Tach zusammen! Als in den 80er Jahren der Ruhrpott noch kochte, kochte auch die Szene. Und die Gemüter kochten meistens auch…über. Die Luft war schlecht, die Arbeitslosigkeit hoch, die großen Streiks brutal und der kleine Grufti Hagen eher schüchtern. Nun bin ich 48, aus dem Gröbsten raus und erzähle euch mal, wie schön es früher war. Oder auch nicht.
Früher war alles…auch Scheiße
Rennen nicht Laufen sangen einst Die Ärzte. 72 Kilo, 186 groß und alles andere als sportlich aber wegrennen war immer eine Spitzendisziplin meiner Kumpels und mir.
Unsere Lieblingsdisco war 10 Kilometer entfernt in einem anderen Stadtteil. Abends um acht mit dem Bus hin und um Mitternacht mit dem letzten Bus nach Hause. Oder wenn das Geld reichte, mit dem Taxi. Das war sicherer. Denn die Gefahr lauerte überall. Nazis, Prollos mit Schnauzbart, Fußballhools. Alles was den IQ eines Panzerschrankes hatte, war hinter einem her.
Palaver untereinander, Palaver mit anderen Szenen, Palaver in der Disco, Palver an der Imbissbude. Hurra, nur dreimal angerotzt worden und ein kleiner Zwischenfall mit Skins. Schön war es.
So lange Gruftprinzessinnen dabei waren, waren alle nett. Als Gruftimann allein konnte man nach zwölf nur mit dem Taxi nach Hause fahren und selbst der Fahrer war häufig „not amused“.
Es gehörte irgendwie dazu und hat uns eigentlich nur gestärkt.
Als dann die Emos aufkamen und alle sie als Hassobjekt Nr. 1 auserkoren hatten, kamen mir die Vergleiche zur damaligen Zeit auf. Nur die haben nicht durchgehalten. Sie haben sich fertig machen lassen. Geboren aus dem Kommerz gestorben durch den Kommerz.
Kurioserweise gab es in Kneipen, wo die ollen Stahlwerkmalocher saßen, nie Ärger. In solchen Gaststätten war das Bier günstig, der Wirt oder die Wirtin war der King, Sozialarbeiter, Richter und Schlichter in einer Person und freute sich, wenn Geld reinkam. Egal von wem. Erst wurde man beäugt und nach dem zehnten Bier kam man mit den Alten ins Gespräch. Denen war egal, wie man aussah, Hauptsache die konnten mal wieder ihre Heldentaten vom Stahl-oder Bergwerk erzählen.
Wie oft haben wir uns damals gelangweilt ohne das Internet. Ständig gibt es da neue Tipps, die einem die wichtigen Fragen beantworten: „Was könnte man noch für Musik gut finden?“ oder „Wo gehen wir heute hin?“
Konzerte waren dann immer das große Ereignis im Disco Alltag. Gelangweilte, besoffene Spitzenbands des Genres, die krumm und schief ihr Können unter Beweis stellten. Die Bollock Brothers spielten im Old Daddy Oberhausen, voll wie tausend Mann und trotzdem bliebe alle da und schauten sich den Scheiß an.
War In der Disco mal ein Klo verstopft, ja und? Kam halt der Zapfer, langte mit der Hand und dem Arm beherzt rein. Scheiß auf die Wolfgang Petri Gedächtnisbändchen am Arm. Problem gelöst, Weiterzapfen. Gesundheitsamt? Ich lach mich gleich tot.
Heute steht man auf irgendeiner Indie-Disco Revival Party und unterhält sich genau mit den Leuten auf die man früher gepisst hatte. Außenseitertum schweißt irgendwann zusammen. Man unterhält sich mit Teds darüber wo es früher die größten Prügeleien gab, mit Skins, wer damals die beste Haarschneidemaschine hatte und mit Mods, wer einen damals mit dem Roller nach Hause gebracht hat.
Und mit wem spricht man nicht mehr? Mit den Gruftis, die nicht mehr da sind. Diejenigen, von denen man dachte, dass sie einem ähnlich sind, weil man zu jung war, um zu erkennen, dass die in einem ganz anderen Zustand waren.
Zugedröhnt, Abgefahren, Ausstieg nicht mehr möglich. Endstation Tod.
Fast bei jedem Zusammentreffen der alten Garde – egal ob Freund oder Feind – findet das selbe Gespräch statt. Haste gehört, kannteste noch, auch tot. Und als Nachsatz der Ratlosigkeit kommt: Der hat die Szene wirklich gelebt. Leider meistens viel zu kurz.
