Ein unter Kennern jetzt schon legendäres Video des Senders RTL zeigt den 1994 1996 noch blutjungen Grufti Kämpfer, der damals mit Mutti gemütlich bei Kaffee und Gebäck am Tisch der elterlichen Wohnung sitzt und mit ihr über die Szene plaudert. Viele kennen Kämpfer schon damals als Besitzer des Kölner Szene-Laden „Art of Dark“, der jüngst sein 25-jähriges Bestehen feierte. Doch der umtriebige Kölner ist schon damals nicht nur Shop-Betreiber, sondern auch als Zeichner von Comics und darüber hinaus längst eine Institution in der Kölner Szene.
Weil mir dann aufgefallen ist, das ich das Video noch gar nicht hier im Blog gezeigt hatte und ich furchtbar neugierig war, wie es überhaupt dazu gekommen ist, habe ich Kämpfer ein paar Fragen geschickt, die ein wenig Licht ins Dunkel bringen sollen. Doch zunächst der Videobeitrag:
Spontis: Kämpfer, wie kam es eigentlich zu dem Beitrag für die Sendung RTL-Explosiv?
Kämpfer: Mein damaliger Kompagnon Eddy traf auf einen Redakteur, der für RTL arbeitete und da es Sommer war fragte er diesen, ob RTL nicht noch etwas fürs sogenannte „Sommerloch“ bräuchte. Eddy hatte sich zu dieser Zeit nämlich als Künstler versucht und zu Hause einige Skulpturen stehen, die er der breiten Masse gerne vorstellen wollte.
Interessiert kam der Redakteur mit dem Team also in sein Haus-Atelier um sich diese Dinge anzuschauen, man machte Aufnahmen, fragte ihn aus und auch ganz nebenbei, ob man von der Kunst leben könne. Als daraufhin Eddy sagte, er würde noch in einem Grufti-Laden arbeiten, horchten die RTL – Mannen auf und man kam auf die Idee, beides zu verbinden. Also einen Bericht über seine Kunst und den Gothic-Shop.
So traf man sich also im ART OF DARK und während wir da so alle standen, quatschten und gefilmt wurde, kam meine Mutter vorbei (die in der Nähe arbeitete und somit gerne mal „Tach“ sagte). Völlig fasziniert, dass Eltern augenscheinlich keine Probleme mit ihrem Grufti-Kind haben, überredete der Reporter meine Mutter und mich, für ein „paar Fragen“ interviewt zu werden. Natürlich vor Kulisse der elterlichen Wohnung, wahrscheinlich um den Gegensatz Grufti-Laden und typische Elternwohnung zu verdeutlichen.
So traf man sich an einem der Folgetage auf dem Dorfe, in dem meine Mutter wohnte. Es wurden letztendlich ein paar mehr Fragen und man filmte auch, wie wir spazieren waren und eben diese seltsame Szene am Esstisch (während eine gute Freundin, die stets im Hintergrund blieb, sich schlapp lachte, woraufhin ich auch des öfteren leichte Lachanfälle überspielen musste).
Am Tag der Ausstrahlung saßen Eddy, meine Wenigkeit und die besagte Freundin dann gespannt vor dem Fernsehgerät. Und waren völlig verwundert, was der Privatsender da mit all den Aufnahmen angestellt hatte.
Die Kunst von Eddy wurde kein Stück erwähnt, seine Enttäuschung ihm entsprechend anzusehen – und schwer berechtigt, hatte er doch das Ding überhaupt erst ins Rollen gebracht. Vom ART OF DARK wurden ein paar kurze Szenen gezeigt, aber in der Hauptsache hatte man sich auf meine Mutter und ihren Grufti-Sohn konzentriert und daraus eine Story gebastelt.
So war das damals. Im Nachhinein irgendwie lustig, damals schworen wir, niemals mehr bei so einem Kram für diesen Sender mitzumachen.
Spontis: Wie hat sich die Szene für Dich und Dein Laden in der Zwischenzeit geändert?
Kämpfer: Nun, 1994 starteten wir in einer Garage, die wir zu einem kleinen Shop „ausgebaut“ hatten. Es gab so ziemlich kein Internet, die meisten Szenegänger waren reisefreudiger, und so pilgerten viele Schwarze in die kleine Seitenstraße, die Siebachstraße. Eddy hatte zu der Zeit einen Zooladen, die Garage gehörte dazu und war auf der gegenüberliegenden Straßenseite. So saß ich dann bei ihm rum, half aus, und immer wenn ein Grufti angeschlendert kam und Ausschau nach dem Szeneshop hielt, sprang ich auf um ihn ran zuwinken, das Garagentor aufzumachen und ihm zu zeigen, das hier der ART OF DARK sei.
Ich glaube, das wäre heute schwieriger, denn die Leute aus der Szene erwarten doch ein Geschäft, einen Internetauftritt und all sowas. Damals reichte es aus, auf Parties Flyer zu verteilen oder im Copyshop schwarz-weiß-Kopien zu machen – für den ersten Katalog. Darin – und im Garagenladen – fand man sowohl Artikel, die maschinell hergestellt wurden, als auch Dinge, die die kreativen Szenegänger selbst bastelten oder schneiderten. So gab es in dem Sortiment eigens entworfene T-Shirts, geschnitzte Sarg-Taschenuhren, Schneekugeln mit Friedhofsmotiv oder Zahnputzbecher mit angeklebten Fledermäusen… die Phantasie der Gruftis war riesig – und die Nachfrage da. Nebenbei rasierte man der Kundschaft auch mal den Iro.
