Mozart, Sänger der 1991 gegründeten Band „Umbra et Imago„, öffnet 1997 für die Fernsehsendung „Peep!“ ein Stückchen seine Schlafzimmertür. Dahinter geht es offenbar ein bisschen härter zu, für ihn liegen Gothic und BDSM sowieso ganz dicht beisammen, denn „eine Untergrundbewegung wie die Gothic-Szene ist ja von ihrem Verhalten und Output her sehr krass […] da muss auch eine spezielle Sexualität da sein.“
Für Mozart, also den aus Karlsruhe der eigentlich Peter Munz heißt, ist Sigmund Freud ein Held, denn bei dem dreht sich auch alles um Sex. Umbra et Imago haben sich in der Folge dazu berufen gefühlt, Sigmunds Lustprinzip um die Musik zu bereichern. Auf ihrer Internetseite erläutern sie dem Neugierigen den Zusammenhang: „Sex und Musik, so sagt Mozart, seien die beiden einzigen Erfahrungen, die den Menschen den Kosmos spüren lassen – und mit Kosmos meint Mozart eigentlich Gott. Gott, das allumfassende Kunstwerk des Universums.“
Zurück zur Sendung, die damals bei RTL2 gelaufen ist. So ganz möchte der Mozart die Schlafzimmertür nicht aufmachen, offenbar befürchtet er, die Beobachter würden schreiend davonlaufen, anstatt ihm auf der Bühne Lustgeschwängert zu huldigen. Das ist mir aber auch einer, dieser Mozart!
So sah sich die Band damals tatsächlich mit dem Problem konfrontiert, das man ihre Konzerte und Shows erst ab 18 Jahren zugänglich machen wollte. Für ihn eine Form von Doppelmoral, wie er auch in einem Interview mit dem Terrorverlag 2004 einräumt: „Wenn die Medien zwischen zwei Dingen, nämlich Sex und Gewalt, zensieren müssten und sie hätten die Wahl, würden sie den Sex zensieren! Was für ein Schwachsinn, aber das ist die Realität!“
Tatsache ist, Mitte der 90er boomt der SM-Style in der Szene. Lack und Leder sind auf dem Vormarsch und diktieren den Dresscode. Auch Accessoires und Verhaltensweisen werden schamlos kopiert, so finden sich Ende der 90er zahlreiche Frauen und Männer mit Halsband und Hundeleine in der Szene, werden durch Discotheken geschleift und auf Festivals entführt, um dort möglichst devot zu erscheinen. Heute finden sich Pferde, Latexsklaven, Gasmasken-Gruftis und Fetisch-Lolitas auf nahezu jedem Event der Szene, „Szenemagazine“ gleichen Pornoheftchen mit Fetisch-Kalender-Beilage und scheinen damit auszudrücken: Gothic = Fetisch = BDSM
Zahlreiche Bands bedienen seit den 90ern das Klischee, dass sich Gothics, die sich mit Kleidung aus dem Fetisch-Bereich schmücken, auch sexuell in dieser Richtung austoben würden. Alle voran Umbra et Imago oder auch Die Form, die ursprünglich aus Frankreich stammen.
Für mich ist es fraglich, wie viel vom Klischee wirklich hinter den Schlafzimmertüren der Gruftis zu finden ist. Dass „krasses Aussehen“ auch eine „krasse Sexualität“ spiegeln, ist wohl so ein gesellschaftliches Ding. Der Mensch ist es eben gewohnt, sein Gegenüber nach dem Äußeren zu beurteilen und ihn in eine seiner Schubladen zu stecken. Ist ja auch viel einfacher. Leider bedienen Menschen wie Mozart genau dieses Klischee und setzen ihre persönlichen Neigungen mit denen einer ganzen Szene gleich.
Ganz unschuldig ist die Szene natürlich auch nicht an diesem Umstand. Sie nach außen hin „krass“ zu präsentieren und sein Umfeld mit Tabubrüchen und Extremen zu verschrecken, ist den Gruftis schließlich in die Wiege gelegt.