Wir hörten Musik, die man nicht fand
Wir gehen auf Partys wo Lieder laufen, die wir schon vor dreißig Jahren gehört haben. Als ich geboren wurde, war der Krieg gerade mal 25 Jahre und Woodstock gerade mal 1 Jahr vorbei. Wir, die wir uns in den 80ern über Alt-Hippies lustig gemacht haben, die unsere Feten bewusst oder unbewusst besucht haben, sind nun selbst diese Überbleibsel aus der großen Zeit des Independent.
Als Plattenbosse das Potenzial erkannten und sich die Taschen vollmachten. Wo London nur noch ein Ramschladen für Spät-Schwarz-Tragende war. Adam Ant lag mit bipolaren Störungen nieder. Düsseldorf hat den Punk mit Beton aus der Stadt vertrieben und außer einer popligen Ausstellung vor zig Jahren nichts dazu beigetragen diese unglaubliche Musikentwicklung, die im Ratinger Hof und Umgebung entstanden ist, zu erhalten. Und Campino wohnt mit seinem angeblichen Erzfeind Bela B in Hamburg wo sie sich beim Joggen einen Blick zuwerfen der sagen will: Hast du gehört? Hagen ist nun auch tot. Falls es einer nicht weiß: Hagen war mal Bassist bei den Ärzten und vermutlich einfach zu sehr in der Szene.
Es gibt kaum noch jemanden der sich die Mühe macht Musik zu entdecken, zu hinterfragen, nachzuforschen wer das ist wer das macht. Und früher konnte man forschen wie man wollte, man fand die Platten von Tuxedomoon & Co einfach nicht. Für Schweinekohle nahm der DJ für Dich einen Livemitschnitt auf. Wenn es ihm dann in den Kram passte. Damen hatten da bessere Chancen. Warum? Man hatte es noch nicht so mit der sexuellen Belästigung, da hat man baggern lassen oder selbst gebaggert um ans Ziel zu kommen.
Neue Partys oder Treffen wurde über kopierte Zettel verbreitet. Wer einen frei zugänglichen Kopierer auf der Arbeit hatte oder jemanden von der Zeitung kannte, dem man regelmäßig in den Allerwertesten kriechen durfte, war klar im Vorteil.
Und dann tauchten Leute auf, die selber nähen konnten
Wow! Keine Plörren von C&A, die ja immer ein Garant für die schwarze Grundausstattung waren und die man dann mit Sicherheitsnadel und sonstigen selbst gemalten Stickern pimpen musste.
Vor allem musste man alles so verfeinern, dass man nicht wie das 40ste Double eines BRAVO-Gothics, Ghouls, Gruftis oder New Waver aussah. Alle mit derselben Schnallenhose, der gleichen Jacke mit Ösen, dem umgedrehtes Kreuz um den Hals und gleicher Haarfrisur war nicht drin. Und außerdem gab es solche Leute Anfang der 80er sowieso nicht.
Die Auswahl an Schuhen war eher klein. Pikes, Docs oder BW Kampfstiefel. Wer sich erdreistete, mit irgendetwas anderem aufzutauchen, geschweige denn Schuhe von Deichmann und Co zu tragen, war direkt unten durch.
Haare waren auch ein Aushängeschild. Wuschelig oder hochtoupiert, Teller oder Kerze. Aber wehe da kam einer mit hohen Haaren aber ohne Undercut oder Experten, die einen Schnauzer dazu trugen. Todesurteil hoch drei.
Bei solchen Sachen galt man als Pseudo und wurde direkt von der „Familie“ fertig gemacht. Und das Wort Mobbing war noch nicht mal erfunden. Apropos Mobbing: Im Bus zu Disco wurde gedisst bis der Balken brach. Heute würde man das alles direkt anzeigen und damit den juristischen Apparat fast zum erliegen bringen.
Das aus einem Auto auch schon mal mit der Gaspistole geschossen wurde, wenn man an der Haltestelle stand: Geschenkt.
Kaugummi in den Haaren, Kaugummi in den Klamotten, Heimlich Geschlechtsteile mit Tintenkiller aufgemalt damit man die im Schwarzlicht gut sieht. Beim Pogo der Psychos wurde so getanzt, dass man an allen Gruftis vorbeikam und denen die Hemdknöpfe abreißen konnten. Anzeige wegen Sachbeschädigung: Fehlanzeige.
