Das Batcave im London der 80er war ein Schmelztiegel für musikalische Stile, Bands und Jugendkulturen. Mit dem Punk hatte man der Jugend die Lust am Dilettantismus mitgegeben, jeder konnte und wollte Musik machen. Im Stadtteil Soho, genauer auf der Dean Street 69 eröffnete im Juli 1982 das Batcave im Gebäude-Komplex des Gargoyle Clubs. Unzählige kuriose Gestalten belagern den sargförmigen Eingang der in einen mit Spinnweben geschmückten Raum führte, es ist die „Nacht der brennenden Märtyrer“ und das Motto Blasphemie, Lüsternheit und Blut 1. Gründer des Clubs war die Band Specimen, und Mitgestalter Nik Fiend, Sänger der Band Alien Sex Fiend.
In einer Zeit wo noch niemand von Gothic sprach, entwickelte sich das Batcave sehr schnell zum Treffpunkt aller Kreativen aus dem Post-Punk und Avantgarde-Umfeld. Neben unzähligen Live-Auftritten alle angesagten Post-Punk Bands fanden dort auch immer wieder Aufführungen von B-Movies und „Gothic Fiction“-Filmklassikern statt, sowie ein regelmäßiger Discothekenbetrieb. Schnell entwickelte sich das Batcave zum Zentrum der Alternativen Szene indem unzähligen Splittergruppen des ursprünglichen Punk eine neue Heimat fanden. New Romantics, Horrorpunks, Waver, Post-Punks und Glamrocker unter einem Dach, das war der britischen Presse zu viel und man nannte alle anwesenden einfach Gothic. Daher ist die Theorie, das Batcave sei die Geburtsstunde des Gothic schlichtweg falsch 2. Eine Subkultur der Batcaver gab es noch nicht, sondern entwickelte sich erst Mitte der 90er aus dem Kultstatus heraus. Die Presse war dabei ein erwünschtes Verbreitungsmedium, denn nach einem Film Bericht der BBC Sendung „Riverside“ im Oktober 1982 platze das Batcave aus allen Nähten.
Immer wieder kommt es zu Umzügen in größere Räumlichkeiten, die vorerst in der Cellar Bar in der Nähe des U-Bahnhofs Charing Cross im Londoner Stadtteil Westminster endeten. Bis 1983 hatte sich der Begriff Gothic etabliert wurde vom Publikum so aufgenommen. Die meisten der Bands jedoch lehnte dieses Kategorisierung ab, da die es für einen Stempel der englischen Presse hielten. Demnach formten die Anhänger selbst eine neue und eigenständige Szenen.
„Wir gingen hin, weil wir umsonst hineinkamen; außerdem herrschte eine gute Atmosphäre, und die Leute waren sehr nett. Aber die Musik war grässlich! Diese ganze Romantisierung des Todes! Jeder, der einmal selbst mit dem Tod konfrontiert wurde, weiß, dass daran überhaupt nichts Romantisches ist.“ (Robert Smith, Sänger und Gitarrist der Band The Cure 3 )
In diesem Jahr erschien auch die Club Eigene Compilation „Batcave: Young Limbs and Numb Hymns„, auf der die meisten der durch das Batcave bekannt gewordenen Bands einen Track beisteuerten und die heute Kultstatus erreicht hat. Im Mai 1983 erreichte die Compilation Platz 3 der britischen Independent-Charts. Mit der Erfolg der LP ging das Batcave im Juni 1983 auf England-Tournee, die Bands Specimen und Alien Sex Fiend packten die gesamte Club Einrichtung zusammen und veranstalteten Partys in mehreren Städten des Landes. Damit erreichte die Bewegung ihren Höhepunkt. Der Begriff Gothic hatte die Runde gemacht und wurde von ein neugierigen Presse aufgegriffen. Nahezu alle Bands der ersten Stunde feierten auch zu dieser Zeit ihre Höhepunkte, die deutsche Band Xmal Deutschland, die in ihrer Heimat nahezu in völliger Unbekanntheit vergraben war, gehörten in London zu den Top-Acts.
