Musikbegeisterte Jugendliche aus der Provinz hatte es Mitte der 80er Jahre nicht leicht, einzig und allein das Radio war die Verbindung in die große weite Welt der Musik. Man verbrachte Stunden damit, sich seine Musik aus dem Äther zu holen und sie auf liebevoll gestalteten Kassetten zu verewigen. Das Taschengeld wurde selbstlos für Schallplatten geopfert, gelegentlich war sogar ein T-Shirt seiner Idole drin. Die Stars einmal aus nächster Nähe zu erleben scheiterte meist an fehlendem Geld und der Entfernung zum nächsten Auftrittsort.
Das Fernsehprogramm war auch eher dürftig bestückt, am 5. April 1983 brachte die Sendung Formel Eins endlich populäre Musikvideos in die öffentlich rechtlichen Kanäle, von MTV hatte man bereits gehört, zu empfangen war es für die meisten leider nicht. Zu behaupten, das deutsche Fernsehen wäre einfallslos gewesen, wäre dennoch kurzsichtig.
Am 23. Januar 1984 zeigte sich im Vorabendprogramm der ARD eine ganz besondere Perle, die nicht nur angesagte Bands und Künstler auf die Mattscheibe brachte, sondern auch zu den Jugendlichen selbst. Im Regionalprogramm des WDR, dass man damals WWF taufte, erblickte der Musik-Convoy das Licht der Provinz. Eine mobile Bühne, die auf einem LKW (zusammen mit einem umgebauten Bus, der als mobiles Studio diente) untergebracht war, fuhr im wöchentlichen Wechsel von Kleinstadt zu Kleinstadt und durch ganz Nordrhein-Westfalen, um die ganz große Musik in einer Live-Sendung ins Fernsehen und vor Ort zu bringen. Bis dahin war es beispielsweise für die Jugendlichen aus dem beschaulichen Schleiden undenkbar, Depeche Mode einmal aus nächster Nähe zu erleben.
Anne Clark in Geldern, Bronski Beat in Höxter oder X-mal Deutschland in Lemgo – die Liste der angesagte Bands, Künstler und Städte ist beeindruckend. Die Moderatoren Alan Bangs, Robert Treutel, Nancy Diehl, Karin Sarholz und Xao Seffcheque führten Interviews, brachte Hintergrundinfos und machten aus den lokalen Marktplätzen für einen Nachmittag eine internationale Bühne. Leider war der Spuk nach rund 80 Sendungen im September 1985 wieder vorbei. Leider ist es in Zeiten von Internet, 200 Fernsehkanälen und knallhartem Konkurrenz-Kampf scheinbar unmöglich geworden, so etwas wiederzubeleben. Denn eins hat sich meiner Ansicht nach nicht geändert, die Lust der Jugendlichen aus der Provinz, ihre Idole einmal aus nächster Nähe zu erleben.
Glücklicherweise wiederholte einsfestival 2011 einige Sendungen, die es dann auch auf Youtube geschafft haben und damit zum ultimativen 80er-Jahre Trip einladen. Ich habe einige davon in einer Playlist zusammengestellt und andere auserwählte muss ich einfach in diesem Artikel unterbringen:
Ich hab als Blag in den 90ern immer „Hit Clip“ auf WDR geguckt.Wir hatten damals kein Kabel oder Schüssel.
Auf Musik Convoy bin ich beim abendlichen zappen auch mal gesstoßen… war amüsant;)
Und Hit Clip gabs hier auch nur, da wir auch noch so steinzeitlich ausgestattet waren… nur da liefen irgendwie selten die besten Videos.
Ist noch jemandem außer mir aufgefallen, dass das Keyboard, die Gitarre und der Bass bei X-Mal Deutschland gar kein Kabel im Input haben? :’D Mini-Playback-Show?
Daran ist doch aber nichts ungewöhnlich. ;-) Wenn die Sender verlangen, dass Du einen Playback-Auftritt absolvieren sollst, bleibt Dir nichts anderes übrig. Live ist da so gut wie gar nichts. Bei manchen Bands nicht einmal der Gesang. Das hat die Fans damals aber wenig gejuckt. Die wollten ihre Helden sehen. *g*
Elektronik-Bands spielen übrigens auch heute nicht wirklich Live. Das meiste kommt aus der Konserve.
Finde ich schade. Gerade bei Live-Auftritten zeigt sich doch eigentlich erst das Potential einer Band!
Bei Elektro-Bands ist das eben so eine Sache. Wie willst man auch etwas Live darbieten, was aus Loops und Samples besteht? :D
Und eben deshalb bin ich schon auf Dead Can Dance gespannt – die sind ja bald wieder live unterwegs. Wobei sich meine Vorfreude im Bereich des Nullpunktes bewegt, hatte ich doch das zweifelhafte Vergnügen des Pre-Release-Streams des neuen Albums.
