Vor rund 30 Jahren hat Sandra in Tecklenburg ihr eigenes Gothic-Treffen veranstaltet. Mehr als 150 Leute sind 1991 zur Freilichtbühne in die nordrhein-westfälische Kleinstadt gepilgert, haben sich getroffen, gequatscht, fotografiert und gefilmt und unvergessliche Erinnerungen geschaffen. Sandra ist immer noch Grufti, jedenfalls irgendwie, wie sie sagt, lebt in Lengerich und arbeitet bei Nacht & Nebel Tattoo hauptberuflich als Tätowiererin. Ich habe mit ihr darüber gesprochen, wie ihre Beziehung mit der Gothic-Szene begann und wie es mittlerweile so läuft, und wie das damals war, ein solches Treffen zu veranstalten.
Wie hat denn das alles für Dich angefangen mit der Szene?
Der Auslöser war so um 1985/86. Ich lief durch die Innenstadt von Ibbenbüren, wo ich damals zur Schule ging und mir kamen zwei unfassbar krass aufgestylte Damen entgegen. Die Haare gefühlt kilometerhoch aufgestellt, wallende schwarze Klamotten, viel silberner Schmuck und ein irres Make-up dazu. Ich war geflasht und sofort verliebt!
Ich wusste bis dahin nichts über diese Szene und diese Begegnung war für mich der Auslöser, danach zu suchen, herauszufinden, was da los ist. Und das war ja zu der Zeit nicht gerade leicht, so auf dem platten Land, ohne großartige Kontakte und Möglichkeiten. Irgendwann kam eins zum Anderen und ich lernte eine der beiden Damen zufälligerweise kennen, als ich schon ein Beinchen in der schwarzen Szene hatte und so um 1987/88 rum in den lokalen Diskotheken abhing. Meine damalige beste Freundin schleppte mich immer mit zur „Independance Night“ im JuZ Scheune und Waveparties ins Roxy in Ibbenbüren und so kam das alles nach und nach zustande.
Dadurch kam ich dann immer öfter auf Partys in der Umgebung und lernte schnell immer mehr Leute kennen, die Freunde wurden und für mich eine zweite Familie, eine Wahlfamilie wurden und mir das Gefühl gaben, endlich angekommen zu sein. In meiner „richtigen“ Familie war das damals nicht möglich, aber das ging wohl vielen in der Szene so, glaube ich.
Kurz darauf war ich dann auch schon in den bekannten Clubs unterwegs und zu Hause:
Zwischenfall Bochum, Lurie in Bochum, PC69 in Bielefeld, Kick in Herford, FlaFla/Spunk Herford, Schlachthof Bremen, Schacht 8 Marl, Old Daddy Oberhausen, Fabrik/New York Coesfeld oder auch im Hyde Park/Subway Osnabrück
So ziemlich jedes Wochenende fuhr man mit seiner Clique irgendwo hin und dazwischen haben eben jene Freunde eigene Partys im Osnabrücker Umland veranstaltet: Im Unicum und Works in Osnabrück und in einer Kaschemme in Mettingen, die einen Festsaal hatte: das Mephisto. Das waren wirklich richtig gute und familiäre Partys, die nachhaltig hängengeblieben sind.
1991 hast du zusammen mit Deinen Freunden ein Gothic-Treffen in Tecklenburg veranstaltet, das durch zahlreiche Videos und Bilder stets in Erinnerung der Teilnehmer geblieben ist. Wie kam es überhaupt dazu, ein Treffen zu veranstalten?