Zurück zum Beton – Hand in Hand mit dem Schicksal
Auf der Arbeit musstest du zwei mal mehr leisten um anerkannt zu werden. Da man ja auch schon mal in der Woche in die Disco ging, mussten die Haare irgendwie halbwegs human hergerichtet werden. Als schwul galt man sowieso. Wenigsten die langhaarigen Heavis und Thrasher in der Lehrwerkstatt hatten Verständnis. Die mussten nämlich Haarnetz tragen. Das war noch erniedrigender.
Wahre Arbeit, wahrer Lohn sangen die Krupps, mehr Ruhrgebiet ging nicht. Doch dieses große Zeit war dann Mitte der 80er vorbei. Stahlwerke und Zechen stellten nach und nach den Betrieb ein. Und wer nicht rechtzeitig einen neuen Job gefunden hat stand auf der Strasse. 1987/88 kam zu einem der größten Arbeitskämpfe die Deutschland je gesehen hatte. Selbst die Regierung in Bonn wurde unruhig und hatte Angst vor Bürgerkriegsänhlichen Zuständen nach dem bekannt wurde, dass die Hütte in Duisburg Rheinhausen geschlossen werden sollte.
Man ging gemeinsam auf die Strasse, Punk neben Oma, Grufti neben Schnauzbartproll. Einmal hat mich so einer sogar mal nach einer Demo mit seinem Manta mitgenommen. Das war gelebt Solidarität und außerdem zehn mal besser, als von Duisburg nach Hause zu laufen. Auch wenn man so nichts miteinander zu tun hatte, das Schicksal schweißte uns zusammen. Am Ende hat es aber alles nichts gebracht. Die Stahlwerke machte genau wie alle Zechen dicht. Übrig geblieben ist ein Ruinenlandschaft aus Stahl und Beton, die sich die Natur Stück für Stück zurückholt.
Aber das will ja auch wirklich keiner. Denn das war früher richtig Schei…..schön!
oh ja, vor den Psychs hatte ich Respekt (Angst!?) … wenn im Old Daddy (OB und DU) Meteors und Co. lief, musste Gruftie vonner Tanzfläche, sonst wurdeste ganz schnell davon entfernt ;)
*hach ja* viele Sachen kann ich so bestätigen. Vieles kann ich total nachvollziehen, auch wenn mein Einzugsfeld Düsseldorf / Neuss war.
Viele sind nicht übrig geblieben. Und doch habern sich einige gewandelt und wieder zum Gruftietum zurückzufinden und zu bleiben.
Früher war alles jünger. Und vieles Kacke, ja. Vieles vermisse ich dennoch…
Jaz Coleman in einem Interview: „Ich werde überhaupt nicht nostalgisch wenn ich an die 80er denke…es war beschissen…aber es ist schlimmer geworden“.
Duisburg-Rheinhausen – Ich war auch dabei beim großen „Auf Ruhr“ Konzert und erinnere mich noch genau an die Stimmung damals. Alles ging irgendwie den Bach runter und zusammen mit Tschernobyl, kaltem Krieg, saurem Regen und Waldsterben hatte ich Angst und war sehr nachdenklich. In der Erinnerung vermischt sich das Gefühl dort mit den „kühlen“ Räumen, in denen wir damals gefeiert haben. Wir saßen auf dem Boden und auf Treppen zwischen Bechern und Zeug oder standen in „unserer“ Ecke, bis unsere Musik dran war. Die Skins, Psychos und Punks in anderen Ecken. Nur die Mods gehörten irgendwie zu uns. Ärger hab ich nie mitbekommen in der Provinz. Es war immer alles friedlich. Mein Auslauf reichte aber auch nur von Geldern (E-Dry) bis Krefeld (KuFa) /Duisburg (Old Daddy)/Düsseldorf und ich war immer brav pünktlich wieder zuhause. ;-)
Vieles aus den 80ern habe ich auch nur noch relativ „verklärt“ in Erinnerung, daher verliere ich mich auch des öfteren in Nostalgie. Möglicherweise trauere ich auch einfach nur einer verlorenen Jugend hinterher oder den Dinge, die man damals einfach verpasst hat, weil man nicht dabei war. Ohne Mundpropaganda und einen anständigen Freundeskreis warst du ja damals völlig aufgeschmissen und hast nur gespürt, das der Zug der Zeit an Dir vorbeigerauscht ist.
Andere Dinge hast du hingegen hautnah miterlebt. Als Rheinhausen dicht gemacht wurde und man die Bilder von der Solidaität im Fernsehen sah hat man noch gedacht wie toll das ist, wenn sich so viele mit einer Sache solidarisieren. Genützt hat es freilich nichts, wie Hagens Bericht eindrucksvoll vermittelt.
