10.000 Hexen in Deutschland: Hexenhorror und Schwarze Messen (1987)

Der April steht bei Spontis ganz im Zeichen der Hexen, 1775 wurde in Deutschland die letzte Hexe verurteilt, die nur knapp ihrem tödlichen Schicksal entkommen ist. 200 Jahre später ist nicht mehr viel geblieben von dem Mythos der Hexen, spätestens seit den 60ern in der eine Hexe in einer amerikanischen Serie die Hauptrolle spielte, wurde aus ernst zu nehmenden Gefahren für Leib und Leben nur noch hübsche und hilfsbereite Wesen, deren Macht sich lediglich in Zwischenwelten der normalen Existenz abspielen und mit der Realität nicht viel gemeinsam haben. In den 80ern erscheinen einige Filme, die auch die Bravo dazu animieren der „Hexensache“ in Deutschland auf den Grund zu gehen.

Hexen gibt es aber nicht nur auf der Kinoleinwand. Fachleute schätzen, dass sich bei uns in Deutschland rund 10.000 Frauen als Hexen sehen. Vielleicht haben Hexen deshalb eine Hochkonjunktur, weil laut einer Umfrage jeder zehnte Deutschen an Hexen, Gespenster und Übersinnliches glaubt.“ Ob bei 10.000 Frauen, die sich als Hexen sehen von einer Hochkonjunktur gesprochen werden kann, wage ich zu bezweifeln, vielleicht liegt es aber auch an der Definition der Hexe: „Was ist eigentlich eine Hexe und wo kommt der Begriff her? Fast nicht zu beantworten, denn selbst der Brockhaus vermerkt: Weder der Name Hexe noch die Herkunft der Hexen-Vorstellung sind mit voller Sicherheit zu deuten. Eine Hexe im Volksglauben war früher eine weibliche Gestalt, die über dämonische, schädigende Kräfte verfügte, meist ein Wesen mit Triefaugen oder stechendem Blick, Muttermal, zusammengewachsenen Augenbrauen oder anderen Zeichen der Häßlichkeit.

So ist es liebe Leser, wenn ihr hässlich und weiblich seid, ist die Gefahr hoch, als Hexe durchzugehen, wobei ich an der Begrifflichkeit „Triefaugen“ immer noch herumrecherchiere. Doch diesmal klärt die Bravo auf: „Heute fliegen die Hexen nicht mehr auf einem alten Besen auf den Bocksberg…Sie brauen Süppchen gegen Impotenz und Unfruchtbarkeit, schalten Rivalinnen aus, indem sie ihr Konterfei oder auch ein Wachspüppchen verbrennen. Und suchen Dämliche, die an diesen faulen Zauber glauben.

Der Report nimmt weiterhin an, das Hexen in der heutigen Zeit nur noch dem Showgeschäft angehören und nur mit Symbolen und Mythologie spielen, um dem Abergläubischen Publikum das Geld aus der Tasche zu ziehen. Im weiteren geht die Bravo eingehend auf mögliche Rituale ein und befriedigt damit die Neugier des Lesers. „Vene klatschte dreimal in die Hände. Ich sah zu ihren Füßen hinunter und bemerkte, dass auch die Fußnägel schwarz lackiert waren. Zwei dienstbare Geister, ebenfalls ganz in schwarz, huschten herbei. Sie stellten 13 Kerzen, sogenannte ewige Lichter, der sie, wie ich später erfuhr, von einem Friedhof geklaut hatten, auf den Tisch.

 

Die Filme, von denen immer wieder die Rede ist, suggerieren ein klares Bild, doch die Wahrheit liegt wohl wieder einmal dazwischen. Hexen sind nicht nur schrullige alte (oder auch hübsche, wenn man Hollywood glaubt) Damen mit sonderlichen Fähigkeiten, sondern ein Teil der Zivilisationsgeschichte. 2011 sind diese Theme aktueller denn je. Die Kirche hat ihre Funktion als alleiniger Zielrichtungsgeber und Stätte des Glaubens eingebüßt, nicht zuletzt, weil sich sie seither selbst demontiert. Seit Mitte der 90er Jahre erleben Hexen einen zweiten Frühling, sogenannte Jung-Hexen zelebrieren ihren eigenen Kult. „Historische Vorläufer der Junghexen-Szene in Deutschland finden sich in der hierzulande Anfang der 1980er Jahre aufkommenden Bewegung, in der sich ökologische, feministische, naturreligiöse bzw. neopagane (neuheidnische) und okkult-magische Anliegen – besonders im Kontext der Wicca-Bewegung – in den Neuen Hexen eine spezifische Ausdrucksform verschafften1 Kurioserweise wird 1987 ein Buch von der Journalistin Gisela Graichen veröffentlicht (Amazon), in dem sie ihre Gespräche mit Hexen und Hexern dokumentiert und damit der Szene zu einem neue Popularitätsschub verhilft. Durch die Verbreitung im Internet bilden sich zum Jahrtausendwende immer neue „Coven“ (das sind eigene Hexenzirkel) die über das Netz zueinander finden.