Aber das ist jetzt glaub ich zu sehr am Thema vorbei.
Naja klar, man hat Sequenzen, vielleicht auch Sampling. Aber man könnte zum Bespiel versuchen, die Melodien, also beispielsweise String-Sounds, Live darzubieten, oder mit E-Drums etwas Schwung reinzubringen. Die meisten stellen sich aber nur hinter die Tasten, drücken drei Knöpfe und lassen die Kacke laufen. Das will ich nicht Live sehen. Darum würde ich Gitarrenbands oder Bands aus dem Experimental-/Industrial-Lager immer den Vorzug geben.
Dead Can Dance arbeiteten übrigens auch stets mit Sampling. Die Sachen wurden danach oft computertechnisch verfremdet und voluminöser gestaltet, damit’s auch schön orchestral/monumental klingt. LICTD hatten das nachgeahmt, erinnerten gesanglich aber mehr an Le Mystère des Voix Bulgares.
Neben dem Thema bin ich doch mehr als gern. Hat Dir nicht gefallen, was Du gehört hast? Ich bin ehrlich sehr beeindruckt von dem, was ich hörte und freue mich sehr, dass Dead Can Dance klingen, wie Dead Can Dance auch damals klangen. Ich hatte das große Vergnügen, diese noch in den 90ern live zu sehen und es war eins der beeindruckensten Konzerte, das ich je erlebt habe. Ich weiß nicht mehr sicher, wieviele Musiker sie damals dabei hatten, aber die Bühne war voller Menschen, 10 sicher, eher mehr. Ergo brauchst Du keine Angst haben, dass jene nun plötzlich nur mit Keyboard und Apple ankommen. Da bin ich mehr als sicher und freue mich sehr auf die Tour. Zumal sie ja auch Songwünsche sammeln und ich davon ausgehe, dass auch viele alte Perlen auf die Bühne kommen. :-)
Für mich der Inbegriff eines perfekten Songs:
Bei „As the bell rings…“ z. B. hört man natürlich raus, dass elektonische Gadgets zum Einsatz kamen; auch beim – ich nenn’s einfach mal so – Peitschenrythmus von „The Ubiquitous Mr. Lovegrove“… Mit anderen Worten, der Großteil war für mich immer „hand played“… die offensichtlichen Synthie-Streicher und Anderes mal ausgenommen.
Ja, live waren sie großartig. Eine Bühne voller Menschen, und gerammelt voll mit unterschiedlichsten Instrumenten. Die 2005er Tour war schon ein zweischneidiges Schwert, aber immernoch halbwegs annehmbar.
Das neue Album ist so ne Sache. Es klingt zu sehr Brendan. Anastasis könnte zusammen mit Brendan’s Ark zusammen genausogut ein Doppelalbum bilden.
Abgesehen von alledem fehlt mir die gewisse Dramatik. Um einen Beispiel-Song zu nennen: The Host of Seraphim. Eine solche Spannung gibt es auf ganz „Anastasis“ nicht mal ansatzweise.
Zusammen mit einem durch-gesample der Instrumente (selbst Lisa’s yangqin klingt mir nicht ganz echt) ist das eine tödliche Kombination. Ich mag Elektronik sehr gerne. Kraftwerk, Depeche Mode, Diary Of Dreams… allesamt Perlen. Aber von Dead Can Dance erwarte ich mehr, als nach 16 Jahren Abstinenz mal schnell über den Winter ein Album durch den Sampler zu jagen.
Mein Fazit zu DCD neuestem Output sind folgende: Erstens, das ganze ist nur noch Grufti-Lounge-Musik. Belanglos, an einem vorbei plätschernd, null Aufmerksamkeit verlangend, einschläfernd, kalt. Zweitens, mein Ticket werde ich demnächst wieder verkaufen. Die Enttäuschung, dass auch noch Klassiker „ver-Brendaned“ werden, erspare ich mir lieber.
Aber das könnt ihr selbst bald mit eigenen Ohren – und vor allem mit dem Herzen – erfahren und euch eine eigene Meinung bilden.
Musik-Convoy, sieh an – noch nie was von gehört und echt was verpasst, muss ich sagen! Allerdings war ich 1985 weder in NRW (sondern ganz weiter östlich) noch in einem ernstzunehmenden „Musik“-Alter. Jedenfalls echte Perlen, besonders die Interviews vorher und auch, was man da so an männlichen Gestalten rumsitzen und -hüpfen sieht :).
