Ist es möglich, einen fragwürdigen ideologischen oder politischen Standpunkt eines Musikers zu ignorieren und die Lieder sorgenfrei zu genießen? Der jüngste Fall der Band Funker Vogt zeigt, wie schnell man als Band in einer Ecke landen kann, in die man eigentlich nicht wollte. Zu Recht?
Rein musikalisch habe ich der EBM-Formation „Funker Vogt“ bisher nicht viel Gehör geschenkt, doch als im Dezember 2014 bekannt wurde, dass der umstrittene Sänger Sacha Korn der bis dahin geheim gehaltene Frontmann „Sick Man“ der Band ist, drängte sich die Frage auf, ob dies eine rein musikalische Entscheidung gewesen ist.
In den Stunden nach Bekanntwerden der neuen Besetzung überschlugen sich die Statements und Kommentare in den sozialen Kanälen. Korn, der durch die Veröffentlichungen seiner Songs auf einer CD der NPD und das Covern der deutschen Nationalhyme mit allen Strophen in die Kritik geraten war, spaltete das Lager der Fans. Auch das Label der Band „Out of Line“ zeigte sich überrascht und macht unmissverständlich klar, dass sie an einer Zusammenarbeit mit Korn nicht interessiert seien. Unter dem Druck der Öffentlichkeit ruderte die Band kurz vor dem Jahreswechsel zurück und trennte sich wieder von Korn.
Dieser aktuelle Fall von Musik zwischen vermeintlichen Ideologien wirft für mich die Frage auf, inwiefern man sich als Hörer einer „umstrittenen“ Band positionieren muss und ob es möglich ist, politischen und ideologischen Hintergründen von Musikern und Künstlern keine Bedeutung zuzumessen. Es geht nicht um die Frage, ob eine Band nun „links“ oder „rechts“ ist, sondern darum, ob man Musik und Band-Hintergrund trennen kann und darf. Muss man aufgrund seiner persönlichen politischen Überzeugung die Tanzfläche verlassen, wenn der DJ Musik von Death in June, Blutharsch oder Fire + Ice auflegt?
Der aktuelle Fall: Funker Vogt provoziert Szene mit neuem Sänger Sascha Korn
Nachdem Jens Kästel die EBM-Formation „Funker Vogt“ im November 2013 verließ, versprach Gerrit Thomas, dass es mit neuem Sänger musikalisch weitergehen würde. Mitte 2014 war es dann so weit: Noch mit Sturmhauben verhüllt, zeigte sich Funker Vogt in neuer Formation auf offiziellen Bildern . Den neuen Sänger nannte man „Sick Man“, um – so die Band auf ihrem Facebook Profil – den Fokus auf die Musik zu lenken. Als am 12. Dezember dann ein neues Video mit dem Titel „Sick man“ erschien, dauerte es nicht lange, bis der Sänger als Sascha Korn identifiziert wurde. Seitdem steht der neue Sänger im Fokus, denn Korn machte in der Vergangenheit durch immer neue Schlagzeilen von sich reden.
2011 war Korn in der Kritik, weil einige seiner Lieder auf der „Schulhof-CD“ der NPD erschienen. Er erklärte damals, sein kanadisches Management habe die Titel ohne sein Wissen an die Partei abgegeben und untersagte zukünftige Weitergaben an politische Parteien. Durch die Veröffentlichung wurde der Verfassungsschutz Brandenburgs auf den Sänger aufmerksam, der ihn im damaligen Verfassungsschutzbericht als „rechtsextremen Liedermacher“ aufführte. Korn klagte gegen diesen Eintrag und erreichte, dass sein Name aus dem Bericht entfernt wurde. 2012 erscheint „Das Lied der Deutschen“, eine Coverversion der deutschen Nationalhymne mit allen drei Strophen der ursprünglichen Version. Obwohl nicht offiziell verboten, streicht der Handel die Veröffentlichung aus ihrem Angebot, das daraufhin auch nicht den Verkaufscharts erscheint. Diese Provokation sorgt vor allem bei Magazinen aus dem rechten Milieu für Interesse. Interviews für umstrittene Publikationen wie „Blaue Narzisse“, „Zuerst!“ oder auch „Hier & Jetzt“ stellen Korn in das Kreuzfeuer zwischen linken und rechten Ideologien. Das „Netz-gegen-Nazis“ kritisiert Korn, weil auf seiner Facebook-Seite „völkische und rechtsextreme Aussagen macht und anderen Facebook-Mitgliedern mit rechtsextremer Gesinnung eine Plattform bietet“ (Quelle: Wikipedia)
Das Echo der Öffentlichkeit folgte innerhalb weniger Stunden. Das Label Out of Line, das ebenfalls nicht in die Verpflichtung von Sascha Korn eingeweiht wurde, reagiert in einer Erklärung: „[…] Wir warten nun auf ein Statement des Managements bezüglich dieser Personalie. An einer Zusammenarbeit mit Herrn Korn sind wir nicht interessiert.„. In einem kurzen Statement distanziert sich die Band von jeglichen politischen Orientierungen: „no politics just music“ ist bei Facebook zu lesen, man erklärt aber zunächst nicht die „Geheimhaltungstaktik“. Auch der Sonic-Seducer stimmt mit ein und kündigt an, die Berichterstattung über die Band einzustellen: „Sonic Seducer wird selbstverständlich von einer Berichterstattung über Funker Vogt bis auf weiteres komplett Abstand nehmen.“
Die Bandmitglieder – die erklären von den „hohen Wellen“ völlig überrascht zu sein – sehen sich genötigt, Stellung zu beziehen. Da sich der anschließende Text auf eben diese Statements bezieht, erlaube ich mir an dieser Stelle ein etwas ausführlicheres Zitat:
Gerrit Thomas schreibt: „Jedenfalls sahen wir die Stimmung um seine Person eher als engstirnig und eingefahren an, anstatt als objektiv und tolerant. Da wir eigentlich eher darauf aus sind, nicht zu konfrontieren, wollten wir so wenig, wie möglich davon preisgeben, denn dass einige Sacha nur zu gern in eine Ecke stecken wollen, um uns in dem Zusammenhang zu schädigen, war uns von vornherein auch klar. […] Es tut uns wirklich leid, dass unser Management und unsere Plattenfirma unbewusst in die Sache mit hinein gezogen wurden, da wir nicht wirklich mit solchen Reaktionen gerechnet haben, sollte die wahre Identität von Sick Man herauskommen. Aber auch Euch wollten wir nicht darüber informieren, eben aus den oben genannten Gründen. Denn letztendlich kann es völlig egal sein, wer bei uns singt, ob er Sascha Korn oder Fritz Brause heißt, oder eben Sick Man! Das spielt überhaupt keine Rolle, da wir in unseren Texten keinerlei Ideologie oder Ähnliches verbreiten oder irgendwas verherrlichen oder gar gegen irgendwen aufhetzen – so, wie es mit uns gerade von anderen Seiten her gemacht wird!“
Sacha Korn bezieht auch Stellung: „Ja, ich habe eine patriotische Einstellung und liebe meine Heimat, meine Familie, meine Freunde. Aber die meisten haben ja schon begriffen, dass das noch keinen „Rechten“ aus jemandem macht […]“
Am 30. Dezember 2014 rudert die Band zurück. Auf FB veröffentlichen sie ein Statement: „Dass die Sache um unsere aktuelle Besetzung so große Wellen schlagen wird, ist der Grund dafür, jetzt getrennte Wege zu gehen. Wir wollen alle in Ruhe unserer Arbeit nachgehen, was unter diesem Dauerfeuer einfach unmöglich ist. Die Konsequenz daraus ist es, einen klaren Schnitt zu machen und diesen hier auch bekannt zu geben.“
Und täglich grüßt das Murmeltier
Die Szene kennt das Problem. Seit Anfang der 90er Jahre die Musikrichtung „Neofolk“ in der schwarzen Szene Platz findet, hagelt es Kritik. Bereits 1992 sagt die Band Death in June einen Auftritt zu einem „Dark X-Mas Festival“ nach einem Streit mit der Band „Das Ich“ ab. 1998 sorgten die „Geister Bremen“ mit ihrer Broschüre „Die Geister die ich rief“ für Wirbel, weitere Broschüren, die zu den Wave-Gotik-Treffen in Leipzig erscheinen, sorgen für weiteren Zündstoff. 2003 sagen die Veranstalter des Bochumer „Zwischenfall“ ein CD-Release-Party der Band Ostare ab, weil es zu massive Protesten der ortsansässigen Antifa-Verbände kommt. Das 2007 erscheinende Buch „Looking for Europe“ klärt vieles auf, kann jedoch die Brisanz des Thema nicht mildern. Seit Beginn der 90er Jahre stehen viele Bands des Genre „Neofolk“ in der Kritik, werden analysiert und ideologisch eingeordnet und auch das WGT rückt seitdem immer wieder in Kreuzfeuer politischer Ideologien. Sei es wegen der auftretenden Bands aus eben diesem Genre, oder auch wegen der Gestaltung der Eintrittskarten. Die Liste von Ereignissen lässt sich wohl beliebig erweitern.