Wizard of Goth – sanft, diplomatisch, optimistisch! Der perfekte Moderator. Außerdem großer “Depeche Mode”-Fan und überzeugter Pikes-Träger. Beschäftigt sich eigentlich mit allen Facetten der schwarzen Szene, mögen sie auch noch so absurd erscheinen. Er interessiert sich für allen Formen von Jugend- und Subkultur. Heiße Eisen sind seine Leidenschaft und als Ideen-Finder hat er immer neue Sachen im Kopf.
Mozart ist ein Urgestein der Szene! Wer mehr wissen möchte, führe sich dieses tolle Interview zu Gemüte: https://www.youtube.com/watch?v=Bf5XYVThO40&t=515s
Und wer wissen möchte, was Konzertfeeling in den frühen 90ern bedeutete: https://www.youtube.com/watch?v=EDZsvsoehds&list=LLtDKvLOWPh5Dm1SQsh3qayw&index=54&t=1675s
Danke dafür und ja, ich würde mich gern wieder zurückbeamen :sad:
Es ist ja schön für Mozart und seine Leute, dass sie das so für sich ausleben, aber er sollte sich doch ein bisschen zurück halten mit Pauschalisierungen über die Szene, dass es angeblich dazugehören würde, sich auch sexuell extrem auszuleben, nur weil man einen nicht ganz alltäglichen Style mag und hat.
Diese „krasse“ Sexualisierung der Schwarzen Szene durch Unterwanderung der BSDM-Szene hat mich schon seit Anfang der 90er zunehmend genervt. Und das nicht, weil ich prüde wäre, sondern weil es für mich schlicht und einfach nicht zusammenpasst. Für mich bedeutet Goth sein nicht, zu provozieren oder das Extreme zu leben (in welchem Lebensbereich auch immer), sondern das eher in-sich-gekehrt-Sein, der Rückzug in angenehme Bereiche, ob ästhetischer, romantischer, melancholischer oder auch kreativer Weise. Ästhetik und Gefühl bedeuten mir sehr viel, da passt eine auf Schmerz, Erniedrigung und andere Extreme ausgerichtete Sexualität nicht wirklich.
Ich denke auch nicht, dass es typisch für Gothics ist, sich in dieser Sparte der Sexualität zu tummeln. Die Szene dürfte auch hier einen Querschnitt der Bevölkerung spiegeln und ich kann mir auch schwer vorstellen, dass es so vielen ein Bedürfnis sein soll, ihre sexuellen Vorlieben plakativ nach außen zu tragen. Es gab zwar schon immer Leute in der Szene, die gerne provozierten, sei es durch Style oder Betragen, aber die breite Masse der Gruftis wünscht sich eher, in Ruhe gelassen zu werden und vermeidet es daher, anzuecken oder bewusst zu schocken.
Mich nervt diese pornoeske visuelle Außendarstellung der Szene durch Magazine auch extrem, vermutlich ist dies einfach dem Fakt geschuldet, dass man so deutlich mehr Auflagen erzielen kann: „Sex sells“. Früher wurden Gruftis als Satanisten abgestempelt, heute sind wir angeblich alle sexuelle Exoten. Beide Klischees sind in der Pauschalisierung falsch und dämlich, aber leider lässt sich mit Klischees immer mehr Aufmerksamkeit erzielen als mit der Ausräumung von Vorurteilen.
Also auch wenn das hier schon zwei Jahre alt ist und vermutlich gar nicht gelesen wird was ich hier sagen möchte.
Für mich war und ist die Szene so besonders wegen dem gemeinsamen Kern den wir alle teilen auf der einen Seite und die Vielfältigkeit auf der anderen Seite. Jeder kann sich für sich das annehmen was er möchte. Jemand steht auf BDSM…….Okey! Ein anderer schreibt auf Friedhöfe Gedichte oder malt……Okey!! Uns eint das die beiden zusammen an einem Tisch sitzen; Gedanken teilen….
Hier wird alles gelesen :-)
Mit dem gemeinsamen Kern hast du selbstverständlich recht, auch das um die Kern die Facetten zahlreich und individuell sind. Leider kommen durch das Außenbild der Szene seit Jahren Leute dazu, die nichts mit dem gemeinsamen Kern zu tun haben und einfach nur individuell sind.