Sagen wir so: Es war eine buchstäbliche Schnapsidee. Wir waren mit der Clique unterwegs zu einer Party, ich weiß gar nicht mehr, wohin. Einer von uns hatte sich für solche Zwecke den VW-Bus seines Vaters geliehen und mit einer Busladung voller schwarzer Gestalten sind wir dann losgedüst. Unterwegs ging es auch um das Domplattentreffen und ich meinte, wir sollten so was doch einfach mal hier bei uns veranstalten. Eine passende Location kam mir sofort in den Sinn: die Freilichtbühne in Tecklenburg! Das war mein Kinderspielplatz, ich bin im Grunde genommen dort aufgewachsen. Wir wohnten in den 70ern bis Anfang der 80er gegenüber des Haupttores, meine Eltern hatten damals dort ein Restaurant. Jede freie Minute da verbracht, Sommer wie Winter.
Da die Freilichtbühne aber während der Saison auch als solche genutzt wird, kam ein Treffen nur außerhalb dieses Zeitraums infrage. Um es möglichst gruftig zu machen, entschieden wir uns für den Karfreitag 1991. Der Plan fand große Zustimmung und wir haben gleich angefangen, das Treffen gemeinsam zu organisieren.
Damals gab es keinerlei neumodischen Kram wie Internet und Smartphones, wie habt ihr die Leute damals eingeladen und auf das Treffen aufmerksam gemacht?
Sowas machte man damals über Mundpropaganda auf den Partys, die man besuchte oder auch durch klassische Telefonanrufe bei Leuten, die man kannte. Natürlich gab damals kein anständiges Treffen ohne einen Flyer. Den habe ich mit Tusche und Feder von Hand gezeichnet. Jeder aus unserer Clique hat den dann durch diverse Kopierer gejagt, auf Partys verteilt oder auch die Bekannten geschickt, damit diese den in ihrer Clique verteilen konnten.
Wie muss man sich dein Treffen vorstellen? Gab es Bands, Musik und Merchandise?
Keine Bands, keine Händler oder irgendwas in der Art, nein. Es war eine reine Zusammenkunft von Leuten aus der schwarzen Szene. Wir haben vorher ausdrücklich darauf hingewiesen, dass jeder sich etwas zu trinken und zu essen mitbringen muss. Einige brachten Kassettenrekorder mit, damit wir auch etwas Musik hatten. Allerdings recht leise, denn schließlich war ja Karfreitag und eher als Hintergrundbeschallung.
Wir haben einfach zusammengesessen, geredet, Blödsinn gemacht und uns gegenseitig fotografiert oder sogar Video voneinander gemacht. Eins davon hast du ja auch hier im Blog vorgestellt.
UPDATE: Ein anderes Video hat mir Klaus auf dem Postweg zukommen lassen, vielen Dank dafür!
Als Andenken hatte ich allerdings noch was spezielles vorbereitet, einen Aufkleber! 1991 war ich gerade in meiner Lehre zur Schilder- und Lichtreklameherstellerin und dort hatten wir auch eine Siebdruckabteilung. Da habe ich dann eine Druckvorlage für Aufkleber erstellt. So richtig schön oldschool per Hand aus Druckfilm geschnitten und mit der Reprokamera vervielfacht, um damit später das Sieb zu belichten, falls das jemandem was sagt. Zu guter Letzt habe ich die Aufkleber dann auch noch selbst gedruckt. Die haben wir dann unter den Teilnehmern verteilt.
Die meisten Leute haben dann noch ihre Abendplanung besprochen, denn alle wollte gerne noch irgendwo feiern gehen. Ich bin mit meiner damaligen Freundin ins FlaFla nach Herford gefahren, aber als wir da irgendwann mal eintrudelten, war die Party fast vorbei und noch genau eine Flasche Herforder zu kriegen.
Klingt merkwürdig, dass man Leute ganz ohne Musik, Bands, Bühnen oder Rahmenprogramm dazu animieren konnte, so weite Strecken zu fahren. Was meinst du, warum hat man sich damals in dieser Form getroffen?
Ich denke, das war einfach noch der damalige Zeitgeist. Internet war ja in der Form nicht vorhanden, also auch keine Social Media Plattformen, da konnte man sich eben nur analog austauschen. Und das funktionierte durch solche Treffen oder auf Partys.
