlich – und nicht in privater Hand – ist das Fotografieren Europaweit eigentlich möglich. Ich kann aber nicht herausfinden, ob der Friedhof in Barcelona mittlerweile in privater Hand ist und sich diese Regeln auf ihr „Hausrecht“ beziehen.
Ich bleibe maximal verwirrt zurück, gerade weil du so eine Antwort von der Verwaltung bekommen hast, die fotografieren quasi unmöglich macht.
In Deutschland ist das ja alles erlaubt – und ich hatte „uns“ ja eigentlich für die schlimmsten gehalten, was das fotografieren angeht.
hier zu finden (ich hab die Seite auf Deutsch übersetzen lassen)
https://cementiris.ajuntament.barcelona.cat/es/preguntas-frecuentes
und hier der Flyer vom Friedhof, unten rechts das Foto-Verbots-Symbol zu sehen:
Das muss neu sein, auf dem Prospekt, das ich damals vor Ort mitgenommen habe, war sowas noch nicht zu sehen. Ich tippe auf die länderspezifische Umsetzung der DSGVO, die 2017 in Spanien eingeführt wurde.
das ist gut möglich… man kann es mit dem Datenschutz auch echt übertreiben, finde ich
Ja, die FAQ habe ich gefunden, aber sonst eben nichts dazu. Das verwirrt mich.
Ich denke, das ist eher an die kommerziellen Fotografen gerichtet. Ähnliche Vorgaben hat man auch hier in D z.B. mit der Schlösserverwaltung, die auch so manchen Park verwaltet und andere. Als Privater wird man nicht alles beantworten müssen. Einfach sagen, dass man privat Fotos machen will, ohne Modell und Gedöns usw, nur für sich selber als Tourist, dann sollte das OK gehen. Handyfotos kann eh keiner verhindern, aber man will verhindern, dass Scharen an irrer Fotografen mit Sandalen und weißen Socken und fetter Knipse vorm Bierbauch da rum rennen und die Besucher auf den Keks gehen.
Ich kann mir eher vorstellen, dass es eher die Massen an Selfie- und Instagram-Freaks abschrecken soll… Die sind ja inzwischen mehr das Problem als echte Fotografen…
Sooo…. inzwischen bin ich dort gewesen, mit der kurzfristig noch ausgestellten Fotoerlaubnis in der Tasche – die aber niemand sehen wollte. Es fuhren zwar immer wieder Mitarbeiter in kleinen Vans vorbei und ich fragte später auch Mitarbeiter nach dem Ausgang auf der Oberseite des Friedhofs, doch nie hat jemand komisch geguckt oder Fragen gestellt, dass wir da fotografieren. Okay, vielleicht wurde auch vorher drüber informiert, dass da ne genehmigte Fototour stattfindet, oder aber es hat einfach wirklich keinen gejuckt (außer irgendwen am Schreibtisch).
Ein absolut sehenswerter, geradezu umwerfender Friedhof. Wirklich Unmengen wunderschöne Statuen und Monumente voller Details. Wir waren 5 Stunden dort, ich habe über 1000 Fotos gemacht, und wir waren tatsächlich bis ganz oben und genossen die tolle Aussicht. Faszinierend war auch die zum Teil abenteuerliche Wegführung, denn neben der kurvenreichen Straßen/Wegen gab es überall Treppen und Treppchen zwischen bizarren Steinmauern, deren Oberkanten fast wie Schuppen eines Drachenrückens anmuteten. Viele Bäume und andere Pflanzen lieferten Grün und Bunt zwischen den Steinmauern. Es gab sehr viele Vögel, vor allem Möwen, die auch z.T. auf Grabmalen gebrütet haben.
Leider haben wir (bzw. mein Begleiter) nur eine einzige Katze aus der Ferne gesehen, die auch sofort in einem Loch verschwand. Was befürchten lässt, dass die Tiere dort mittlerweile verjagt und gejagt werden? Das wäre traurig.
Auch weitere, kleinere Barceloner Friedhöfe kann ich empfehlen, vor allem der Friedhof Poblenou hat sehr viele tolle Statuen wie den berühmten „Todeskuss“, wirkt aber zum Teil auch schon ganz schön marode (was wiederum natürlich Flair hat). Aber auch der Friedhof Les Corts hatte einige schöne Motive. St. Gervasi wiederum ist ein kleiner, feiner Bergfriedhof, der sich nur lohnt, wenn man eh in der Nähe ist (liegt am unteren Teil des Tibidabo, nahe dem Gaudi-Bauwerk Torre de Bellesguard).
Die auf allen Friedhöfen dort zahlreichen Wandnischengräber in langen Reihen in mehreren Etagen wirkten auf den ersten Blick unspektakulär, auf den zweiten aber doch recht faszinierend und abwechslungsreich, weil jedes davon individuell gestaltet ist. Ob mit kleinen Figuren, Reliefs, Nippes, Blumen oder Metallverzierungen, sie waren wie kleine morbide Schaufenster. Zum Teil sehr verwittert, manche sogar komplett mit Grünzeug zugewachsen, andere völlig kitschig mit glitzernden Plastik-Blumensträußen vollgehängt… Allerdings waren die Wandnischengräber auf den kleineren Friedhöfen deutlich spannender und schöner als am Montjuic-Friedhof. Also trotz scheinbar geringer Fläche der Stadtfriedhöfe ruhig genug Zeit einplanen ;-)