Das Ganze ist nun 25 Jahre her und der Erfolg, bzw. warum das Alles so lange funktioniert hat, liegt sicher in erster Linie an der treuen Kundschaft, dem Spaß, den man zusammen hat, und dass es wohl auch ein Sortiment gibt, das nicht langweilig wird und nicht an jeder Ecke zu finden ist – wie zum Beispiel auch nach wie vor immer noch das selbstgemachte cooles Zeug dieser kreativen Subkultur.
Ich danke Kämpfer für das Interview!
Seit 25 Jahren ein Kämpfer für die Subkultur
Leidenschaft, Aufopferung und Kreativität zeichnen Kämpfer für mich aus und lassen ihn neben dem erdrückenden Internet-Versandhandel mit seinem Laden ART OF DARK zu überleben. Der Mann aus Köln macht seinem Namen alle Ehre und hat es geschafft, sich die subkulturelle Blase, die er vor mehr als 25 Jahren betreten hat, zu erhalten. Kämpfer organisiert, Kämpfer legt auf, Kämpfer verkauft, Kämpfer zeichnet. Und ganz wichtig: Er nimmt alles mit Humor, denn den besitzt er auch außerhalb seiner lustigen Comics.
Der Laden am Rathenauplatz 4 in Köln ist immer noch ein Anlaufpunkt für Szenegänger aus der Metropole am Rhein, denen es nicht reicht, sich durch die Kataloge zu wischen, sondern für des auch wichtig ist, Dinge anzufassen und mit anderen Gruftis in Kontakt zu treten.
Man mag mich eines Besseren belehren, aber das kann nicht ’94 gewesen sein, wenn Brian Warner darin herumspringt und von „Beautiful People“ singt. Art of Dark in seiner im Video gezeigten Form lässt sich eher auf die Spät-’90er datieren, also zur Zeit von Teufelsküche usw..Das passt in die Zeit des Bremer Schülerprojekts. Es ist natürlich möglich, dass die gezeigten Sequenzen aus unterschiedlichen Jahrgängen stammen und später zusammengeschnitten wurden.
Ich überlege gerade, wo mir diese Comics begegnet sind. Ich kann sie erinnerungsgemäß nur mit der Zeitschrift ENTRY in Verbindung bringen (wobei es in der Gothic Press/Electronic Disease auch Comics gab. Ich hab da momentan keine Einsicht, da kartonweise archiviert).
Kämpfer sah damals aus wie Monaco X. Aber das dürfte er sicher schon öfters gehört haben.
Auseklis Stimmt, das muss ’96 gewesen sein, zumindest kam da das Lied raus.
Musste gerade an die saukomische Folge vom perfekten Dinner denken, bei der Kämpfer auch mitgemacht hatte, wenn ich mich recht erinnere. Finde allerdings den Clip auf YT nicht mehr.
Ich denke, das war noch etwas später als ’96. Etwa zu der Zeit, als diese ganzen Shops explodierten und expandierten (Teufelsküche, Elfenhain, Hexenkessel, Dragon Cave usw.).
Ich erinnere mich da auch noch schwach an einige seltsame Kurzvideos. Kann die aber auch nicht mehr genau zuordnen. Was man nicht mehr im Kopf hat, hat man irgendwo archiviert. Das könnten auch „Art of Dark“-Werbespots im Comedy-Format gewesen sein.
In einem war Kämpfer (???) wohl gerade mit Schminken & Styling beschäftigt und schüttete sich, nachdem er durch ein Missgeschick auf dem Fußboden lag, beim Aufstehen aus Versehen ’ne Schale Puder oder Mehl über das Gesicht. Warum aufwendig, wenn’s auch schnell gehen kann.
Zwei Zitate ziehe ich mal für mich raus, unterschreibe die mal: „Ich weiß auch nicht warum denen (oder mir) das so gut gefällt. Ein bisschen makaberer Geschmack vielleicht. “ (Mama K.) „Dann hätte ich ja auch unseren Hund nehmen können“ (K. (zum Katzen schlachten)) Das Friedhof Zitat ist auch nett, ich trinke aber keinen Wein. Ansonsten, früher war wohl alles niedlicher und lustiger, auch RTLs Sommerlöcher. P.S. Schlimm das ob Loch und Ring oder Frisur, irgendwann kommt’s in der Masse bei den Normalos als neue Mode an… du trägst ja die Haare wie…. nein, tu ich nich… ich trag die länger ;)
Vielen Dank für Eure zahlreichen Hinweise, was das Datum des Videos angeht! Da ich leider kein Musikkenner bin, habe ich mich zunächst auf das ausgezeichnete Datum der Quelle verlassen und nachdem Kämpfer bei unserem Schriftwechsel auch nicht bestritten hat, das es 1994 gewesen ist, erschien mir das Datum plausibel. Aufgrund Eurer Intervention bin ich der Sache nachgegangen und habe Kämpfer direkt darauf angesprochen. Er ist sich nun „ziemlich“ sicher, dass es 1996 gewesen sein muss. Ich habe das Datum entsprechend korrigiert.
Wiener Blut : Ich muss gestehen, machmal vermisse ich derartige Sendungen, die die privaten Sender erst zu dem gemacht haben was sie sind. „Der heiße Stuhl“, „Einspruch“ oder auch „Explosiv“ brachte damals tatsächlich viele Dinge ins Fernsehen, die von anderen Sender eher verkopft, analytisch oder auch gar nicht dargestellt wurden. Legendär, als Rio Reiser mit der Band Störkraft 1992 diskutierte.