Die Szene war ja durchaus noch überschaubarer als heute und auch homogener. Man kannte zwar viele Leute oft auch nur vom Sehen her, aber irgendwie wusste man, wer da wer ist. Auch Telefonflatrates gab es nicht und die meisten Haushalte verfügten nur über einen Telefonanschluss, da hat man viel Zeit damit verbracht, sich einfach nur so zu treffen, manchmal bei jemandem zu Hause und manchmal an öffentlichen Plätzen. So kam man auch für das Domplattentreffen zusammen und hatte da endlich die Möglichkeit, viele Leute aus der Szene zur selben Zeit am selben Ort zu treffen und sich auszutauschen.
Man kannte ja Leute aus dem ganzen Land und die hat man natürlich nicht dauernd sehen können. Also waren solche Treffen eine willkommene Gelegenheit dafür. Viele sind mit Fahrgemeinschaften angereist, und übernachteten dann bei Freunden vor Ort und sowas. Das war ganz selbstverständlich.
Warum ist das heutzutage verloren gegangen?
Heute wird das alles ja schon sehr von den Möglichkeiten der Kommunikation entzaubert. Man kann ja zu jeder Tageszeit von jedem ganz leicht erfahren, was in dessen Leben so vor sich geht. Das war damals nicht so. Da konnte man bei solchen Treffen wirklich den ganzen Tag labern, ohne dass einem langweilig wurde. Man hatte immer was zu erzählen von dem, was man so in letzter Zeit erlebt hat und hat Planungen für zukünftige Partys, Konzertbesuche oder andere Aktivitäten gemacht.
Heute würde das so kaum noch funktionieren. Die Form der Kommunikation hat sich grundlegend geändert und die Erwartungshaltung an solche Treffen. Würde man sowas nochmal aufziehen, würde jeder sofort fragen, was für Bands spielen, ob man vor Ort was an Klamotten kaufen kann und so weiter. Ich denke, es wäre den meisten Leuten zu langweilig, sich einfach irgendwo hinzusetzen, zu reden, rumzualbern, dabei was zu trinken und Musik zu hören.
Wenn man damals gesagt hat: „Lasst uns doch an Tag XY da und da treffen und n bisschen abhängen!“ hat keiner gefragt, was man dann den ganzen Tag machen soll. Man hat’s gemacht. Und man hatte Spaß dabei.
Wie viele Leute sind denn letztendlich zu deinem Treffen in Tecklenburg gekommen?
Das weiß ich gar nicht mehr so genau. Das verteilte sich in einem stetigen Kommen und Gehen über den Tag verteilt. Vielleicht 150-200 Leute? Es fühlte sich recht klein, aber fein an. Außerdem darf man nicht außer Acht lassen, das es echt saukalt war, obwohl wir grundsätzlich Glück mit dem Wetter hatten. Doch das erstaunlichste war: Die Leute kamen tatsächlich von überall her! Ich hatte nicht damit gerechnet, dass das doch so weite Kreise ziehen würde, eigentlich dachte ich eher, wenn, dann kommen höchstens welche aus der Umgebung. Aber auch aus dem Ruhrgebiet, Raum Bremen, Bielefeld und teilweise Berlin kamen welche dazu und ich war echt baff, dass das so klappte!
Stichwort geklappt. Ihr habt Euch ja in der Öffentlichkeit getroffen und damals war so eine Ansammlung merkwürdiger Gestalten sicherlich auffällig. Gab es Probleme?
Nein, es war richtig schön. Alle waren wirklich darauf bedacht, keinen Stress zu machen oder irgendwelche Spaziergänger zu provozieren, die sich an diesem Karfreitag rund um die Freilichtbühne die Füße vertraten. Und da gab es natürlich einige, die uns gegenüber auch extrem, sagen wir mal vorsichtig, skeptisch waren. Zweimal kam sogar die Polizei dazu, die mal „nach dem rechten“ schauen wollte, offenbar von irgendwelchen Anwohnern gerufen. Aber selbst die waren ganz erfreut darüber, wie friedlich und stressfrei wir da waren. Wir hatten sogar Müllsäcke dabei und haben alles eingepackt und mitgenommen, quasi keine Spuren hinterlassen.