Wenn also nur noch BDSM da sind und keinerlei Verbindung zum besagten Kern, ist die Szene dann NUR noch Vielfältig?
Ich denke das die Szene durch junge Leute zerfleddert wird die noch letzte Woche HipHop gehört haben, zwei Bands kennen (oder zumindest davon gehört haben) und dann in ihrem persönlichen Umfeld mit der Szene rum posen. Dabei werden neue Begriffe erfunden um den Anschein zu wahren und meine persönliche Horrorvorstellung ist das unsere Szene so Artenreich ist wie beim Metal ^^
Ich hoffe ich konnte Deine Frage so halbwegs beantworten…..
Weil ich muss zugeben Deine Frage nicht so ganz gepeilt zu haben ^^
Mozarts Aussage, „Grufties bemerken, wenn sie jemand auf der Bühne vera****t und nur für 300 Mark eine Show abziehe“, ist auch amüsant, wenn man diese Aussage mal auf die heutige Zeit überträgt. Vor allem, was den Mainstream der „Gothic“-Szene betrifft. ;)
Auch ich gehöre nicht zur BDSM-Fraktion, trotzdem spiegeln Umbra Et Imago eine Facette der Szene wieder. Und nicht den Kontext vergessen, diese paar Sätze sprach er vor 22 Jahren.
Ich würde Abstand davon nehmen, einen NDH-Rocker, der meint, er hätte mit seinen Kumpels Gothic auf Ibiza erfunden, als Autorität für irgendetwas heranzuziehen.
Zum Thema generell: Auf rein INHALTLICHER Ebene ist ein gewisser Zusammenhang keineswegs völlig abwegig. Zumindest wenn man Gothic weiter denkt als auf die heutige Subkultur bezogen. In der Literatur der schwarzen Romantik spielen diverse sexuelle Perversionen nämlich durchaus eine Rolle.
Die Gothic-SUBKULTUR hat aus rein szenestruktureller Sicht mit BDSM hingegen nichts zu schaffen (was natürlich keineswegs heißt, dass es nicht auch Leute gibt, die beides machen). Zumal es ohnehin ein Unsinn ist, BDSM als Subkultur zu kategorisieren.
@ Yorick: Soweit ich es sehe hat hier niemand BDSM als Subkultur bezeichnet, doch jetzt wo Du es sagst: Es mag die einen oder anderen Menschen geben, die dieses Thema durchaus so lebensbeherrschend ausleben, daß der Begriff laut Wikipedia doch schon seine Anwendung finden könnte, zahlenmäßig vielleicht eher als Subkultürchen, doch tendiere ich zu der Meinung, daß es ungleich mehr BDSMler gibt, als Gothics. Doch zurück zum Thema: Wer so salopp urteilt, sollte nicht über Halbwissen verfügen: Umbra Et Imago haben 2 Dark Wave Alben veröffentlicht.
Mozart war damals schon eher albern (also in der Aussendarstellung) ….so ne alberne Show auf dem Zillo und so. „Infantile Spiele“ hatte mein damaliger Kollege einfach mal so aus dem lameng gekauft… „ich liebe deine Möse“ ok..heisse Geschichte..aber heute bestimmt nicht mehr. Damals hatte auch die Aufbrechung gewisser Tabus ja auch einen gewissen Sinn..im Kontext zur damaligen Gesellschaft (Invincible Spirit- Can Sex Be Sin)…aber trotzdem waren Umbra Et Imago musikalisch auch nie so meins (2 Songs fand ich ganz gut).
Lack und Leder gab es schon früher. Vivienne Westwood hatte schon früher bei ihren Kollektionen mit dem BDSM-Look gespielt. Das zieht sich also schon seit Mitte/Ende der 1970er so durch die Szenen (Punk/Gothic). Es ist somit letztendlich auch ein
@Tanzfledermaus: Bin da ganz bei dir. Diese übertriebene Sexualisierung in/durch/mit der Szene ist entsetzlich. Das hat auch nichts mit Prüderie zu tun, sondern das ich nicht von jedem seine Genitalien, sekundären Geschlechtsteile und sexuelle Vorlieben um die Ohren und Augen geknallt haben möchte. Hallo Privatsphäre! Fängt mit diesen extremen BDSM-Looks an, geht über die superknappen Minikleider in Szene-Shops weiter, bis hin zu den immer-super-sexy-dauermegagestylten-Instagram-Gothic-Models.
