In den letzten Jahren streben wir mit immer größerem Aufwand nach Individualisierung. Die Messlatte, um äußerlich herauszustechen, wurden seit den 80er immer höher gelegt. Wie im Video von 1983 zu sehen ist, reichten fransige und bunte Haare und eine verzierte Lederjacke aus, um sich äußerlich abzuheben, zusammen mit entsprechendem Verhalten wurde daraus ein Außenseiter-Image, das die Gesellschaft der 80er als abstoßend empfunden hat. Heute ist es ungleich schwerer geworden, sich abzugrenzen.
Ich bin nicht der Freund von der Behauptung „Damals war alles besser“, aber die Tatsache, damals mit minimalem Aufwand, einem leicht abseitigen Geschmack und einem Hauch von Verhaltensänderung eine totale Abgrenzung vom Rest der Gesellschaft zu erreichen war schon toll. Abgrenzung funktioniert 2023 nicht mehr so einfach.
Abgrenzung in 40 Jahren
Das Video ist nun 40 Jahre alt geworden und in der Zwischenzeit haben wir uns immer wieder neu individualisiert, weil äußere Abgrenzungsmerkmale immer weiter in die breite Masse sickern. Ausrasierte Haare, schwarze Klamotten und ein paar Piercings sind heute nicht nur gesellschaftsfähig, sondern auch beruflich überhaupt nicht unüblich. Heute muss man schwere Geschütze auffahren, um argwöhnische Blicke zu ernten oder im vorbeigehen verstörte Passanten zurückzulassen.
Was bringt die Zukunft? Ist Biederkeit die neue ästhetische Revolution? Ist uniformes Auftreten eine Form der Provokation? Ist man heute schon anders, wenn man ohne Tätowierungen und Piercings herumläuft? Ist möglicherweise der Style „normaler“ Menschen, wie sie beispielsweise 1983 herumgelaufen sind, eine neue Abgrenzung?
Ich finde das ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist vielleicht mehr Aufwand und ein „extremerer“ Look notwendig, um sich von der Masse der Menschen um einen herum abzugrenzen; andererseits bedeutet dies aber auch, dass die gesellschaftliche Akzeptanz für individuelleres Styling gestiegen ist (oder zu sein scheint – es gibt sicher auch noch gegenteilige Erfahrungen). Für mich persönlich ist das mehr Segen als Fluch: Ich war in den 80ern noch ein Baby, kleide mich aber seit vielen Jahren eher exzentrische (nicht 100% Gothic, aber durchaus dunkel und eigenwillig). Ich tue dies nicht, ob mich abzugrenzen oder zu schockieren, sondern weil ich es schön finde und mein persönlicher Sinn für Ästhetik von verschiedenen Subkulturen aber auch Modedesignern geprägt wurde. Wenn ich mich so stylen kann, dass ich für mein eigenes Empfinden cool aussehe, ohne dass andere Menschen sich daran aufhängen, fühle ich mich wesentlich wohler. Auf der anderen Seite kann man argumentieren, dass dadurch Style als ein Protest gegen die Mainstream-Gesellschaft zahnloser wird, aber da gibt es m.E. tiefgründigere Protest-Formen, die immer noch genauso viel Impact haben können, wie ja diverse Klima-Proteste zeigen.
(Gerade habe ich noch gedacht: „Ich freue mich auf den Tag, an dem ich in Lederhose auf die Arbeit gehen kann“, aber vielleicht ist es auch ganz gut, dass bestimmte Kleidung eindeutig mit Freizeit und „Jetzt muss ich nicht mehr professionell sein“ verknüpft ist. Irgendwie ist das ein Thema mit viel Für und Wider…)
Genauso geht es mir, dieses Vorverurteilen und Schubladendenken aufgrund eines nicht gerade konventionellen Looks hab ich immer gehasst. Weil es meist keine positiven Ansichten waren/sind. Also keine Anerkennung, sondern Herabwürdigung, man gilt oft als Exot, Spinner, schräg, nicht vorzeigbar. Dabei muss ein ungewöhnliches oder extremes Äußere ja überhaupt nicht bedeuten, dass jemand durchgeknallt, krass drauf oder „asi“ ist. Aber leider wird bzw. wurde das häufig automatisch angenommen. Und dann geriet man erstmal in Zugzwang, zu beweisen/zeigen, dass man im Grunde genommen normal ist. Das ist anstrengend und lästig. Ich möchte mich nicht für meinen Mode-/Musikgeschmack rechtfertigen müssen, weil manche der Meinung sind, dass dies nicht normal oder konventionell wäre. Ich möchte akzeptiert und gewertschätzt werden unabhängig von meinem Äußeren. Wie du bist und sich verhältst, spielt doch viel mehr eine Rolle im Umgang miteinander als wie du aussiehst… Doch leider beurteilen viele einen erstmal nach dem Äußeren. Wie oberflächlich. Aber es ist ja auch z.B. so, dass als attraktv geltende Menschen es oft leichter haben im Leben, z.B. bei der Jobsuche. Da muss man nicht mal exentrisch aussehen, es reicht schon, im allgemeinen Ideal als hässlich zu gelten, und schon werden einem weniger Sympathien entgegen gebracht als „hübschen“ Menschen….
Das sehe ich interessanterweise nicht so, hängt aber vielleicht auch von der Region ab. Berlin-Mitte mag da sicherlich anders sein als die bayerische Kleinstadt in der ich lebe, aber z.B. auch tagsüber in der Münchner-Innenstadt falle ich im 80er-Grufti-Look (nach einer durchgefeierten Nacht und Auswärts-Übernachtung) krass auf, wsl. nicht weniger (vielleicht sogar mehr?) als ich das in den 80ern getan hätte (wo man Pikes und toupierte Haare einfach öfters gesehen hat als heute).
Wie gesagt, das mag in Berlin-Mitte, London oder New York (oder auf Instagram ;) ) aber anders sein, ich kann nur meine persönlichen Erfahrungen aus dem Alltag schildern (wobei ich nicht wirklich so rumlaufe um unbedingt aufzufallen sondern weil ich halt genau so rumlaufen will/es mir gefällt – Dass Stinos einen dann eher in Ruhe lassen ist halt ein angenehmer Nebeneffekt 8) ).