In einem alten, zugeschütteten Brunnen neben der Bühne war ein Gitter in etwa einem Meter eingelassen, dort haben ein paar Leute Äste aufgeschichtet und ein kleines Lagerfeuer gemacht, weil man sich später, als es dämmerte, langsam wirklich den Hintern abgefroren hatte. Selbst das wurde später mit Getränken gelöscht.
Ein paar Tage später wurde in der Lokalpresse behauptet, wir hätten randaliert, Vorgärten zertrampelt und solche Geschichten. Was natürlich nicht stimmte. Später stellte sich heraus, dass zur gleichen Zeit in der Nähe ein paar Biker campiert hatten und die waren im besoffenen Kopf dort unterwegs und hatten rumrandaliert. Vermutlich war es einfacher, erst mal wieder die bösen „Satanisten“ zu beschuldigen.
In den frühen 90ern steckten Gothic-Treffen noch in den Kinderpikes. Das WGT war noch nicht geboren und auch sonst traf man sich damals eher auf Festivals, die noch nicht mit dem Stempel „Gothic“ versehen waren. Gab es damals wichtige Treffen, die Dir vielleicht auch Inspiration zum Treffen in Tecklenburg geliefert haben?
Das Domplattentreffen, ganz klar! Das war ein absoluter Höhepunkt und die Reise wert!
Sonst gab es mal vereinzelte kleine Treffen, wie zum Beispiel in Berlin, wo ich damals auch war, ich glaube auch 1991 oder ’92, bin mir aber nicht mehr ganz so sicher. Zum Wave-Gotik-Treffen in Leipzig bin ich nur zweimal gefahren, beim Zweiten und Dritten. Aber seitdem zieht mich da nichts mehr hin.
Warum hast du dem Wave-Gotik-Treffen in Leipzig den Rücken gekehrt?
Es ist mir zu kommerziell. Schaulaufen und permanente Bespaßung an allen Ecken, viel zu viele Menschen auf einem Haufen für meinen Geschmack und diese Kostümierten, die sich da in den Jahren massiv reingeschummelt haben. Dann von einem Veranstaltungsort zum nächsten Hetzen, um interessante Konzerte nicht zu verpassen, die sich zeitlich überschneiden. Mir ist das alles zu viel und es würde mich mehr anstrengen, als dass ich das irgendwie genießen könnte.
Sicher, auch auf dem WGT kannst du dir deine Nischen und Cliquen suchen, aber das ist ja auch irgendwie so ein Ding von sich-ein-Refugium-suchen, damit man wieder unter seinesgleichen ist. Eben so, wie früher, nur ohne Zeitgeist oder Atmosphäre, die ein Treffen mit 50 Gruftis auf der Freilichtbühne in Tecklenburg hatte.
Ich brauche kein schwarzes Disneyland. Ich mag kleine, dunkle Clubs, vernebelte Tanzflächen, gute Musik und keine Gaffer und Partytouristen.
Könntest du dir vorstellen, noch einmal solch ein Treffen zu veranstalten?
Nein. Das war damals eine einmalige Sache und ich glaube, die würde so auch heute gar nicht mehr funktionieren. Das fängt damit an, dass viele Leute sich nicht mehr gerne auf so was festlegen und eher spontan absagen oder gar nicht kommen würden, das sieht man ja leider schon alleine auf Partys. Das Wave-Gotik-Treffen ist da sicher noch was anderes, weil einfach ein völlig anderes Konzept.
Fühlst du dich immer noch zugehörig und würdest dich selbst noch als Grufti bezeichnen?