Daas dieses Thema seit nunmehr 25 Jahren immer noch für Diskussionsstoff sorgt, ist Indiz dafür, wie schwer es zu sein scheint, selbst einen klaren Standpunkt zu beziehen. Die beiden auf Spontis erschienen Artikel „Herr Urbach, der Sonic Seducer und der Nationalismus“ und „Von der Reichsmark zu Eintrittskarte“ aus dem Jahr 2014 gehören zu den am häufigsten kommentierten.
Fragen über Fragen
Kann man die Musik einfach so in den Vordergrund stellen? Wie glaubhaft macht sich eine Band, die schreibt, sie würde in ihren Texten keine Ideologien verbreiten, wenn sie andererseits einen Sänger ins Rampenlicht stellt, der sich so zielstrebig im Kreuzfeuer der Ideologien bewegt?
Jeder von uns lässt sich doch aufgrund seiner Meinungen, Ansichten und Weltanschauungen irgendwie einordnen. Die meisten gehen sogar wählen und geben mit ihrem Kreuz auch eine Art Bekenntnis zu einer Partei ab, mit der sich sich am ehesten identifizieren können. Die meisten Szenemitglieder der schwarzen Szene – so behaupte ich jedenfalls – sind traditionell im linken Spektrum zu finden und haben wenig übrig für rechte Ideen und Parteien. Das gilt auch sicherlich für die meisten Künstler, die in Bands „Gothic“ mit der musikalischen Grundlage versorgen. Mit der zunehmenden Präsenz von Bands, deren Mitglieder sich in rechten Spektrum der politischen Orientierung wiederfinden, kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Reibungspunkten innerhalb der Szene. Wie wichtig ist denn diese politische Orientierung der Musiker, wenn die Musik völlig losgelöst davon agiert? Und: Wird die Musik schlechter, wenn man über die Hintergründe der Band aufgeklärt wird?
Der ein oder andere kennt das vielleicht. Da tanzt du ahnungslos zu sphärischen Klängen einer dir unbekannten Band, lässt dich von Klang und Atmosphäre tragen. Erst später erfährst du, dass Blood Axis und Sonne Hagal deinen Abend versüßt haben. Vielleicht interessierst du Dich für eine der Bands, postest begeistert das Lied des letzten Abends in deinem Facebook-Profil und ehe du dich versiehst, landest du im Spannungsfeld zwischen Runen-Symbolik, bedeutungsschwangeren Hintergründen und Meinungen deiner Freunde in sozialen Netzwerken. Und dabei wählst du die Linken, hast neulich gegen einen Pegida-Marsch demonstriert und auf deiner Tasche wirft ein skizzierte Grufti mit Teller ein Hakenkreuz in einen Mülleimer. Und nun? Passt das zusammen?
Politisches Bewusstsein
Meine Meinung? Eine unpolitische Szene setzt ein politisches Bewusstsein voraus. Klingt kompliziert, ist es aber gar nicht. Wäre ich in der Stimmung gewesen, hätte ich auch getanzt. Am nächsten Tag hätte ich mich informiert (um mehr von der Band zu hören) und mich mit den Vorwürfen beschäftigt und sie mit meiner politischen Meinung abgeglichen. Ist vielleicht ein wenig Arbeit, macht aber Sinn, denn nur Wissen macht immun gegen (vermeintliche) Beeinflussung. Es ist keine Option, unreflektiert durch die Musiklandschaft zu reisen, vor allem nicht in unserer „tiefgründigen“ Szene. Ich bin gegen Nazis, Rassismus und falschen Nationalismus, im Falle der oben genannten Bands fällt mein Urteil eindeutig aus: Ich finde die Musiker doof, ihre politische Einstellung falsch, ihre nebulösen Stellungnahmen hirnrissig und ihre Weltanschauung passt mir überhaupt nicht. Ich mag jedoch die Musik und den einen oder anderen polarisierenden Inhalt finde ich anregend, mich mal wieder von meiner Weltanschauung zu überzeugen.
Es ist ebenfalls keine Lösung, sich über die ständigen Wiederholungen zu echauffieren. Etwas als unpolitisch zu erhalten, erfordert aufmerksame Beobachter, die mögliche Einflüsse identifizieren und ansprechen, egal aus welcher Richtung. Wieder und wieder. Dazu gehört auch ein eigener politischer Standpunkt (und nicht zwingend eine politische Orientierung), denn die Szene muss unpolitisch bleiben, DU nicht.
Die schwarze Szene – als Kind des Punk – provoziert gerne und seit den 80ern mit immer neuen Ausdrucksformen. Reichten früher weiß geschminkte Gesichter, schwarze Klamotten und umgedrehte Kreuze, scheinen neuerdings Uniformen neues Stilmittel der Provokateure zu sein, die damit nicht nur nach außen hin provozieren, sondern auch die Szene selbst.
Auch die musikalische Landschaft der Szene gleicht einem Minenfeld. Überall lauern Inhalte, Weltanschauungen und Stilmittel, die mit der eigenen Überzeugung kollidieren können. Die unfassbare Breite an Musikstilen und Tiefe der Texte macht es schwierig zwischen „gut“ und „böse“ zu unterscheiden.
Funker Vogt kann sich glücklich schätzen. Die haben Fans, die ansprechen, was sie stört und die der Band Gelegenheit geben, zu reagieren. Ob es richtig war, dass die Band und Sacha Korn wieder getrennte Wege gehen, weiß ich nicht. Korn ist eine provokative Person, die – so denke ich – genau weiß, was sie tut. Auch wenn der Aufmerksamkeitszuwachs immens gewesen ist, letztendlich ist das sicherlich auch eine wirtschaftliche Entscheidung gewesen, ohne ihn weiterzumachen.
Es bleibt spannend und fordernd. Mitglied der schwarzen Subkultur zu sein heißt eben nicht, sich hinzusetzen und stumpf zu konsumieren – denn davon wollten wir uns einst distanzieren.
früher war es mal Laibach die man in die rechte ecke rechnete.Rammstein könnte man auch dazu packen aber ist das wirklich so?Und was mich wundert ist das die Gruftis die sich eigendlich immer als unpolitisch darstellten plötzlich doch politisch sind.Also es ist schwer zu differenzieren wer oder was rechts ist oder auch nicht.Gerne wird auch nur provoziert mit symbolen was dann auch oft falsch verstanden wird.Schweres thema sag ich nur
Grauzonen wird es immer geben, letzten Endes ist es ja eine hoch persönliche Entscheidung, wo diese für einen selbst beginnt. Es gibt einen stark qualitativen Unterschied zwischen Aktivismus in der Rechten Szene a la Sacha Korn oder, das Fass muss ja leider immer aufgemacht werden, Douglas P./Death in June. Eine Band wie Dernière Volonté hat darunter ja genauso zu leiden (Berlin 2013), und oftmals werden deutsche Denkmuster, meist unberechtigt, auf nichtdeutsche Bands übertragen, in denen die Rezeption von Faschismus/dem III. Reich eine gänzlich Andere ist. In England/Frankreich hat das einen anderen Hintergrund und auch eine ganz andere Wirkung, oder auch einen völlig apolitischen Hintergrund (Weswegen die „Grufties gegen Rechts“-Initiative“ auch eigentlich Schwachsinn ist). Wenn man ernsthaft gegen rechte Tendenzen vorgehen will, braucht das gerade im Neofolk/Industrial-Bereich einen ganz anderen Rechercheaufwand als den, der im Regelfalle aufgebracht wird. Eine Band wie Der Blutharsch, das hat Albin Julius (oder auch Boyd Rice, wenn auch im deutschen Sprachraum mit deutlich weniger Rezeption) mal ganz schön erklärt, ist mit dem Spiel mit „verbotener Symbolik“ Performancekunst deutlich näher als irgendeinem rechten Hintergrund. Letztlich wird eine aktive Auseinandersetzung damit ja quasi gefordert, was an sich nie schlecht ist…
…jedoch nicht heißt, dass offen neonazistische Kommentare so einfach weggenickt werden können. Letztendlich gilt ja auch, dass Freiheit immer da aufhört, wo die Freiheit von Anderen beschnitten wird, und wenn man sich als „libertär“ gibt, wie im Neofolk-Bereich öfters der Fall, ist das eine logische Konsequenz. Dass Neofolk genau deswegen jedoch immer in einer Grauzone stehen bleiben wird, ist die Konsequenz.
Aleks aus K. in Taunus?
Früher hab ich es so gesehen: Solange ich in der Musik nicht mit radikalen, von mir abgelehnten Parolen genervt werde, kann ich es mir anhören.
Inzwischen sehe ich es etwas rigider. Musik von Menschen, die eindeutig einer menschenverachtenden Ideologie anhängen, muss ich mir nicht geben.
Was das unrefkektierte Spiel mit totalitärer Symbolik oder faschistioden Aussagen als reine kindliche Form der Provokation angeht, da sage ich mal: Man kann nicht ständig mit Scheiße spielen, ohne dabei selbst ein Bisschen braun zu werden.
