Frau Perchta auf dem Weg zur Nachtschicht
Die Nacht des 19. Januar 2018 war nicht nur sehr kalt, es hatte auch wieder zu schneien begonnen, als ich aus dem Auto stieg und auf das Haus meiner Freundin Therri zuging. Ich stampfte durch die Schneemassen der letzten Tage und klopfte an die Tür. Ihr Freund Chris öffnete die Tür und winkte mich herein.
„Hi Johanna, komm rein! Pizza ist gleich fertig.“ – „Griasde Chris, wo ist das Geburtstagskind? Ah, hi! Alles Gute zum Geburtstag! Du Therri, ich kann nicht lang bleiben, ich hab noch Nachtschicht.“ „Danke! Passt schon, ist ja trotzdem schön, dass du kurz vorbeischaust.“
Sie zieht mich ins Wohnzimmer und stellt mich vor: „Das ist Johanna, sie muss leider noch zur Nachtschicht. Setz dich doch kurz!“ Ich such mir den freien Platz neben einem Pärchen aus, er spricht mich freundlich an.
„Du musst noch arbeiten? Was arbeitest du denn?“. „Ich bin Krankenschwester.“ „Oh ja, das ist ein harter Job. Schichtdienst und so. Oben im Krankenhaus?“ Ich nicke. Jetzt fragt mich seine Freundin: „Und auf welcher Abteilung arbeitest du?“ – „Gynäkologie und Geburtshilfe“, antwortete ich. „Oh das ist ja toll. Mit den süßen Babys! Wie schön! Das ist wirklich eine positive Arbeit in dieser harten Branche.“, sagt sie strahlend.
„Ja. Auch.“ Verwirrte Blicke. Die junge Frau lacht nervös: „Hä? Wie meinst du das – ‚auch‘? Also ich mein, äh, hallo süße Babys, die auf die Welt kommen. Was soll daran nicht schön sein?“. „Es ist eben nicht alles schön. Weder in der Geburtshilfe noch in der Gynäkologie. Klar ist es schön, wenn ein Kind gesund und munter zur Welt kommt und sich alle freuen. Aber es gibt auch andere Fälle. Jeden Tag.“ – „Wie bei Herzogin Kate? Der war doch so schlecht, dass sie ins Krankenhaus musste.“
Ich bleibe zunächst still und überlege kurz, ob ich – 45 Minuten bevor ich zum Dienst antreten muss – die beiden mit einer Floskel abspeise oder ganz ich selbst bin und ehrlich antworten soll. Ich entscheide mich für letzteres: „Ja, auch. Aber die Frauen kommen auch mit Brustkrebs und anderen Krankheiten zu uns.“ Das Pärchen, vor allem sie, scheint mit meiner Auskunft zufrieden zu sein. Sie nimmt seine Hand, er lächelt sanft, und doch haken sie wieder bei mir nach, als wollten sie eine wichtige Bestätigung haben: „Aber das mit den Babys. Das ist doch nun wirklich schön in deiner Arbeit, oder?“ – Ich antworte knapp: „Ja. Auch.“
Im Gesichtsausdruck des Pärchens mischt sich Verwirrung mit einem Hauch Angst. Ich merke, dass ich die Eiseskälte der Januarnacht in die Partyrunde gebracht hatte. Aber sie wollten es ja hören: „Nun ja, nicht jede Schwangerschaft endet damit, dass man ein gesundes Kind im Arm hält. Manchmal endet eine Schwangerschaft schon sehr früh. Deswegen warten ja alle drei Monate, bis sie die Neuigkeit erzählen – dann sinkt das Risiko für einen Abgang des Kindes. Aber auch danach kann es sein, dass das Kind im Bauch verstirbt. Manchmal passiert das sogar in den letzten paar Wochen oder Tagen. Und so was erlebe ich eben auch in meiner Arbeit.“
Solche Blicke kann ich aushalten. Und diese Art von betroffenem Schweigen auch. „Pizza ist fertig!“ – Das ist mein Stichwort, mich von dieser Party zu verabschieden. Ich schlüpfe in meinen Mantel, zieh mir die Kapuze über und öffne die Haustür. Der Wind schlägt mir die Schneeflocken entgegen. Frau Perchta bricht auf zu ihrer Nachtschicht. In der kleinen Wohnung drehen sie die Heizung etwas höher.