Irgendwie schon. Ja und nein. Meine Anfänge liegen Mitte der 80er und mein Herz gehört da auch immer noch hin. Allerdings ich bin mittlerweile nicht mehr so aktiv in der Szene unterwegs. Bis vor zwei Jahren habe ich auch in Clubs hier in der Gegend noch aufgelegt, aber auch das habe ich mittlerweile an den Nagel gehängt. Das hat aber eher etwas damit zu tun, dass meine Arbeit einfach zu zeitintensiv ist und ich das nicht mehr alles unter einen Hut bekam. Und ich wollte das nur machen, solange es mir Spaß macht, aber das wurde dann halt irgendwann einfach nur noch anstrengend.
Das Treffen in Tecklenburg wird 30 Jahre alt und trotz der Veränderungen in Deinem Leben bist du der Szene auf die ein- oder andere Weise treu geblieben. Was würdest du sagen, wie hat sich die Szene im Laufe der Jahre verändert?
Da muss ich persönlich erst mal tief seufzen und etwas traurig gucken. Für mich hat sich da leider sehr, sehr viel zum Negativen verändert und das finde ich auch unglaublich schade. Man kann sich zwar heute noch so seine Nischen suchen, in denen man sich wohlfühlen kann, aber dieses Gemeinschaftliche, was damals noch recht stark war, das vermisse ich heute sehr. Es hat sich alles in so viele kleine Gruppen aufgesplittet. Viele Dinge, die für uns Tradgoths so gar nicht in die Szene passen, haben sich im Lauf der Jahre reingemogelt und alles aufgemischt und dazu gebracht, sich zu spalten.
Nun kann man sagen: Klar, Stillstand ist der Tod! Entwicklung ist normal und muss auch sein!
Jein. Ich kann ja nur für mich sprechen. Aber das, was ich damals in der Szene gefunden habe, wofür ich sie auch geliebt habe, das ist heute kaum noch in der Form vorhanden. Vielleicht ist das auch für die nachfolgende Generation schwer nachzuvollziehen. Alleine die Atmosphäre damals in den 80ern bis Mitte der 90er war eine völlig andere als heute. Da war Sadness wirklich noch Rebellion.
Es war nicht alles besser, das will ich gar nicht behaupten, es war einfach anders. Es war gefühlt wärmer, heimeliger, mehr eigene Welt und inniger. Manche Freunde von damals sind auch noch heute meine Freunde. Es verband einen etwas, was man heute nur noch schwer findet. Da war eine Art Gleichklang untereinander.
Natürlich gab es auch da negative Dinge. Aber ich kann für meinen Teil nur sagen, dass die positiven Seiten deutlich überwogen. Und das war zu einem ganz großen Teil vor allem der Zusammenhalt untereinander, den ich heute nur noch sehr selten so sehe.
Mir bleibt die Erinnerung an die schönen Zeiten, die ich da hatte, verbunden mit der Musik, die ich immer noch liebe. Und wenn ich manchmal auf Partys zu den alten Klassikern tanze und die Augen schließe, ist es wieder da, das Gefühl.
Ein sehr schöner Bericht!
Den letzten Part kann ich sehr gut nachfühlen und unterstreichen…
Wirklich Respekt an Sandra. Sowas durchzuziehen war damals keine Selbstverständlichkeit.
Schon als das Video von dem Treffen auf Spontis gepostet wurde, habe ich es mit Begeisterung aufgenommen. Den Leuten, die damals über die Musik in dem Video meckerten, sage ich übrigens STIMMT GAR NICHT XD Mir gefällt es so gut,dass ich das Video sogar in meine Playlist aufgenommen habe. Insgesamt kommt darin das Flair der 90er, das mich so fasziniert, recht gut rüber, wie ich finde. Bitte in Zukunft mehr davon.