Man kann sich ab und an zum „Sexobjekt“ machen, das tut manchmal der Seele oder dem Ego gut. Wenn man aber seine ganze Aufmerksamkeit und Anerkennung nur noch über so ein Verhalten bezieht, weil man keine anderen Möglichkeiten hat/kennt, dann ist das durchaus ein Problem.
Ich finde es interessant, daß es soviele Ähnlichkeiten in der Entwicklungsgeschichte der Bands Umbra Et Imago und Lacrimosa gibt: Beide von Anfang an dabei, beide starten mit Dark Wave und entwickeln sich hin zu NDH, beide haben eine sehr große Fanbase am südamerikanischen Kontinent. Ich persönlich finde NDH ja furchtbar, aber bei beiden Bands sind die ersten 2 Alben ein Muß für Nostalgiker & Dark Wave -Fans. Der Tilo war ja in den frühen 90ern der „Paradegrufti“, den alle Goth-Mädels heiß fanden :wink: Und eines muß auch mal gesagt werden: So negativ, wie das heute gesehen wird, fand damals das zunehmende Aufkommen von Lack & Co. in der Szene niemand, im Gegenteil, jeder wollte plötzlich ne hautenge, schwarze Lackhose haben.
@ Blue Lotus: Umbra et Imago und Lacrimosa von den (Szene-)Anfängen an dabei? Da muss ich aber mehr als hülsteln. Die sind doch erst gegen Anfang der 90er aufgetaucht, in der „zweiten Generation“, da existierte die Szene schon längst einige Jährchen ;-)
@Tanzfledermaus: Ja, sorry, da hast natürlich recht, meinte die 90er Goths, hätt ich präzisieren sollen!
Ich weiß nicht, was es bringt, sich über einen Kommentar aufzuregen, der vor (!) 22 Jahren geäußert wurde. Mir ist nicht bekannt, dass die sogenannte Gothic-Szene sich jemals gegen solche und ähnliche Pauschaläußerungen und die heimliche Unterwanderung durch die BDSM-, Fetisch-, Metal-, Schlager- und Technoszene mit aller Deutlichkeit gewehrt hat. Alles wurde stillschweigend und demutsvoll hingenommen. Mit dem Ergebnis, dass der ursprüngliche „Gothic“ nicht mehr existiert und in der derzeitigen Öffentlichkeit nur noch als Witzfigur wahrgenommen wird.
@Eldin
Mit dem Hinweis auf das Alter des Kommentars hast Du natürlich recht, allerdings geistert sowas ja heutzutage immer noch im Internet herum und nicht jeder, der sich sowas anschaut, hinterfragt die Gültigkeit einer solchen Aussage. Und da auch heute immer noch in „Szene“-Magazinen und auf vielen Veranstaltungen/Konzertbühnen die Aussage „Sex sells“ deutlich präsent ist, ist das Thema nach wie vor aktuell.