Als Jugendliche, gab es eine kurze Phase in der Provokation durchaus eine Rolle gespielt hat, aber das hat sich schnell geändert. Diskriminierung ist ein echtes Problem, und ich denke das es niemand absichtlich erleben möchte.
Wie Tanzfledermaus auch schreibt, es ist nicht mal nur der Kleidungsstil, auch das physische Antlitz kann zu Diskriminierung führen, dafür gibt es übrigens einen Begriff: Lookismus bzw. Lookism. Echt traurig. Ich kann die Protagonistin im Video, die sagt, das sie mit ihrem Look, die oberflächlichen Menschen aussortieren möchte, durchaus gut verstehen. Finde sie insgesamt sehr reflektiert in ihren Aussagen.(Gab es das Video nicht schon mal hier bei Spontis?)
Menschen die so aussehen wie die Punks in dem Video, erfahren übrigens auch heute noch genügend Aufmerksamkeit und Ausgrenzung. Also wer auffallen und sich abgrenzen will, schafft dies auch heute noch mit Leichtigkeit. So tolerant und offen ist unsere Gesellschaft nämlich gar nicht. Von anderen Ländern ganz zu schweigen, da ist ja schon ein fehlendes Kopftuch lebensgefährlich!!!
Bestimmte Dinge sind zwar hier bei uns durchaus gesellschaftsfähig geworden, aber es ist trotzdem noch ein Unterschied ob man ein paar Piercings hat, und sonst der üblichen Mode nach gekleidet ist, oder eben kompletten Szene Look trägt. Als Erkennungsmerkmal untereinander funktioniert es auch noch fabelhaft.
Und selbst mit einem schlichten all Black Look, grenzt man sich nach wie vor ab, wie ich finde, ob nun freiwillig oder nicht. Ich sehe wirklich selten Menschen die komplett in schwarz gekleidet sind, also so ganz und gar in schwarz, all day, every day.
Ich kann mich Grey Noise und Tanzfledermaus nur anschließen, ich möchte einfach nur ich selbst sein. Tragen was mir gefällt und worin ich mich wohl fühle, ohne Nachteile befürchten zu müssen.
Wenn sich jemand heutzutage ernsthaft darüber beschwert, dass man, zum Beispiel, mit blauen Haaren, nem Side Cut und Tattoos, zu wenig auffällt, der hat einfach nicht genug Diskriminierung und echte Probleme im Leben!
Ja, in der Tat. Teile des Videos gab es bereits in diesem Artikel zu sehen: https://www.spontis.de/schwarze-szene/dunkle-vergangenheit/bbc-archiv-1983-nicht-vom-aussehen-auf-den-beruf-schliessen/
Allerdings hat die BBC jetzt weiter Schnipsel dazu geschnitten, so dass ich es wert fand, das ganze nochmal aufzugreifen. Gut aufgepasst!
Der „normale“ Style von 1983 ist mittlerweile jederzeit eine Abgrenzung. ;-)
Okay, jetzt mal ernsthaft. Ich glaube, dass die 80er eine kulturelle Explosion erlebt haben, die nicht nur an der Mode auszumachen ist. Da muss ein Gesellschaftsgefühl gewesen sein, dass viele Bahnen gebrochen hat. Das etablieren der elektronischen Musik hat sicher einiges dazu beigetragen, dass etwas neues revolutionäres mitgebracht hat.
Im westlichen Europa ging auch sicher einigen die Stagnation, die der kalte Krieg verkörperte, auf den Geist. Im Osten war das der Normalfall, weil der Lebenslauf eines Jugendlichen vom Reißbrett kam. Auf beiden Seiten, Ost und West, hat man gemerkt wie Nachrichten verbogen wurden und man hat die Situation nicht mehr aushalten können. Da gibt es sicher viele weitere Sachen, die man als Gründe anbringen kann.
Die Veränderungen, wie die technische und (im zunehmenden Laufe) digitale Revolution sind mittlerweile vollzogen. Der Fortschritt geht in der Beziehung sicher voran, jedoch die heute genannte „künstliche Intelligenz“ ist keine Revolution mehr, allenfalls eine Evolution.
Eine Biederkeit kann sicher ab einem bestimmten Punkt ästhetische Abgrenzung erlauben, aber da sind wir nicht. Auch, dass einige Punks der ersten Stunde eine Uniformierung der eigenen Szene betrauert haben, macht das deutlich. Wir hinterfragen heute mehr, sind auf der Suche nach neuen Styles, Trends usw., sobald sich aber die PR-Maschine einem Thema annimmt, wird es aufgekauft. Des Weiteren erleben wir ja seit Jahren auch eine ständige Reproduktion des Kulturbetriebes in allen Bereichen – Mode, Musik, Film…
Das große Glück ist, dass man eine Vielfalt vorfindet, der man sich über die Jahre widmen kann. Erst wenn der Menschheit wieder die Zeit als Stagnation vorkommt und die gesellschaftlichen Veränderungen so immens sind, dass man von einer Revolution sprechen kann, dann ist auch wieder etwas Neues möglich.
Komisch, ich hab seit Jahren das Gefühl, dass sich niemand mehr abgrenzen will. Alle mit Einheits-Makeup, im Einheitsstyle mit Einheitsklamotten, alle wollen gleich aussehen und um Himmels Willen nicht unangenehm auffallen. Trage im Alltag schlicht schwarz und das allein sticht schon raus, ganz zu schweigen davon, wenn man mal komplett aufgebrezelt unterwegs ist – Sensation, die Show ist eröffnet und die dummen Kommentare gibt’s gratis dazu. Der einzige Unterschied ist, dass heute keine Omas mehr belfern, man wäre eine Ausgeburt Satans – heute sind wir selbst im entsprechenden Alter. Ich lebe in der Großstadt und hab weniger denn je das Gefühl, man könnte sich frei entfalten. Geht’s echt nur mir so? 🤔
Damit hast du insbesondere 99% der Jugend treffend beschrieben finde ich! Wenn ich diese Klonarmeen auf dem Weg zur Schule sehe gruselt es mich geradezu… ;)
(Auch wenn „nicht auffallen“ glaube ich nicht die Motivation ist, die kommen einfach gar nicht erst auf die Idee einen eigenen Stil/Geschmack zu entwickeln bzw. NICHT das zu tragen was gerade in ihrer Generation in Mode ist.)