Will der Artikel nun zum Ausdruck bringen: „Das ist alles Humbug?“, oder ist dass eine Reaktion auf die Veröffentlichung der Journalistin und dem damit verbundenen Interesse an dem was Hexen ausmachen? Egal wie man es dreht und wendet, die Bravo hatte feine Fühler an den Interessen der Jugendlichen und hat das aufgegriffen, was tatsächlich Thema war und was spannend und interessant erschien. Die Ausarbeitung ist streitbar, doch auch die Bravo-Love-Story, in der Grufti „Ratte“ kein glückliches Ende nahm, hat kaum einen interessierten Jugendlichen davon abgehalten auszuprobieren, was neu und aufregend erschien, im Gegenteil.

Einzelnachweise

  1. Matthias Phölmann: Junghexen History, jugendszenen.com – CC BY-NC-ND[]
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Rosa Chalybeia
Rosa Chalybeia (@guest_14961)
Vor 13 Jahre

So mit 13-16 war ich auch mal auf de Wicca-Trip *gg* ganz am Anfang hab ich mich, da es die handliche Recherchemöglichkeit via Netz noch nicht gab, auch auf alle Informationsfetzen gestürzt die ich irgendwie finden konnte. Fatalerweise war meine Oma Fan von diesen Klatschzeitschriften, als das Anfang der 90er mit der Hexengeschichte so ein wenig in Mode kam, gabs da regelmässig was zu lesen. Nicht so reißerisch auf Satanismus getrimmt wie dieses Pracht-Fundstück, aber mit etwas Abstand betrachtet auch ausgesprochen herrlich.
Ich hab die alten Berichte eben gesucht und schätze, die liegen noch bei meinen Eltern, da ich über Ostern eh einen Elternbesuch einlege, werd ich die mal ausbuddeln und digitalisieren.

Soweit ich weiß soll der Begriff „Hexe“ von „Hagazussa“ her kommen, was „Zaunreiterin“ bedeuten soll, in dem Sinne daß Hexen mit einem Fuß im Diesseits und dem anderen im Jenseits stehen – als Symbol für die übersinnlichen Fähigkeiten.
Inwieweit das wissenschaftlich wasserdicht ist weiß ich nicht, müsste man nachforschen, Neu-Heiden und Hexen sind gerne mal sehr kreativ was die Ursprünge ihrer Religion angeht, tatsächlich ist aber – im Falle Wicca – die Geschichte keinesfalls so schön uralt und vorchristlich, man sage sogar, Aleister Crowley habe für Gerald Gardner, den Urheber des Wicca, die Rituale geschrieben :D :D

Rosa Chalybeia
Rosa Chalybeia (@guest_15042)
Vor 13 Jahre

Ich hab übrigens auch schwarz lackierte Zehennägel *frechgrins*

Ja, irgendwie hatte das schon was, zum Hirn ausruhen nach der Schule mal durch die ganzen komischen bunten Blättchen zu blättern, bin ja auch oft genug zur Schreibwarenhändlerin unseres Vertrauens geschickt worden mit Liste welche Käseblättchen des diesmal sein durften. Hatte auch das Gute daß für mich auch mal ne Space View oder die deutsche Ausgabe der Starlog bei raussprang. Ich glaub, die hatte die Nerdmagazine nur im Programm weil sie wusste daß ich die geliebt habe :D

Aber ja, die Artikel der Waschweibermagazine waren auch bisweilen äusserst herrlich. Habe meine alte Sammlung neulich wieder mit Freuden durchgesehen, nur leider vergessen sie einzustecken.

Nächstesmal denke ich dran :)

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