Alexander Nym ist nicht nur Autor des eindrucksvollen Grufti-Buchs „Schillerndes Dunkel„, sondern auch bekennender Linker, leidenschaftlicher Antifaschist und nicht nur als Kulturwissenschaftler und Pädagoge in Sachen Aufklärung gegen Rechts unterwegs. Jetzt wurde er vom zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er in der Fürther Innenstadt vor einem Wahlkampf-Stand der AfD die Hand zum Hitlergruß erhoben und dabei „Heil(t) Höcke!“ gerufen haben soll. Er selbst sieht die Sache völlig anders, ebenso wie die anwesenden Polizisten, trotzdem wird er für die „Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ (§86a StGB) zu einer Geldstrafe von 2100€ verurteilt. Allein durch die Aussagen der Mitglieder der AfD.
Was ist passiert?
Am 13. Oktober 2018, einen Tag vor der Landtagswahl in Bayern, geht Alexander Nym mit einer Begleitung durch die Fürther Innenstadt. Sie nähern sich einem Wahlkampf-Stand der AfD. Was nun passiert, schildert Alexander Nym die Ereignisse aus seiner Sicht: Zu einem „„Heilt Höcke!“ mit t, drei Mal, zu diesem Ausruf habe er sich hinreißen lassen, sagt er selbst. Um, so steht es in der Erklärung, die B. vor Gericht verliest, seiner Sorge um den Erosionsprozess der Demokratie Ausdruck zu verleihen und Parallelen zum Nationalsozialismus zu illustrieren. Nicht die ausgestreckte Hand, sondern die Faust habe er in die Luft gereckt, die linke noch dazu.“
Das ist vielleicht impulsiv und möglicherweise eine Provokation, aber nichts davon ist strafbar.
Die Parteimitglieder der AfD, die an diesem Tag den Wahlkampfstand in der Fürther Innenstadt betreuten, sind sich jedoch einig. Alexander Nym hat den Hitlergruß gezeigt. Der Kreisvorsitzende der Fürther AfD sagt dazu: „Ich habe es als Zivilisationsbruch wahrgenommen.“ Sein Parteikollege hat sogar ein „Heil Hitler!“ gehört und eine Rentnerin will den Hitlergruß ebenfalls ganz deutlich gesehen haben.
Polizei hat es anders in Erinnerung
Jetzt wird es sonderbar bis absurd, denn die TAZ berichtet: „Die fünf Polizist*innen, die den Wahlkampfstand den Tag über beaufsichtigten, sagen aus, von diesem Gruß nichts gesehen zu haben: „Das ist ausgeschlossen“, „Definitiv nein“, „Das wäre mir im Gedächtnis geblieben.“ Und auch wenn sich die Aussagen der Polizisten in Details unterscheiden, gehört haben sie alle exakt denselben verwunderlichen Ausruf: „Heil, Heil“, Pause, „Sieg“. Kein Hitler, kein Höcke, keine Heilung. Und damit womöglich auch keine strafbare Handlung.“
Dem Amtsgericht Fürth reicht das für ein Urteil. Allein durch die Aussagen der Zeugen aus der AfD verurteilt man Alexander Nym zu 2100€ Strafe. Die Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht Nürnberg bestätigt das Urteil. Man folgt der schier unfassbaren Argumentation der Staatsanwältin, die es als erwiesen ansieht, dass Nym den Hitlergruß, Heil Hitler und Heil Höcke gerufen haben soll. Weiter heißt es:
„Die Mitglieder der AfD seien nicht als Lager mit eigenem Interesse an einer Verurteilung, sondern als Geschädigte zu betrachten. „Ich habe keinen Anlass an diesen Aussagen zu zweifeln.“ Die Polizist*innen hätten sich hingegen sichtlich bemüht, ihre Aufmerksamkeitsdefizite herunterzuspielen.“
Das Gericht verzichtet zwar in seinem Urteil auf die mutmaßlich getätigten Aussagen, bestätigt aber die Verurteilung nach Paragraf 86a. Die Gesinnung des Angeklagten wertet es als unerheblich, da die Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen grundsätzlich zu unterbinden sei. Straffrei wäre die Sache nur, so das Gericht, wenn der Protestcharakter für den neutralen Beobachter offensichtlich sei.
