Darauf habe ich schon lange gewartet. Endlich mal das Wort Sex verwenden. Obwohl, ich habe schon öfter versucht das Wort in subtiler Art und Weise hier unterzubringen, natürlich nur in einem informativen Zusammenhang und ohne die Absicht die Aufmerksamkeit zu erhöhen. Dieses mal nutze ich gleich noch eine prominente Band, die die Neugier des Lesers einfach wecken muss. Also wer bei „Depeche Mode“, „Sex“ und „1984“ nicht hellhörig, neugierig und aufmerksam wird kann nur verklemmt, überinformiert oder gelangweilt sein. Schätze ich.
Im August 1984 (also so ziemlich genau vor 28 Jahren) titelte die Bravo nach Beobachtungen der Band im Berliner Plattenstudio „Depeche Mode singen über Sex“, darunter ein Bild, in dem sich die Bandmitglieder in lasziver Art und Weise einer Frucht bemächtigen. Andy Fletcher beißt wie immer höchst erotisch in einen Apfel, obwohl sein halb geöffneter Mund es nicht wirklich möglich macht, herzaft zuzubeißen. Doch kein Sex? Immerhin hat er seine linke Hand im Schoß versenkt, also doch Sex. Alan Wilder zu seiner linken hat die Erdbeere zwischen den Zähnen, blickt dabei noch unschuldig naiv in die Kamera und suggeriert: Ich bin Sex pur! Die Erdbeere war ja immer schon eine der erotischsten Früchte, nicht umsonst heißt es in einem berühmten Song „Erdbeermund“, der auf ein laszives Gedicht von Paul Zech zurückgeht.
Dave Gahan nimmt sich ebenfalls einen Apfel (könnte auch eine Nektarine sein) zwischen die Zähne, in gewohnt präsentierender Manier. Seine Augen demonstrieren die Leidenschaft für diese Frucht und stellen unter Beweis, dass er zu Recht der Frontmann der Band ist. Der Sex liegt hier sicherlich im T-Shirt verborgen, waren es doch die New York Dolls, die Overknee-Stiefel, hautenge Leggings und Netzhemden für die Glam-Rock-Welt attraktiv machten. Ein ganz schlimmer Finger dieser Gahan!
Und dann dieser Martin Gore! Nicht umsonst schreibt er die meisten Texte der Band und zeigt sich auch für den Song über Sex verantwortlich. Eine Banane! Dieser Mann versteht es die Inhalte seiner Lieder nach außen zu versinnbildlichen. Ich meine: Die BANANE! Welche andere Frucht symbolisiert in dieser deutlichen Form den Phallus? Lang, weich, gebogen und zuckersüß – wer da nicht gleich an Sex denkt ist falsch konditioniert. Bestimmt. Aber zurück zum Thema. Depeche Mode singen also über Sex? Was ist daran überhaupt so besonders, denn im Prinzip hat so ziemlich jede Band ein Lied über die schönste Nebensache der Welt im Repertoire.
Der Text zum Artikel der Bravo verrät, um welches Lied es geht: „Die neue Single von Depêche [sic!] Mode, die am 20. August erscheinen soll, heißt Master and Servants [sic!] (Herr und Diener); fünf Wochen später wollen die vier dann die LP rauslassen. „Bei der neuen Single geht es im Grund nur um Sex“, verrät Martin, der als Songschreiber der Gruppe auch eigene Erfahrungen mit einfließen ließ, wie er spottet: „Die Beziehung von Herrschern zu Sklaven, von Mann zu Frau, von Staat zu Gesellschaft, meine ich, die durch ihre unterschiedlichen Machtpositionen oft sexuelle Probleme schaffen.“ Auch bei den übrigen Songs ihrer neuen Scheiben wollen Depêche Mode großes Gewicht auf kritische Texte legen…“
Doch kein Sex? Ich bin enttäuscht. Gesellschaftskritik, Machtverhältnisse und Beziehungen. Wie langweilig. Haben die ganzen Halsbandträger, die sich von ihrer Freundin/Freund mit der Leine über ein Festivalgelände schleifen lassen doch etwas falsch verstanden. Mist! Und ich hatte gerade bei Fressnapf ein Halsband in meiner Größe gesichtet.
Und überhaupt, bei mir ist jegliche Lust auf Sex vergangen, als ich Dave Gahan in diesen Sandalen gesehen habe. Mit weißen Strümpfen! Für mich das übelste Verbrechen der 80er. Die Sandalen. Ich erinnere mich noch gut daran, dass diese bunten Plastiksandalen, mit denen man auch ins Wasser gehen konnte, im Freibad so ziemlich jeden Fuß kleideten. Ich habe Sandalen immer abgelehnt, schon aus Prinzip. „Let’s play Master and Servant!„
Bei DM bin ich mir bis heute nicht sicher, ob ich die Bedeutung der Texte nachvollziehen kann. Oft liegt gerade darin der Reiz und es wird nie langweilig, Black Celebration, Stangelove oder eben Master and Servant zu hören. Kommen wir zu den Outfits: UUUAAAAHHH! Robert, Du bist so grausam! Wie bekomme ich dieses schreckliche Sandalenbild nur wieder aus dem Kopf?
Das mit den Halsbändern wäre einen eigenen Artikel wert. Die Ur-Punks wußten damit als „Straßenköter“ zu provozieren. Geradezu konsequent haben Gruftis auch dieses Accessoire in edlerer Variante in ihre Outfits übernommen. Heute reicht es wenigstens zur Irritation der bunten Massen, assoziieren sie zwar damit aufregenden Sex und nicht mehr das kläffende Haustier….
Hat man mit einer solchen Schlagzeile in den 80ern wirklich Ausmerksamkeit erregen können? Zumindest außerhalb eines Jugendmagazins vermutlich nicht…
Besonders putzig finde ich wie dann über den gesamten Beitrag die schlüpfrige Erwartungshaltung Stück für Stück demontiert wird – gelangweilter auf den Photos aussehen könnten sie kaum, ganz zu schweigen von den Sandalen die quasi die Antithese zu Sex sind.
Vielleicht sollten wir eher darüber diskutieren ob „Stripped“ damals in Berlin wirklich live eingesungen wurde oder nicht ;) Ansonsten bliebe nur die Erkenntnis dass die Bravo es in einem Artikel über ein neues Album geschafft Name der Band wie des Albums falsch zu schreiben… Hurra ;)