Die ausgehenden 80er hinterließen einen faden Beigeschmack für mich. Tschernobyl, Wettrüsten, Mauerfall und nicht zuletzt die wirtschaftliche Instabiliät haben mich auch schon in jungen Jahren mit Ängsten und Unsicherheiten zurückgelassen. Müssen sich die Jugendlichenvon heute mit ähnlichen Ängsten auseinandersetzten?
Nichts desto trotz habe ich mich sehr über Hagens Artikel gefreut. Sein Bildhafter und lebendiger Schreibstil habe nicht nur das Gefühl dieser Zeit auf den Punkt gebracht, sondern auch zu Bildern im Kopf. Natürlich auch zu schmunzelndem Nicken und lauthalsem Lachen, vor allem was die hygienischen Zustände in manchen „Szeneläden“ betraf. Heute würde da sicherlich keiner mehr hingehen, aber damals hat man die Sache einfach ein bisschen lockerer genommen.
Curlz : Mein Einzugsgebiet war auch eher in diesem Bereich, trotzdem hat man das alles doch irgendwie mitbekommen, gerade weil die Entfernung so gering und die Bahnpreise recht günstig waren. Ich fand nur, das Düsseldorf damals etwas aus der Reihe getanzt ist. Da war die Szene irgendwie anders, genauso wie die Menschen. Die sind aus dem Punk nie wirklich rausgekommen, so mein Eindruck. Im Tor 3 war ich damals ein paar mal, was mir eigentlich ganz gut gefallen hat, wenn die nicht in den frühen 90ern so sehr auf musikalisch fremde Züge aufgesprungen wären.
@Robert: in Tor 3 (bzw. Stahlwerk) war ich Mitte der 90er ein paar mal. Lief viel EBM, fand ich gut ;)
Line Light war unser Gruftie Laden. (Für mich 86-89. Da waren auch viele ‚Alt Hippies’ und Rocker und viele Stinos (weil es halt in der berühmten Altstadt lag). Und halt mehrere Gruppen Grufties. Entsprechend war die Musik. Erst nach dem Eröffnungs-Lied (Schwanensee?) wurden die wenigen Plätze auf der kleinen Tanzfläche schwarz belegt. Ab 2 Uhr lief Rock und Kram…
Und ja, ich fand uns damals auch anders als die Leuts im Pott….
Die richtig echten wahren Grufties waren im Zwischenfall ;) Dahin kam ich nicht oft.
Leider auch zu selten in den Pott, dabei möchte ich die Psychs … die Mukke und die Flats zumindest ;)
Nein, von den Hütten Schließungen etc. habe ich nichts direkt mitbekommen.
Von der damaligen Job Perspektivlosigkeit, Zukunftsangst etc. allerdings schon… die Wochenenden Flucht ins Line Light lenkten immerhin ab…
Klar, vieles ist verklärt. Jugend nachtrauern auf jeden Fall.
Nur, kaum jemand war Gruftie weil es Mode war.
Einfach war es auch nicht immer, dass hat H.Gen gut beschrieben :)
Und dennoch…….
