Teufelszeichen? Böse satanische Kräfte? Mit dem Pendel den Geist der Oma beschwören? Was sich nach Klischees der Boulevard-Presse der späten 80er klingt, findet sich auch 2003 immer noch in den Magazinen und Jugendzeitschriften. Im Report „Ein Leben für den Tod“ berichtet die Bravo über die 18 Jahre alte Melanie aus München auf eine recht ungewöhnliche Weise, denn alles an ihr hat mit dem Teufel zu tun, sollte man meinen. Auf dem Titelbild steht neben ihrem Foto: „‚Friedhöfe sind doch nur Komposthaufen für Menschen‘, sagt Melanie und zeigt das Teufelszeichen. Die beiden Finger symbolisieren die Hörner Satans.“ Die betont finstere Miene und die Grabsteine im Hintergrund tun ihr übriges.
Ich muss schmunzeln, alles wirkt so dargestellt, so unecht und so lächerlich – aber es bleibt auch eine unterschwellige Traurigkeit zurück, wenn man sich vor Augen führt, welche Wirkung ein solcher Artikel auf eine beispielsweise 13 Jahre alte Leserin haben könnte. Auch bei Nichtinteresse erinnert die Aufmachung des Artikels an beste Boulevard-Manier: Schocken, den Blick fesseln, neugierig machen, Interesse wecken, um dann im Inhalt zu relativieren. Hintergrundinformationen fehlen völlig, vermeintliches Wissen über Symbole und Zeichen sind an den Haaren herbeigezogen. Ich finde es sehr enttäuschend, dass sich eine Jugendzeitschrift auch 2003 noch auf ein solches Niveau herunterlassen muss.
Dabei ist der vermutlich jugendliche Leser in eine Polemik-Falle getappt. Die erste Seite lockt: „Ein Leben für den Tod„, Satanszeichen, böse Blicke – der Spannungsbogen wird gezogen, man wird neugierig wie es weitergeht, denn man fragt sich: „Wie bitte? Ich dachte, Gothic hätte nichts mit Satan zu tun?“ Schnell blättert man um und lässt seinen Blick über die kleineren Bilder des Artikels schweifen: „Melanie zeigt ihr Pentagramm – ein satanisches Siegel„, dabei wissen wir doch, das Pentagramm ist ein Schutzzeichen gegen das Böse und kein satanisches Siegel. Ein Bild von ihren Stiefeln soll den Eindruck festigen: „Melanies Stiefel: das Zeichen des Teufels!“
Auf Melanies Rucksack, der eigentlich eine Tasche ist: „Das böse dominiert!“ – Wer genau hinschaut, erkennt einen Stinkefinger, einen Kiss-Aufnäher, einen von Marilyn Manson und Nitzer Ebb, sowie ein durchgestrichenes Kreuz. Wirklich alles sehr Böse! Spätestens hier hinterlässt der Artikel den Eindruck, Melanie ist eine böse Teufelsanbeterin, die nur Satan im Kopf hat. Das ist Fatal, denn mit den Bildern endet meist das Interesse des flüchtigen Leser. Die Einleitung des Artikels bleibt dann auch beim Thema, erst später gibt es Entspannung: „Sie sieht aus wie ein Kunstwerk des Teufels […] Wenn sie mit finsterem Blick durch die Stadt spaziert, wechseln Passanten schon mal die Straßenseite und gucken misstrauisch. ‚Das macht mir aber nichts aus. Denn wir sind Grufties und keine Satanisten. Wir tun nichts böses‘, erklärt Melanie.“ Melanie stellt also fest, das das eine mit dem anderen nichts zu tun hat. Ob sie nach dem Artikel darüber erzürnt war? Bleibt zu hoffen.
Die Relativierung, also die Aussage „Ist doch alles nicht so schlimm…“, findet ihre Krönung, als der Autor die Überschrift selbst mit einbezieht. „Anhänger dieser für viele gruselig anmutenden Kultur beschäftigen sich mit dem Thema Tod – aber nicht aus Todessehnsucht.“ Das liest sich in der Überschrift „Ein Leben für den Tod“ aber etwas anders, außerdem ist jetzt von Kultur und Tod die Rede. Satan scheint nicht mehr angesagt. Vollständig rehabilitiert? Mitnichten. Ein Infokasten über die vermeintlichen Symbole der Gothics ist der Tusch am Ende des Liedes. Und auch wenn ich mich zurücklehnen könnte weil mit der Unsinn bewusst ist, kann ich mir eine Umdeutung des Infokastens mit Links zu eigenen Artikel zum Thema schwarze Symbolik nicht nehmen.
- 666 – Ist kein teuflisches Zeichen, sondern in der populärsten Deutung die Zahl des Tieres (nach Aleister Crowley) oder im Allgemeinen des Böse. Obwohl seine erstmalige Verwendung in der Bibel symbolisiert wurde ist von einer Verbindung als teuflisches Zeichen nicht die Rede. (Schwarze Symbolik – 666)
- Das umgekehrte Kreuz – Ist eigentlich das „Petruskreuz“, der damit zum Ausdruck bringen wollte, dass er nicht würdig sein, auf die gleiche Weise wie Christus zu sterben. Moderne Deutungen und Verwendungen zielen eher auf eine Ablehnung der Kirche als Institution, es ist weder das Zeichen von Satanisten noch die Ablehnung des christlichen Glaubens. (Schwarze Symbolik – Umgedrehtes Kreuz)
- Das Pentagramm – Symbolisiert die fünf Elemente Luft, Feuer, Wasser, Erde und Geist und nicht die bösen satanischen Kräfte. Es sei denn Luft ist beispielsweise eine satanische Kraft. (Schwarze Symbolik – Das Pentagramm)
Ein bisschen viel Boulevard für eine Jugendzeitschrift, ein bisschen viel Halbwahrheiten und viel zu viel Polemik, von der bei vielen Jugendlichen nur Bilder und Schlagwörter hängen bleiben. Gothic und der Teufel – So kann Erklärung nicht funktionieren, so berichtet man nicht Klischeefrei, so schafft man keine Vorurteile aus dem Weg. Weder 1985 noch 2003 und schon gar nicht 2010.
Das Böse seid ihr Christen und eure abscheuliche „Gottheit“! Im Gegensatz zu euch ist sogar der „Teufel“ gut! Warum geht ihr nicht zu ihm?! Ja ganz recht, schert euch zum Teufel!
Aber wer ist der, den man Teufel nennt?
Die Antwort: Euer Vater, ihr Hurensöhne!
Gut gebrüllt tapfrer Recke. Und wenn ich jetzt daraus noch eine Kernbotschaft filtern könnte, dann würde ich dir glatt einen Lolli in den Rauschebart drücken.
Uuuu… das klingt nach einem mächtigen Unwetter :-)
Seit wann gibt’s bei Gothics denn die Pommes-Gabel? :-)
Ist Bogatyr der neue Nick von Darth? :D
Axel: http://www.youtube.com/watch?v=yhvPMWqWDEM Diesen Lacher unterdrücke ich gerade :-)
Das geht noch besser (ab Minute 20:15)
Aaaah, ich lach mir gerade einen ASP ab :-)
Wer (oder was ist Darth)?
Ich bin Deutsch-Russe, wenn es jemanden intereressiert. (Immerhin ist Bogatyr ein russisches Wort)