Ansonsten: Mit NUR 1-2 Piercings, NUR 1-2 Tattoos, NUR gefärbten Haaren oder NUR einem Sidecut fällt man heute definitiv weniger auf als das früher der Fall gewesen wäre würde ich sagen (insbesondere Tattoos sind unter Leuten meiner Generation und jünger inzwischen völlig normal scheint mir (was wohl auch an div. „Promis“ liegt), wenn sie nicht gerade den ganzen Körper und/oder das Gesicht bedecken).
ABER: Sobald es deutlich mehr wird oder man all diese Dinge kombiniert und dann vielleicht noch komplett schwarze Klammotten trägt (oder gar Netzstulpen und dgl.), DANN fällt man definitiv überall sofort krass auf. Da gibts irgendwie so eine Schwelle zwischen „heutzutage normal“ und „komischer Freak“ scheint mir (eine Schwelle die sich sicherlich etwas verschoben hat aber nach wie vor existiert).
Unter Jugendlichen teile ich Deinen Eindruck, möglicherweise ist das schon eine Folge der elterlichen Abgrenzung, das die Kinder sich in „Einheitsklamotten“ hüllen. Meine Einschätzung wächst vielleicht auch aus meinem „alternativen“ Umfeld, in dem ich mich deutlich mehr unter „erwachsenen“ Szene-Leuten tummle.
Ich habe persönlich den Eindruck, man kann sich schon deutlich mehr entfalten, als während meiner Jugend. Viele Dinge, mit denen man sich in den 80ern abgegrenzt hat, sind in die Gesellschaft gesickert. Es könnte als MEINEM Eindruck geschuldet sein, das es heute freier zugeht als damals. Welches Baujahr bist Du denn?
Ich finde einerseits schon, dass wir heutzutage durchaus wieder annähernd mit den selben Merkmalen aus der Masse herausstechen können wie in den 80ern. Wenn ich (auch ohne durchtoupierte Haare) mit meinen schwarzen Klamotten, meiner Lederjacke, Makeup, Sidecut und Docs/Pikes unterwegs bin, dann ernte ich selbst in meiner eher dörflichen Heimat oft genug misstrauische Blicke oder irgendwelchen blöden Sprüche. Andererseits glaube ich aber auch, dass dies nur noch dann passiert, wenn ein gewisser Schwellenwert an optischen Elementen erreicht bzw. überschritten wird.
Was sich allerdings geändert haben mag ist die Haltung der Gesellschaft. Das Gefühl, dass ich auf andere irgendwie abstoßend wirke habe ich offen gesagt nicht, sondern eher den Eindruck dass die meisten (wenn sie denn reagieren) von meiner Optik einfach überfordert sind und deshalb so reagieren, wie sie halt reagieren. Der überwiegende friedliche Teil scheint mir dagegen eher desinteressiert. Man weiß offenbar eh nicht was die Fledermäuse oder die kryptischen Namen und Logos auf meiner Jacke und den Buttons zu bedeuten haben, man scheint verwirrt vom Makeup, dem Nietenarmband oder (wenn ich damit unterwegs bin) der kleinen Plüschfledermaus, die an meinem Rucksack baumelt und kann sich offenbar nicht vorstellen, weshalb ich selbst im Sommer lieber in Docs herumlaufe als in Turnschuhen. Allerdings scheint dies viele auch überhaupt nicht zu interessieren. Manchmal habe ich daher eher die Befürchtung, dass Gruftis im älteren Stil für den überwiegenden Teil der Gesellschaft einfach nur in Vergessenheit geraten sind. Außerdem hat man ja noch genügend andere „modische Sünden“ wie die schlabberigen Jogginghosen der heutigen Jugend über die man sich echauffieren kann. Vielleicht liegt es tatsächlich an den Einzelelemente wie Tattoos, Piercings, gewissen Kleidungsstücke oder ausrasierten Haaren, die seit einigen Jahren in der Gesellschaft akzeptiert sind, vielleicht auch an den unzähligen Dokus und sonstigen Rundfunkbeiträgen, bei dem die gesamte Palette der schwarzen Szene dem geneigten Zuschauer über Jahre ins Gesicht gedrückt wurde. Keine Ahnung.
Ich muss aber auch gestehen, dass ich diese Entwicklung zu einer (vergleichsweise) harmloseren Gesellschaft nicht nur negativ sehe. Ich möchte in Ruhe gelassen werden und mich halt kleiden wie es meinem ästhetischen Sinn entspricht und das klappt überwiegend gut. Alles andere ist mir so ziemlich egal. Auf „Spießrutenläufe“ wie ich sie aus den Erzählungen und Berichten älterer Gruftis kenne hätte ich heutzutage ehrlich gesagt wenig Lust. Da finde ich es dann sogar richtig angenehm, dass ich mich noch nicht einmal mehr für meinen Arbeitgeber verkleiden muss.
Was das sonstige Verhalten angeht, so habe ich inzwischen vermehrt den Eindruck, dass man sich heutzutage im Angesicht von unzähligen gesellschaftlich quasi akzeptierten Lebens-, Beziehungs-, Whatever-Entwürfen schon fast wieder mehr mit einem „langweiligen“ 0815 Modell der Marke „Haus bauen, Baum pflanzen, Kinder bekommen“ abgrenzen kann. Gefühlt will eh irgendwie jeder voll individuell sein und aus der Masse hervorstechen. Die einen versuchen es dann über den schieren Konsum diverser Luxusgüter, die anderen über andere, mir ähnlich befremdlich erscheinende Lebensentwürfe.
Was ist denn für dich ein befremdliches Lebensmodell?
Da würden dir (hoffentlich) doch die meisten zustimmen nehme ich mal an! :)
Der Eindruck täuscht glaube ich, es gibt nach wie vor viel mehr „Spießer“ als man vielleicht so denkt. ;)
(In gewissen Social-Media-Blasen könnte man jetzt vielleicht einen anderen Eindruck kriegen, aber das is dort halt auch kein realistisches Bild der Gesamtgesellschaft).
Und „individuell sein“ und „sich selbst nur individuell halten/nennen/inszienieren“ (evtl. auch primär für Dritte) ist halt auch nochmal was anderes finde ich.
Sehe ich ähnlich.
und zur Ergänzung meiner Frage zuvor: Ich denke die meisten wählen eine Art zu leben weil es sie hoffen damit glücklich zu werden und nicht weil sie möglichst individuell sein möchten, selbst wenn es von außen befremdlich wirken mag.