Hagen: toller Schreibstil, lebendig. Würde George RR Martin so pulsierend schreiben… ^^ Ich bin freilich jünger als Hagen, doch dieses „hast du dies oder jenes nicht, gehörste nich dazu“ gabs in den viva2verseuchten 90gern und beginnenden 2000er Zeiten auch noch. War mir nur leider egal, ich hing eh mehr an englischem Goth-Rock und schwedischem Poscht-Industrial als an deutschem outfit Wafflertum. Wobei in jener 2000er Generation gabs diesen Lack n Leather Vampirlook… gefiel mir besser als Turmfrisuren. Aber dieses „wenn du das und jenes nicht hast, dann bist du nicht willkommen“ ist heuer teils auch noch so, teilweise. Find ich. Die alten sind immer noch auf immense Frisuren fixiert, die jungen sind auf PunkRave Komplettoutfit eingeschworen, wollen französischen Aristokraten nacheifern und wehe dem, der anders oder ganz frech individuell eigen ist. Übrigens, Deichman hat paar nette Designerschuhe, flache Sohle, willst du schneller laufen, ein Muss. Zumindest sind die teureren ordentlich verarbeitet, was man von den teuersten „extra für Goths gemachten“ nicht behaupten kann …. Gell. Seit wir so immens auf Wohnungssuche sind ist uns aufgefallen, die Vorurteile gegen dunkel gekleidete im sanften Sakko und schwarzem Seidenhemd sind immer noch erheblich. Obschon dezent gekleidet, sofort erkannt. „und ihr seid mehr so Gruftis“. Hmmm … Wohnungssuche in Schwarz ist immer noch schwierig. Als Teenie hatte ich mich verstellt, rotes Hemd, ordentlicher Zopf,… heute hab ich dazu keine Lust mehr. Akzeptiert mich wie ich bin oder spring vom Hochhaus. Trottel. Was ist eigentlich aus meiner Gothgeneration geworden? Achsoo die haben keinen Bock mehr auf all diesen dunklen negativen Mist. Vergessen all die fahle Romantik, Mondscheinpicknicks und Weihrauchsessions bei Rotwein und Sopor Aeternus…. schmachtende Erinnerungen… … Genug der Erinnerungsbewältigung, auf zum Job, real life are waiting… oder sollte man es -fake life- nennen ^^
Kurz und bündig vom Lande, irgendwo zwischen den Grenzsteinen 1866, eine Seite P, eine Seite H, Anno 2019. 1. Die Discos sind zu über 90 Prozent dicht … auch die „Alternativen/Progressiven…. die Dorfkneipen aber auch fast alle … die Mischung ist hin…. alles was die Disco erreichen konnte und wollte … ob nun zum am Brett sitzen, oder zum tanzen…. also sämtliche Skurilitäten und Spießigkeiten vereint. Wer das nicht wollte, dem blieb wirklich nur Kirche oder Schützenfest oder Sportlerheim. 2. Die Generation 20+/30+ ist weg…. keine Ahnung was die machen und wo die sind. Da sitzt dann das gruftige Paar (also wir) fast nahtlos, bei den Paar Familien und vielen vielen 40+/50+/60+… im Landgasthof, in der Eisdiele, beim Ortsparteitreffen…. von mir aus iner Kirche zum Konzert oder Gottesdienst. Und da wurde sich mal Gedanken um Haarfarbe gemacht… das ist garnicht das Problem. 3. Aktive fehlen… und soziales Dorfleben in allen Facetten muss aufrecht erhalten werden…. lass die Kinder sich auch ärgern, die älteren sind meist froh das wer da ist. Die Welt ist einfach zu klein für irgendwelche komischen Gerüchte oder so… wenn wer wirklich was über jemanden wissen will… also nicht wer die verschwundene Katze vom Nachbarn auf dem Dorffriedhof geopfert hat… bekommt er/ sie das auch raus…. Zahl Arbeitgeber, Verwandtschaft etc ist begrenzt. Ums abzukürzen… es ist entspannter geworden…. man selber aber auch… 3b wer keinen Bock auf Land hat, ist eh weg… schlimm ist es auch mit Abi/Studium… und mit Neulandeiern und Städtern ist das wohl oft interessanter als mit den „interessanteren“ Eingeborenen. 4. Und wenn dann mal ne Revival Party ist, trifft sich auch wieder eine Interessante Mischung. Die Musik der Alten ist eh oft kantiger, als diese durchgestylten Musikprodukte der Gegenwart. Also schön daß es die Revival Parties gibt.
Großartig Großartig Großartig!
Ich bin in Duisburg Marxloh aufgewachsen und habe später in Duisburg Hamborn gewohnt, bis wir dann 1994 aufs Land gezogen sind.
Ich kann das alles genau so bestätigen und mußte oft Schmunzeln.
Meine Liebligsdisco war das Old Daddy Oberhausen, hier fuhr ich anfangs auch immer mit dem Bus hin, mit dem letzten, kurz vor 12 zurück. Ich erinnere mich an ähnliche Geschichten, wie Du sie schreibst. Ich fuhr meist alleine zurück. Einmal fragte mich ein ausländischer Mitbürger, warum ich so böse gucken würde… (es war nur die Schminke, die dies so erscheinen ließ). „Angst“ mußte ich damals nie haben. Jedenfalls erinnere ich mich nicht daran.
Später hatte ich dann Mitfahrgelegenheiten zum Zwischenfall in Bochum. Im Daddy Duisburg war ich seltener.