Alexander Nym ist Antifaschist aus Leidenschaft
Seit Jahren publiziert Nym diesbezüglich Texte, leistet Aufklärungsarbeit und arbeitet zudem als Museumspädagoge am Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg. Dieses Engagement wurde ihm offenbar belastend ausgelegt. „Wer Vorträge und Schulungen über Nazisymbolik hält müssen eben wissen, dass auch ein „Heilt Höcke!“ mit „Heil Hitler“ verwechselt werden könne.„, so ein Prozessbeobachter bei Facebook.
https://www.facebook.com/martin.heidingsfelder/posts/10221796545727376
Im Zweifel für den Angeklagten. Nicht so in Bayern. Widersprüchliche Aussagen, anwesende Polizisten die nichts Strafbares gesehen oder gehört haben, lassen nur einen Freispruch als logisch erscheinen. Es scheint, als würde die bayrische Justiz ein Exempel an Nym statuieren wollen. Nym schreibt dazu in seinem Facebook-Profil:
„…sämtliche entlastenden Aussagen der Polizei wurden geflissentlich ignoriert, den grotesken und als solchen durchschaubaren Lügengeschichten der AfDler wurde geglaubt. Die Wahrheit zu sagen wurde explizit als Falschaussage-Risiko angedroht, um von Revision u.ä. zu entmutigen.“
Er will sich nicht entmutigen lassen und plant dazu ein Bühnenprogramm, das genau diese Absurdität thematisiert. Freunde haben für ihn bei Leechi ein Crowdfunding Projekt gestartet, das Nym bei der Bewältigung der Kosten für Strafe, Gericht und Anwalt unterstützen soll.
Justitia sagt: Besser die Klappe halten!
Dieses Urteil hat eine furchtbare Signalwirkung. Ich finde, hier verbarrikadiert sich eine Rechte Partei hinter dem Rechtsstaat einer Demokratie, die sie mit ihrer Politik und Ideologie zu unterlaufen versucht. Was fast noch viel schlimmer ist: Das Urteil erweckt den Anschein, als seien die Richter auf Seiten der AfD, denn trotz unklarer Beweislage und widersprüchlichen Aussagen verurteilt man Nym. Man verurteilt seinen Protest, sein Engagement und letztendlich auch die Meinungsfreiheit, die er meiner Ansicht nach nie verlassen hat.
Das Urteil zeigt, wie perfide die AfD versucht, Protest zu unterdrücken. Es scheint immer schwerer zu werden, sich öffentlich zum Antifaschismus zu bekennen. Die Partei versucht meiner Ansicht nach nicht nur mit politischen Spielchen die Demokratie zu unterlaufen, sondern manipuliert auch bewusst und geschickt die Gerichte, die damit zum Helfer einer rechten Ideologie verkommen. Getragen von Wählern, die ihre Polemik und Hetze in Hass und Gewalt verwandeln. Kann es schlimmer kommen?
Informative Links:
- TAZ: Gerichtsverfahren gegen Antifaschisten: Linker wegen Hitlergruß verurteilt
- Hinter den Schlagzeilen: Riskanter Antifaschismus
- Skug: Braun und Blau sind alle meine Farben
- Leetchi: Absurdes Gerichtsurteil: Bekennender Linker Alexander Nym wegen Hitlergruß verurteilt
Das sind äußerst bedenkliche Tendenzen. Ich bin keine Juristin und kann die Sachlache daher aus rechtlicher Sicht nicht bewerten, sondern nur mein persönliches Rechtsempfinden als Maßstab anlegen, aber unschuldig, bis die Schuld bewiesen wurde galt hier wohl nicht. Per se finde ich auch Misstrauen gegenüber Aussagen von Polizist*Innen angebracht, im Staatsdienst zu stehen heißt nicht automatisch Recht zu haben, oder die Wahrheit zu sagen. Da muss sich aber immer auch die Frage nach deren ideologischem Hintergrund stellen und danach, wem eine Falschaussage etwas nützen würde…In diesem Fall nutzt das Urteil nur der AFD, die sich damit als „zurecht empört“ und „moralisch unverwerflich“ ausgeben kann.