Mögliche oder tatsächliche politische Hintergründe von Musikern und Bands finde ich interessant, haben aber nur wenig damit zu tun, ob ich die Musik besagter Personen nun höre oder nicht. Das einzige, was ich bei „politisch extremeren“ Bands mache, ist, sie nicht in meine Last.fm-Liste aufzunehmen. Und die Musik einzig und allein durch Tausch mit Freunden zu erhalten, nicht zu kaufen. Ich will politischen Extremismus nicht finanziell oder durch „Werbung“ (öffentlich darstellen, was man hört, ist ja auch irgendwie Werbung) fördern.
Wobei ich da die Grenze deutlich jenseits der von dir, Robert, genannten Neofolk-Bands ziehe. Meine Haltung ist nicht immer konsistent, aber ich versuche, Künstler und Kunst zu trennen: Spiegelt sich die (angebliche oder tatsächliche) politische Haltung eindeutig in der Musik wider? Dann höre ich sie meistens nur „inkognito“. Death in June ist daher genau so in meinem Last.fm-Profil zu finden wie Fire + Ice oder Darkwood. Trotz Vorwürfen auch und gerade gegen die Liedtexte – ich sehe einfach nicht, dass da an den Vorwürfen etwas dran ist. Blood Axis und Sonne Hagal mag ich rein musikalisch nicht so. Um mal den Neofolk-Bereich zu verlassen: Varg Vikernes ist ein (sich selbst als solcher bezeichnender) Rassist und Mörder, Burzum ist aber weitesgehend getrennt von seiner politischen Haltung, weswegen ich kein Problem damit habe. Nokturnal Mortum ist auch ziemlich gut, aber eben auch ziemlich eindeutig NSBM, weswegen man das nicht auf meinem Last.fm-Profil finden wird.
Wie ich schon sagte, ist es schwierig, diese Einteilung immer konsistent zu halten. Das liegt aber auch daran, dass man den Leuten eben nicht in den Kopf schauen kann. So bleibt es oft bei Vermutungen, was mit der Verwendung dieser und jener Symbole, Textzeilen oder Äußerungen gemeint sein könnte. Ich versuche nur, im Zweifel lieber die harmlosere Erklärung anzunehmen als die schlimmstmögliche Interpretation. Und nein, das heißt nicht, dass ich jedem seine „Aber ich bin doch gar nicht rechts!“-Erklärungen abnehme. Josef K. kann zum Beispiel erzählen, was er will. Auch der erwähnte Herr Julius muss sich über Reaktionen nicht wundern, wenn er ein Album mit dem Titel „Der Sieg des Lichts ist des Lebens Heil!“ herausbringt. Hat er vielleicht auch gar nicht, jedenfalls nicht im Inneren. Deswegen ist er für mich aber noch lange kein Nazi und bis in die siebente Generation mit einem Makel behaftet.
Das Problem für mich ist auch ein wenig, dass ich so manche Überdramatisierung einer Band deutlicher zu „spüren“ bekomme als eine Verharmlosung. In letzterem Fall kann man sich höchstens über geistige Verrenkungen, eine Band harmlos darzustellen, amüsieren. In ersterem Fall erlebt man Absagen von Konzerten oder bescheuerte, durchs Internet wabernde Vorurteile, die einen ob des eigenen Musikgeschmacks in Erklärungsnöte bringen können. Gebt mal „Dernière Volonté“ ins deutsche Google ein und wartet auf die Suchvorschläge. Aleks hat Berlin ja schon erwähnt.
Und mag man Geoffroy D. eine – zumindest in frühen Jahren – aus deutscher Sicht (die eben nur völlig unangebracht ist) seltsame Herangehensweise an Nazithemen vorwerfen, aber es wird spätestens dann völlig abstrus, wenn selbst Kim Larsen sich vorwerfen lassen muss, :Of the Wand & the Moon: sei ja irgendwie rechts. Bekanntermaßen sind melancholische Liebeslieder ja rechts. Oder so ähnlich.
Ich will gar nicht sagen, dass Verharmlosung menschenverachtender oder extremer Einstellungen nichts Schlimmes ist. Aber mich persönlich betrifft das einfach weniger, weil ich schon von mir glaube, hinter Fassaden und Masken blicken zu können. Zumal man sich in den Kreisen eh selten viel Mühe dabei gibt, seine wahren Absichten zu verbergen.
Zumal es erstaunlich ist, wie deutsch dieses Problem ist. Vielleicht sollte man einfach mal über den Tellerrand des eigenen Landes blicken und schauen, wie man anderswo damit umgeht. Dass das gerade Teile der politischen Linken nicht können, entbehrt auch nicht einer gewissen Ironie. So urdeutsch und man merkt es nicht mal.
Und bitte nicht falsch verstehen, ich stehe politisch alles andere als rechts. Was genau der Grund ist, warum mich dieser Hang, überall Geister zu sehen, etwas nervt.
Letztendlich muss jeder selbst wissen, wo er für sich die Grenze zieht. Solange jemand aufgrund eigener Meinungsbildung diese oder jene Band hört oder nicht hört, kann ich damit gut leben. Solch ein Urteil ist ja auch meist auf einer sehr differenzierten Basis gewachsen, und ich kann viele Vorbehalte gegen Bands wie Death in June verstehen – auch, wenn ich das anders sehe. Unreflektiertes Verteilen des Nazilabels an Bands, die nun wirklich nichts damit zu tun haben, finde ich dagegen weder schön noch zielführend. Eher im Gegenteil.
Ein schwieriges Thema, zu dem ich auch keinen klaren Standpunkt finden kann/konnte. Mir ging es mit Kirlian Camera, mittlerweile über Jahrzehnte, ähnlich. Denn auch sie standen ja wegen einem von einem Zuschauer beobachteten (interpretierten?) Hitlergruß und Interviewäußerungen im Fokus der Kritik, mindestens in den 90igern.
In Reich-Ranickis Autobiographie las ich jedoch, wie er, der Jude, im Warschauer Ghetto immer wieder Wagner hörte, wenn sich denn eine Möglichkeit bot. Wagner der Antisemit. Ihm war das natürlich sehr bewusst, aber er lernte zu differenzieren, zwischen Kunstwerk und der Person dahinter.
In einem Interview in der Welt fand ich folgendes:
Das „entspannte“ mich auch beim Hören von Kirlian Camera.
Nun möchte ich Funkervogt natürlich nicht als besonders beachtenswerten Teil der Musikgeschichte sehen. Aber interessant wäre schon zu wissen, in wie weit der Inhalt der Musik unter dem genannten Sänger „politisch“ kritikwürdig war.
Ich bin froh, dass ich aufgrund meiner Meinung keinerlei Anstalten machen muss, Herrn Reich-Ranicki zu widersprechen. Da er zu denen gehörte, bei denen einem nur schwer das Kontra gelingt. So sage ich einfach: Recht hat er.
Und ebenso zieht es sich auch durch meine Alben, was hat die Musik, das Werk mit dem Künstler zu tun. Wenn wir uns dahingehend zu einer Übererfüllung der political correctness hinreißen lassen wollen, dann sollte wir aber auch schnellstmöglich Produkte von Thyssen oder I.G. Farben aus unserem Alltag streichen. Prinzipiell am 1ten Mai arbeiten gehen und nur noch Landstraßen benutzen.
Aber ernsthaft. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Und wenn ein Künstler nur albern daher redet, seine Meinung kundtun und ansonsten hinter dem Mischpult meinungsneutrale Musik oder bildende Kunst schafft, dann ist mir das völlig egal. Wird er irgendwie unangenehm aktiv, dann wäre es zwar etwas anderes, je nach Schmerzgrenze, doch reine Meinung bleibt reine Meinung.
Schließlich höre ich nur die Musik, interpretiere nur die Texte für mich und lade denjenigen nicht zum Essen ein und ziehen mit dem von einer Podiumsdiskussion zur nächsten. Musik ist etwas zu persönliches, als dass man es von der Masse vordeuten lassen könnte. Zumindest jede, die Deutung zulässt. Dahingehend ist definitiv zu relativieren.
Ich finde es ehrlich gesagt witzig, dass die Schulhof-CD noch so lange existierte. Zwar hatte ich das Projekt damals recht intensiv verfolgt, aber dann mit der zweiten Auflage des »Schreckens aller linken Spießer und Pauker« doch aus den Augen verloren. Versuchte damals schon die NPD auf peinlichste Art und Weise den vor braunem Exkrement nur so triefenden Datenträger als coolen rockigen Sampler zu relativieren, der bloß dem Jugendfrust ein Sprachrohr geben sollte und doch sonst recht harmlos wäre.
Wahrlich niedlich, wenn schon auf der zweiten Silberscheibe eine Anette dem kahlgeschorenen Stammtischproleten nach dessen nationalen Rülpsern trällert oder ein Rennicke in sinnlicher Eintracht davon schmachtet, wie sich ein junges Mädel lieber erschießen lässt, anstatt den Reichsflagge wegzuwerfen.
Ehrlich gesagt, das sind Kaliber, da lohnt sich eine Debatte nach Sinn und Verrat an der Musik. Da könnte man auch interpretieren wie man wollte, diese Stücke bleiben hohl und ohne jeglichem patriotischen Gehalt. Das wird auch unter der liberalsten Auslegung national-chauvinistischer, rechtsradikaler Bockmist bleiben.