Sternenkinder – Ungeborene ohne Lobby
Über tote Kinder spricht man nicht. Über unglücklich geendete Schwangerschaften auch nicht. Und über Sternenkinder, also solche, die in der Frühschwangerschaft gehen mussten, auch nicht. Totgeburten, Abtreibungen, Aborte, Abgänge, – egal wie man es nennen mag oder um was es sich im Einzelfall handelt. Es ist ein Tabu. Man redet nicht darüber. Oder zumindest nicht gern. Oder, wie ich, in scheinbar unpassenden Momenten. Vielleicht liegt aber auch genau dort das Problem. Wir reden nicht miteinander über den Tod und das Sterben, weil wir dafür keine Kultur mehr haben.
Früher war der Tod ein vertrauter Begleiter der Menschen – fester Bestandteil von Natur, Religion und Kunst. Die angsteinflößenden Ungewissheiten, die Tod und Geburt mit sich bringen, passen nicht in unsere optimierte Zeit.
Beides soll unter kontrollierten Bedingungen im Krankenhaus stattfinden.
Den Ausbau der medizinisch-pflegerischen Versorgung, sowie den medizinischen Fortschritt muss man sich vor Augen halten. Sieht man sich die absoluten Zahlen des Statistischen Bundesamtes an, merkt man, wie viel sich getan hat. Während 1946 noch 22.538 Totgeburten verzeichnet worden sind, waren es 2014 2.597 Totgeburten, also Kinder, die mit 1000g (von 1979 bis 1994) bzw. 500g (ab 1994) zur Welt kamen. Kinder, die das oben genannte Gewicht nicht erreichen oder sehr früh in der Schwangerschaft versterben, werden gar nicht erfasst. In den Nachrichten tauchen immer wieder Mitteilungen auf, das man Frühchen mit einem sehr niedrigen Geburtsgewicht und einer langwierigen intensiv-pflegerisch-medizinischen Versorgung, dann nach Monaten endlich nach Hause entlassen kann. Wir leben also in einer Zeit, in der Sterben nicht erwünscht ist.
Ebenso wie behinderte Kinder oder tot geborene Kinder. Der Fortschritt in der Medizin scheint so groß und fantastisch, dass sowas wie Behinderung und Tod doch unmöglich sein kann bzw. zu verhindern sein sollte. Vielen Ärzten und Therapeuten geht es ähnlich, denn wenn ein Patient verstirbt, haben sie und ihre vorgeschlagene Therapie versagt. Tod und Sterben ist in unserer Gesellschaft politisch nicht korrekt, außer man kann es gewinnbringend mit der Krankenkasse abrechnen. Oder anderweitig geldbringend betreiben, wie beispielsweise die Diskussion um die Sargpflicht uns zeigt.
Sternenkinder sind kein Klinikabfall
In der Generation meiner Großmutter war es noch gang und gäbe, dass Geschwisterkinder tot geboren wurden oder sehr früh verstarben. Ein stilles Drama, eingebrannt im familiären Gedächtnis. Aber selbst zu dieser Zeit wurde schon nicht darüber geredet. Diese Erinnerungen ploppen plötzlich bei den Frauen auf und meist in einer Situation, in der es, wie auf meiner kleinen Party, unangebracht scheint. Meine Freundin Silvana, eine studierte Biologin, war mit ihrem ersten Kind schwanger und hatte beruflich viel mit Hopfenbauern zu tun.