Ich glaube kaum das jemand z.b. auf Kinder verzichtet weil man damit „anders“ sein möchte. Oft hat man gar nicht mal die Wahl sowas zu entscheiden.
Immernoch ist „Haus bauen, Baum pflanzen, Kinder bekommen“ eher die Norm. Auch wenn die meisten es sich mittlerweile finanziell kaum noch erfüllen können.
Ich glaube im Social Media-Zeitalter gibt es – bei manchen! – schon einen gewissen Drang zur Inszenierung und „Optimierung“ des eigenen Lebens in eine gewisse Richtung… aber das muss ihnen nicht immer auch bewusst sein.
Ja das stimmt leider – Siehe auch den Kommentar von Graphiel.
Mit Sicherheit tut das Social Media Zeitalter seinen Teil dazu. Aktuell scheinen wir aber auch in einer Zeit zu leben, in der mit wenigen Ausnahmen wie alten Leuten oder (aus Ermangelung eines passenderen Wortes) „Rebellen“ gefühlt irgendwie jeder mehr Zeit in den sozialen Medien verbringt als jemals zuvor. Wie gesagt: Meinen Beobachtungen nach hat diese dauerhafte Inszenierung und Selbstoptimierung (oft vermutlich auch nur unbewusst) eher zu als abgenommen, während der 0815 „Spießer“, welcher sich allenfalls mit seinen Nachbarn und Arbeitskollegen vergleicht eher im Rücklauf zu sein scheint. Ob es überwiegend am gesteigerten Konsum von sozialen Medien in der Gesamtbevölkerung liegt vermag ich nicht zu sagen, halte dies aber für durchaus plausibel.
Ich sage ja auch nicht, dass es JEDES mal so abläuft, aber die Anzahl an Menschen die irgendwas von Selbstverwirklichung faseln, diese aber exakt in der von mir beschriebenen Weise oder ähnlich betreiben und daher sowohl Kinder als auch Familie ablehnen empfinde ich aus meinen Beobachtungen während der letzten 2 Jahrzehnte heraus schon als irgendwie derb angestiegen.
Danke, das möchte ich für alle Fälle auch noch einmal doppelt und dreifach so unterstreichen! Man weiß ja nie wie einem das sonst noch so ausgelegt wird. :-D
Das sehe ich ehrlich gesagt ein wenig anders. Das klassisch „spießige“ Modell, bei dem sich Menschen gemeinsam etwas aufbauen und sich dann für Kinder entscheiden, weil sie halt Familie irgendwie toll finden erscheint mir zunehmend zu einem Auslaufmodell zu verkommen. Vielleicht spielt mir aber auch nur meine Wahrnehmung aufgrund meiner alltäglichen beruflichen Erfahrung mit diesem Thema einen Streich
Meinen Beobachtungen nach hat sich da in den letzten Jahrzehnten jedenfalls viel entwickelt und das nicht unbedingt hin zu mehr spießigem Kinder- und Familienleben. Wenn Kinder ins Spiel kommen, so erscheinen sie mir bei vielen Leuten (natürlich nicht bei allen) eher wie durch eine Art „Versehen“ entstanden zu sein. So als wäre am besagten Zeugungstag die Disko geschlossen, der PC/der Fernseher kaputt gewesen, oder die Verhütungsmittel gerade leider alle. Bei machen Leuten sind die Kinder dann halt da, aber so richtig was mit anfangen können diese Leute damit dann augenscheinlich nichts, da der Fokus eigentlich auf ganz andere Dinge liegt. Überwiegend bei sich selbst und den eigenen Interessen. ;-)
Andere Leute scheinen von vorne herein nicht für das „Spießerleben“ mit Kindern und Familie geeignet zu sein und würden wohl eher 5 Hunde als 1 Kind nehmen. Diese betreiben stattdessen lieber ihr Leben lang „Selbstverwirklichung“. Womit unterm Strich dann oft auch nur gemeint ist den Hintern kreuz und quer über den Erdball zu bewegen und das Geld mit Schubkarren aus dem Fenster zu werfen. Da reicht es bei manchen noch nicht einmal mehr für eine feste Partnerschaft. Naja, wer´s braucht….
Das sind (um mal die Frage nach den mir befremdlich erscheinenden Lebensmodellen zu beantworten) so Lebensmodelle, die ich irgendwie befremdlich finde. So richtig nachvollziehen kann ich weder die eine, noch die andere Gruppe. Alternative Beziehungsmodelle, welche für mich auch zu diesen befremdlich erscheinenden Lebensmodellen gehören sind mir (Durante weiß schon warum^^) übrigens seit einiger Zeit ebenfalls sehr suspekt, nur nehmen diese meinen Beobachtungen nach bisher tatsächlich nur wenig Platz in der Gesamtbevölkerung ein. Auch wenn diverse Zeitschriften und Onlineportale gern was anderes behaupten.
Doch selbst wenn man von diesen (zugegeben) eher misanthropischen Betrachtungen absieht erscheint mir das klassische Modell doch eher am aussterben zu sein. Denn selbst wenn Kinder und Familie gewollt sind, so lassen unsere wirtschaftlichen Veränderungen vielen Paaren inzwischen doch gar keine Chance mehr sich nebenbei noch so etwas wie ein Eigenheim mit Familienleben aufzubauen. Da müssen die Kinder dann so schnell es geht in die ganztägige Kita, da weder Mama noch Papa es sich erlauben können sich gänzlich der Elternrolle zu widmen. Das sich einige Leute aus diesem Grund gegen eine Familie entscheiden kann ich an der Stelle dann sogar nachvollziehen.
Interessant, ich sehe nehme das immer noch als den eindeutig vorherrschenden/häufigsten Lebensentwurf wahr (nur mit steigenden Scheidungsraten nach einigen Jahren), auch wenn andere Lebensentwürfe sicherlich heute natürlich häufiger sind als vor 20 Jahren.
Da „dem Menschen an sich“ ja offenbar auch ein inhärenter Drang zur Fortpflanzung/Familiengründung innewohnt (ich rede hier nicht von Sex sondern explizit von Nachwuchs) wundert mich das auch gar nicht.
