1984: The Cure – Rabenschwarz und total verrückt

Die Entwicklung einer Szene spiegelt sich auch immer in der szenetypischen Musik wieder. Magazine schreiben erst über die Bands und interessieren sich dann für den Stil, den die Musiker ihren Fans vorleben und der von diesen häufig kopiert wird. Mit ihrem 1984 erschienen Album „The Top“ widmet sich auch wieder eine große deutsche Jugendzeitschrift der Band The Cure und deckt schonungslos Fakten auf, die uns auch heute noch schockieren.  Außerdem ist dieser Bericht auch die Einleitung einer kleinen Artikelserie zur Band The Cure und über die Fans und ihr Lebensgefühl, dem wir uns in einem der nächsten Artikel widmen. Den Text dieses Artikel muss man sich aber auf der Zuge zergehen lassen:

Die Truppe auf der Bühne wirkt wie eine Trauerversammlung. Diverse bunte Schleifchen in Robert Smith‘ (25, Gesang, Gitarre) kreuz und quer toupierten Schopf sind der einzige Farbtupfer im Rabenschwarzen Bild von The Cure. Rosenkränze, die die Jungs tragen und ein dickes Priesterkreuz um Boss Roberts Hals sollen den Fans wohl Ernst und Feierlichkeit eines Cure-Gigs klarmachen.

Die scheren sich allerdings wenig um die andächtig-gesammelte Stimmung, mit der die Band zu Werke geht. Die schwarzen Cure-Vögel unterdrücken mit äußerster Selbstbeherrschung jede Regung und Bewegung, während sie ihren Schnellfeuer-Rhythmus und ihre glasklaren psychedelischen Töne aus ihren Instrumenten zaubern.“

The Cure 1984Wie besessen und ohne Rücksicht auf fremde Füße machen die harten Mädchen und Jungs im Publikum ihrer Begeisterung in wilden Spring- und Trampeltänzen Luft. Echt heiß wird’s bei Sachen aus den alten Hardcore-Zeiten von The Cure vor vier oder fünf Jahren. Bierfontänen aus herzhaft geschüttelten Dosen spritzen bei ‚Fire in Cairo‘ durch die Gegend, und leere Becher hageln in Richtung Bühne. Doch Sänger Robert bleibt völlig cool, Fan-Rufe nach dem neuen Hit ‚Love Cats‘ beantwortet er abschlägig – ‚oh, nein, immer dasselbe. Ich habe den Song vergessen. Wir spielen keine Hits…‘

Robert war immer schon ein sehr eigenwilliger Patron. Mit 15 weigerte er sich hartnäckig, trotz guten Zuredens seines jetzigen Cure-Partners Laurence Tolhurst (25, Tasten), anders als in Frauenkleidern in der Schule seines Heimatortes Kewley zu erscheinen. Prompt flog er raus. Nach einem Jahr Rumhängen gründete er zusammen mit Laurence The Cure als chaotische Freistil-Band, die hauptsächlich mit aus dem Schulfundus ‚geliehenen‘ Instrumenten spielte. Robert und Laurence, die beiden Unzertrennlichen, bilden heute den harten Kern von Cure. Laurence ist der zuverlässige und nüchterne, Robert der genial-verrückte Teil des Gespanns.

Seine Songs denkt er sich meist bei einem Fußbad in Milch aus. Dieses Geheimrezept hat sich bewährt. Denn neuerdings schreibt Robert Tanzheuler statt Punk-Orgien und landete damit prompt in den Hitlisten. Die übrigen Cure-Musiker Paul Thompson (26, Tasten, Gitarre), Norman Fisher-Jones (23, Bass) und Clifford ‚Andy‘ Anderson (25, Schlagzeug) holten sich Robert und Laurence für die LP-Aufnahmen und für die Live-Gigs.“

Fazit: Ein ganz furchtbarer Bericht der voller Polemik in all die Furchen schlägt, die den Cure-Fan aufregen und die den Cure-Gegner bestätigen. Alte Hardcore Zeiten? Stellt sich die Frage wie Hardcore hier definiert wird. Das Stück Fire in Kairo ist sicherlich ein sehr frühes Werk, aber von Hardcore sicherlich noch Meilen entfernt. Die neue poppige Schiene die hier mit dem Stück Lovecats in Verbindung gebracht wird, ist sicherlich nicht das Beste der Stücke, markiert aber auch einen wichtigen Meilenstein der Entwicklung. Die erste Band in der die Beiden spielten nannte sich übrigens noch gar nicht The Cure sondern Malice, von der Schule flog er nicht wegen den Frauenkleidern sondern weil er mit eben diese Band die Aula der Schule vewüstete 1 und ob sich Smith tatsächlich die Songs beim Fußbad in Milch ausdenkt schürt wohl eher die Phantasien der Fans und ist nicht wirklich belegbar. Aber was soll’s. Schließlich ist es genau das, was den Artikel heute so amüsant macht.