Die Schwarze Szene hat nicht immer alles stillschweigend hingenommen, was sie unterwandern wollte. Ich erinnere mich da an Kampagnen wie „Gruftis gegen rechts“ und „Haltet die Szene sauber“ gegen Cyber-„Gothics“
ich bin mir nicht sicher, ob der Peter Mozart wirklich die gesamte Gothicszene geschädigt hat. In amerikanischen Gothicgruppen geht es nur noch um das posten von halbnackten meddälchicks, die band umbra et imago kennt aber niemand. Ich gebe zu, in meinen Teenie-tagen, fand ich den Mozart klasse, hatte aber kaum Hintergrundinfos. Damals hatte ich auch nicht den Eindruck, die Gothicszene sei meddälverseucht. Umbra und Lacrimosa waren die einzigen mir bekannten Bands, die meddäl Elemente verwendeten… da fällt mir ein, LAIBACH hatten auch mal so ne „ämerican industrial meddäl“ Phase. Mir gefielen die neueren UMBRA CDs damals nicht so gut. Die ersten Sachen- natürlich auch die Demokasette, fand ich hingegen ziemlich obskur im positiven Sinn. Auch die ersten Lacrimosa waren doch eigentlich klasse. Beide Bands verfolgten einen eigenen Ansatz. Bedauerlich- das beide Bands sich dem meddältrend anschlossen. Das funktionierte bei beiden Bands überhaupt nicht. In den folgenden Jahren, entwickelte ich eine immense Abneigung gegen populäre meddälmusik, beobachtete UMBRA dennoch, denn, sind ja fasst Nachbarn. Ich hatte immer die Hoffnung, das die Band irgendwann -back to the dark roots- geht. Mit den BDSM Bezügen habe ich überhaupt keine Probleme, fand dieses BDSM -Image sogar gut, weil die europäische Gothicszene damals so einen Hauch von Prüderie verbreitete. Mein Ansatz von Gothic sind bekanntlich keine barocken Herrschaften, die sich in ihren edlen Gewändern nicht mal auf einer Holzbank ausruhen können, sondern wilde obskure Leidenschaft. Von daher, war mir das wilde und provokative Umbra Image lieber, als dunkle Barbies, die ihren Schwarztee aus Porzelan nippen. :D
@Robert:
Ich denke unsere Prioritäten sind da einfach unterschiedlich gesetzt. Für mich ist der inhaltliche bzw. ‚literarische‘, wie du es nennst, Teil eben die Hauptsache. Die Szene als Szene ist hingegen nicht mehr meine Angelegenheit und sei jenen überlassen, die sich für sie zuständig wähnen.
Zu dem eher distanziert- zugeknöpften Habitus der Waver hat diese SM- Welle damals gar nicht gepasst.
Aber sie hat sie, wie viele andere Einflüsse später auch, wahrscheinlich am Leben erhalten.
Ich erinnere mich noch gut an eines der allerersten Umbra- Konzerte, zu welchem Mozart nur eine durchsichtige Strumpfhose trug. Prüde, wie ich war, konnte ich das überhaupt nicht ab und bin wohl mitten im Konzert gegangen. Aber auch, weil das alles so gar nichts mehr mit seiner ersten Band, The Electric Avantgarde, zu tun hatte.
Es gab ja neben Umbra Et Imago Anfang der 90er auch bspw. Die Form…und „Bite Of God“ war ja auch ein ziemlicher Disco-Song seinerzeit…nur zum Thema BDSM. Die Form..Phillipe Fichot…und das ist ne Band die 1977 gegründet wurde und sehr viel Anerkennung innerhalb der frühen Szene geniesst. Passt schon irgendwie…wenn auch nicht absolut…natürlich nicht! Aber in meiner Wahrnehmung hat sich das deshalb so entwickelt..weil sich die „Szene“ damals in eine reine Disco-Kultur etabliert hat..und da lief so was ja auch (Ich mag Die Form). Jedenfalls nicht mehr das gemeinsame Abhängen. Hat vielleicht auch etwas damit zu tun. Wer will sich schon mit Latex in den Stadtpark oder vielleicht Friedhof setzen?
Schöner Kontrast jedenfalls, kann ich mir fotografisch gut vorstellen. Aber eben nicht als „Gothic,“ sondern meinetwegen für ein Fetisch-Magazin oder einfach nur, weil es sich so krass aussieht. Unser Spielplatz sind Rüschen und Pikes :D
Nachtrag:
…angenommen, man würde dies in einer netten Runde bei Espresso, Tee und Gebäck diskutieren, angenommen-
so würde ich folgendes zu bedenken geben:
„Umbras Mozart- der NDH Rocker – irrelevant für Grufties?“
Dazu die Bemerkung, es hat sich bestimmt herumgesprochen, wie ich über NDH denke (nix gutes^^).
Doch bedenke man, der Bandgründer entstammt der alten Waveszene.
Auch Sopor Aeternus machen streng genommen keine Gothicmusik…
Interessant wird es dadurch, das es eben Waver/Grufties sind, die hier musikalische Experimente wagen.