„Es war eine sensationelle Darbietung, wie selbst die ausgebufftesten Veranstalter zugeben mussten, und sie lockte die faszinierendsten Goths, die man je gesehen hatte, aus ihren Grüften. […] 1983 war Gothic eine wilde Verherrlichung von Fantasie und Magie, von Schönheit und Eleganz, und nur wenige, die mit der Szene in dieser Zeit in Kontakt kamen, blieben von dieser Erfahrung unberührt.“ (Dave Thompson, britischer Musikjournalist 4)
Die Popularität ist dann auch das innere Gift des Batcave, der Kern stirbt ab. Zwischen 1984 und 1985 wird das Batcave zu einer Touristenattraktion mit dem Ziel, möglichst skurrile Leute zu sehen. Die bleiben natürlich eben wegen dieser unerwünschten Popularität aus, das Publikum schrumpft so stark, das man sich Anfang 1985 wieder in die Dean Street 69 zurückzog. Das Batcave ging an seinen Geburtsort um zu sterben. Mitte 1985 schloss das Batcave seine Pforten, die Gründer-Band Specimen löste sich kurz darauf ebenfalls auf.
Mit der Schließung des Batcave prophezeiten die Kritiker auch ein schnelles Ende der Gothic Bewegung, denn die meisten Bands aus den Anfangszeiten gab es nicht mehr. Wie so oft irrten die Kritiker, denn die Szene wandelte sich und entwickelte sich weiter. Mit dem Batcave ist jedoch ein Stück lebendige Geschichte gegangen, deren Schließung meiner Meinung nach ein halbes Jahr zu spät gekommen ist. Man soll aufhören wenn es am schönsten ist.
Als kleinen Leckerbissen gibt es die Top 10 des Batcave aus dem Jahr 1983-1984 5:
- Virgin Prunes – Pagan Love Song
- Bauhaus – Lagartija Nick
- The Cramps – You Got Good Taste
- The Sisters of Mercy – Temple of Love
- Siouxsie & The Banshees – Dear Prudence
- Killing Joke – Tension
- Specimen – Tell Tail
- Alien Sex Fiend – Ignore the Machine
- Xmal Deutschland – Boomerang
Die Original Batcave Documentary der BBC Sendung „Riverside“ anlässlich eines Halloween Specials im Oktober 1982 gehört zum Standardcontent und soll auch hier nicht ungezeigt bleiben. (Erstes Video) Sehr gehaltvoll ist auch eine Dokumentation für das dänische Fernsehen, bei dem auch einige Gäste zu Wort kommen, die sehr eindrucksvoll darstellen, wie man sich seinerzeit für einen Abend im Batcave zurechtmachte. Offenbar waren dabei der Fantasie keine Grenzen gesetzt, eine Eigenschaft, die man heute vermissen mag.
https://youtu.be/N19-xoT6MS4
Einzelnachweise
- Mic von Unruhr am 11.09.2006 in: Various Artists – Young limbs and numb hyms (1982) 1.Abs.[↩]
- Nik Fiend im Interview: „Die Medien klammerten das einfach aus, weil sie davon nichts wissen wollten. Für sie sollte Gothic nur eines sein: Gothic. Aber das Batcave explodierte in tausende, in Millionen kleiner Fragmente.“ Dave Thompson / Kirsten Borchardt: Schattenwelten – Helden und Legenden des Gothic Rock[↩]
- Aus dem Artikel „The Gloom Generation“ von Suzan Colon, Details Magazine, Juli 1997[↩]
- Aus: Dave Thompson / Kirsten Borchardt: Schattenwelten – Helden und Legenden des Gothic Rock (2004[↩]
- Aus dem Magazin The Face in der Story Nightlife – Beyond the Batcave, Bilder von ninehells.com[↩]