Bei Sacha Korn jedoch… Ich habe mir die Stücke der Schulhof-CD einmal angehört. Abgesehen davon, dass man dessen Klage akzeptieren sollte. Er hat sich gerichtlich von der Platzierung distanziert. Dass diese Dinger nun gepresst wurden, weiter kursieren und er nun dennoch auf ewig damit verbunden bleibt, ist halt Pech. Aber man sollte ihm auch den Gerichtsbeschluss zugestehen, der eben besagt, dass er selbst keine Ambitionen hegte, darauf veröffentlicht zu werden.
Dass sich viele schwer tun, derartiges zu akzeptieren, wird ja gerade innerhalb des Neofolk bestens belegt. Ich erinnere mich spontan an diverse Berichte, die Orplid sofort ins rechte Lager sperrten, weil einige derer Stücke auf rechtsgerichteten Samplern erschienen. Und obwohl die Band, bzw. Frontmann Nolte später erklärte, dass es ein Fehler war und nur deshalb geschah, weil ihm Politik so völlig am Sonstwo vorbeigeht -oder so ähnlich- ließ der Mob nicht davon ab, in ihm weiterhin den Rechtsgesinnten zu sehen. Frei nach dem alt bewehrten Motto »Bist du nicht zu 100% für uns, so bist du gegen uns.« Oder mit einem Satz, den ich sehr schätze, da er sich recht oft bewiesen hat: »Wer zu weit nach links geht kommt rechts wieder raus.«
Doch zurück zu den Stücken von Korn. Wie gesagt, habe sie mir angehört und kann den Stress kaum verstehen.
»Lass mich gehen« ist ein Stück Jugendfrust. Den Kontext bekommt man von jedem deutschen (möchtegern) Großstadt-Rapper an den Kopf geworfen, nur nicht ganz so lyrisch.
»Nie wieder« Ich schätze, was hierbei bitter aufstößt, wird die letzte Strophen sein: »Polen soll bis Holland reichen und Deutschland von der Karte streichen« Bei solcher Wortwahl ist ja faktisch im »Gutmenschtun Polen offen«, um hier mal einen billigen Kalauer zu platzieren. Ein paar Zeilen drüber erscheint noch Eva Herman, was den Ärger über diese flegelhafte Wortwahl noch perfektioniert. Ich will hier keinen Interpretationsessays in die Tastatur schlagen. Aber ich schätze, wenn man das mal einer Klasse Abiturienten vorsetzt, so würden die unterschiedlichsten Assoziationen entstehen. Auch bezogen auf den Gesamttext. Und womöglich auch welche, die keinen Platz mehr für die Anklage zum rechten Gedankengut zulassen würden.
Was ich dahingehend aber interessant fand war das Stück »Mein Land« Klar ist das patriotisch. Aber es wäre beschämend, wenn man Patriotismus, bzw. Heimatverbundenheit nicht von Nationalstolz unterscheiden kann. Jedenfalls wäre es auch interessant, jenes Stück mal interpretieren zu lassen. Völlig werteneutral.
Und wem jetzt das Argument in den Sinn kommt: Rechte Texte leben davon, dass man diese zu seinen Gunsten hin interpretieren kann. Der betrachte einmal ein anderes Stück jenes CD. Von einer Band, die ihren Neonazismus nicht leugnet:
»Sie tragen keine Bomberjacken, sind trotz allem national. Gehen zum Fußball oder Partys, ihre Köpfe sind nicht kahl. Man kann nur schwer erkennen, wer sie sind und was sie wollen.
Doch wenn es um Deutschland geht, dann hört man sie von weitem grollen:
Eine Jugend rebelliert Auf den Straßen, in den Gassen – von überall kommen sie her!
Eine Jugend rebelliert! In den Städten, auf den Dörfern – wir werden immer mehr!«
Nach meiner Erfahrung können die Bands nur zwei Extreme. Entweder gerade heraus und unmissverständlich ihre Botschaft absondern oder, wie Aussteiger berichten, mit den ewig gleichen Symbolen und Metaphern verschlüsseln. Es muss ja schließlich auch jede hohle Nuss verstehen können.
Wie dem auch sei, ich kenne den Knaben nicht, habe erst vorhin erstmals von ihm gelesen. Ebenso Funker Vogt, was ich bis dato immer mal von denen hörte, fand ich so berauschend, dass mein Interesse für diese Band um den Nullpunkt liegt. Ich weiß auch nicht, was Korn so den lieben langen Tag postet, weiß nicht, was er so von sich gibt. Habe einzig die Verdachtsfälle, den Argwohn linker Seiten, die CD und das Zitat
Welche Provokation? Das da rechte Gazetten drauf anspringen wie eine läufige Hündin ist klar. Doch »Deutschland, Deutschland über alles«… welch´ Frevel. Ja, in den 40´er Jahren folgte darauf das SA-Kampflied. Aber das »Lied der Deutschen« an sich ist doch kein Verbrechen an der Menschlichkeit. Das einzige Verbrechen darin ist der patriotische Kitsch, aber was erwartet man von einem Text, der aus der Mitte des 19ten Jahrhunderts stammt. Und Landesgrenzen besingt, die heute nur noch in Geschichtsbüchern existieren.
Ich verstehe die ganze Debatte um dieses Lied nicht, zumal die 3te Strophe als Hymne unsere Nation huldigen soll. Diese darf das. Da diese harmlos erscheint, nicht bitter aufstoßen lässt wie ein »über alles in der Welt« Vielleicht sehe ich das falsch, aber solange man mit der 3ten Strophen seine Nation repräsentiert, sollte man auch akzeptieren, dass diesen Worten ein anderer Kontext vorrausgeht. Alles andere empfinde ich als ein wenig scheinheilig.
Kurze Gegenfrage: Was bei Kirlian Camera ist antisemitisch, alsdas es für Spannung zu sorgen droht…?
Wie ich oben schrieb, wurden KC im Laufe der 90iger mit diversen Rechtsextremismusvorwürfen konfrontiert. Ein Teil davon wird auf Wikipedia wiederholt. „Antisemitisch“ war das dabei nicht, soweit ich es beurteilen kann. KC dienten mir hier auch nur als Beispiel, um die innere Unsicherheit zu beschreiben, die auch mich erfasst hatte, wenn Künstler eine Symbolik nutzen, die nicht meiner politischen Haltung entspricht.
„Entspannt“ konnte ich damals die Musik jedenfalls noch nicht hören. Nicht jeder, und ich zähle mich dazu, kann oder konnte eben zwischen dem was „gut“ und „böse“ ist unterscheiden.
Ich zitiere da auch gerne nochmal den Post von Spontis:
Okay, dann hatte ich es falsch aufgefasst. Deshalb die Frage.
Im Grunde habe ich mir dahingehend nie wirklich eine Platte gemacht. Stutzig wurde ich nur einmal bei Laibach, aber damals wollte ich es nur pro forma wissen, die Musik sagte mir dennoch zu. Und mit deren alten Statement, das sinngemäß lautete: „Wir sind ebenso Faschisten wie Hitler ein Maler gewesen war.“, war für mich die Sache klar.
Man muss auch nicht unbedingt zwischen »gut und böse« unterscheiden können, genügt es doch für sich in »gut und schlecht« einteilen zu können. Und bei Kirlian Camera behaupte ich einfach mal ganz frech, dass deren Musik eben nichts für Kleingeister ist. Und die undurchdachten Argumente innerhalb der Angreifer bestätigen das nur zu gerne. Somit wäscht einem die eigene Überheblichkeit von allem Zweifel frei. Ob man damit richtig liegt kann ohnehin nicht objektiv bewertet werden, sondern unterliegt einzig subjektiver Entscheidung. Ergo, warum dann nicht gleich konsequent.
Daher sollte man sich vom Gebrabbelt der anderen nicht in seine Wahrnehmung fahren lassen. Passt die Musik in die Gedanken und in das Weltbild, so darf man diese Musik hören. Und ist es eben bewiesen rechte Propaganda, dann muss man halt damit leben, dass man bei der Musik- bzw. Sinnsuche weniger Hirnzellen benutzte, als manch anderer. Aber wer nichts auf derartige Inhalte gibt, der wird auch intuitiv nicht auf solche hereinfallen. Der wird stutzig und hinterfragt. Wenn nicht, dann wäre dieser so oder so nicht zu »retten« gewesen.
Anderes Beispiel wäre Triarii. Auf irgendeiner Internetseite gab es einst einen Artikel über das Musikprojekt. Und witzig fand ich dabei die Stelle »[…] der Nationalsozialist Christian Erdmann …blabla […]« Ich kann mich nicht entsinnen, vom Interpreten schon einmal irgendein politisches Statement gelesen oder vor allem in der Musik gehört zu haben. In Asterix werden die römischen Kriegszüge kindgerecht verharmlost. Aber wenn einer dem militärischen Imperialismus seinen Paukenschlag gibt, gilt das als Kriegsverherrlichung und als rechtslastig.
Daher nichts drauf geben was die anderen sagen. Klar werde ich einen Teufel tun und mit dem beispielsweise »Born to be hailed« –Shirt von Hanzel und Gretyl im Dienst auftauchen. Aber nur, weil ich nicht für Musikunterricht bezahlt werde. Gehört wird das bei mir privat dennoch ohne Vorbehalte. Und »Runes and Men« ist für mich in seiner Originalversion, ganz klischeehaft, noch immer eines der Sinnbilder des Neofolk. Egal was Pearce über die Jahre so alles sagte oder ihm über die Jahre so alles nachgesagt wird.