Unabhängig davon, das ich nichts als Schmähreden für NDH übrig habe, würde ich Musikprojekte die keine typische Gothenmusik fabrizieren, aber von Grufties gegründet wurden,
dennoch als „gehört im Laden doch irgendwie ins Gothicregal“ bezeichnen.
Streng genommen, müssten wir dann Herr Sprisslers „meddäl n Fashion Gothic Magazin“ ebenso infrage stellen, als auch Goethes Erben, Wolfsheim, Deine Lakeien, Lacrimosa etc.
Warum man mir in Gothicforen mit etwas wie „rammmstein“ auf den Zeiger geht, werde ich ohnehin nie verstehen und hinterfragen. Solange man nerviges sackpfeiffenggedudel und ordinären tekkno pop als szenerelevant feiert, können wir uns tatsächlich darüber erdreisten, warum Umbras Mozart mit „meddäl“ und plakativen BDSM experimentiert / provoziert?
Wo beginnt Gothenmusil wo hört sie auf. Ist es noch Gothenmusik wenn die Inhaber des Musikprojektes zwar der Gothenszene entstammen aber musikalisch einen anderen Weg einschlagen wöllten? oder- ist es Gothenmusi wenn die Inhaber zwar nach bauhaus klingen wollen aber kurzhaarige bärtige Hippster sind, die weiße Turnschuhe und Nikehemden tragen? hmmmm das ist schon schwierig, gell.
Es wurde in einem Kommentar eingeworfen, Umbra hätten die Szene geschädigt. Dies führt mich zu der Frage, wer den Weg dafür bereitet hat, das Gothic seit über einem Jahrzehnt zu einem reinen Kunstprodukt verkommen ist und „Kunstprodukt“ ist hier als negativ als „unecht, gekünstelt, aufgesetzt, unglaubwürdig“ zu verstehen.
Mozart aus München? Oder doch eher gewisse biedere gekünstelte „angebliche Fachzeitschriften“ und gehypte Bands, die vor langer Zeit ununterbrochen auf viva2 liefen?
Der 08/15 Gothicboy (oder Girl) der damaligen Zeit hörte keinen GothicRock oder Darkwavemusik.
Man hörte meddäl, tekkno-pop, sackpfeiffengedudel, pseudointellektuelle Klaviermusik und bestellte sich ganz coole outfits bei XtrX oder wie die hießen.
Umbra et Imago waren damals verpönt. Zurecht, ja, aber im selben wurde irgendein musikalischer Sondermüll von unglaubwürdigen Barbies und neureichen Studenten abgefeiert, die zudem nicht einmal einen Gothic oder Wave Hintergrund hatten.
Solange man auf einem Gothic und Wave Festival mit subway to sally und chart-bläck meddäl und sonstigem 08/15 Gedudel belästigt wird, sollte man es sich überlegen, ob man eine Band wie Umbra vorschnell verurteilt.
–
….der Gedanke, das eine angeblich „düstere Szene“ etwas wie : BEISPIEL : subway to sally oder ein „meddäl n fashion Heft“ namens Gothic stillschweigend akzeptiert, aber über Peters Umbra nörgelt, ist schon irgendwie erheiternd.
BlueLotus: Mozart ein „Urgestein der Szene“? Welcher Szene – der Bondage, Lack- und Leder, Fetisch-Szene? Die entstand bereits in den 1970er Jahren in den Darkrooms und Clubs homosexueller Subkultur in Städten wie New York, Detroit, Chicago und San Francisco. Um dann in den 1980er Jahren als modischer Chic, expressionistische Ausdrucksform und nicht zuletzt als endgültiger Schrei nach ultimativer sexueller Befreiung und Sprengung gesellschaftlicher, auch nach der sexuellen Revolution der 60er und 70er Jahre noch vorhandenen Normen und Konventionen als Schockmittel ans Tageslicht gezerrt zu werden. Mozart hat im besten Fall diesen Trend in den 90ern neu aufgegossen, in der schwarzen Szene salonfähig gemacht und vermarktet. Ob das ein Verdienst ist und ob ihn das zur Ikone der schwarzen Szene macht, sei mal dahin gestellt.
