30 Jahre nach dem Buch „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo„, erzählte der Dokumentarfilm „Drifter“ die Geschichten von Aileen, Angel und Daniel. Der 2007 gedrehte Film, der unfreiwillig in die Fußstapfen seines eindrücklichen Vorgängers tritt, ist die Fortsetzung der tragischen Lebensgeschichten junger Menschen, die im Dunstkreis des Bahnhofs Zoo ihrer Drogensucht nachkommen. Anlässlich des überraschenden Todes des Regisseurs Sebastian Heidinger zeigt die Edition Salzgeber den Film bei Vimeo.
„Dann sollste ihm einen blasen, dann sollste ihm einen runterholen, dann will er dir am Arsch lecken und alles Drum und Dran und dafür gibt er dir 10 Euro.“ Auch 30 Jahre nach den schockierenden Erzählungen von Christiane Felscherinow, die Deutschland ungläubig zurückließ, hat sich nichts verändert. Prostitution, Beschaffungskriminalität und Drogensucht bestimmen das Leben von Aileen (16), Angel (23) und Daniel (25), die in einer diffusen Suche nach Halt und Perspektive in den nächsten Rausch flüchten.
Nach der katastrophalen Mini-Serie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, mit der Amazon im Frühjahr 2021 versuchte der Geschichte um Christiane Felscherinow neues Leben einzuhauchen, entbrannte eine Diskussion um Authentizität und Glaubwürdigkeit. Die Mini-Serie, in dem gut aussehende und durchgestylte Schauspieler eine tragische Geschichte nachempfinden, wirkt weder abschreckend noch aufrüttelnd, sondern befriedigt vielmehr ein gesamtgesellschaftliches Verlangen nach einem „Edgy-Coming-of-Age“ Inhalt, um die eigene Individualität zu formen, ohne sich jedoch zu hinterfragenden Gedankenprozessen verleiten zu lassen.
Regisseur Heidinger wehrte sich zunächst gegen die Vergleiche, die sich bei der Arbeit am Film förmlich aufdrängten:
Natürlich kann ich mich gegen die Verbindung zu „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ überhaupt nicht wehren. Wir haben uns den Zoo ja nicht vorrangig ausgesucht und ich erinnere mich noch, wie ich damit am Anfang sehr zu kämpfen hatte, dass es diesen Mythos gibt. […] Es hat viel Arbeit gekostet zu vermitteln, dass es nicht darum geht, eine 2007-Version von „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ zu machen. Ich habe mich am Anfang dadurch sehr beschränkt gefühlt, denn man wurde ständig dem Vergleich unterzogen. Im Endeffekt habe ich aber festgestellt, dass es ein unglaubliches Glück ist, einen mythologischen Unterbau zu haben. Es ist als ob du eine moderne Version von Hänsel und Gretel erzählst.
Emotionslos, ja fast schon kühl, stellt der Dokumentarfilm kommentarlos das Leben der Protagonisten dar. Zwischen Gelegenheitsjobs, dem täglichen „Schuss“ und der wiederkehrenden Frage nach einem Schlafplatz komprimiert der Film den Alltag der jungen Leute auf eine ausweglose Spirale, der sie offenbar nicht entkommen können. Der um Distanz bemühte Film definiert „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ neu und zeigt deutlich die Lücken in unserer Gesellschaft. Haderte man damals mit scheinbar vorgefertigten Lebensläufen und einem gesellschaftlichen Bild, dem man entsprechen sollte, so ist es heute ein ausgeprägtes Streben nach Individualität und Selbstständigkeit, das junge Leute vielfach erdrückt.
Und ja, ich bin überzeugt davon, dass sich auch in den rund 15 Jahren, die auch schon wieder seit dieser Dokumentation vergangen sind, nichts geändert hat.
Drifter ist aktuell bei Vimeo als Video on Demand anzuschauen. Für 4,90€ als Stream oder 9,90€ als Kauftitel sicher nicht zu teuer und eine sicherlich authentischere Investition als die besagte Mini-Serie bei Amazon. Mehr Inforationen über den Film findet ihr bei der Edition Salzgeber.
Ich hab mir die Doku gerade angesehen, aber nicht ganz zu Ende geschaut. Leider war nur sehr wenig von dem, was gesprochen wurde, zu verstehen (sehr viel Genuschel, schlechte Tonaufnahme) und auch sonst hat mich die Doku eher entäuscht. Sie wirkt zusammenhanglos, amateurhaft.
Schade, denn ich hatte mir mehr davon versprochen. Besser wäre eine kurze Einführung gewesen, wo man mehr über die (Vor-)Geschichte der drei erfährt, was sie erlebt haben, wie sie dorthin kamen, wo sie jetzt sind. Die Doku reiht einfach Szenen aneinander, verschiedene Tageszeiten, verschiedene Orte, die man erstmal einordnen muss und dank der schlechten Tonqualität gelingt das oft auch nicht so recht, zu erfahren, worum es da gerade eigentlich geht. Das ist mühsam, den roten Faden zu finden und das ganze bleibt sehr bruchstückhaft.