„Eine unpolitische Szene setzt ein politisches Bewusstsein voraus.“
Auf den Punkt gebracht, danke!
Natürlich darf man unpolitische Dinge tun, denken, sagen. Gern sogar! Aber Dinge werden nicht dadurch unpolitisch, dass man einfach behauptet sie seien es. Dazu muss man im Gegenteil die politischen Mechanismen recht genau durchdrungen haben.
Vielen Dank für diesen Artikel! Meine Schwester hat ein Problem mit meinem VNV Nation-T-shirt, weil der Druck gaaaaant entfernt ein bisschen vielleicht an einen Volksempfänger erinnert. Soviel zu den Geistern, die überall gesehen werden.
Besonders zitierwürdig finde ich diesen Abschnitt:
„Ich bin gegen Nazis, Rassismus und falschen Nationalismus, im Falle der oben genannten Bands fällt mein Urteil eindeutig aus: Ich finde die Musiker doof, ihre politische Einstellung falsch, ihre nebulösen Stellungnahmen hirnrissig und ihre Weltanschauung passt mir überhaupt nicht. Ich mag jedoch die Musik und den einen oder anderen polarisierenden Inhalt finde ich anregend, mich mal wieder von meiner Weltanschauung zu überzeugen.“
Mir fiel auch das Beispiel Triarii ein, denn deren Musik wurde unkommentiert beim Warhammer 40.00-Rollenspiel gehört, weils atmosphärisch so gut gepasst hat. Eine nähere Beschäftigung mit den Texten Triariis führte für mich zum Schluss, das ich die Musiker doof finde – aber trotzdem ab und an bombastische Klänge hören wollen darf. Genau! So! Umfeld, nimm das hin!
Übrigens könnte man, wolle man es auf die Spitze treiben, auch alle seine Hemden von Hugo Boss wegwerfen. Die Firma Hugo Boss hat ab etwa 1931 SS- und SA-Uniformen hergestellt (Vgl.: Roman Köster: Hugo Boss, 1924-1945. Die Geschichte einer Kleiderfabrik zwischen Weimarer Republik und „Drittem Reich“. München 2011). Das die Firma nach der Übernahme durch die Schwiegersöhne von Hugo Boss eine ganz andere Produktlinie aufnahm und sogar eine Studie zu dem Thema in Auftrag gab* vergessen die Leute, die so weit nach links gehen, das sie rechts wieder rauskommen. Leute, Firmen und Produkte ändern sich…
(* Mir ist bewusst, das die Firma Hugo Boss trotzdem nicht so „sauber“ ist, wie sie gern dastehen möchte, was Herstellungsbedingungen usw. angeht. Das ist hier aber nicht Thema.)
Aus all diesen Gründen ist es ja auch eine sehr gute Idee, KEINE Kleidung von Hugo Boss zu tragen. Ich vermeide es auch, Nestlé-Produkte zu kaufen. Oder CDs von Nachtmahr. Und was VNV Nation angeht ja, alles sauber – und trotzdem nicht cool. Warum dieses bewusste Spiel mit der „Volksempfänger“-Optik? Diese gibt es nunmal nicht mehr komplett unpolitisch. Es gibt auch Menschen, die würden gern das Hakenkreuz von seiner hsitorischen Belastung reinwaschen, damit man es wieder als indischen Glücksbringer tragen kann… Dummerweise funktioniert das nicht: Symbole sind nunmal, womit sie die Menschheit aufgeladen hat. Die Bedeutung trägst Du immer mit. Riefenstahl zeigt nunmal nicht einfach schöne Körper… sorry.
Warum denn nicht? Der Volksempfänger findet sich doch sogar auf dem Cover von „Radio-Aktivität“ von Kraftwerk. Ich glaube nicht, dass man denen das mal vorgeworfen hat. Oder vielleicht doch. Gut, bei dem Album kann man ihnen ja auch die unreflektierte Lobpreisung der Radioaktivität vorwerfen ;)
Nur ein Grund mehr, der Menschheit den Spiegel vorzuhalten und sie dazu zu bringen, diese subtilen Mechaniken zu offenbaren und zu hinterfragen.
Und wenn man mal genau hinschaut, machen das sowieso viel mehr Bands als man gemeinhin glaubt. Nur, dass es bei einigen einfach keiner Erwähnung mehr bedarf, weil jedem klar ist, wie das gemeint ist. Laibach wollte man auch mal eine lange Zeit falsch verstehen, aber ich glaube kaum, dass das noch jemand tut. Und wenn man sich mal moderne Martial-Industrial- oder auch Neofolk-Bands anschaut, entdeckt man darin schon viele Gemeinsamkeiten zur Optik, die Laibach so gerne verwendet hat.
Mal ganz davon abgesehen, dass es einen gewaltigen qualitativen Unterschied zwischen nem Volksempfänger und dem Hakenkreuz gibt. Die Frage, ob und wie man letzteres „reinwaschen“ kann, hat hier auch gar keiner gestellt. Dass es ein paar Symbole gibt, von denen man besser die Finger lassen sollte, sehe ich auch so. Das ist aber eine eher geringe Zahl. Wenn man sich schon für die Verwendung von Runen rechtfertigen muss, läuft irgendetwas falsch.
Man kann Hakenkreuze verwenden. Oder Runen. Die Frage ist doch, wie, wozu, warum. Was will man sagen? Und dann lass uns über den Inhalt des Gesagten, des Angedeuteten reden!
Bei Laibach gibt es da viel solide Grundlage, weil da eine künstlerische Auseinandersetzung stattfindet. Die sehe ich bei vielen anderen Bands und auch Fans nicht. Da wird einfach eine Uniform angezogen – weil es schick ist oder, noch schlimmer, man die „provokanten“ Assoziationen ganz geil findet. Und wird dann kritisch gefragt, was das soll, kommt das Todschlag-Argument: Laibach durften doch! Oder Kraftwerk!
Das ist dämlich – und nebenbei ein Grund, warum die Szene kaputt geht. Zu viele wollen unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit argumentationsfrei Unsinn sagen und tun dürfen. Muss man wirklich ausdrücklich auf die Doppeldeutigkeit bei Kraftwerk hinweisen, die den Volksempfänger mit radioaktiver Strahlung in Zusammenhang zu bringen? Offenbar muss man. Dagegen wird leider bei vielen Szenebands schlicht und fröhlich (Meinungsfreiheit, gell?) die Ästhetik der 30er Jahre gefeiert.
Vielen Dank für die zahlreichen Kommentare! Wirklich großartig wie die „Szene“ diskutiert!
@Stephan K: Vielen Dank für Deinen Kommentar! Das Thema ist schwer und das ist auch gut so. Wer sich zielsicher auf thematischen Tabubereichen bewegt, darf keine leichte Kost erwarten sondern ist irgendwie verpflichtet, sich auseinanderzusetzen. Finde ich jedenfalls. Ein stumpfes konsumieren überlassen wir dann doch lieber dem täglichen Charts-Geschraddel. Leider gibt es keine klaren Grenzen, was „Gut“ oder „Böse“ ist. Das wäre auch zu einfach.
@Aleks: Der landesspezifische Hintergrund einer Band ist ein interessanter Aspekt, den man nicht außer Acht lassen darf. Faschismus ist jedoch Länderübergreifend und kein deutsches Phänomen, auch die Briten kennen das Problem mit diesen Menschen. Dass die Skinheads heute noch einen schlechten Ruf haben, ist die Folge davon. Ich denke, dass es wichtig ist den hohen Rechercheaufwand zu betreiben, denn nur so können wir unpolitisch halten was unpolitisch gehört. Ich habe nichts gegen die Musik oder die Inhalte von Death in June, aber mit den Menschen hinter dem Bandnamen werde ich niemals warm werden. Die Grauzone endet nämlich bei der Differenzierung. Hier muss man als Künstler klar Stellung beziehen.
@Staufer: Etwas polemisch, aber auf den Punkt gebracht. Wer einfach so ein bisschen mit Symbolen und Uniformen aus der Nazizeit spielt ohne darüber nachzudenken, dem ist es auch letztlich egal wo und bei wem er so auftritt, wessen Musik er hört und was sie bedeutet.
@Irmin: Ich würde Dir zustimmen, für fragliche Bands keine Werbung zu machen, aber ist es nicht ein wenig übertrieben sie selbst aus Playlisten zu verbannen? Liegt das darüber hinaus vielleicht auch an einer möglichen „Schublade“ in die man geschoben wird? Ich stimme Dir zu, was die finanziellen Unterstützung angeht. Musik von Bands die mir nicht passen, kaufe ich nicht. Egal wie gut die Musik nun letztlich ist. Als Mitbringsel auf einem Sampler? Meinetwegen. Die von mir genannten Bands sind natürlich nur Beispiele, die ganze breite fragwürdiger Bands oder Musik ist auch nicht Gegenstand dieses Artikels.