Liest sich vielleicht krass von mir, aber jede Reaktion ist eine zuviel, genauso wie jede Stimme eine zuviel ist. Ohne Reaktionen und Stimmen wäre meiner Meinung nach dieser Politik Spuk vorbei, und man hätte wieder ganz normale Faschisten, Extremisten, Verschwörungstheoretiker, ewig Gestrige… im Anzug… ohne Sitzplatz in Räten und Parlamenten. Jede Aufmerksamkeit und jede Stimme gibt ihnen Macht und Futter. Besser als jede Reaktion, wäre sich einfach als „Gegenkandidat“ aufzustellen, und/oder Gegenkandidaten bzw entgegengesetzte Wahlprogramme zu wählen und/oder zu unterstützen. Zum Fall hier: Das Verhalten von Herrn Nym war zwar originell und bestimmt auch lustiger Ernst… je nachdem wie man’s selber sieht, und der Protest „ehrenwert“, aber natürlich sehr gefährlich für ihn. Darin unterscheiden sich nunmal beide Seiten vom Wahlkampftisch…. Und die eine Seite war schlau und schlecht genug, den Vorfall zu ergreifen und vor die Exekutive und damit vor Justitia zu bringen. Grade weil die Exekutive… tadaaaa… als „dritte Seite“ direkt mit dabei ist, und sich damit nicht herausziehen kann. Sonst hätte man nur Aussage gegen Aussage. Bestätigt wieder mein Bild, das diese Menschengruppe der AfDen, in weiten Teilen aus aufmerksamkeitshungrigen „Opfern“ besteht…. hier „Opfer“ des Hitlergrußes an ihrem Stand. Etwas besseres kann diesen „armen braven“ Bürgern mit Machthunger garnicht passieren. Und genau aus Situationen wie hier, ziehen sie auch immer wieder ihre Macht und Aufmerksamkeit. Und wenn’s auch keinem nutzt, so schadete es wenigstens dem Gegner. Spiel, Satz, Sieg AfD.
Ich kann nachvollziehen, daß Herr Nym und wohl auch eine Vielzahl von Demokraten in Deutschland das Bedürfnis haben, ihrem Unmut über die AfD Luft zu machen; gleichwohl bewirken derartige emotionale Ausbrüche gar nichts und sind eher kontraproduktiv. Bieten sie der AfD doch nur erneut die Plattform, sich als Opfer und politischer Märtyrer in einem angeblich „links-grün versifften Deutschland“ darzustellen, ihre Integrität als blütenweiß , ihre politische Gesinnung als legitim und im Sinne des Volks. Noch dazu bieten solche Reaktionen wie die von Herrn Nym letztlich nur Gelegenheit, die Mittel unserer, von der AfD selbst wohl abgelehnten Demokratie in Anspruch zu nehmen sowie juristische Konsequenz zu fordern und das Konzept der Demokratie damit ad absurdum und vorzuführen. Das man das seitens der AfD gern macht, weiß man spätestens seit der thüringischen Landtagswahl.
Wir erfahren gerade sehr reaktionäre Zeiten, die mich bisweilen an das Auftauchen der NSDAP in der Weimarer Republik erinnern. Konzept der NSDAP war es, Andersdenkende gegeneinander auszuspielen, vorzuführen, Unruhe zu stiften, ein Klima der Angst zu schaffen, Tatsachen zu verdrehen und alternative Fakten zu entwerfen, um sich politisch als Bastion und Rettung gegen dieses seitens der NSDAP propagierte „staatszersetzende Demagogentum“ der damals aktuellen Politik zu präsentieren. Die Geschichte lehrt uns, daß das bei einer Mehrheit nicht ohne Erfolg blieb. Und aus meiner Sicht erklärt dies auch die bisherigen Erfolge dieser Partei in Gesamtdeutschland: Man stellt öffentlich vermeintliche Mißstände in Frage und liefert die einfachen Antworten gleich mit, so daß auch der letzte Dorftrottel noch überzeugt sein darf.
