Immer, wenn die Medien Teile der Gesellschaft abzubilden versuchen oder Subkulturen und Jugendbewegungen erklären wollen, prallen Welten aufeinander. Auf der einen Seite möchte sich die Szenen in der Regeln gar nicht abgebildet wissen, weil das natürlich ihren Wunsch nach Abgrenzung torpediert und zum anderen vereinfachen die Medien Beweggründe und Zusammenhänge für ihre Leser, reißen Dinge aus dem Zusammenhang und greifen immer wieder die als negativ empfundenen Auswüchse mancher Szene-Mitglieder als allgemeingültig auf. Das ist kein Phänomen der Neuzeit, sondern war im Grunde genommen immer schon so. Wie ein Artikel über eben diese Form der Berichterstattung im „Church – Independentmagazin“ vom Juni 1989 zeigt.
„ZDF, RTL, Spiegel, Bravo, Tempo, Marabu – sie alle waren im Zwischenfall, dem Szenetreffpunkt der Waver, um über diese Bewegung zu berichten, negativ zu berichten. Setzt man sich mit entstandenen Berichten auseinander, so stößt man unweigerlich auf die Tatsache, daß sie einzig und allein zum Ziel hatten, die Wave-Bewegung zu verunglimpfen bzw. in den Dreck zu ziehen. Unsere Recherchen ergaben, daß die Herren Redakteure Zitate […] verdrehten, Sarkasmus „nicht erkannt“ und bei Glatteisfragen auf die Naivität der Waver gesetzt wurde. Durch vorhergehende Berichte gewarnt, wichen sie den Reportern schließlich aus oder verarschten sie.“
Die Mischung aus Jugendlichen, die sich auch gegenüber den Medien abzugrenzen versuchen und Redakteuren, die auf der Suche nach einer polarisierenden Geschichte sind, ist der Nährboden für teils hanebüchenen Märchengeschichten und Schlagzeilen, die die breite Masse an Veröffentlichungen über die Szene aus den späten 80ern und frühen 90ern beherrschten.
„Der Medienkonsument will eine kaputte Story! […] Das Volk braucht seine Außenseiter„, konstatiert das Magazin und genau so ist es auch. Die Gruftis von damals polarisieren durch ihr Outfit, denn umgedrehte Kreuze, eine Leidenschaft für okkulte Themen und ein ausgeprägter Hang zur Selbstdarstellung erzeugen Reibungspunkte in der Gesellschaft. „Sie wollen ihre Ruhe, und wenn schon nicht Akzeptanz, so doch Toleranz.“
Doch das generiert natürlich keine Auflage und kaum Zuschauer. Die Medien, die damals versuchen dem Zuschauer mit der Formel „Brot und Zirkusspiele“ Aufmerksamkeit zu entlocken überwiegt einfach und überstrahlt völlig ernst gemeinte Artikel, die damals durchaus zu finden gewesen sind. Die Wahrheit ist eben manchmal langweilig:
„Lediglich eine unbedeutende Minderheit übt sich in okkulten Relikten. Ja sogar Verachtung gegenüber Satansanbetern stellte ich als ein Fazit meiner Gespräche fest. […] Düstere Kleidung, umgedrehte Kreuze und auch andere magische Symbole dienen weniger als Zeichen des Glaubens denn als markantes Outfit. Auch wenn einige im „Zwischenfall wie lebende Tote aussehen, so ist Angst vor ihnen unbegründet. Sie akzeptieren jeden, der dorthin kommt, solange sie nicht schräg angemacht werden. Sie bringen vielmehr gegenüber anderen die Toleranz auf, die ihnen beim Verlassen dieser Stätte nicht entgegengebracht wird.“
Und heute? Gruftis regt heute keiner mehr auf. Tatsächlich sind auch Medien dazu übergangen, feinfühlig und reflektiert über die Szene zu berichten, wenngleich wir auch bei vielen Formaten als Party- und Festivalbesucher mit einem Hang zu äußerlicher Selbstinszenierung gelten. Auch die Szene-Mitglieder sind differenzierter geworden, je älter, desto weniger Abgrenzung und dafür um so mehr Selbstverwirklichung. Einige Medien liefern ihrem gierigen Publikum derweil das „Dschungelcamp“ und „Shopping Queen“. Brot und Zirkusspiele für das Volk. Genau wie früher.
Wizard of Goth – sanft, diplomatisch, optimistisch! Der perfekte Moderator. Außerdem großer “Depeche Mode”-Fan und überzeugter Pikes-Träger. Beschäftigt sich eigentlich mit allen Facetten der schwarzen Szene, mögen sie auch noch so absurd erscheinen. Er interessiert sich für allen Formen von Jugend- und Subkultur. Heiße Eisen sind seine Leidenschaft und als Ideen-Finder hat er immer neue Sachen im Kopf.
hach, immer wieder schön, diese Texte von damals zu lesen. schön, dass Spontis einen immer wieder auf eine Reise in das goldene Zeitalter des Gruftitums entführt. damals, als man noch als Aussenseiter durchging und nicht wie heute, nur noch als Karnevalist.
Schade, daß man die Fotos nicht vergrößern kann! Ich erkenne nur Norman und Zöller.
Ich kann mich noch erinnern, daß mal Reporter im Soundgarden waren und da nachher auch irgendein Quatsch gesendet oder geschrieben wurde.
Es gab auch eine kleine Meldung von einem Treffen am Kölner Dom im Spex. Sie machten sich lustig, indem sie schrieben, dies sei die erste Jugendbewegung ohne eigene Musik, weil am Treffen nirgendwo Musik lief.
Und heute kommen sie alle zum schauen, fotografieren, filmen, auch mal anders sein…
Rocko Francese : Gerne. Ich finde ja, dass solchen Schätze der subkulturellen Vergangenheit einer möglichst breiten Masse zugänglich gemacht werden sollten. Zum einen sind sie authentischen Zeitzeugen und verbergen ein großes Identifikationspotential, wie ich finde. Um zu wissen, wohin sich alles entwickelt, sollte man wissen, wo alles herkommt.
Kitty : Das ist der Zugänglichkeit der Internetseite geschuldet. Wenn ich habe Dir aber nun die beiden Bilder im Artikel oben verlinkt (also gleich), damit Du sie Dir größer ansehen kannst. Jedenfalls so groß, wie ich sie vorliegen habe.
Hugibreht : Wenn du solch einen kleinen Schatz mal findest. Immer her damit :)
Flederflausch : Genau wie heute, nicht wahr? :)