Einzelnachweise

  1. Quelle: Aus einem Interview mit Robert Smith mit der Zeitschrift Visions, Ausgabe 105[]
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Atanua
Atanua (@guest_4111)
Vor 15 Jahre

Muahaha, furchtbar. Furchtbar amüsant XD
Mir fällt auf, mir gefällt die Farbgestalung der Magazine von damals viel besser. Ich glaub ich häng mir den Artikel in die Küche, kann ich dann immer lesen wenn ich mich aufmuntern muss *g*

Freue mich auf die nächsten Artikel.

LG

funkygog
funkygog (@guest_4116)
Vor 15 Jahre

Mir fiel auch spontan die Gestaltung auf. Hat so einen Schülerzeitung Charme. Gefällt mir.
Damals hat man noch mit Schere gearbeitet und nicht „gephotoshopt“
Die Anekdote mit Milch-Fußbad hat was.
Meine Lieblingszeile ist:
„Denn neuerdings schreibt Robert Tanzheuler statt Punk-Orgien“

von Karnstein
von Karnstein(@karnstein)
Vor 15 Jahre

Schockierende Details, die ich hier von meinem persönliche Melancholie-Gott erfahren muss :D
Viel schockierender finde ich es aber, dass die Bravo es scheinbar schon immer geschafft hat, derart mit leeren Worthülsen um sich zu schmeißen, dass die Aussage letztlich gleich null ist und man zu einem Event auch fünf Artikel hätte schreiben können … oder wahlweise fünf Events mit den gleichen pauschalen Worten glattbügeln…

Tses… ich glaube ich mache mir jetzt mal einen brutalen alten Hardcore-Punk-Klassiker an … „A Forest“ oder „One Hundred Years“ oder sowas :)

von Karnstein
von Karnstein(@karnstein)
Vor 15 Jahre

Pah, das kann ich toppen… nicht nur alter Cure-Hardcore, sondern auch noch „rassistisch“ :D
http://www.youtube.com/watch?v=SQ4m5u016Mo

Tanzfledermaus
Tanzfledermaus(@caroele74)
Vor 9 Jahre

Grins, ich frage mich gerade, warum Füße-in-Milch-Baden nicht nach diesem Artikel zum schwarzen Lifestyle-Tip Nr. 1 mutiert ist?

Nachdem ich mir jetzt einen ganzen Batzen alter Szene- und Cure-Artikel hier „reingezogen“ habe, muss ich doch glatt mal gucken, wo meine alte Cure-Biografie auf Englisch geblieben ist. Die hab ich 1990 nach langem Überlegen erstanden, da ich ganz furchtbar schlecht in Englisch war. In mühsamster Arbeit und mit einem Englisch-Deutsch-Wörterbuch bewaffnet hab ich dann in mehreren Tagen alles übersetzt und auf Schreibmaschine abgetippt. Die Übersetzung hab ich hier sogar noch rumliegen, nur das Buch dazu müsste ich mal suchen. Da stand auch drin, wie sich Robert und Lol kennen lernten und das alles seinen Lauf nahm. Die deutsche Cure-Biografie von damals war dagegen recht oberflächlich, dünner und mit weniger alten Bildern.

Nachtrag: ich hab beide Bücher gefunden.
das englische heißt „The Cure – ten imaginary years“ vom Fiction Verlag, ISBN 0-946391-87-4, erschienen 1988
das deutsche ist „The Cure – Biographie“ vom Moewig Verlag, ISBN 3-8118-3034-1, ebenfalls von 1988

Krass, ich sehe gerade, bei Amazon wollen die für die englische Ausgabe (in neu) tatsächlich 100 Euro haben :-o Billig war sie schon damals nicht, aber das ist ja definitiv Wucher!

Tanzfledermaus
Tanzfledermaus(@caroele74)
Vor 9 Jahre

Das hier ist ja noch viel absurder – ist da beim Preis ein Komma verrutscht? Fast 1000 Euro für eine Cure-Biografie???
https://www.amazon.de/Cure-Imaginary-Sutherland-1-Dec-1987-Paperback/dp/B013ILQBXW/ref=sr_1_sc_1?s=books&ie=UTF8&qid=1443011285&sr=1-1-spell&keywords=cure+ten+imaginatry+years

Wenn man die ISBN eingibt, bekommt man das Buch gebraucht aber schon für unter 30 Euro, neu für 100 Euro – immer noch viel, aber kein Vergleich zu oben!

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