Evtl. ist dein Eindruck von deinen beruflichen Erfahrungen beeinflusst und meiner wiederum vom Leben auf dem wohl eher spießigen bayerischen Land – Beides absolut möglich und jetzt schwierig auszuschließen. ;)
Hey, das bin ich wohl auch nicht, und trotzdem reise ich nicht „auf der Suche nach mir selbst“ um die Welt (bzw. bin keine CO2-Schleuder um es anders zu formulieren)! ;D
Ja, ich weiß. ;)
(Um Missverständnisse bei anderen evtl. Lesern auszuräumen: Graphiel spricht hier wohlgemerkt von alternativen BEZIEHUNGsmodellen die er befremdlich findet, NICHT von sexuellen Orientierungen oder dgl. – Nur bevor jemand das evtl. missversteht.)
Da stimme ich dir völlig zu, dass ein Elternteil (egal welches) alleine durch Vollzeit-Job als z.B. Facharbeiter eine 4-köpfige Familie ernährt, dass ein junges Paar in seinen 20ern mal ein Haus baut, usw. … zunehmend die Ausnahme bzw. unrealistisch.
Also wenn ich das richtig verstehe: Schwul darf ich schon sein, aber dann doch bitte monogam und nicht poly oder gar promiskuitiv? Na bravo.
Und warum richtest du diese vorwurfsvolle Frage jetzt an mich? ;)
Ich habe nur gutgemeint Graphiels Aussage präzisiert weil ich aufgrund einer früheren Unterhaltung genau wusste wie er sie meint (und ich sie andernfalls vermutlich selbst spontan in Richtung Homophobie o.ä. missverstanden hätte!).
Graphiel findet gewisse „alternative Beziehungsmodelle befremdlich“ sagt er, is halt seine Meinung (für die er Gründe hat), muss ja nicht deine Meinung sein.
Mir persönlich wiederum ist absolut egal was (und mit wem und wievielen ;) ) du (es) treibst. „Whatever floats your boat man.“
Ich persönlich DENKE zwar auch dass z.B. Polyamorie langfristig in 99% der Fälle nicht funktioniert weil kaum ein Mensch 100% frei von Eifersucht ist… aber wenn einer sowas mal ausprobieren will, nur zu, is mir schnuppe und geht mich nix an.
(PS: Eine allgemeine Diskussion über Polymorie & Co. wollte ich hier übrigens mit meinem letzten Satz jetzt nicht anfangen, einerseits weil mich das Thema nicht interessiert und andererseits weil das dann mit dem ursprünglichen Thema des Blogbeitrags eher nix mehr zu tun hat.)
WORD! So sehe ich das auch. Allerdings ist Polyamorie wiederum auch mit diesem Thema erschlagen, denn alternative und „neue“ Beziehungsmodelle und Lebensweisen können ebenfalls zur Individualisierung zählen. Sie scheitern dann aber, so wie du bereits schreibst, an der Realität. Individualisierung erschlägt doch heute jeden noch so unwahrscheinlichen Lebensbereich und macht selbst vor krassen Körperveränderungen nicht Halt.
Ich denke gerade bei jüngeren ist es hip rum zu laufen wie Punk und Goth. Es hat mich erschreckt das eben das Goth Outfit im berümtesten Club Berlins,ja dieses Berghain Ding, tatsächlich Pflicht ist und dazu möglichst depressiv aussehen. Was das soll erschließt sich mir nicht aber nicht zu ändern. Aber je älter Mensch ist je mehr fällt das dann doch auf, sind doch die Stinos eher gewöhnt das Menschen ab 50 möglichst öde rumlaufen und nicht mit zerzausten Haaren, zerfetzten Strumpfhosen und Nieten Lederjacke. Die Modewelt hat ja immer schon alles von der Strasse geklaut und fein vermarktet und wer Trendy sein will und gleichzeitig herausstechen trägt dann eben sau teure Strumpfhosen mit Löchern, die gibt es wirklich echt schräg. Ich denke das wir uns in der Form von der Masse abheben wie wir sind und wenn dann die Selbstgenähten und gedruckten Dinge untereinander verteilt werden dann hat das eben da draußen nicht jeder. Aber mir sind die Menschen schrecklich egal geworden und egal wie finster ich auch rumlaufe, die Leute fragen stets mich nach dem Weg.
Das is eine interessante Einschätzung. Ich sehe quasi NIE Goths oder Punks hier in der Gegend (Süd-Ost-Bayern), auch nicht in München oder Salzburg (Goths nur auf explizit schwarzen Veranstaltungen in München, aber nicht am Bahnhof/in der Fußgängerzone/…), und wenn ich DOCH mal jemanden sehe der eindeutig in die Richtung geht fällt mir das richtig auf und ich freue mich gerade zu darüber. ;)
(Letzter einsamer Punk den ich gesehen habe: Dezember 2022 in Salzburg. Davor monatelang keinen einzigen, nirgendwo…
Hängt das tatsächlich SO krass davon ab wo in Deutschland man lebt?
Gut möglich das es unterschiede in den Städten gibt, Berlin ist ja extrem und naja relativ Tolerant, hier sind viele Goth gekleidete Menschen unterwegs und meist erfreut es mich ja auch nur sind manche eben nur Modemäßig so unterwegs. Aber als typische Berlinerin sag ich, lasse machen wen juckts. Und da es hier Wagenburgen gibt sind auch Punks unterwegs fein mit Iro und super nett. Der Iro is glaub ich noch nicht zum Modetrend geworden ist wohl zu extrem.
Die gibt es definitiv. In Großstädten macht es sogar Unterschiede, in welchen Teil der Stadt du wohnst. In meiner Provinzhauptstadt entdeckt man schon ab-und-an ein paar Gruftis, Punks habe ich allerdings auch schon lange nicht mehr gesehen.
Ein Unterschied Stadt vs. Land besteht generell, keine Frage – Ich bezog mich aber jetzt eher auf Regionen/Bundesländer/Unterschiede zwischen verschiedenen Großstädten… (denn München ist zwar eher spießig/bieder aber wär doch groß genug dass man an einem Wochenende in der Innenstadt mal 1-2 Gruftis o. Punks sehen „müsste“ möchte man meinen)
Genau das denke ich auch! ;) Der Mainstream kopiert halt nicht wirklich alles bzw. wenn dann wie bereits geschrieben nur in abgeschwächter/entschärfter Form. Der klassische Iro ist ein gutes Beispiel (ne Zeitlang waren mal so gegelte Pseudo-Iros (ohne umumkehrbares Rasieren ;) , ohne lange Haare) bei Männern in Mode, „Hahnenkamm“ nannten es hier unten manche spöttisch damals, aber der echte Iro war halt nur bei Punks und vlt. ein paar Goths/Batcavern zu finden, das hat sich eigentlich nie geändert).