Das ist doch logisch, oder nicht? Das was die Leute interessiert sind ja auch nicht gute Nachrichten, sondern die schlechten. Auch wenn ich selbst von so mancher „Überdramatisierung“ genervt bin, ist es jedoch als latenter Hörer der Musik meine Pflicht seine eigene Meinung und Position klarzumachen. Meinetwegen auch 100mal. Dehnen wir das auf die Szene aus: Lieber 1000mal „Vorsicht!“ rufen, als stillschweigend Einflüsse hinzunehmen, die nicht zu einer „unpolitischen“ Szene passen. Ich muss mich nach außen hin nicht erklären, das ist meine Abgrenzung. Aber „innen“ gehört sehr wohl aufgeräumt.
Da bin ich anderer Meinung. Jedes Land hat seine eigene Vergangheit, seine eigene Kultur und seine eigene Art zu leben. Ich bin sicherlich nicht mit jeder deutschen „Tugend“ einverstanden, doch das reflektieren der eigenen Vergangheit, das lernen aus den Versäumnis und das ständige streben nach Verbesserung finde ich sehr gut. Wenn in Italien beispielsweise gerade ein Buch erscheint, das den Titel „Das vierte Reich“ trägt und die „Herrschaft Deutschlands in der Eurozone“ beschreibt, frage ich mich wo dort der Umgang mit der eigenen Vergangenheit ist.
@Soul: Schönes Zitat aus der Welt. Passt ganz gut zu einem möglichen Standpunkt: Kunstwerk und Künstler trennen. Möglicherweise bin ich aber zu pedantisch für diese Vorgehensweise. Kaufe ich das „Kunstwerk“ (also ein Album meinetwegen) vom „Künstler“, dem umstrittennen Sänger XYZ, nehme ich doch billigend in Kauf, die Person hinter dem Kunstwerk zu unterstützen, oder? Das gilt vielleicht weniger für Persönlichkeiten der Zeitgeschichte (ein Adolf Hitler profitiert ganz sicher nicht mehr davon wenn ich sein Buch – wenn es dann mal herauskommt – kaufe) als für aktuelle Künstler. Wäre Wagner 2015 bekennender Antisemit würde ich einen Teufel tun irgendetwas von ihm zu kaufen.
Das Interessante bei Funkervogt war ja: Die Musik hatte nichts mit dem Künstler zu tun, ebenso wie bei Wagner. Deswegen ist ja auch die Beantwortung der Frage „Darf ich das?“ so schwierig.
Guldhan: Ich halte Korn auch nicht für einen Nazi, wenn man das so sagen darf. Seine Vorgehensweise hinsichtlich seiner Musik eckt an und ich unterstelle, dass das Absicht ist die einem Zweck dient. Welcher Zweck? Ich weiß es nicht. Korn ist für mich ein Unsympath, weil er Interviews für deutlich politische orientierte Zeitschriften gibt und sich unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit verkriecht. Aber das ist nur meine subjektive Meinung. Für diesen Artikel war Korn und Funker Vogt der aktuelle Aufhänger die Frage: „Darf ich das hören“ aufzugreifen.
Anonsten stehe ich deinem geschriebenen Wort sehr nahe: Meinung ist Meinung. Ob sie mir schmeckt oder nicht. Deswegen habe ich auch versucht zu sagen, dass man sich nur unpolitisch bewegen kann, wenn man ein politisches Bewusstsein erlangt. Und dazu gehört das lesen der Nachrichten, das beschäftigen mit aktuellen Ereignissen, bla, bla … wem erzähle ich das? Meinung ist Meinung. Handelt jemand danach, wird es schwieriger, das auf die Meinung abzuwälzen. Handlungen muss ich nicht akzeptieren, tolerieren oder hinnehmen. Doch was ist eine Handlung? Sich von einer deutlich „rechts“ orientierten Zeitung/Zeitschrift interviewen zu lassen, ist das eine Handlung? Ist das demonstrieren gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ eine Handlung oder Meinungsäußerung?
Diesen Teil verstehe ich nicht so ganz. Auch ich finde es schrecklich, wenn mir die Intelligenz abgesprochen wird, mich mit dem Gesehene und Gehörten auseinanderzusetzen. Mir ist aber bewusst, dass es Menschen gibt, die leicht auf die Verharmlosung reinfallen und Dinge mit in ihr Weltbild nehmen, die da nicht reingehören. Frag doch mal einen Nazi-Uniform-Träger nach seinen Beweggründen. Ich wette da kommt in den meisten Fällen nichts sinnvolles bei raus. Und genau deshalb finde ich es wichtig, solche Einflüsse möglichst einfach (manchmal auch plakativ) darzustellen um sie für eine breite Anhängerschaft der schwarzen Szene zugänglich zu machen.
@((tim)): Danke für das Lob. Ich sehe das ganz ähnlich, wir müssen nunmal damit Leben das machen Dinge durch die Vergangenheit aufgeladen worden sind. Der Mord an Millionen von Menschen ist nunmal nicht durch Zeit zu heilen. Das gilt für das Hakenkreuz genauso wie für das Kreuz oder welches Symbol auch immer. Und je häufiger der Satz: „Das betrifft meine Generation doch gar nicht“ höre, desto nachdenklicher werde ich. Der Mensch und seine Verdrängungsmechanismen sind einzigartig. Manchmal komme ich mir vor wie in einer Baumkrone, in der sich Blüten und Blätter bestaunen und denen völlig egal ist, wovon sich ihre Wurzeln nähren.
Auch ich habe für einen Satz zu danken:
Genau das ist ein Grund. Ich werde nie verstehen, warum man eine Ästhetik aufleben lassen muss, die so schrecklich belegt ist wie diese. Es gibt unzähligen Epochen bei denen man sich bedienen könnte und es gibt so viel unentdecktes zu erforschen. Ich finde es schlicht gesagt langweilig und billig wenn sich Bands stilistisch in diesem Fahrwasser bewegen um wahrgenommen zu werden und die Verkaufszahlen zu erhöhen. Musik hören ist die eine Sache, ein Kunstwerk wahrzunehmen eine andere Sache.
@Irmin (nochmal):
Ganz kurz nochmal zu deinem Satz:
Völlig richtig! Leider sind nicht allzuviele Menschen in der Lage sich selbst, ihre Gedanken und Handlungen zu hinterfragen. Leider. Manche Menschen finden sich im Spiegel einfach nur schön. Es ist ganz großartig, dass wir Mechnismen der Beeinflussung verstehen, aber das befreit uns meiner Ansicht nach nicht davon, Symbole und ihre Aufladungen zu akzeptieren. Dass der Volksempfänger nunmal als Propaganda-Instrument entwickelt wurde ist Tatsache. Das wir diesen Zweck kennen befreit uns nicht davon, dieses Design unreflektiert zu übernehmen.
@Animus: Die Frage die ich mir stellen würde: Warum hat VNV-Nation dieses Design benutzt? Warum eigentlich dieses Spiel mit dieser Art der Gestaltung? Findet sich dieser Zusammenhang in der Musik? Das gilt für viele Bereiche des Lebens. „Sieht toll aus, nehmen wir!“ Funktioniert prima für den Hausgebrauch, aber als Künstler der ein Design für sein Kunstwerk sucht? Für mich hat das einen faden Beigeschmack. Offensichtlich ist dann das Kunstwerk doch nicht leidenschaftlich und von Herzen wie es man sich wünschen würde. Und wenn es dann trotzdem so ist, fängt die Grübelei erst richtig an.
Meine Frage an Dich: Ich kenne jetzt weder Wahrhammer 40k noch die „passende“ Musik, aber du hast gemerkt wie merkwürdig es sein kann, wenn man sich mit Musik und Künstlern beschäftigt. Du sagst „Umfeld, nimm das hin!“ – Woher hast du erfahren, dass die Musik problematisch sein könnte und würdest du sagen dass man ein „Nimm das hin!“ erst sagen dürften wenn sich mit Musik und Künstler beschäftigt hat?
Oh, das liegt ganz sicher an Schubladen, in die man gesteckt wird. Es geht mir hier ja nicht um Bands, deren Mitglieder eventuell zweifelhafte (oder mir einfach widerstrebende) politische Ideen verfolgen. Es geht um mehr oder minder eindeutige „Nazibands“, und ja, die halte ich schon gerne aus meiner Last.fm-Liste raus. Obwohl die nicht mal irgendwelche prominenten Plätze belegen würden, so oft höre ich die dann auch wieder nicht. Aber andererseits habe ich mir beim Blick auf meine „Nachbarn“-Liste (oder gar bei Freundesanfragen) schon gedacht „Ach, so einer ist das.“ Ist vielleicht nicht fair, aber wenn da Bands bei sind, die selbst Last.fm nicht mehr anzeigt (und ja, so etwas gibt es), denke ich mir schon meinen Teil.
Oh, das sehe ich gar nicht mal anders und halte es auch so. Wenn mich Arbeitskollegen darauf ansprechen, dass sie „über dieses WGT“ mal recherchiert hätten (und man sehe sich nur den Wikipedia-Artikel an), dann bin ich zwar genervt, dass das Thema Rechtsextremismus in besagtem Artikel x-mal so viel Platz einnimmt wie auf dem tatsächlichen Treffen, aber ich werde die Dinge dennoch erklären (und ja, erklären, nicht reinwaschen).