Als eine der Hopfenbäuerinnen ihren Babybauch sah, erzählte diese plötzlich und sehr freimütig, wie sie als junge Frau bei der Arbeit im Hopfengarten war und an jenem Tag starke Schmerzen im Unterbauch verspürte. Die Schmerzen nahmen über den Tag immer mehr zu. Als gegen Abend alle Arbeiter zur Abfahrt gerufen wurden, waren die Schmerzen so stark und ein Druck nach unten (als müsste sie auf die Toilette) war so massiv, dass sich die Frau zwischen den Hopfengärten versteckte, die Unterhose runterzog und einfach presste. Sie erzählte, wie damals ein großer, rot-blutiger „Schleimklumpen“ aus ihr herausplumpste. Voller Scham und Schock vergrub sie jenen „Klumpen“ zwischen den Hopfenstangen. Ein Sternenkind beerdigt in den Hopfengärten. Ein vergrabenes Trauma, das Jahrzehnte später in Gegenwart einer Fremden mit dickem Bauch hervorbricht.
Allein, dass diese Frau ihr Sternenkind begraben hat, ist bemerkenswert, denn sie weiß immerhin, wo sie es begraben hat. Nicht wichtig bei einem Zellhaufen? So jedenfalls dachte man lange Zeit in Krankenhäusern, und entsorgte die Sternenkinder als Klinikabfall. Nichts ist quälender für Eltern, als nicht zu wissen, was mit ihrem Kind passiert ist. Außer vielleicht die intuitive, traurige Gewissheit, dass ihre Hoffnungen buchstäblich auf den Müll geworfen wurden.
Was der Bäuerin damals intuitiv richtig erschien, braucht heute Überzeugungsarbeit: Selbst manche Krankenschwester ist verwundert, welchen Aufwand wir in unserem Krankenhaus für Eltern und ihre Sternenkinder betreiben. Unabhängig davon, ob es eine fortgeschrittene Schwangerschaft, eine Eileiterschwangerschaft oder ein sogenanntes Windei ist. Solche Sternenkinder gehören nämlich nicht entsorgt, sondern anstandsmäßig bestattet. Und zwar an einem Ort, der für die trauernden Eltern zugänglich ist.
Viele Gemeinden in Deutschland bieten solche Sammelgräber für Sternenkinder bereits an, aber längst nicht alle. Meist mit einem schönen Denkmal. Kurios wird so ein Gräberfeld, wenn Kommunalpolitiker aufwendig überzeugt werden müssen, und erst dann dem ganzen Nachgeben, wenn Verluste bei Wählerstimmen drohen. Dann wird aus einem einfachen Gedenkstein auf dem Gräberfeld schnell ein übertriebenes, künstlerisches Monument, das eher einem Ehrenmal für den plötzlich überzeugten Politiker gleicht.
Es ist Februar und trotz des strahlenden Sonnenscheins bitterkalt. Ich trage meine schwarzen Stiefel, meinen langen roten Mantel, mein großes, russisch-folkloristisches Tuch und gestrickte Handschuhe. Mit meiner Tochter an der Hand stampfe ich durch den Schnee, einen alten Holzschlitten auf den Rücken gebunden. Wir sind mit meiner Freundin Daniela auf dem Weg zu nächsten Schlittenberg.
„Langsam siehst du wirklich aus wie die Frau Holle!“, lacht sie zu mir herüber. „Wie die Perchta bitte, wir sind ja in Bayern!“ gebe ich zurück, und werte es als Kompliment. Denn obwohl die Perchta, oder eben die Frau Holle, vielen schrecklich erscheint, Angst und Kälte bringt, ist sie auch ein guter Geist. Sie ist es, die in Teichen oder Brunnen die Seelen der ungeborenen Kinder hütet. Die Kinder sausen mit dem Schlitten den Berg herab, während wir unten warten. Es fängt schon wieder an zu schneien.
Seit meinem Studium setzte ich mich mit den Thematiken Fehl- und Totgeburten, sowie Abtreibungen auseinander. Diese Themen bekamen dann durch meine mehrjährige Erfahrung in einer Klinik auf einer Station für Gynäkologie und Geburtshilfe eine besondere Bedeutung. Ich stelle immer wieder fest, wie stark tabuisiert die Themen Fehl- und Totgeburten bzw. Sternenkinder sind. Diese Thematiken werden so stark ausgeblendet wie der Tod generell in unserer Gesellschaft. Der Tod, dem lediglich nur noch die Funktion bei alten und kranken Menschen zugesprochen wird, findet kaum Platz in der Gesellschaft. Tod am Anfang des Lebens? Das mag kaum einen in den Kopf gehen.