Also, die letzten 20 Jahre habe ich eine durchaus uniformierte Jugend ausgemacht, hin zum Spießertum. Es herrscht weniger Diversität. Jeder zieht das gleiche an und wenn man ausschert, dann wird man in sozialen Netzwerken nieder gemacht.
Das hatten wir Damals nicht und so konnte man sich mehr ausleben mit seinem Stil. Gedisst wurde auf dem Schulhof und blieb so ziemlich überschaubar. Aber damals hat einem die Gesellschaft ziemlich zugesetzt. Man brauchte schon ein dickes Fell, wenn man individualistisch sein wollte. In meinem Umfeld war ein Fan des New Romantics und der hat sich echt sau gute Klamotten selber genäht, weil man das nirgends kaufen konnte. Der wurde teilweise bewundert und bestaunt, weil man ähnliche Klamotten auch in Musikvideos sehen konnte. Andererseits wurde er auch von bodenständigen Mitbürger lächerlich gemacht und gedisst.
Ich bin hier in einem eher linken Club aktiv. Für Linke galt zu meiner Jugend eine Ablehnung der üblichen Lebensweise. Meine Mitstreiter haben aber Familie mit Haus und Kind und allem was das Spießerleben ausmacht. Ja, es ändert sich vieles in der Gesellschaft. In meinem inzwischen doch längeren Leben habe ich noch nie erlebt, dass Großeltern, Eltern und Kinder zusammen auf ein Konzert gegangen sind. Das hat sich heute auch geändert. Nahezu alle heute aktuellen Genres sind inzwischen so alt, dass sogar die Großeltern heutiger Jugendlicher diese Genres gehört haben. Das gab es gefühlt zuletzt im Mittelalter, dass ein Genre sich so lange gehalten hat wie heute und das gilt für Rock, Hip Hop und alle anderen. Seit ich denken kann gab es alle 10 Jahre ein neues Genre. Jede Jugendgeneration hatte ihr Genre, das nichts mit den Eltern zu tun hatte. Dass sich heute so gut wie kaum noch was tut, halte ich für bedenklich, weil es kaum eine kulturelle Weiterentwicklung gibt.
Im allgemeinen ist man heute relativ frei sich heraus zu putzen. Es gibt kaum noch welche die das erschreckend finden. So offen wie heute war die Gesellschaft noch nie. Um so mehr fallen einzelne auf, die sich aufregen. Aber genau darum geht es doch, dass man sich frei entfalten kann. Wozu will man dann noch speziell auffallen? Oder macht man das nur um aufzufallen und andere zu ärgern? Ja dann muss man weiter ziehen zu anderen Jugendkulturen. Nur momentan gibts keine, die so richtig provoziert. Punker sind inzwischen auch irgend wie Teil der Gesellschaft geworden und die Mode holt sich auch immer wieder Anleihen am Punk. Ja, man holt sich jetzt sogar am Gothik Anleihen. Letzten Herbst habe ich in einer Modezeitschrift gelesen, dass dieses Jahr die sogenannte neue Romantik zur Mode werden soll und da nimmt man sich sehr viele Beispiele am Gothic-Stil. Boah ey. Gothic wird zum Alltag. Das muss man sich erst rein ziehen. Auf der Straße habe ich aber bisher noch keine gesehen, die dem angeblich neuen Look frönte. Aber wer weiß bis wann…
Seh ich auch so. Subkulturen sind fast komplett verschwunden, Jugendliche tragen nicht nur optisch Einheitslook sondern waren auch lange Zeit generell weniger „rebellisch“ als früher sondern eher „Karriere-orientiert“ (bis zum Aufkommen von FFF und Klimaschutzbewegung zumindest auf jeden Fall).
Man sollte das Geschreibsel von Modezeitschriften nicht überbewerten finde ich. ;)
WENN es so einen Trend dann tatsächlich geben sollte wird der für den 0815-Verbraucher im Alltag so weit „entschärft“ dass es dir vielleicht nicht mal als „irgendwie Gothic-mäßig“ auffallen würde vermute ich. Dann is halt im Extremfall mal eine Saison lang bei den Damen mehr schwarz und ein bisschen Spitze angesagt, naja mein Goth. (Und manche Goths nutzen ja auch die Gelegenheit und kaufen so Zeug dann bewusst um es selbst noch gruftig „aufzupimpen“, warum auch nicht.)
Solch eine Dame im Romantik Look habe ich heute tatsächlich gesehen,Ein Rock aus Spitze leicht durchsichtig, und der Rest war etwas verwirrend, Hut und Sonnenbrille hatte etwas 60er mäßiges aber alles schwarz und der Hüftschwung war übertrieben und eher peinlich aus meiner Sicht, bin dann an ihr vorbei gerauscht in Nietenlederjacke und Springerstiefeln grins.
„Some wear leather, some wear lace …“
In diesem konkreten Fall sogar wortwörtlich. Warum also dieses Naserümpfen über das Outfit einer wildfremden, vollkommen unbeteiligten Person? Nur um sich selber als besser darstellen zu können? Nie von den Eltern begebracht bekommen, dass „Haha, wie die aussieht!“ etwas ist was von eklatant schlechten Manieren zeugt?
Ich treib mich ja seit bald 30 Jahren in der Szene rum. Durchaus in verschiedenen Städten, und durchaus in den weniger kommerziellen Ecken. Aber was ich hier in diesem Kommentarbereich an schwarz angemalter spießig-piefiger, herablassender, kleingeistiger Bürgerlichkeit lese hab ich echt noch nie vorher erlebt. Erwachsene Menschen, die über die Outfits von Teenies lästern und spekulieren und Leute allein beruhend auf ihren Klamotten verurteilen – meine Güte, das ist wirklich super oberflächlich und allerunterste Schublade. Get a life.
Deine Sichtweise auf die Dinge bereichert diese Diskussion.
Danke dir !
Dem muss man nichts mehr hinzufügen.
Danke Dir.