Wenn dann aber Konzerte eindeutig „unschuldiger“ Bands verschoben oder abgesagt werden, hört es für mich auf mit dem geduldigen Erklären.
Ja, aber das hat doch mit dem Verteufeln von Runen oder allem, was irgendwie „germanisch“ klingt, nichts zu tun. Ja, die Nazis fanden das ganz dufte, hab ich verstanden. So what? Das ist doch nichts Neues. Und ja, über diesen Hebel kann man immer noch versuchen, ekelhafte Ideen unters arglose Volk zu bringen. Aber gibt es denn so viele „Arglose“? Oder, wie du es ausdrückst:
Warum soll mich das interessieren, ob es solche Leute gibt? Und viel mehr noch: Warum soll ich irgendetwas von dem, was ich tue, mit „Rücksicht“ auf diese – doch nur hypothetischen! – Menschen ändern oder sein lassen? „Es könnte sein, dass irgendwer eine böswillige Interpretation dessen vornimmt, was wir tun, also basteln wir um unsere Kunst lieber ein fünfzigseitiges Manifest, in dem wir erklären, ganz artig zu sein.“ Ich finde das, ganz ehrlich, furchtbar.
Ich möchte ja nicht auf Laibach herumreiten, aber die wurden auch nicht schon immer verstanden, nur, weil ja die künstlerische Auseinandersetzung da war. Dass dem ganz und gar nicht so ist, kann man ja sogar im dazugehörigen Wikipediaartikel nachlesen. Das „schützt“ also auch nicht. Ich finde es auch erst mal gar nicht furchtbar, Design oder Gestaltungselemente einfach nur so hübsch oder ästhetisch zu finden. Ich will es nicht gleich „l’art pour l’art“ nennen, das ist dann doch zu viel der Ehre für so manches Machwerk. Aber es muss nicht alles immer etwas bedeuten, nur, weil es in der ursprünglichen (oder einer anderen) Form mal etwas bedeutet hat.
Man kann gerne darüber diskutieren, an welcher Stelle man für sich die Grenze zieht, was das „Spiel mit dem Feuer“ (wenn man so will) angeht, und man kann diese „Herumreiterei“ auf der dazugehörigen Ästhetik ja gerne langweilg oder ausgelutscht finden. Ist sie ja auch in vielen, viel zu vielen Fällen. Zu viele „Künstler“ gibt es, die meinen, fehlende Tiefe durch Provokation ersetzen zu können (oder zu müssen). Nur „schlimm“ kann ich das so ohne Weiteres nicht finden.
Es ist und bleibt ein extrem schwieriges Thema.
Man kann sich jetzt fragen: Was tue ich, wenn mir ein Lied einer Band xyz gefällt und ich mir deshalb – noch vor dem Internetzeitalter – eine CD kaufe, mir diese CD gefällt und ich dann über diese Band recherchiere und feststelle: „Oha, die Jungs haben sich aber ganz eindeutig in eine Richtung positioniert, die mir absolut nicht zusagt!“
Was ist dann? Darf ich dann diese CD nicht mehr hören? Muss ich sie gar verbrennen? Darf ich nicht zugeben, dass ich die Musik – trotzdem – schön finde? Muss ich jetzt jede TExtzeile analysieren, ob diese aus meiner Sicht falsche politische Einstellung in diesem Lied, welches mir vielleicht von der Melodie her immer noch gefällt, wiederspiegelt?
Bin ich zu paranoid, wenn ich es mache oder zu wenig vorsichtig, wenn ich es nicht mache? Es ist und bleibt eine Wanderung auf einem extrem schmalen Grad.
Einerseits gebe ich mit solchen Diskussionen dem nach rechts gerücktem Gedankengut Raum. Andererseits, was ist, wenn ich nicht darüber diskutiere und alles totschweige?
Es ist wie mit allem im Leben: Jede Handlung von uns hat Konsequenzen. Egal was wir tun. Diese Konsequenzen sind nicht notwendigerweise politisch, sondern vielleicht ganz banal. Aber sie sind da. Und am Ende ist das, was erstmals banal wirkt, doch nicht so banal, sondern in seiner Gesamtheit voller Verachtunng und (Fremden)Hass. Da hört es bei mir persönlich dann recht schnell auf.
Vom Prinzip her halte ich es so: Solange man mir keine gewisse Grundhaltung aufdrücken will, ist mir egal, was ein Musiker denkt und fühlt. Wenn mir die Musik gefällt, gefällt sie mir. Kommt mir manches zu extrem vor, werde ich vorsichtig und treffe dann für mich eine Entscheidung. Da reicht mir – neben der Politik schon – wenn mir der entsprechende Musiker unsympatisch ist.
Musik muss bei mir die Seele berühren, doch kann sie das unter gewissen Umständen eben nicht. Klar kann man argumentieren: „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiss!“ Aber kann ich Wissen ewig verdrängen? Wie gesagt, das ist keine einfache Entsscheidung, die sich hier auch schwer wiedergeben lässt.
@ Luni: Ich habe mit diesem Problem Bekanntschaft gemacht, als mir ein Stück von einer gewissen französischen Band gefiel. Schnell war der DJ gefragt, der mir sogleich eine ausrangierte Auflege-CD mit dem Titel gab. Ich hörte den Titel rauf und runter und wollte als alter Sammler auch gleich eine Originale CD von der Gruppe haben. Auf der Suche im Internet bin ich dann über Berichte der angeblichen politischen Richtung der Band gestolpert, die das Vorhaben sogleich einbremsten. Mich hat das Tage beschäftigt ob ich nun soll oder nicht. Eigene Grundhaltung oder „geiler Sound“… Wobei man die Grundhaltung so überlisten könnte, dass ich mir einfach sage: Da mein Französisch ist nach der 5. Klasse verkümmert, ich verstehe die Texte eh nicht – Shit happens. Aber eine Nacht danach war mir das doch nicht so egal, da ich gewisse Prinzipien als einen wichtigen Teil meiner Person erachte.
Das Problem habe ich so gelöst: Ich habe mir bis heute keinen Tonträger dieser Band gekauft oder eine andere Form der finanziellen Unterstützung zukommen lassen. Nach einer Weile war das Lied auch nicht mehr so der Renner und somit hatte sich die Sache erledigt.
Ich muss zugeben, was Musik angeht bin ich moralischer Nihilist. Solange ich die Band nicht finanziell unterstütze indem ich CDs etc. kaufe, ist es mir herzlich egal in welcher Intension zum Beispiel faschistoide Ästhetik verwendet wird.
Und ich muss sagen, auch wenn sich Douglas Pierce ziemlich daneben benimmt, der SS-Totenkopf in Kombination mit der ‚Gay-Rights‘-Flagge ist so stumpf und abgedroschen, das sollte doch jedem pseudo-elitären Zynisten-Arsch gefallen (…also allen Gruftis?…).
Ich glaube noch nicht einmal, dass man sich rechtfertigen muss, man sollte sich nur nicht blind stellen und mögliche Problematiken verdrängen. Ich habe nich gegen moralische Nihilisten, solange sie sich bewusst machen, was sie tun. Im Grunde genommen muss ich @Luni zustimmen. Handlungen haben Konsequenzen. Musik zu hören ist erstmal keine Handlung. Es ist ja nicht gesagt, dass man sich vom hören eines fragwürdigen Textes gleich mit einem Gedankengut identifiziere, eine Partei beitrete oder vor Ausländerheimen protestiere. Das halte ich natürlich für Quatsch. Trotzdem bleibt es meiner Ansicht nach essentiell wichtig, zu wissen. Gerade wenn damit ein visuelle „Ästhetik“ verbunden ist.
„Faschistoide Ästhetik“ ist für mich keine Ästhetik. Weder Uniformen oder eindeutige Symbole finde ich schön. Die dahinter stehende Intention ist mir erstmal völlig egal. Auch auf der Bühne muss ich mir das nicht geben, ich erkenne die Logik nicht und in den meisten Fällen sehe ich dahinter auch keine Message, Meinung, Haltung oder Botschaft. Bisher konnte mir das niemand erklären. Schon gar nicht Uniform-Träger selbst.Die reine Provokation ist in meinen Augen keine Form der Kunst sondern ein Weg um Aufmerksamkeit zu generieren.
@Robert
In den musikalischen Bereichen in denen ich mich bewege wird faschistoide Ästhetik keinesfalls als etwas schönes dargestellt, vielmehr geht es darum die hässlichsten Kapitel der Menschheitsgeschichte zu beleuchten und dem Hörer mit pathetisch-militaristisch anmutenden Klanglandschaften den kollektiven Wahn der Masse zu verdeutlichen. Ich für meinen Teil respektiere diese Musik als legitime Kunstform, sie hat es mir erst ermöglicht den Faschismus in seinen Grundfesten zu verstehen.
Ich verteidige hier übrigens sicherlich nicht Bands wie Feindflug, hier ist der Vorwurf mangelnder Logik sicherlich gerechtfertigt, pure Provokation. Mir geht es vor allem um Neofolk und martial Industrial.