Von Menschen wie Herrn Nym wünsche ich mir, daß sie begreifen, daß die AfD ihre Hausaufgaben gemacht hat, sich durch eine hochgereckte Faust mit an den Hitlergruß angelehnter Geste nicht vorführen läßt, sondern strategisch längst auf einer ganz anderen Ebene spielt. Es ist bekannt, daß sich Funktionsapparat und Gefolgschaft der AfD aus Bildungseliten wie Juristen, Staatsanwälten, Ingenieuren, Pädagogen, Polizisten, Unternehmern, ehemaligen Militärangehörigen zusammensetzt. Nachdem bisherige Versuche der Etablierung konservativ-rechter Politik in Deutschland durch Parteien wie Die Republikaner und NPD scheitern mußten, weil sie zu offensichtlich am rechten Rand spielten und sich gern mit dessen Attributen wie Uniformierung und kahlrasierten Schlägern schmückten, versucht man diese Politik nun strategisch und konzeptionell im Rahmen einer vermeintlich volksnahen, friedlich-gemäßigten konservativen Bürgerbewegung, die sich gern als mißverstanden und harmlos darstellt, zu etablieren.
Davon darf man sich nicht provozieren lassen, auch nicht, wenn man dieses Spiel durchschaut und ein Wiederaufleben von Nationalismus befürchtet. Man muß mit Gelassenheit Aufklärung und Überzeugungsarbeit leisten und sich vor allem bewußt und selbst davon überzeugt sein, daß es zu unserem aktuellen System der parlamentarischen Demokratie keine Alternative gibt – wenn wir alle weiter so frei leben wollen wie bisher. Aufgrund der bisherigen Erfolge der AfD muß man wohl auch öffentlich die Frage stellen, ob wir letzteres wollen? Gerade bei jungen Menschen – und damit meine ich Menschen jünger als mich selbst – stelle ich immer öfter fest, daß man eine solche Verantwortung gern abgeben möchte, sich seiner Freiheit und Möglichkeiten gar nicht bewußt ist und sich lieber auf seine Wohlfühlzone aus Konsum, sozialer Anbindung und Freizeit fokussiert, weil man der Ansicht ist, andere regeln unseren Staat schon und werden schon das Richtige tun. Oder man will sich ganz einfach nicht näher damit beschäftigen müssen. Genau darin aber liegt die Gefahr von Organisationen wie der AfD: Sie ist bereit, diese Verantwortung ab- und zu übernehmen. Hat jedoch andere und eigene Ziele.
Einen Zusammenhang der Aktion von Herrn Nym mit der schwarzen Szene sehe ich übrigens nicht; solange ich mich in der schwarzen Szene bewegt habe, habe ich diese stets als vollkommen unpolitisch wahrgenommen. Was nicht damit gleichzusetzen ist, daß es nicht Schwarze gibt, die durchaus eine politische Gesinnung haben. Die sollte aber ohnehin jeder haben, der wählen gehen darf.
https://www.youtube.com/watch?v=h-in8uAtU8c
Für mich eines der intensivsten Interviews in Bezug auf Szene..was die beschriebene Tat betrifft naja..Emotion ist nunmal Emotion.
Das halte ich für gefährlichen Unsinn.
Die AfD (und vor ihr die NPD und ähnliche Parteien und Organisationen) sind nicht so groß geworden, weil es eine Opposition gegen sie gab und gibt. Sie sind so groß geworden, weil es Menschen gibt, die den Schwachsinn glauben, den sie absondern. Je weniger diesen menschenverachtenden Schwachmaten widersprochen wird, desto mehr andere Schwachmaten glauben, dass stimmt, was sie behaupten. Stichwort: Echokammer. Und schlimmer noch: ohne Widerspruch und Widerstand glauben sie schließlich selbst, dass die Schei… in ihren Köpfen der Realität entspricht. Fehlender Widerstand ermutigt besonders die geistig weniger wendigen Symapthisanten überhaupt erst dazu, immer extremer aufzutreten und Grenzen zu überschreiten.