Möglichweise ist das schwinden der äußerlich abgegrenzten Jugendkulturen eine Folge der Überflutung, denn optisch kannst du Dich kaum noch abgrenzen, weil der „Mainstream“ längst so gut wie jedes Merkmal wahnsinnig schnell aufgreift. Deshalb gibt es verstärkt Jugendkulturen, die eine inhaltliche Abgrenzung anstreben, wie ich finde. Allerdings verliert sich hier der Effekt der Abgrenzung, weil das natürlich nicht sichtbar ist. Außer du klebst Dich auf der Straße fest, wenn wir Klimaaktivisten als neue Jugendkultur wahrnehmen würden.
Hm, das tut er schon, aber halt immer nur in einer massiv abgeschwächten/“entschärften“ Form. Man kann sich deshalb optisch immer noch abgrenzen wenn man darauf denn wirklich Wert legt finde ich.
genau, denn die krassen auffälligen Gothic bzw szeneklamotten wird man garantiert nicht bei kik, NKD, Takko oder k und L sehen bzw kaufen können, zum Glück muss man sagen, in diesen läden kauf ich eh nicht ein.
Bei der Frage um die Individualisierung und Abgrenzung, könnte man noch die Motivationen und die verschiedenen Generationen zwischen heute und damals berücksichtigen.
Die heutige Gesellschaft ist besonders durch die digitale Flut von Informationen durch das Internet, Personen des öffentlichen Leben und diverse Medien auch vieles gewohnt.
Hinzu kommt auch das elterliche Haus, welches heute bei vielen eher offener und toleranter gegenüber dem Nachwuchs geworden ist.
In den 80er haben sich so manche Eltern für das fragwürdige Aussehen ihrer heranwachsenden Sprösslinge noch geschämt. Meine bessere Hälfte hat mir aus ihrer Jugend in den 80er und die Reaktionen der Eltern vieles berichtet. Selbst mein Elternhaus war damals recht streng, mit Piercing und Tattoo durfte ich nicht nach Hause kommen. Bei den jungen Leuten von heute sieht man Metal und Farbe schon mit 16 Jahren an der Haut.
Eine weitere interessante Frage, was bewegt die jungen Menschen heute sich von der Allgemeinheit abzugrenzen. In den 70er und 80er war die Motivation der Abgrenzung z.B. die Frustration der Jugend sich an umgebende Regeln zu halten und das konservative Leben.
Heute ist die Welt etwas offener und bunter geworden. Was bewegt die junge Generation heute, sich von der Normalität abzugrenzen? Tatsächlich habe ich in den Jahren bei vielen jungen Menschen auch den Einheitsstyle (wie Saphra berichtet) beobachten können. Teilweise bekommt man das Gefühl, als will man sich heute gar nicht mehr abgrenzen, sondern ein Teil vom ganzen sein.
Jedenfalls Tattoo und Piercing reichen heute nicht mehr so aus wie damals. Vielleicht mal ein Blick auf Menschen des öffentlichen Leben. Denn da wird schließlich auch viel getan und operiert, um in der Medienlandschaft aufzufallen und sich von der Konkurrenz abzugrenzen.
Mein persönliches Fazit zu dieser Diskussion ist, das es uns vollkommen egal sein sollte was Leute tragen, ob nun 1983 oder 2023, ob im spießigen Einheitslook oder exaltiert auffallend. Gerade „uns“ sollte das Äußere von Menschen keinen Anlass zum verurteilen geben.
Denn viel wichtiger als WAS, ist die Frage WARUM tragen die Menschen was sie tragen. Mode, Kleidung, Styling scheint offensichtlich trotz seines oberflächlichen Rufes, ein wichtiges Element unseres sozialen Gefüges zu sein.
Fragen die in dem Zusammenhang sind, was hat sich heute im Vergleich zu damals geändert, was nicht? Gibt es eine einheitliche Definition von spiessig, von Norm, von schön!? Ich möchte mal sagen eher nicht. Und das ist auch voll ok.
Wir dürfen nicht vergessen, das wir tagtäglich in einem komplexen Gefüge leben – weltpolitisch, sozial-gesellschaftlich, ethisch-moralisch, wirtschaftlich, all das, prägt uns und sieht man auch unseren Klamotten an, auf die eine oder andere Art. Das finde ich spannend, doch wie genau das alles zusammenspielt, kann man ad hoc, als Laie, nur spekulieren.
Als Momentaufnahme würde ich zwar sagen, das man sich zwar ganz gut entfalten kann und es ein bisschen toleranter zugeht, als noch vor 20/30 Jahren.
Aber ich denke, das wir das nicht als selbstverständlich und als lineare Entwicklung betrachten sollten. Es kann auch schnell wieder anders werden.
Wohlstand, Sicherheit, Frieden, das war bis vor kurzen auch noch viel selbstverständlicher (zumindest in unserem Teil der Welt). Wir müssen dran bleiben, damit es mit der Toleranz in der Gesellschaft nicht bergab geht! Da nehm ich gern in Kauf mich optisch weniger abgrenzen zu können, solange sich alle frei entfalten können!
Mir ist es dahingehend egal dass es 1. deren Entscheidung und gutes Recht ist und 2. ich niemanden nur aufgrund seines Aussehens pauschal für schlecht/dumm/wasauchimmer… halte (jetzt mal abgesehen von Shirts/Pullis mit gewissen eindeutigen politischen Botschaften oder so, da kann und darf man dann schon Schlüsse daraus ziehen… ;) )… ABER: Ich finde es einfach persönlich SCHADE dass hier eindeutig Vielfalt verloren geht und Subkulturen im klassischen Sinne aussterben. Ich als Grufti empfinde das als sehr bedauerlich und als kulturellen und ästhetischen Verlust, wenn z.B. Yttrium oder jemand anderem diese Entwicklung hingegen egal ist, er das in keinster Weise schade findet und mein Bedauern für oberflächlich/arrogant/whatever hält ist das seine Sache und auch sein gutes Recht(!) – ABER ich muss und werde seine Ansicht da halt nicht teilen. ;)
Unterschreib ich zu 100%.
Hm, aber ist das jetzt nicht ein Widerspruch in sich? Oder missverstehe ich dich nur?
(Bez. „Alle sollen sich frei entfalten können“ stimme ich dir aber natürlich völlig zu!)