„Na? Was gibt’s Neues auf der Arbeit? Aber erzähl bloß nichts von toten Kindern!“, ein häufiges Zitat von Freunden, Bekannten oder Angehörigen. Das richtet allerdings einen immensen Schaden bei betroffenen Frauen und Eltern an, und das ist wirklich schlimm zu ertragen. Auch wenn ich mittlerweile als Lehrkraft an einer Pflegeschule arbeite, bleiben diese Themen und der Tabubruch eine Herzensangelegenheit von mir. Dieser Essay ist im Rahmen eines bayrischen Literatur-Wettbewerbes (Thema des Wettbewerbes: Tod) entstanden, wo er aber nicht weiter berücksichtigt wurde. Vielleicht findet der Text hier sein Publikum.
Ein sehr guter Artikel…. sowas wird immer totgeschwiegen. Ich selbst hatte eine frühe Fehlgeburt und es hat mich lange sehr belastet, vorallem, als ich kurz darauf wieder schwanger wurde. Ich konnte mich lange nicht richtig freuen bzw habe es mich nicht getraut, aus Angst, dass mir wieder das gleiche passiert. Auch heute rede ich nicht oft darüber. Aber nachdem ich ein tatoo für meine 2 Kinder mit deren sternzeichen hab machen lassen , habe ich in das tatoo auch einen Stern für mein sternenkind einarbeiten lassen
Liebes Fräulein von Schlottersteim
danke für dein Kommentar. Diese Angst ist etwas was immer mitschwingt.Das gehört zu dieser Thematik dazu. In meiner Arbeit auf der Station habe ich viele Frauen kennengelernt, die sich ein Tattoo als Andenken/Erinnerung an ihr Sternenkind gemacht haben. Danke das du deine Geschichte erzählt hast. Damit trägst du zum Tabubruch bei.
Dein Eindrücke aus dem persönlichen privaten Erlebnis berührte mich. Es ist schön dass du hoffentlich langsam step by step deinen Frieden für dein Sternenkind gefunden hast. Es wird dich als kleiner Begleiter in deinen Leben aufpassen.
Kann mich nur anschließen!! Sehr gutet Artikel. Auch ich habe ein kleines Sternchen und die Nachricht, daß das kleine Wesen in meinem Bauch ganz leise gegangen ist hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich rede bis heute nicht gerne darüber. Ich bin auch danach noch einmal schwanger geworden und hatte unendliche Angst davor noch einmal so eine Nachricht zu bekommen. Vergessen werde ich mein Sternchen nie!
Wir kennen uns zwar nicht, aber ich kann mir die Situation von damals gut vorstellen. Ich hatte einige Betroffene in ihrem Zimmer sitzen, die noch nicht fassen konnten, was man ihnen gerade erzählt hatte. Die folgende Schwangerschaft ist dann wirklich schwer, weil so viele Erinnerungen hochkommen und die Angst immer dabei ist. Das man darüber nicht gerne redet, das kann ich verstehen. Danke, für dein Kommentar und deine Geschichte. Ich finde es wichtig, das andere Menschen davon erfahren, wie es Betroffene geht.
Wir leben in einer Zeit und Gesellschaft in der positive Außendarstellung, Wachstum, Optimierung, Steigerung, praktisch ausgeschöpfte Technik und Wissenschaft usw hohe Güter zu sein scheinen. Außerdem stehen Wohlgefühligkeit einerseits und Rationalität andererseits, auf prominenten Sockeln in dieser Zeit. Das es da Abwehr, Unverständnis, und Hemmungen gibt, sich selber mit den eigenen Gegenteilen davon, oder den Gegenteilen anderer, zu beflecken, ist verständlich. Außerdem braucht es schon einen gewissen sicheren Stand, um in die Schatten, seien es die eigenen, oder die anderer, hineinzutasten. Eigentlich erkennt man hier die wirklich erwachsenen und sicheren Menschen, und wer wirklich Zeit mit sich selber, und mit dem anderen verbringen mag, und sich nicht nur mit und neben anderen sonnen möchte. Der Tod selber, als reines Ereignis, fragt danach nicht, er wertet auch nicht, er legt auch keine Rechenschaft ab, er kommt und überlässt den Lebenden alles andere.