Das WGT ist heute zwar kommerzialisiert und karnevalisiert wie noch was, hat allerdings auch für ein Festival dieser Größenordnung weltweit einzigartige Struktur mit dem über die ganze Stadt verteilten Netzwerk. Genau diese struktur ermöglicht ja auch, dass jeder sich aus dem Faschingstrubel zurückziehen und seine eigene Nische finden kann. Für jeden ist etwas dabei, sogar für mich, und ich bin ZIEMLICH schwer zufriedenzustellen. Auf Veranstaltungen wie der blauen Stunde, dem Schwarz 10 oder dem Göttertanz, den ich tatsächlich erst 2018 für mich entdeckte, finde ich tatsächlich jene Atmosphäre aus meiner eigenen Anfangszeit (frühe 00er) wieder, die ich bereits totgeglaubt hatte. Und dann gibt es natürlich noch das Spontis-Treffen, das dem Tecklenburger Treffen von damals schon recht nahekommt wie ich finde (wir kommen da ja auch nur miteinander und ohne Rahmenbespaßungsprogramm zurecht). Jedenfalls entsteht dort jedes Jahr so eine Fotostrecke wie diese. Das möchte ich alles nicht missen und fände es extrem schade wenn das WGT jetzt in ernsthafte Schwierigkeiten geraten sollte falls es notgedrungen erneut keine Einnahmen machen kann. Wir wissen ja nicht, wie lange der Veranstalter das stemmen kann.
Und Sadness ist auch heute (wieder?) Rebellion.
Ein wirklich schöner Bericht :)
Da werde ich schon wieder ein wenig neidisch, dass ich sowas nicht mehr miterleben konnte. Die Festivals von heute haben sicherlich auch ihre Reize und ich möchte sie ebenfalls nicht missen müssen, aber es stimmt schon dass sie oft wie ein schwarz eingefärbtes nonstop Bespaßungsprogramm wirken. Wenn man sich da nicht seine Nischen sucht, oder wie beim Spontis-Treff (welches ich bisher nur aus den Berichten hier vom Blog kenne) abseits des Rahmenprogramms seine heimeligen Treffen abhält, dann kann man sich von diesen Events heutzutage durchaus gehetzt fühlen. Und ja: selbst für mein wohlwollendes Gemüt wirken sie damit manchmal doch nur wie ein großes, schwarz angemaltes 90er Jahre Plastikpopevent.
Das kann ich sogar heute noch gut nachempfinden. Vor Corona bin ich beispielsweise regelmäßig zur Sabotage Noir im Spenger Castle gefahren. Schon allein, weil es praktisch vor meiner Haustür liegt. Wenn ich heute meine Besuche dort mit den Besuchen im Herforder X (ehemals Kick) vergleiche, dann erlebe ich auch jetzt noch Welten von Unterschiede. Und das sicherlich nicht nur wegen der anderen Musik die bei der Sabotage gespielt wird. Das was ich bereits damals in meinen Anfangszeiten im X recht schnell vergeblich suchte, dieses Gefühl einer irgendwie doch gemeinschaftlich überspannenden Atmosphäre, das wird in diesen kleinen Rahmen selbst für mich wieder spürbar der diese alten Zeiten gar nicht miterlebte. Es ist einfach heimeliger, familiärer… und das obwohl es aufgrund des nun einmal vorhandenen Altersunterschiedes zwischen mir und den meist älteren Generationen der 80er und 90er normalerweise so nicht selbstverständlich sein sollte.
Aber ich gebe Yorick schon recht: Sadness ist bzw. kann auch heute wieder Rebellion sein
Wie schön. Danke für den Bericht und die Fotos!
Lieben Dank für euer positives Feedback! 😃
Eine liebe Freundin, die damals auch dabei war, schätze die Teilnehmerzahl allerdings deutlich höher, so auf 150-200 Besucher. Das war ja den ganzen Tag bis abends ein Kommen und Gehen, da könnte sie schon recht haben. Mein Gedächtnis ist da sicher auch etwas getrübt nach all der Zeit.