Daher ist auch eine satirische Aktion wie die von Herr Nym durchaus nicht unsinnig, wenn auch in dem Zusammenhang vielleicht unüberlegt (er hätte wenigstens eine Kamera mitlaufen lassen sollen).
Markus : Ja, den Zusammenhang sehe ich auch nicht und ich empfinde da genauso wie du, da ich Alexander Nym aber als Autor sehr schätze und dies ja auch ein Stück weit ein persönlicher Blog ist, musste ich dahingehend Partei ergreifen. Darüber hinaus frage ich mich allerdings, wie lange die Szene sich noch unpolitisch verhalten kann? Sollte sie nicht, wenn sie schon der Gesellschaft mit Schwarz einen Spiegel vorhält, ein klares Statement haben? Tatsächlich war Herr Nyms Aktion Impulsiv und die AfD hat ihre Hausaufgaben gemacht. Sie machen zwar keine sinnvolle Politik, haben aber gelernt, nach allen Regeln der Kunst zu polemisieren, zu polarisieren und zu provozieren. Sie nutzen den Rechtsstaat und die Demokratie aus, um ihre Ziele zu stärken. Und das schon sehr raffiniert. Dennoch hätte es meinem Empfinden nach nicht zu einem solchen Urteil kommen dürfen, da offenbar „Aussage gegen Aussage“ stand.
Wiener Blut Victor von Void : Ja, ich kann den Impuls nachvollziehen, den Wiener anspricht. Und vor 25 Jahren hätte ich ihm möglicherweise auch noch mehr Recht gegeben. Leider gilt das 2020 schon lange nicht mehr und die AfD hat gezeigt: Ohne Gegenwind erreichen die immer mehr halbgare Spinner, die dann auf den argumentativen Zug aufspringen und plötzlich zu einer Masse werden, die dann das Leben derer Mitbestimmt, die dachten, es wäre gut die Klappe zu halten. Wir haben einfach viel zu viele Öffentlichkeiten, in denen sich alle frei bewegen können. Das ist an sich auch nichts Schlimmes, nur eben beflügelnd auch für so manchen Unrat. Dagegen muss man auf den gleichen Kanälen eine Gegenöffentlichkeit stellen, sonst, so behaupte ich, ist die Verbreitung solcher Parteien oder Theorien oder sonstwas, noch größer. Damals, ja damals, als die publizistische Macht bei den Verlagen lag, da war das einfacher, glaube ich. Da hast du den ganzen Scheiß, mit dem du dich heute abgeben musst, überhaupt nicht mitbekommen.
@Victor von Void:
Danke für deinen Kommentar. Ich denke auch, dass es gesellschaftliche Situationen gibt, die ein Schweigen nicht mehr dulden. In denen Schweigen zu Zustimmung und Unterstützung der „Unrechten“ wird. „If you are neutral in situations of injustice, you have chosen the side of the oppressor“.
Wirklich klug und wirkungsvoll war die Aktion von Herrn Nym sicher nicht, aber angesicht des momentanen politischen Zustandes kann ich sehr gut verstehen, dass man irgendwann die Schnauze voll hat und dem blau-braunen Mist.
@Robert: „Darüber hinaus frage ich mich allerdings, wie lange die Szene sich noch unpolitisch verhalten kann?“
Die Zeiten in denen man unpolitisch sein und sich vor der Welt zurückziehen kann sind meiner Meinung nach vorbei. „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ Zumal das wiedererstarkende rechte Gedankengut sich gegen alle und alles „Anderartige“ richtet und damit früher oder später auch die Szene betreffen würde. Es geht hier nicht mehr um Fragen von denen man sich ausnehmen kann, weil diese einen nicht tangieren. Hier geht es um radikale Sichtweisen, die Menschen gruppieren in besser und schlechter, (wert und „unwert“), die diese nicht mehr als gleich und mit den gleichen (Menschen-)Rechten ausgestattet sieht. Eine Sichtweise die diskriminiert, ausgrenzt, unterdrückt und Hass und Gewalt schürt.