Während meiner Recherche zu meiner Bachelor-Arbeit stieß ich genau auf diesen, von dir geschilderten, Sachverhalt zur unserer Gesellschaft. Alles muss perfekt, gut durchdacht und perfekt sein. In einem meiner Fachbücher sprach man sogar von einem „optimalen perinatalen Management“. Da hauts dir sämtliche Schalter raus beim Lesen. Das sagt enorm viel über die heutige Medizin und Gesellschaft aus.
Treffer versenkt. Wie eine Gesellschaft bzw. eine Kultur ist, sieht man daran, wie sie mit ihren Toten (und der Trauer) umgeht.
Dem letzten Satz stimme ich voll zu und würde ergänzen: mit allen liminalen Momenten im Leben. Besonders mit dem Gebären und Sterben. Aber auch schon mit Schwangerschaft, Krankheit, psychischer Gesundheit…
Vielen Dank für diesen Artikel, auch wenn ich selbst nie in der Situation war kann ich mir denken, das es eben nicht einfach im Leben weitergeht und die Betroffenen sich oft allein gelassen fühlen mit der Trauer. Als ich neulich mit einer Dame sprach die individuelle Urnen gestaltet kam eine andere junge Besucherin an den Ausstellungsstand, sah die kleinen Urnen und fragte ganz nichtsahnend, ob das dann die für die Haustiere wären. Als die Aufklärung kam das diese für Kinder sind, war plötzlich die Stille da. In unserer Gesellschaft sterben nur alte Menschen, die die Medizin eben nicht mehr retten kann…und erst wenn es direkt gesagt wird funktioniert das Verdrängen nicht mehr.
Verdrängen ist ein sehr gutes Stichwort. So habe ich es oft erlebt. Wenn es um Sternenkinder oder sterbende Kinder geht, da kommt bei den meisten Menschen selten mehr als betroffenes Schweigen.
Erstmal möchte ich mich bei Robert bedanken, das er diesen Artikel veröffentlicht hat. Und Danke an allen, die ihn bei Social Media geteilt, geliked und kommentiert haben. Gerne hätte ich mir etwas mehr Meinung gewünscht, oder vielleicht Fragen. Aber vielleicht kommt das noch.
Kurz darauf, wurde bekannt das das Thema Sternenkinder sehr kontrovers sein kann. Die B***zeitung veröffentlichte ein Video mit einem „Meinungsbeitrag“ von der „Journalistin“ Nina Schink, die sich massiv darüber aufregte, das Chrissy Teigen und John Legend ihre Fehlgeburt via Instagram teilten. Warum ist da ein Fotograf in diesem intimen Moment da? Und wieso teilt man für Fake und Ruhm so intime Details? Frau Schink hat keine Ahnung was sie da in die Kamera sagt. Diese Bilder sind vermutlichen das Einzige, was Chrissy Teigen und John Legend jemals von ihrem Kind haben werden. Warum darüber sprechen, fragt sie sich. Weil Schweigen zu einer Tabuisierung führt. Ein Tabu führt und fördert Unwissenheit. Unwissenheit führt zu Angst und zur Destabilisierung des Selbstwertgefühls.
Etwas mehr Meinung? Ich glaube, es ist vielleicht gut, weniger Meinung zu dem Thema zu hören. Nicht, dass es unnötig wäre, dieses Beitrag zu veröffentlichen, im Gegenteil. Der Text musste unbedingt an die Öffentlichkeit, um Licht in einen Vorgang zu bringen, der eben unter dieses Tabu, von dem du gesprochen hast, fällt. Gerade aus „erster Hand“, wie in Deinem Fall.
