Die Tage, an denen Leipzig in eine schwarze Grufti-Hochburg verwandelt wird, stehen unmittelbar bevor. Das Eintrittskartendesign ist hübsch, aber nicht mehr so bedeutungsschwanger wie in den letzten Jahren. Auch die kryptischen Botschaften zu den seit Wochen eingehenden E-Mails mit den teilnehmenden Bands ist ausgeblieben. Eine schöne, wenn auch ungewohnte Erholung für den moralischen Zeigefinger. In den Foren und Communitys streitet man sich über angemessene Stylings, unpassende Bands und meckert über neue Veranstaltungsorte. Selbst die Internetpräsenz des Wave-Gotik-Treffens hat einen neuen und zeitgemäße Anstrich erhalten.
Zeit für ein paar zeitgeschichtliche Fetzen, die vielleicht das Warten auf die dunklen Tage ein wenig düsterer machen. 1997 erwartete man rund 5000 (es sollten übrigens 6.000 Besucher werden) Gruftis zum 6. Wave-Gotik-Treffen. Die Dresdner Morgenpost titelte: „Die Schwarzen erobern Leipzig“, was sich in den folgenden Jahren auch nicht mehr ändern sollte, bis auf stetig steigende Besuchserzahlen. Was sich allerdings geändert hatte, war der Name des Festivals, dass seit 1996 dem neuen Namen „Wave-Gotik-Treffen“ in Erscheinung tritt. „Der Michel“ erklärte dazu im Mai 1997: „Der Wechsel des Treffen-Namens von „Wave-Gothic“ (womit die Musik assoziiert wird) hin zu „Wave-Gotik“ als (Bezugnahme zu Ambiente und Lebenskultur der Szene) macht den inhaltlichen und nicht nur musikalischen Schwerpunkt deutlich.“ Damals hielt Michael Brunner noch die Fäden des Treffens in seiner Hand und residierte mit seinem Unternehmen „Sol et Luna“ im Werk II. Wieviele Dinge sich doch geändert haben.
Skandale – je nach Betrachtungsweise mal größere und mal kleinere – gab es allerdings immer schon. 1997 echauffierte man sich über die Band „Silke Bischoff“, schließlich war das namensgebende Geiseldrama von Gladbeck am 16. August 1988 noch immer im Gedächtnis vieler Menschen. Während der Stand des Magazins „Sigill“ zunächst ohne sonderliche Beachtung auskommen muss. 1998 sorgten die „Geister-Bremen“ mit ihrer Broschüre „Die Geister die ich rief…“ allerdings für eine Trendwende, denn sie sprechen an, was viele innerhalb der Szene bereits seit Jahren stört. Die Einflüsse von „rechts“. So heißt es in der Broschüre: „Gerade weil wir wissen, daß es Quatsch ist, die ganze schwarze Szene als rechts abzustempeln, halten wir es für unabdingbar, sich klar von rechten Strömungen, Bands, Zeitungen und Labels abzugrenzen. Rechtsradikale Bestrebungen innerhalb unserer vielfältigen Sub-Kultur dürfen genauso wenig wie in Politik und Gesellschaft geduldet werden. Wir wollen das Schweigen brechen!“ Im April 1999 dann der Amoklauf in Littleton, bei dem die Täter angeblich der schwarzen Szene angehören und der kurz vor dem 8. WGT wieder die Gemüter und die Diskussion erhitzt. Die Welt schreibt im Mai 1999: „Seitdem befürchtet eine besorgte Öffentlichkeit auch in Deutschland Gewalttaten im Umfeld der „schwarzen Szene“. Auch braune Tendenzen hat man in der ansonsten eher unpolitischen Gruftie-Gemeinde schon ausgemacht.“ Den Skandal, der zur Jahrtausendwende folgt, spare ich mich allerdings für den nächsten Artikel auf.
Die Bild (auch damals schon vor Ort) kümmert sich allerdings nur um das Äußere der Szene. Sind es heute eher nackte Tatsachen oder tonnenschwere Kleider, waren es damals Haare: „Wie lange hast du für deine Frisur gebraucht?“ und ein völlig anderer Dresscode: „Wallende schwarze Gewänder, bleiche Haut. Das Schönheitsideal der Schwarzen.“ Hach was waren das Zeiten! Ich war derweil irgendwo in der Techno-Szene, trug Warnwesten und Staubschutzmaske und tanzte lächerliche Choreographien in der Dortmunder Westfalen-Halle. Wie peinlich. Glücklicherweise habe ich noch einmal die Kurve gekriegt.
Immer schön zu lesen wenn man nicht die einzige fehlgeleitete Person war…. Das Technogeständnis kommt mir soooooo bekannt vor!
Hihihi^^ Heute kann man auch mit Warnwesten, Schutzmasken und lächerlichen Choreographien ganz selbstverständlich zum WGT dazu gehören… ;-)
Hätte gern das letze Bild mal im Orginal gesehen 🙈