Darüber hinaus, man muss mal die Gesamtsituation betrachten: das Klima ist futsch, für die jungen Menschen ist es beruflich immer schwerer auf einen grünen Zweig zu kommen, von der Rente ganz zu schweigen, Corona sorgt für neue Weltuntergangsstimmung und radikale (und/oder rechte) Tendenzen erstarken auf vielen Kontinenten – mehr „no future“ (und somit Anknüpfung an den Punk der 80er) braucht es doch echt nicht, oder? ;)
Ich störe mich ja schon seit längerem an dem Begriff unpolitisch. Ich halte die Szene grundsätzlich nicht für unpolitisch, sondern für politisch heterogen, mit der Folge, dass klare Positionierungen eher selten sind (aber trotzdem vorhanden, siehe „Grufties gegen Rechts“). Man mag diese Unterscheidung als Haarspalterei ansehen, angesichts der Haarspaltereien, die die AfD aber gern betreibt, erscheint mir das jedoch wichtig.
Und selbst wenn man irrigerweise der AfD insgesamt wohlwollend gegenübersteht, muss man doch anerkennen, dass die AfD heute nicht mehr die rechts-liberale Partei von vor 5 Jahren , sondern mittlerweile eine von richterlich bestätigten Faschisten (Höcke) und Neonazi-Kadern (Kalbitz) geführte Partei ist, deren Äußerungen und programmatische Zielrichtung schlicht antidemokratisch sind.
Ich erwarte nicht, dass die ganze Szene plötzlich einen Linksschwenk macht, dazu gibt es zu viele Leute in der Szene, die gegen Alles und Jeden (oder schlicht zu dämlich) sind. Aber ich glaube, dass man auch als stramm Konservativer für Demokratie und gegen Faschisten sein kann, ohne dafür gleich als Linker zu gelten. Bedeutet Konservativismus nicht im Kern, die guten Dinge erhalten zu wollen? Demokratie ist leider nichts, das von allein Bestand hat, sondern sie muss jeden Tag neu erkämpft und gegen Angriffe (egal aus welcher Richtung) verteidigt werden.
Gerade die Szene mit ihrem nicht ganz gesellschaftskompatiblen Habitus sollte besonders sensibel bei dem Thema sein, denn man kann sich nicht aus Allem raus halten und erwarten, dass man dann für immer in Ruhe gelassen wird. Wie uns die Geschichte gezeigt hat, ist eher das Gegenteil der Fall.
Mein Kommentar dazu soll nicht wertend sein, nur einige Beobachtungen und Gedanken:
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Es gab vor gut 15 + Jahren ähnliche Diskussionen. Ich erinnere mich gut. Damals gab es den starken Hang dazu, extreme nationale Gesinnung abzulehnen. Heutzutage beobachte ich, vor allem bei den 20 jährigen Nachwuchsgrufties einen sehr ausgeprägten Hang zum Nationalismus. Teils Patriotismus teils aber auch Nationalismus. Patriotismus kann ich noch nachvollziehen, bei Nationalismus und dies von bleichen düsteren Wesen, werd ich nachdenklich. In meiner Jugend, war die Dorfjugend zu ungefähr 20 % rechts. Heute ist da der Hang zu 60%. Sieht man denen übrigens nicht an. Eine Diskussionskultur darüber, ist kaum vorhanden. In meiner Generation war Diskutieren über aktuelle Themen sehr ausgeprägt. Die heutige Jugend diskutiert nicht mehr, sie schluckt und ich finde dies, wie ich mehrfach hie und da erwähnte, bedenklich. Als ich den Film Alien Covenant im Kino sah, riefen ein paar Wichtigtuer bei der finalen Szene „s. h.“ — Allerdings ist die heutige Lage, kompliziert. Die meisten in meinem Alter, stehen nicht rechts oder links, sie lehnen beides ab, stehen einigen Entwicklungen allerdings sehr skeptisch gegenüber. Hand aufs Herz, wenn du heute sagst, ich mag weder das Christentum noch den Islam, bist du rechtsradikal. Wenn du sagst, es ist ein Unding das du in Kantinen nur noch Geflügel bekommst, bist du rechts. Daher kann es gut möglich sein, das viele angeblich Nationale nicht extrem national geprägt sind, sie hinterfragen einfach und kritisieren. Eine Forderung Stellung zu beziehen, wird von einem Großteil meiner Generation abgelehnt werden. Warum zu etwas Stellung beziehen, was man ablehnt. Weder links noch rechts bekommen meinen Zuspruch und diese Aussage, höre ich sehr oft. Mit rechtsorientierten zu diskutieren, ist zudem mühsam und oft sinnlos, da man auf vernünftige Gedankenanstöße oft nur hohle Phrasen erntet, ABER dies gilt aber auch für neunmalkluge extrem linke Studenten, die oftmals aller Weißheit Löffel gefressen haben und abgesehen von hohler Phrasendrescherei nichts drauf haben.