Als Umbra et Imago Anfang der 90er auftauchten, war das, was hinlänglich als schwarze Szene bekannt geworden war längst tot. Populär wurden Bands wie Umbra et Imago und Plastic Noise Experience, weil die zeitgleich auftauchende „Zillo“ sie zusammen mit weiteren, neuen deutschen Bands wie Das Ich und Goethes Erben maßlos – und meiner Meinung nach vollkommen unbegründet – hypte und überhaupt erstmals flächendeckend bundesweit bekannt machen konnte. Mit der Qualität der Musik dieser Bands hatte das wenig bis gar nichts zu tun: Die „Zillo“, tatsächlich ein Underground-Magazin, aus dem Nichts erschienen und Rainer „Easy“ Ettlers stetes Sorgenkind, mußte alle vier Wochen neues Lesefutter abliefern um zu leben und zu überleben, mit einem winzigen Budget, viel Idealismus und Eigeninitiative. Und wenn alte Szenegrößen wie Robert Smith, Siouxsie Sioux, Peter Murphy, Carl McCoy und so viele andere in UK und USA aus Kostengründen nicht greifbar waren oder nichts neues zu berichten hatten, schnappte man sich eben die Nachwuchs“talente“ vor der eigenen Haustür und machte diese zu Hauptdarstellern.
Angesichts gefesselter, nackter Frauen auf der Bühne bei Auftritten von Umbra et Imago und einem Darsteller, der sich ganz ernsthaft, intellektuell und elitär als „Mozart“ bezeichnete, konnte ich damals nur noch fassungslos den Kopf schütteln. Und eben das ist es, was meiner Meinung nach der ursprünglichen schwarzen Szene ab den 1990ern letztlich das Genick gebrochen hat:
Grundloser Kult und Personenkult um zweit- und drittklassige deutsche „Nachwuchsbands“ und ihre vermeintlichen „Stars“, peinliche bis lächerliche Inszenierungen und Selbstdarstellungen vieler Beteiligter, ob nun Bandmitglied oder Fußvolk, die Zurschaustellung und Zelebrierung all des Schwachsinns, den uns die Boulevardpresse ein Jahrzehnt lang nachgesagt hatte: Vampirkult, Barockverkleidungen inklusive silbernem Gehstock, Mystizismus, Okkultismus, vor allem Sexualisierung mit Propagierung von grenzenlosem Hedonismus, letztere gerade von Umbra et Imago propagiert und plakativ zur Schau getragen. Ich hatte Anfang der 90er verstärkt den Eindruck, daß nicht vorhandenes Talent ganz einfach durch Selbstinszenierung ersetzt wurde. Und für mich damals fast noch unglaublicher: Die ständig nach neuem Input gierende Masse, die sich für schwarz hielt, schluckte das ganz brav und artig und feierte die diktierte „neue deutsche Todeskunst“ als Szene-Weiterentwicklung – bizarr.
Sorry, aber da war der Ofen für mich endgültig kalt geworden und die Pikes verschwanden 1991 nach sechs, sieben Jahren im Schrank. Die schwarze Szene, die ich in den 80ern gekannt hatte, war tot. Der Fremdschämfaktor war mir zu groß geworden und sollte noch größer werden. Und das was du als „Urgestein der Szene“ bezeichnest, war für mich einer ihrer ersten Leichenfledderer, die auftauchten, um Kasse zu machen.