Musik organisierte ich mir in ganz Deutschland durch gegenseitiges Tapes-Verschicken. Ich hatte zeitweise bis zu 20 „Tapes-Tauscher“. Diese fand ich über Zillo Kleinanzeigen. Vielleicht erinnert sich ja jemand diesbezüglich an mich. Manchmal hatte ich an einem Tag bis zu 5 Cassetten im Briefkasten. Das war so im Bereich 1987 – ca. 1992…
Beim Konzert der Bollock Brothers im Old Daddy war ich auch. Meine Fresse, war ich enttäuscht. Ehrlich gesagt kannte ich zu dem Zeitpunkt ja nur ein Lied (Ihr wißt welches) von denen. Dachte, es wäre eine Grufti-Band. Als dann die alten bunten Männer auf der Bühne standen… war ich doch enttäuscht, und die Musik gefiel mir auch nicht. Ähnlich erging es mir bei Front 242. Da kannte ich zwar mehrere Lieder, die ich gut fand. War allerdings dann etwas „erschrocken“ über die Herren im grünen Tarn-Anzug.
Auch die kopierten Zettel kenne ich noch. War das spannend!
Nähen hatte ich in der Schule, ich war daher eine mit den selbstgenähten Fummeln. Was habe ich mir Nächte um die Ohren gehauen….und alles ohne Schnittmuster, nur aus dem Kopf heraus. Sind tolle Sachen (Kutten, Kleider, Mäntel) draus geworden. Habe ich später (ca. 1993 für richtig richtig viel Geld für damalige Verhältnisse) euroapaweit verkauft.
Bei Deiner Schuh-Aufzählung mußte ich auch grinsen. GENAU SO war es. Pikes, Docs oder Springer! Nichts anderes war „erlaubt“.
Ähnlich mit den Haaren! Side- oder Undercut waren Pflicht. Ohne sah Scheisse aus. Schnauzer oder Bart ging gar nicht. Ich füge hier noch die Brille hinzu. Brillen-Gruftis gingen auch gar nicht. Die zerstörten ja völlig das Gesamtbild. :-)
Ebenfalls das Mobbing kann ich so bestätigen. Wenn Blicke töten könnten…. wären früher viele Leute der Reihe nach umgefallen.
Ich frage mich bis heute, wer die „Regeln“ damals festgelegt hat.
DANKE für die tollen Erinnerungen!
“ Seit wir so immens auf Wohnungssuche sind ist uns aufgefallen, die Vorurteile gegen dunkel gekleidete im sanften Sakko und schwarzem Seidenhemd sind immer noch erheblich. Obschon dezent gekleidet, sofort erkannt. “und ihr seid mehr so Gruftis”. Hmmm … Wohnungssuche in Schwarz ist immer noch schwierig.“ Kann ich so aus jüngster Vergangenheit vom Land nicht bestätigen. Im Gegenteil. Was wären wir nervörs, aaaber..Da sind aber auch die Vorbedingungen anders. Wir waren schon gut zu erkennen… jedoch…. Erstmal gibt’s ne Rose, einen freundlichen Händedruck und den Blick in die letzte Abrechnung…. nur Bares ist wahres. Es gab gemeinsame Klassenlehrer, grade gemeinsame Projekte (Garten Verwandtschaft), die eigene ehemalige Kindergärtnerin wohnt schon mit im Haus… ja sowas. Dazu kommt dann das beide Mieter voll und fest arbeiten… bei bekannten Arbeitgebern. Dazu sagt man dann als Mieter auch schnell „Ja, nehmen wir, meldet euch bei uns“… und eiert nicht herum. Und schon bekommt man ne schicke Neubauwohnung in guter Lage inerhalb von 2 Tagen…. und ne Einladung zum Konzert der Tochter noch dazu. Der Grufti hört ja nicht nur Grufteligkeiten, sondern gern auch mal Klassik. Kurz: Ich sehe da eher die Anonymität und evtl die Mietkosten in Bezug zum Einkommen und die oft höhere Nachfrage bei günstigeren Wohnungen/ oder generell die höhere Nachfrage in bestimmten Bereichen (Ort,Lage,Preis) als Problem an. Außerdem muss man sich auch als Grufti zu verkaufen wissen…. wie jeder andere auch. Auch mit den Nachbarn gibt’s kein Problem im Haus…. wenn man sich um gute Hausgemeinschaft bemüht, und auch mal behilflich ist. Prinzipiell denke ich, Gruftis müssen eigentlich ganz ordentliche Mieter sein…. oft leben „die“ ja recht spießig und ruhig in ihren 4Wänden. Ich komme immer wieder zu dem Schluss: Älter ist besser als jünger und 2019 besser als 2009. Leider? Zum Glück!