Das war schon wirklich ein denkwürdiger Tag. Es freut mich echt total, dass er hier einen Platz findet. 🖤
Ich habe die Zahlen in den Artikel übernommen. Kann man ja mal vergessen, so nach 30 Jahren: :D
Einen Ehrenplatz hat so ein Treffen verdient! Ich freue mich, das ich diese schönen Erinnerungen für die Ewigkeit konservieren darf. Vielen Dank!
Klingt merkwürdig, dass man Leute ganz ohne Musik, Bands, Bühnen oder Rahmenprogramm dazu animieren konnte, so weite Strecken zu fahren.
Erstmal danke für den Bericht und das Video.
Hmmm, wo ich damals angefangen bin, gab es einen Stammtisch. Also NUR Stammtisch. Dem Trauer ich schon manchmal nach. Die Vorteile waren aus heutiger Sicht groß:
Es wurden keine speziellen Untergruppen angesprochen.
Es gab kein festes Programm/ Thema.
Es war billig… nur Getränkekosten.
Man konnte veschiedenste Leute kennen lernen, und mit ihnen, ohne Hintergrundmusik, reden.
Man konnte eigene weitere Sachen… Ausflüge und Co… planen.
Leider ist das Thema Stammtisch nach seinem Ende nie wieder aufgegriffen worden.
Leider sind Stammtische durch soziale Netzwerke ersetzt wurden. Heute bist du doch in der Lage am Leben der Anderen teilzuhaben, ohne das Haus verlassen zu müssen und da sind die Getränke noch billiger ;) Heute musst du „schon was bieten“ um viele verschiedene Leute anlocken zu können – ich rede nicht von Freunden – wo dann erst die Atmosphäre entsteht, neue Leute kennenlernen zu können.
Dazu kommt noch ein weiteres Phänomen, die Welt ist kleiner geworden. Es gibt kaum noch lokale Grufti-Cliquen, die sich an einem solchen Stammtisch treffen könnten. Meine Freundesliste ist quer durch die Republik (und darüber hinaus) verteilt. Und ehrlich, wenn mich mein Bekannter Alexander aus Bayern fragt, ob ich zum Stammtisch komme, dann muss ich ablehnen.
ich wünsche mir auch schon seit Jahren wieder ein Laden, der solange Bestand hat, das sich darum eine Clique finden kann. So wie damals um das Zwischenfall. Da hast du so eine Art Stammtisch, an dem du dich an jedem Wochenende treffen kannst. Leider besteht die Szene nur noch temporären Events an unterschiedlichen Orten, ohne die Chance, zu einem Wohnzimmer zu mutieren.
Eine sehr schöne Zeitreise – vielen Dank für diesen kleinen Erfahrungsbericht.
Dazu die beeindruckenden Bilder, sowas gehört natürlich für die Ewigkeit festgehalten.
Im Jahr ’91 war ich noch etwas zu jung für das Tecklenburger-Treffen. Gerade deshalb freue ich mich über so einen Bericht.
Die Sandra als DJ durfte ich noch im Zwischenfall, Sputnikhalle in Münster oder in Osnabrück erleben. Ihr Programm haben wir immer sehr genossen. :-) Schön mal nach so langer Zeit wieder etwas von ihr zu lesen.
Im Zwischenfall habe ich nie aufgelegt, war aber regelmäßiger Gast dort. Aber danke für die Blumen! 😊
Beim Lesen des Interviews ging mir das Herz auf, ich wurde auch nostalgisch. In jenem Jahr war ich zwar wieder in Deutschland, aber hier noch ziemlich unvernetzt. Der mit Feder und Tusche von Hand gezeichnete Flyer hat mich besonders verzückt.
Sehr schöner Bericht
Ich wurde zwar erst 1983 geboren, aber auch ich war schon auf Gothicpartiys zum Beispiel Tanz der Vampire in Münster oder vorletztes Wochenende Der Schwarze Freitag im Ringlockschuppen in Bielefeld.