Eine schwierige Zeit also und ich weigere mich Stellung zu beziehen. Und diese Weigerung geht von fasst allen aus, die ich schon länger kenne. In meiner Jugend waren rechte skinheads versoffene Haudraufschläger, die nur pöbeln konnten. Heutzutage zwinkern sie dir zu und sagen dir mit den Augen „ah hallo“. Seltsam, 10 Meter weiter wird dir von moslemischen rauschebärten „scheiß satanist“ hinterher gerufen. Alles sehr seltsam!! Mir fällt in diesem Zusammenhang ein, einen ähnlichen Kommentar gab es vor ungefähr 15 Jahren, in einem anderen Forum, von einer jungen Gruftine, die ist heute im juristischen Bereich tätig. Die Dinge ändern sich also nicht wirklich, nur die Schwerpunkte sind anders gelagert. Heute gibt es faschistische Grufties und faschistische islamisten und radikale linke für die du rechts bist, weil du Dinge hinterfrägst und aktuelle Entwicklungen fragwürdig findest….. und wie will man hier Stellung beziehen, wenn man dies alles scheiße findet? :D
Ich bin gerade viel zu wütend und entsetzt, etwas Konstruktives dazu zu kommentieren. So hype ich den Beitrag einfach mal durch diese Interaktion. ^^ Ich hoffe, es gibt ein Nachspiel, sprich Revision und Alexander Nym muss diese offensichtlich zu Unrecht verhängte Geldstrafe nicht zahlen, zu der er mit dieser mehr als hanebüchenen gerichtlichen Herleitung verdonnert wurde.
Nossi : Ja, ich kann diese Haltung durchaus nachvollziehen und im Grunde genommen möchte ich mich genauso verhalten. Unpolitisch. Die Szene ist für mich ein Schutzraum, der frei von der tagtäglichen „Zwangslage“ die Meldungen in den Nachrichten über rechte Gewalt und linke Zerstörungswut sein sollte. Auch Religion darf gerne vor der Tür bleiben. Ich such eben diesen Freiraum von den Zwängen einer ideologisch verseuchten Welt, in der jeder versucht seine Weltanschauung zu verbreiten.
Leider steht die Szene immer wieder im Einfluss derartiger Ideologien, gegen die man sich irgendwie wehren will, weil sie diesen Freiraum doch irgendwie verseuchen. Gruftige Christen, rechte Neofolker oder schwarz gekleidete Rebellen gegen das Artensterben. Nur um die Schlagworte zu verwenden. Jeder versucht, ein Stück Szene oder auch ein Stück WGT für sich zu vereinnahmen.
Und wenn man sich dagegen wehren will, kommt man dann nicht unfreiwillig in die Lage eben eine Haltung einzunehmen und klarzustellen, dass die Szene eben nicht aus diesen Einflüssen besteht. Wie siehst du das?