@Markus: Natürlich..was die Wahrnehmung von Umbra Et Imago damals betrifft…ja stimmt..fand ich damals auch ziemlich billig in Bezug auf Bühnenshow und manche Texte. Musikalisch fand ich es jetzt tatsächlich auch nicht so besonders gut (ich glaub 2 Songs mochte ich aber). Aber dass die schwarze Szene damals tot war stimmt jetzt auch nicht so ganz. In gewisser Weise nahm sie nämlich dann erst richtig Fahrt auf…und Bands wie Cancer Barrack, The Merry Thoughts, Love Like Blood, Catastrophe Ballet, Still Patient, Escape With Romeo, The Eternal Afflict, Placebo Effect, Blessing In Disguise, Madre Del Vizio und und und kann ich nun wirklich nicht als zweit oder drittklassig bezeichnen. Gut..mit Goethes Erben konnt ich jetzt auch nix musikalisch anfangen und ich hab es jetzt auch nicht so mit Poesie/Lyrik, aber irgendwie gehörten die für mich auch noch dazu. Sicherlich hatte man manchmal bei der Zillo den Eindruck das diese oder jene Band mehr Beachtung erfährt oder über den grünen Klee gelobt wird, aber prinzipiell konnte man sich immer noch über den Underground informieren und das nicht nur auf nationaler Ebene. Der Cut kam für mich dann erst Mitte der 90er, als cheesy Metal und komischer Techno Einzug hielten und man nur noch ein verändertes Bild vorfand.
Ich frage mich allerdings, ob uns diese Spur „Boulevard“ mit ihren nachgesagten Klischees nicht einen Gefallen getan hat, versprühte doch besagter Vampirkult, Mystizismus und Okkultismus eine gewisse Form des Inhalts, an dem es in der Szene in den späten 80ern möglicherweise gemangelt hat. Nur eine These :) außerdem hatte ich den Eindruck, dass die Welt in 90ern sowieso in diesen Themen versunken ist, gerade hinsichtlich einiger unschöner Vorfälle in diesem Jahrzehnt.
Das scheint um sich zu greifen mit der darstellenden Sexualität. Mozarts Ex-Weggefährte und Gründungsmitglied von Umbra et Imago, Gillian, der ja auch DJ ist und in der schwarzen Szene Musik macht und Veranstaltungen organisiert, macht mittlerweile viele SM/BDSM Abende und alles was damit zu tun hat, aber da wird Techno/Trance gespielt wenn ich richtig informiert bin?? Ich wohne im Raum Karlsruhe und kriege es da immer mehr mit wenn „Kinky“ Abende sind. Ich habe mir nichts dabei gedacht und bin ihm auf Instagram gefolgt, aber musste ihn entfolgen weil ich keine Bilder sehen wollte von verhauenen, verletzten Körperteilen.. ganz happy das intimste geteilt.. och nööö. Ich fand ihn als DJ immer super, aber mit der ganzen SM-Szene und Techno kann und will ich nichts anfangen.
@Markus: Jedem seine Meinung, ich sehe es auch wie The Drowning Man, daß es erst seit Mitte der 90er mit der Gothicszene bergab ging – meine Pikes werden trotzdem nie im Schrank verschwinden, da mein Gothic-Lebensgefühl nicht auf neue Bands angewiesen ist ;)
Das sehe ich auch so, aber nichtsdestotrotz gab es in den letzten Jahren wieder eine erstaunliche Anzahl an neuen Bands, die verdammt gut sind und sich sehr an den frühen Wurzeln interessieren. Ich hätte nicht gedacht, dass da nochmal so eine immense Frischzellenkur kommen würde.
Es begann mit dem Postpunk-Revival vor ein paar Jahren und inzwischen sind auch Coldwave, Darkwave, Gitarrenwave, Gothrock und Shoegaze wieder ziemlich angesagt, selbst bei sehr jungen Bands.
Beispiele aus diesem Jahrzehnt: Whispering Sons, Undertheskin, Holygram, The KVB, Ascetic:, Bleib Modern, The Foreign Resort, Last Leaf Down, Box and the Twins, Hante., Traitrs, Principe Valiente, Double Echo, Geometric Vision, Drab Majesty, Hapax, Ritual Howls, Lea Porcelain, INVSN, Blacklist, La Scaltra, Lapis Exilis, Pleasure Symbols, Silent Runners, Soror Dolorosa, Tempers, Ulterior, Winter Severity Index…
(Es ist kein Zufall, dass viele davon in den letzten drei Jahren beim WGT vertreten waren, denn da ich mir, seit ich ab 2017 wieder hingefahren bin, im Vorfeld alle mir unbekannten Bands vorher online probeweise anhöre, habe ich viele neue Bands für mich entdeckt).