Ich frage mich allerdings auch, warum sowas heute nicht mehr auf die Beine zu stellen ist. Natürlich nicht mit solchen Größen, ist klar. Aber mit kleinen Größen, das wäre ja auch schon mal was. Vielleicht gibt es das ja auch – nur eben nicht mit unseren Bands, sondern wie damals eben mit Pop+Mainstream?
Loops & Samples sind live durchaus machbar. Zu sehen bei Alien Sex Fiend und Skinny z.B.
Was DCD angeht, so schließe ich mich Katrin an und kann versichern: das wird richtig gut und sie spielen garantiert auch ältere Stücke. Ich habe sie bei ihrer letzten Tour 2005 gesehen, auch da war alles handgemacht, es gab die geliebten Klassiker und sehr viele Musiker auf der Bühne (10 vielleicht nicht mehr, aber auch kein einziger Laptop). Lisa Gerrard & Brandon Perry – das kann gar nicht schief gehen und zu so etwas schnödem wie einem Laptop lassen sie sich bestimmt nicht herab. ABer muss mal in die neuen Stücke reinhören. Noch nicht geschafft…
Brendan Perry war IMMER die treibende Kraft und der künstlerische Kopf bei Dead Can Dance. Ursprünglich wollte Lisa Gerrard nicht einmal als fester Bestandteil jener Band gesehen werden und lieh nur ihre Stimme. Letztlich war es aber wohl genau diese überirdische Stimme, die in den Köpfen der Menschen hängenblieb. Was ich sagen will: Dead Can Dance klang schon immer nach Brendan Perry. Dass Anastasis nun ein würdiger Nachfolger von Ark sein könnte, ist für mich nur schlüssig.
Hamburg, 5. Reihe, Mitte :-)
Merkwürdig. Warum klingen dann Lisa’s Solo-Alben mehr nach Dead Can Dance als das was Brendan gemacht hat?
Nun ja, jedem das seine. Mein Ticket landet jedenfalls bei ebay. So zur endlosen Verfügung hab ich das Geld nun auch wieder nicht, als dass ich mir dieses Desaster geben muss.
Den Brendan-Fan’s sei die Tour von mir gegönnt.
Darüber könnte man sich in endlosen Debatten die Münder fusselig reden und würde es trotzdem nicht sicher wissen. Klar ist, dass Dead Can Dance niemals annähernd die Bekanntheit erreicht hätten, die sie haben, gäbe es eine Lisa Gerrard nicht. Daran läßt sich nicht rütteln. Gäbe es jedoch einen Brendon Perry nicht, gäbe es keine Dead Can Dance. Es scheint mir ein ähnliches Phänomen wie bei Kirlian Camera zu sein. Angelo Bergamini stand auch nie wirklich in der ersten Reihe, obwohl er da hingehört. Ich mag das Schaffen von Lisa Gerrard überhaupt gar nicht klein reden. Sie ist eine einzigartige Künstlerin, da versteh mich nicht falsch… Ich finde es großartig, dass die Beiden sich auf einen gemeinsamen Weg besonnen haben. Nur: Wenn das Ganze sehr nach Brendan klingt, dann kann ich das nicht schlecht finden. Ist zu sehr verankert in mir diese Musik. Von beiden. http://www.dunklewelle.de/wp-content/uploads/2012/05/IMG_5674.jpg
@Sheik: Du machst einen Fehler. Aber wenn Du schon davon überzeugt bist, dass es ein Desaster ist, mag es das Beste sein. Ich mag Lisa solo auch lieber als Brendan solo – aber zusammen sind sie das Optimum, daran ändert für mich auch das neue Album nichts. Habe vorhin in Anastasis reingehört. Ich finde es gut, aber ein Überflieger ist das Stück nicht, da gebe ich Dir recht. Die anderen kenne ich noch nicht. Aber selbst wenn es nicht mein Ding ist – ich gehe da allein schon hin wegen der alten Sachen und Lisas übernatürlicher Stimme.