Robert Eine sehr schwierige Frage, es fällt mir schwer dir darauf zu antworten. Um all meine Gedanken dazu zu ordnen, bräuchte ich Wochen- Monate- und müsste dich mit vielen Din 4 Seiten langweilen. Es fängt schon an mit „die Szene“. Welche Szene, gehöre ich zu irgendeiner Szene. Ich kann darauf keine Antwort geben, ich müsste, meinem Naturell entsprechend, philosophieren. Nun denn, ich versuche mich kurz zu fassen. Ich wäre auch, gern unpolitisch. Es fällt tatsächlich oft schwer, wenn man neutral und nüchtern betrachtet, was so manche Partei an krimineller Energie an den Tag legt. Oft bin ich da etwas fassungslos und ungläubig. Dann bedenkt man die unzähligen Beispiele unserer Historie und muss zugeben, hätte man erwarten können. Die Ideale des ausgehenden letzten Jahrhunderts, sind Schall und Rauch. Ein – Mein – Rückzug, in eine Traum/Scheinwelt, in der wilde Romantik und nachdenkliche wohliges Zwielicht den Fokus auf, Leben geniesen- man hat nur eines und dies Dasein ist zeitlich begrenzt, ist vermutlich auch geprägt davon, das unser zivilisiertes System in dem wir leben, eine Gefahr an Oberflächlichkeit birgt, die es mir unmöglich macht, politisch links oder rechts, oben oder unten, farblich oder farblos- als erstebenswert oder unterstützenswert zu empfinden. Ich würde mich damit nicht wohl fühlen. Ich kann es auch nicht wirklich verstehen, wenn jemand eine politische Gesinnung auf extreme Art zelebriert und propagiert, da meine eigene Gedankenwelt zu kompliziert ist um so etwas nachvollziehen zu können. Man könnte auch sagen, mir fehlt die Fähigkeit dazu. Das Leben ist kein Zuckerschlecken und ich brauche gewisse Rückzugsgebiete wo ich schwelgend melancholisch den Lebensschmerz verarbeiten kann. Da kommt mir die Musikkunst einiger Gothic, Darkwave und Dark Ambient Bands/Künstler, sehr gelegen. Daher kann ich kaum politische Statements bringen, da ich damit etwas -mir heiliges- beschmutzen würde. Wilde Romantik und düstere Melancholie ist für mich Seelenbalsam, politische Ideologie empfinde ich in diesem Zusammenhang als unangenehm und unpassend. Mir ist schon bewusst, das viele Menschen diese Sichtweise nicht verstehen können/wollen. Ich berufe mich auf Tolkien. Ich bin auf keiner Seite, denn niemand ist auf meiner Seite.
Meine Haltung ist also : Gothic ist nicht gleichschrittmarsch. Da gibt es viele Facetten und einige Individualisten. Wenn sich jemand wohl damit fühlt, eindeutige politische Gesinnung zu verbreiten, möge er dies tun, ich selbst habe viel zu viel komplizierte Gedankengänge um mich hier solidarisch auf irgendeine Seite zu stellen.
Nossi : Ja, da bin ich bei Dir. Ich habe auch stets das Bestreben gehabt, die Szene als eben diesen Schutzraum zu erhalten. Frei von dem, was uns im Alltag zukleistert. Im Herzen bleibe ich auch dabei, die Szene sollte ein unpolitischer, unreligiöser Rückzugsort sein, in dem man eben genau diesen Dingen fröhnt, die im „normalen“ Leben eben unter diesen Themen ertrinken. Mein Verstand ist leider sehr oft dagegen, weil er bei diesen Einflüssen, denen wir uns immer wieder ausgesetzt sehen, ständig rebelliert.
Also was tun? Die Szene zum unpolitischen Schutzraum erklären und sämtlich Einflüsse weiter ignorieren? Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Für philosophisches Schwafeln bin ich allerdings immer zu haben ;)
Es ist nicht die erste strafbare Handlung von vermeintlichen antifaschisten, welche eher Faschisten sind.
Siehe Chemnitz, wo eine Zecke fröhlich den hitlergruss zeigt und man den Bürgern den schwarzen Peter zu geschoben hat.
Dazu unzählige hakenkreuze, welche pseudo linke überall hinschmieren, welche dennoch den rechten zugeschrieben werden.
Wäre due Statistik bereinigt, sähe die Sachlage anders aus…
@Willi Nowack: Soso, einfach mal alle Statistiken als „falsch“ deklarieren und im gleich im Anschluss selbst unbelegbaren Unsinn behaupten… *facepalm*
Das erinnert ironischerweise 1:1 an das Verhalten einer gewissen Partei in Deutschland -> Fängt mit „A“ an…