Das Leben überholt einen ja manchmal so ein bisschen. Meines zog die letzten Wochen hektisch winkend an mir vorbei. Beim Versuch irgendwie Schritt zu halten, hatte ich keine Zeit zu bemerken, dass es schon Mitte April und das WGT damit keine zwei Monate mehr entfernt ist. Trotz der vielen Vorzeichen. Die WGT-Facebook-Gruppe nimmt rund zwei Monate vor dem Treffen wieder Fahrt auf. Einige Spätentschiedene beginnen noch nach einer preiswerten Unterkunft zu suchen. Die nächsten wenden sich den ersten Detailfragen zu und dass es nicht mehr all zu lange hin ist, merkt man spätestens dann, wenn Bilder der aktuellen WGT-Karten gepostet werden. Die nächste Folge des WGT-Countdowns ist daher lange überfällig. Nur noch 55 Tage!
Das Jahr 2004 mag schon 15 Jahre her sein, aber manche Dinge ändern sich nie: Nicht die langen Schlangen an der Bändchenausgabe, nicht die überfüllten Bahnen und auch nicht die vollgestopften Autos der Camper. Nur muss irgendwie der (Techno)Industrial Fahrt aufgenommen und sich zunehmender Beliebtheit erfreut haben. Ebenso wie der Symphonic Gothic Metal. Amduscia und After Forever aus deren Konzerten kurze Einspieler gezeigt werden, stehen exemplarisch bereit und für mich für eine ganze Generation von Junggruftis, die Mitte der 00er Jahre heranwuchs. Zumindest in meiner Wahrnehmung. Damals schien man sich entscheiden zu müssen, war man der coole Clubgänger im Industrialstyle oder der entfesselte Grufti, der bei Gothic Metal Konzerten sein Inneres zu befreien suchte. Seltsame Mischung auf jeden Fall. Oder ganz natürliche Gegensätze? Oder Ergänzungen? Auf jeden Fall etwas an das ich mich unweigerlich erinnern muss, denke ich an die mittleren und späten 00er Jahre.
Seltsam in dieser Folge auch die Interviews. Wenig informativ oder tiefblickend wie im Video aus dem Jahr 2002. Zwar kommen Künstler zu Wort, die Beiträge bleiben im Vergleich aber recht oberflächlich. Auch die Interkation mit Nicht-WGT Besuchern sorgt hier mehr für Irritation, als für interessiert aufgestellte Ohren. Ob hier substanzielle Ideen fehlten, oder die Sonne einfach nur albern gemacht hatte, irgendwie scheint man ganz tief in die Klischee-Kiste gegriffen zu haben. So fragt der Interviewer einen Besucher des Treffens:
I: „Findet ihr das wichtige am WGT ist, dass man einfach auch ein bisschen Spaß hat, oder seid ihr eigentlich ganz depressiv?“
B: „Ein normaler Grufti müsste depressiv sein, aber das ganze Ding an dem Treffen ist, dass alle zusammen Spaß haben sollten“
I: „Ja und vor allem wo steht, dass wir depressiv sind?“
B: „Das steh nirgendswo, aber viele tun so als ob“
I: „Aber wir sind es doch gar nicht, wir sind total lustig, oder?“
Das Spielen mit Klischees war immer schon ein Teil der Szene. Von so ausgereift, dass man nicht weiß, ob es sich um eine gelungene Persiflage handelt oder doch todernst gemeint ist, bis zu so karikativ, dass es eigentlich Beifall erfordert. Wie auch immer, Klischees haben immer einen Ursprung und enden meistens in einem verallgemeinernden und überzeichneten Bild. Auf jeden Fall halten sie sich hartnäckig.