Weniger auffallen/abgrenzen im Sinne von: wenn der Busfahrer rosa Lippenstift trägt und die 70 jährige Nachbarin grüne Netzstrümpfe, dann sehe ich in meinem all Black Look evtl. aus wie ne graue Maus. Aber wenn wir an dem Punkt angekommen sind, das sich niemand mehr über die beiden echauffiert, dann ist das ein gutes Zeichen von mehr Vielfalt in der Gesellschaft. Das nehme ich dann gerne in Kauf.
Und zu dem anderen Punkt, ich finde es ja auch schade, das Subkulturen verwässern.
Denn gerade wenn es um Vielfalt und Toleranz, sorgen Subkulturen dafür, gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen und im Fazit mehr Freiheit für ALLE zu schaffen. Deshalb verurteile ich es wenn alles nur auf das Äußere reduziert wird. Denn im Grunde sind es die Inhalte, mit denen wir „uns“ am besten abgrenzen können. Das Elemente z.B. aus dem Gothic auf Laufstegen landen, das gibt es doch schon seit zig Jahren, aber ich glaube man muss sich da nicht sorgen, das es in der breiten Masse getragen wird. Vor allem die Haute-couture ist eben nicht für die Masse gemacht, sondern dient den Reichen und Schönen sich vom Pöbel abzugrenzen, auch wenn es bizarr ist ;D
Aber wenn eine Subkultur nur aus Äußerlichkeiten besteht, gerade dann verwässert sie doch gerade. Wenn man genauso so engstirnig ist, wie der Rest der Gesellschaft, worin Unterschiedet man sich dann noch?
Gerade weil es mir wichtig ist, das es einen Zufluchtsort für „Außenseiter“ gibt, möchte ich Subkulturen bewahren.
OK, so hast du das gemeint – Da sind wir uns völlig einig! :)
(Der Zustand wird aber zu unseren Lebzeiten so leider eh nicht eintreten denke ich.)
Hab auch nie gesagt dass man Menschen (oder z.B. „Gothic“) nur auf Äußerlichkeiten reduzieren sollte, das keinesfalls – Bei Gothic gehörte der Look halt von Anfang an auch MIT dazu (das kann jetzt gern jeder gut oder schlecht finden).
Das stimmt absolut, sowas ähnliches hatte ich hier in der Diskussion auch schon versucht zum Ausdruck zu bringen (siehe „Modezeitschriften“).
Natürlich, du hast nie behauptet die Schwarze Szene besteht nur aus Äußerlichkeiten, da wollte ich dir nix bin den Mund legen ; )
Ich meinte das ganz allgemein. Es gab auch hier im Blog schon öfter Diskussionen über Inhalte der Szene und oft gab es da keinen Konsens, bzw. viele kommen zum Schluss, es ginge eigentlich nur um Musik und Klamotte.
Damit eine Subkultur bestand hat, braucht es aber veschiedene Dimensionen, Tiefe. Welche Inhalte und welche Tiefe, das ist halt die Frage… für mich persönlich habe ich allerdings eine Antwort, aber die ist sicherlich nicht repräsentativ für Andere.
Whatever… Leben und leben lassen.
Vielleicht auch etwas mehr zu schätzen wissen, das man in unserem Land sich mehr frei entfalten kann und nicht die Angst vor Gefängnis und Todesstrafe haben muss.
Exactement! Um es mit Vive la Fête zu sagen…
Seid gegrüßt,
nun im meiner Umgebung begegnet mir ab und an eine Person die sicher zur Szene gehört, fährt Rad und trägt nur schwarz, + eben Tattoos aber davon ganz viel, blackout im Gesicht + Piercings. Statur klein. Wir starren uns immer an wenn wir uns beim Einkaufen zwischen den Regalen begegnen. Ich halt unversehrt in bleich und groß, die Person in versehrt in blackout.
Doch im Innern nun, wir sehen es am Blick, scheinbar alles gleich trübe im Herzen.
Doch wir sagen nichts zueinander. Was gäbe es auch auszutauschen ? Das Wetter ? Die Umgebung ? Die Anderen ? Alles offensichtlich, was im Innern liegt ? Trübe …
Ist für uns eben Alltag.
Doch wie war das noch je leichter der Geist desto größer das Lächeln. Daher lächeln wir uns auch nicht an und finden uns sicher nicht beim gezappel auf TikTok.
Die neue Abgrenzung wäre wohl ein Funk-Störsender. Oder eine Vr-Brille die auf alle Passanten den Kopf von Bela-Labelt, jedes Kreuz auf den Kopf stellt.
Mit dunklen Gruß, Lox
Was meinst Du denn mit „blackout“???
Soweit ich weiß heißt „Blackout“ im Tattoojargon wenn bestimmte Körperareale komplett schwarz tätowiert sind.
…spontan irgendwie eine durchaus witzige Vorstellung… die „Gothic-Vision-AR-Goggles“ -> Patent hab ich gleich mal angemeldet! XD
Heute wirken die Jugendlichen (und jungen Erwachsenen) teilweise wie uniformiert! Ich war ein Kind der 80er und damals gab es neben den Normalos, Popper, Punks und Goths (zu der Zeit noch gerne „Gruftis“).
Das war nicht nur in den 80ern sondern bis in die 2000er noch so.
Was ich so alles in meiner Abi-Klasse hatte: Goths, Metalheads, Punks, „Kiffer-Rastafari-Typen“ ;) , 24/7 aufgebrezelte Mode-Tussis (die aber in dem Fall sogar recht nett waren), Stinos (die nicht alle nett waren), in Parallelklassen gabs u.a. noch Skater und Hopper, usw. usw. …
Wenn ich heute morgens die Schülerkolonnen hier in der Gegend sehe tanzt da zumindest optisch niemand mehr aus der Reihe. Nicht einer.
Irgendwie traurig, aber diese Entwicklung war hier schon öfters Thema. Subkulturen im klassischen Sinne sterben langsam aus, das ist leider Fakt.
Okay… Warum ist das so??? Weil gefühlt auch alle gleicher Meinung sind? Ich hatte in meiner Jugend auch noch Kneipen usw., wo man sich treffen konnte, aber heute wüsste ich nicht wohin. Allerdings schlage ich mir „in meinem Alter“ auch nicht mehr die Nächte um die Ohren und streife um 2 Uhr nachts über irgendwelche Friedhöfe. Da komme ich früh genug hin (zwinker!)…