Allerdings ist Trauer – und das Abschiednehmen – etwas extrem individuelles. Ich glaube es wäre nicht richtig, die Menschen zu Meinungen zu drängen, die sie vielleicht gar nicht haben. So gibt es Raum für Eltern, die ihr ungeborenes Kind gerne in einem kleinen Holzsarg beerdigen möchten, als auch für Eltern, die damit nicht konfrontiert werden wollen und die Sache damit abschließen, das eine solche Frühgeburt auf dem „Müll“ landet.
Ob du als Frau „Perchta“ nun die Leute vor den Kopf stößt, wenn du Deine Erfahrungen unverblümt und kurz vor der Pizza in den Raum stellst, finde ich allerdings richtig. Wer fragt, sollte auch eine Antwort, Erfahrung oder Meinung bekommen. Gerade heraus und ohne „Schönfärberei“ um Gefühl oder Empfindungen nicht zu verletzen.
So wie mit diesem Artikel, wer etwas darüber erfahren will, kann ihn lesen, andere klicken einfach nicht drauf. Wichtig finde ich, dass es ihn gibt. Nicht nur, um mal wieder über den Tod zu reden, sondern einfach um Dinge aus der Dunkelheit der menschlichen Wahrnehmung zu holen.
Ich hatte auch eine frühe Fehlgeburt und fand es eine schreckliche Erfahrung. Ich habe sogar eine jahrelange Freundschaft geknickt, weil mein Verlust auf Unverständnis stieß und immer distanziert als ‚der Abort‘ bezeichnet wurde. Ausgerechnet diese Frau hatte auch eine Fehlgeburt, da ihre Schwangerschaft aber weiter fortgeschritten war als meine, bekam ihr Kind einen Namen und eine Kerze. Die Trauer wurde nicht geteilt sondern unterschiedlich gewertet und gestaffelt. Ein ungeheurer Schlag ins Gesicht für mich obendrein,als wäre man nicht fertig genug. Es ist sehr lange her, trotzdem könnte ich heulen. Danke für diesen Beitrag.
Vielen Dank für den Artikel. Ich kenne viele Geschichten aus meiner Arbeit als Hebamme (ja, wir begleiten auch Sternenkinder, sehen manche sterben, wiegen und kleiden sie, rufen Bestatter und bringen die kleinen Korbbettchen irgendwann in die Prosektur…). Auch das „Vorurteil“, dass bei uns alles immer „schön“ ist. Deswegen finde ich es so wertvoll und wichtig, dass dieses Thema präsenter wird.
Da es in der Szene ja viele kreative Köpfe und vielleicht etwas weniger Scheu vor dem Sterben gibt, würde ich gern dieses Gesuch von „Mein Sternekind“ hier teilen. Der Verein ermöglicht unentgeltlich letzte Bilder der Kinder, die die Erde nur kurz oder noch gar nicht besucht haben.
Ihr könnt gelernte Fotografen oder auch „nur“ Hobbyfotografen sein. Da Fotos das einzige sind, was Sterneneltern von ihren Kindern bleibt, sind diese so unglaublich wertvoll und die Arbeit der Fotografen so wichtig.🖤
https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=3219966611384765&id=640088892705896
(Wenn die „Reklame“ nicht erwünscht ist, bitte einfach löschen. Aber ich dachte, wo wenn nicht in der Szene findet man Verständnis.)
Kein Problem. Ich halte das nicht für Werbung, sondern für weiterführende Informationen. Vielen Dank dafür ;)
Es passt thematisch nur grob, insofern es auch um den Komplex Geburt & Kind geht, bewegt mich aber grad ziemlich: https://www.deutschlandfunkkultur.de/gewalt-in-der-geburtshilfe-wenn-sie-jetzt-schon-so-schreien.976.de.html?dram:article_id=487999
Ja, es ist gruselig und wäre vielleicht einen eigenen Artikel wert, wenn es denn zum Spontis-Portfolio passt.