Düsseldorf – Schmiede deutscher Elektronenmusik. Krupps kennt man natürlich. Kamen die nicht aus Bilk? Etwas schade finde ich, dass es kaum zu Kooperationen zwischen den Musikern kam. Da kochte irgendwie jeder sein eigenes Süppchen. Jürgen Engler kannte natürlich auch Tommi Stumpff. Und die kannten wiederum Musiker der neueren Garde, wie TILT!. Aber eine richtige Szene, wie man sie von einer Techno-Stadt erwarten würde („Techno“ im Originalverständnis), gab es eigentlich nicht.
An die Kloppereien zwischen den Jugenszenen kann ich mich auch noch gut erinnern. Viele können sich das heute gar nicht vorstellen. In den richtigen Asphaltkulturen (zu denen ich die Grufties nicht zähle, aber eben die Punks und Skins) gab es auch schon mal Gekloppe mit Todesfolge. Manche starben auch unter „mysteriösen“ Umständen (sprich: es gab kein wirkliches Interesse an einer Aufklärung).
Btw: Wohnungssuche entpuppt sich nahezu für alle als Herausforderung. Ganz egal, ob Normalo, Grufti, Deutscher, Türke usw. Hauptkriterium ist erfahrungsgemäß das Einkommen. Ist das in den Augen der Vermieter zu niedrig (selbst wenn man davon die Miete zahlen kann), dann wird man aus der Liste schon entsorgt.
Was für wunderbare Einblicke in die Ruhrpott-Szene der 80er, toll ergänzt durch die Kommentare. Ich mag deinen Schreibstil sehr, ich blieb an einigen Stellen eine Weile hängen. Ja, robust genug musste man sein, mit einem mimosenhaften Gehabe, wie ich es bei manchen heute wahrnehme, wäre man damals nicht weit gekommen. Ich bin gerade auch 48, in den 80ern war ich erst in Ost-Berlin, dann in Skopje im ehemaligen Jugoslawien, seit den 90ern bin ich in und um Frankfurt am Main. Am meisten erinnert mich der Beitrag an die Zeit in Skopje in den späten 80ern. Ich war nicht die Robusteste, aber bereits zerschmettert genug und aus heutiger Sicht erstaunlich zäh, so dass ich trotz meiner Grundmelancholie angstlos und umtriebig war. Ich kam durch einige Freunde in einige Szeneorte, in die sich unterschiedlichste Gestalten versammelten. „Außenseitertum schweißt irgendwann zusammen.“ Gruftis und Punks hatten eine ziemlich unterschiedliche Form von Abgrenzung und Rebellion, doch meist gab’s Einverständnisse, manchmal auch eine Art Komplizenschaft. Die Kneipen und Clubs wurden von verschiedensten Außenseitern besucht, die sich dort hingezogen fühlten. Anmachen und Kloppe gab es eher mal von Konformisten. Manchmal kamen ältere Hippies, und in den Kneipen lief auch zwischendurch Hendrix. Warum nicht? Ein waschechtes Hippie-Paar war sehr gesprächig, frech und humorvoll. Die beiden hatten wenige ihrer Weggefährten übrig. Mir grauste es damals schon vor diesem Schrumpfen der Wahlverwandtschaft. Mal gesellte sich ein ersichtlich geplagter Mann zu uns, und während er sein Leid in Alkohol tränkte, erzählte er uns davon. Er war gerade aus dem Knast rausgekommen, wo er mehrere Jahre wegen einigen Aussagen gegen Tito sitzen musste. Er bedauerte unter Tränen, seinen Sohn so lange nicht richtig gesehen zu haben und ihm nun nichts für seine Zukunft bieten konnte. Er war davor ehrgeiziger Boxer, doch seine Karriere war kaputt, weil er die Kommunisten als Diebe bezeichnet hatte. Wahrscheinlich hat er die Enteignungen nach dem Zweiten Weltkrieg gemeint. Kurz vor dem Zerfall Jugoslawiens wurden andere ähnliche Fälle bekannt. Auch wenn der Staat davor als einer der Begründer der Blockfreien Bewegung war und die Bevölkerung dort mehr Freiheiten hatte als in den Ostblockländern, herrschte zu dem Zeitpunkt eine düstere Stimmung. Aus der Vergangenheit tauchten desillusionierende Tatsachen auf, die Zukunft erschien auf eine furchterregende Art ungewiss. Der Zerfall Jugoslawiens brachte erst Flüchtlinge aus der Geisterstadt Vukovar. Einer von denen kam in unseren Freundeskreis. Die drohende Ausbreitung des Krieges rüttelte an den Menschen, viele konnten den Spannungszustand nicht lange ertragen. Manche flohen aus dem Land, manche flüchteten in Arbeit, Kunst oder dröhnten sich zu. Manche überlebten das nicht. Das ist der größte Verlust. Die anderen Dinge kann ich vermissen oder nicht. Was ich nicht vermisse sind die Zustände der Klos und die vollverqualmten Räume (auch wenn ich zwischendurch selber geraucht habe). Den Kassettentausch gab es auch dort, dazu das Abschreiben der Songtexte, wenn man nicht an einen Kopierer kam. Für Freunde hat man es besonders liebevoll gemacht. Diese Zettel habe ich noch, von den selbstgenähten Fummeln aus der Zeit nur noch wenige.