Ach schau an, Meditabor. Dieser Bootleg-Kram wurde uns früher auf den Plattenbörsen für ein paar Märker hinterhergeworfen. Heute zahlt man dafür schon ein wenig mehr. *g*
Meine Bootlegs stammen allesamt noch aus der Appel-und-n-Ei-Zeit. Konnte da seltenst einfach dran vorbeilaufen. :-)
Kurz zum Thema DCD: Ich hab sie Ende der 80er kennengelernt und dann ab 1990 auf jeder Tour mehrfach erleben können. Mitte der 90er dann auch persönlich und ich kann nur sagen: Wunderbare Menschen, die zusammen wunderbare Musik machen und man muss bei ihren Auftritten sicher keine Angst haben, dass da die Hälfte vom Band kommt. Sie haben schon immer Wert darauf gelegt, den Hörern die Lebendigkeit der Instrumente nahezubringen, Liveauftritte sind deshalb immer ein riesen Aufstand- bis zu 10 Musiker, die jeweils verschiedene Instrumente spielen, teilweise auch Backvocals singen. Die Proben dauern meist 3x so lang, wie das eigentliche Konzert. Perfektionisten, die sie eben sind. Also bitte keine Angst vor Qualitätsverlust! ;) Verkauf das Ticket nicht, Sheik. Am Ende verpasst Du sicher ein großartiges Konzerterlebnis. :)
Dass Lisas Alben mehr nach DCD klingen, als Brendans Soloarbeit liegt aber daran, dass auch Lisa viele Songs für DCD geschrieben hat und bei dem Stil blieb, während Brendan die „Freiheit“ genoss, sich anders auszudrücken. Auch bei seinen Solotouren war er wesentlich entspannter. Bei der ersten Tour erzählte er noch, dass er es großartig finden würde, quasi alleine unterwegs zu sein, kein großes Equipment mitnehmen zu müssen und zig Leute, sondern (im Vergleich zu DCD-Touren)sozusagen „nur mit seiner Klampfe im Gepäck“ auf die Bühne zu gehen. ;) Rauchend und trinkend im Backstagebereich hab ich ihn noch nie so locker erlebt. Aber ich denke, er weiss auch, dass er UND Lisa zuammen am Besten funktionieren. Die Fans freut es. :) Ich hab das Album bewusst noch nicht im Stream gehört, ich will es in Händen halten und „richtig“ hören können. Mal sehen, ich bin gespannt. Aber ich erwarte jetzt auch kein neues „Within the realm of the dying sun“ oder so. Ich freue mich auf die beiden Konzerte, die ich sehen kann und bin sicher, es werden so einige alte Knaller gespielt. :)
@ Toriah
Menschen verändern sich. Dies spiegelt sich meiner Meinung nach deutlich in deren (seiner) aktuellen Musik wieder.
Die Zeiten der vielen Musiker sind vorbei. Laut Brendan’s Forum neben Lisa und ihm noch 4
weitere Leute auf der Bühne. Unter anderem ein (wohl in erster Linie) Schlagzeuger, die blone Keyboarderin von Brendan’s letzter Tour, noch ein Perkussionist, und ein Herr, über den ich nicht wirklich eindeutig was herausfinden konnte. Unter’m Strich also gelichtete Reihen. Tut mir leid. Nach dem familiären Flair – wenn ich es so nennen darf – der 80er und 90er klingt das für mich nicht mehr.
Ich bin sehr auf die Reviews zu dem Album gespannt. Am 10. August ist es veröffentlicht.
http://www.dunklewelle.de/2012/08/dead-can-dance-featured-artist-des-monats-august/ <- Für Interessierte.
Sorry für´s Auswälzen des Off-Topics, aber ich freu mich wie ein kleines Kind, dass es nun endlich losgeht! Eröffnungskonzert von Dead Can Dance in Vancouver… ein kleines Snippet des Anastasis-Songs „Return Of The She-King“… traumhaft! :-)
https://www.youtube.com/watch?v=jxdm5keGTkM
Soweit ich das verstanden habe, waren alle Auftritte des Musik-Convoys als Playback ausgelegt. Ich denke, man wollte die Kosten und den technischen Aufwand möglichst gering halten. Außerdem war es in den 80ern einfach „normal“ Fernsehauftritte einer Band als Playback abzuspielen. Ich glaube die Fans in der Provinz waren damit aber mehr als zufrieden, denn in der Zeit vor Musikvideos auf allen Kanäle und der Möglichkeit das Internet zu nutzen war man schlichtweg glücklich, „echte Stars“ in seinem Ort „hautnah“ erleben zu können.
Hallo Robert,
wir sind gerade beim Schwelgen in Erinnerungen auf deinen interessanten Artikel gestoßen. Das Konzert von Alphaville war allerdings nicht in Solingen, sondern in Alsdorf. Gut zu erkennen ist im Hintergrund die Alsdorfer Burg.
Dennoch vielen Dank für den interessanten Bericht😉
Herzliche Grüße, Claudia
Liebe Claudia, vielen Dank für Deinen Hinweis. Danke für die Korrektur. Da ich mich nicht in Alsdorf auskenne, kann ich auch nicht beurteilen, ob diese Burg nicht auch in Solingen steht. Aber dank Deines Hinweises können wir diese Bildungslücke nun schließen, habe just nach Alsdorf und seiner Burg gegoogelt ;)