Doch zurück zu den Überlebenden aus verschiedenen Ruinenlandschafen. Es tut gut, einige von euch über eure Texte oder persönlich kennenzulernen. Ich will auch mal von meinem anderen Bezug zum Beton in meiner Heimatstadt schreiben. Notizen habe ich schon …
Ganz, ganz toll, Hagen! Wie schön du einem die Illusion er sagenumwobenen 80er nehmen und doch gleich noch etwas geben kannst!
Ich glaube, die sind in jeder Subkultur gleich. Du musst dich als zugehörig erweisen, sonst bist du ein Poser. Diese Abgrenzung gehört ein stückweit mit dazu und hält eine Subkultur am Leben. Mobbing ist trotzdem fehl am Platz.
Ich wage übrigens auch zu bezweifeln, dass man es als Grufti bei der Wohnungssuche schwerer hat als andere (Migranten, Alleinerziehende, Familien mit kleinen Kindern etc.). Vielerorts ist (guter) Wohnraum hart umkämpft,am Ende entscheidet die Sympathie, oder der Gehaltszettel…
Ach ja… schon allein wegen meiner Psyche bin ich froh nicht in den Achtizgern groß geworden zu sein. Andererseits macht der Bericht (ich schließe mich meinen Vorrednern an toll geschrieben Hagen) neugierig.
Was deine Frage angeht Robert heute haben Jugendliche und junge Erwachsene andere Probleme und die Umwelt droht für uns und aktuelle Spezies den Bach runter zugehen. Was die Jobs angeht.. manchmal habe ich den Eindruck wie auch bei vielem anderen auch, dass die imense Auswahl da vieles erschwert. So viele Möglichkeiten.. Wie da nicht mal erstarren? (Während die teilweise gesellschaftlich gelebte Heteronormativität doch ziemlich beschränkend wirken kann).
Andererseits wird heute vieles was wohl damals nur belächelt worden wäre ernster genommen und langsam mehr akzeptiert. Psychische Erkrankungen zum Beispiel und die Musik von damals kann man ja trotzdem hören :).
Kathi : Ja, das stimmt. Heute haben die Jugendlichen soviele Möglichkeiten und Freiheit, dass sich nicht wissen, was sie wollen. Die zugestande Entscheidungsfreiheit ist nicht immer ein Segen, wie mir scheint, zumindestens erscheint mir mein Lebensweg rückblickend leichter „Junge, du machst eine Lehre!“, aber auch eingeengter (Hätte ich doch mal studiert). Ich glaube, besser und schlechter gab es nicht und gibt es nicht, die Herausforderungen an Eltern und Schulen sind nur größer geworden, denn anstatt den Jugendlichen Stoff zu vermitteln, den sie nicht brauchen, wäre es doch viel wichtiger die Fähigkeit zu vermitteln, für sich zu entscheiden und mögliche Pfade im Dschungel aufzuzeigen, oder?
Bei mir regt sich heftigster Widerspruch – Nein, Nein und nochmals Nein! Die 80er waren DAS geilste Jahrzehnt ever. Sowas gibt es nie wieder. Oder habt ihr sie schon vergessen, die schaurigen 70er Jahre mit kirchlichen Diskoveranstaltungen in miefigen, abgedunkelten Kellerbuden, mit langen fettigen Haaren, allgemeiner mangelnder Körperpflege, Schlaghosen, statisch knisternden Polyesterklamotten in braun und orange, psychedelischen Prilblumen, Krautrock und Diskowelle? 😁 Dagegen waren die 80er eine Offenbarung. Ach was red ich – eine Erlösung, nein, ein überfälliger Exorzismus, eine Renaissance der Ästhetik waren sie! Während ich diese gewagte These aufstelle, höre ich über Kopfhörer „Als wär’s das letzte mal“ von D.A.F. Da versteht man die 80er wieder…