Ich folge da nur der eigenen Wahrnehmung die mir sagt, dass „Ästhetik“ etwas schön ist. Möglicherweise reibe ich mich auch zu sehr an dieser Begrifflichkeit.
Ich verstehe deine Erklärung, finde aber, dass durch das Styling in eben dieser „Ästhetik“ ersteinmal gar nichts symbolisiert und zu Ausdruck gebracht wird. Viel schlimmer noch, selbst das Publikum greift mittlerweile Stilmerkmale der Bühne auf und kleidet sich ebenfalls in dieser pathetisch-militaristische Ästhetik. Was wird denn damit kritisch betrachtet? Wo ist die Brücke zum verstehen des Faschismus? Haben diese Leute das System verstanden und kleiden sich deswegen so?
Vielleicht ziehe ich mich zu sehr am Styling hoch, aber wer sich auf die Bühne stellt und mit eben dieser Art der Provokation arbeitet muss klar Stellung beziehen, seine Absichten artikulieren und/oder in Texten den Wahnsinn und den Mechanismus vorführen. Ich behaupte, dass der kleinste Teil des Publikums deine Auffassung teilt. Und genau das machen viele der Künstler nicht, sie tummeln sich selbst in fragwürdigen Organisationen und hüllen sie in ihren Erklärungen in nebulöse Worthülsen. Meiner Ansicht nach verfehlt das sein Ziel. Meilenweit.
Ich verstehe was du meinst, es ist eben ein Begriff der stark mit subjektiven Wahrnehmungen zusammenhängt. Ich zumindest entdecke Ästhetik im morbiden katholischen Totenkult, in gotischen Kirchen, bei den Gottespsychotikern des IS und ja auch im Film Olympia – Fest der Völker von Leni Riefenstahl. Die Ideologien welche hinter diesen Bildern stehen verabscheue ich zutiefst, aber womöglich ist es genau das was diese bizarre Anziehungskraft ausmacht…
Da bin ich völlig auf deiner Seite, solange es nicht der Künstler auf der Bühne ist der sich in Schale wirft um eine beklemmende Atmosphäre zu erschaffen ist sowas recht geschmacklos und hinterlässt eher den Eindruck das die jeweilige Person sich in der Vorstellung eines uniformierten Hohlkopfes genießt…
Aber kann man die stumpfsinnige Interpretation einiger Fans den Bands zulasten legen? Vielleicht ja, vielleicht sollte hier tatsächlich mehr darauf geachtet werden die Intension, wenn auch durch künstlerische Mittel, zu unterstreichen. Aber sind wir doch mal ehrlich, ein nicht geringer Anteil der Szene sucht doch das extrem, will sich wenn auch diffus mit verbotenem schmücken um anzuecken. Bands wie Death in June leben von dieser kontrollierten Kontroverse, und ich bin mir ziemlich sicher das dieses ständige sich darüber aufregen nicht zum gewünschten Resultat führt, im Gegenteil. Provokation lebt von Menschen die sich provozieren lassen. Was mir viel eher Sorgen macht sind VAWS Stände auf dem WGT, wer Kleidung von ‚Von Thronstahl‘ verkauft kann nämlich noch so pseudo-intellektuell daherschwätzen, diese Leute sind ganz klar Nazis.
Eigentlich bin auch auf deiner Seite, aber aus künstlerischer Sicht wäre das wie wenn man als Magier den Trick verrät. Der Hörer sollte doch durch GEZIELTE Provokation in einem Maße aufgewühlt werden das ihn quasi von alleine die destruktiven Mechanismen erkennen lässt. Haben Laibach jemals publik gemacht das sie keine Faschisten sind?
Die Leute von denen du redest haben ganz andere Ziele, das zum Beispiel von Thronstahl versucht Frischfleisch für ihre wahnwitzige Ideologie zu rekrutieren sollte jedem denkenden Menschen ins Auge springen. Naja, ich sag’s mal so, ich kann mich tatsächlich nicht guten Gewissens verteidigend vor die Mehrheit der Bands stellen, was die Fans angeht schon gar nicht. Aber ehrlich gesagt fühle ich mich auch nicht dazu genötigt, solange ich weiß in welcher Intension ich diese Musik höre, und das habe ich hier ja hoffentlich zur Genüge erklärt, antworte ich auf die Frage im Titel reinen Gewissens mit ja, ich darf.
Das ist mal ein schöner Vergleich, vielen Dank dafür. Ich sehe es, wie man weiter oben ja schon lesen kann, ganz ähnlich. Gerade das „von alleine die destruktiven Mechanismen erkennen“ lassen ist doch der wichtige Teil. Durch eigenes Denken darauf kommen, wie bestimmte Dinge einzuordnen sind, ist immer effektiver als einfach gesagt zu bekommen, dass bestimmte Dinge „böse“ sind. Mal davon abgesehen, dass Teil guter Kunst aus meiner Sicht sein sollte, dass sie vom Rezipienten interpretierbar bleibt und einem nicht eine Interpretation vorgeschrieben wird. Das hat leider zur Folge, dass auch unangenehme Interpretationen möglich sind und sich bestimmte Leute bemüßigt fühlen können, Musik für sich zu vereinnahmen. Das sollte aber kein Grund sein, selbige Musik abzulehnen.
Ob das natürlich alle Künstler auch immer so gut hinbekommen oder überhaupt wollen, was ich oben beschrieb, ist ein anderes Thema. Ich möchte nur betonen, dass Bands aus meiner Sicht keine klare Stellungnahme brauchen, um für mich als völlig unproblematisch zu gelten. Um mal von dem Nazithema weg zu kommen: Als das Sommerloch 2001 durch den „Satansmord“ von Witten gefüllt wurde, fand ich Rudy Ratzingers musikalische Reaktion darauf absolut großartig. Wenn irgendwelche idiotischen Medien meinen, alles falsch verstehen zu müssen, bitte, sollen sie doch. Wenn sie meinen, Musik könne Menschen zum Mord antreiben, bitte, sollen sie doch. Wer allein mit so einer Prämisse an eine Sache herangeht, will doch gar nicht verstehen. Warum also sollte ich mich für so etwas abmühen?
Wie gesagt, das bedeutet bei Weitem nicht, dass ich jeder Band einen Blankoscheck für deren Unbedenklichkeit ausstellen möchte. Triarii ist z. B. so ein Fall: Das Lied „Kameraden“ enthält ein Sample aus den späten Tagen Nazideutschlands ohne wirkliche Einordnung. Für mich klang das, was darin gesagt wurde, nie besonders positiv – durch die musikalische Untermalung und den Titel des Liedes kann ich aber schon verstehen, wenn man da zu einer anderen Meinung kommt. Allein das Fehlen der Absichtserklärung hat aber nur wenig mit meiner Interpretation zu tun.
Von Thronstahl und Konsorten sind sowieso eine ganz eigene Kategorie, weil deren Texte ziemlich eindeutig sind. Da gibt es eher wenig Interpretationsspielraum. So lange ich die Leute aber nicht monetär unterstütze, höre ich mir auch das an.
Witzig finde ich ja, dass du weiter oben Feindflug nicht verteidigen willst. Dabei haben doch gerade die ziemlich eindeutige Absichtserklärungen abgegeben und soweit ich weiß auf ihren Veröffentlichungen deutlich Stellung bezogen. Im Prinzip machen die doch ganz Ähnliches wie diverse Neofolk- und Martial-Industrial-Bands. Zumindest kann ich keinen großen Unterschied erkennen.
Gern geschehen.^^
Das ich sie nicht verteidigen will was die Wertigkeit ihrer künstlerischen Darstellung angeht bedeutet nicht das ich sie als Nazis einordne, im Gegenteil bei Feindflug bin ich mir absolut sicher das sie keine Nazis sind. Ich finde lediglich das Feindflug zu plump mit der Thematik umgehen, für mich hat das nichts mit klanglicher Verarbeitung des zweiten Weltkriegs und der faschistischen Ideologie zu tun sondern mit provokativer Ausschlachtung ohne wirklich anzuecken sonder immer auf dem sicheren Terrain der kalkulierten Kontroverse…
Wie du schon selbst ausführst, ja, ein klein wenig schon. Klare Stellungnahmen oder Hintergrundinformationen würden es leicher machen. Gerade für das Publikum, für das die Band tatsächlich nichts können. Aber was wäre wenn sich beispielsweise all die nebulösen Neofolk-Formationen klar gegen politische Ideologien stellen und unmissverständlich formulieren: „Nazis nein Danke!“ Vielleicht würde man dann endlich die Freiheit haben zum ausdruck zu bringen, was man möchte und müsste sich nich ständig gegen eine Vereinnahmung wehren. Vielleicht macht es das dem Publikum oder dem Hörer einfacher auch einmal in die Stücke, die Musik einzutauchen, weil man sich sicher sein kann, damit keine Ideologien zu unterstützen.
„Darf ich das hören?“
Genau. Aber genau das ist dumm und gefährlich. Das lockt die ganzen Idioten vor die Bühne die ein Teil ihrer Tätowierungen abkleben müssen und andere Idioten vor die Konzerthallen, die unerkannt den anderen vor die Mappe hauen wollen.
Was machen die Bands? Sie verkaufen ihr Zeug an merkwürdige Vertriebe und Verlage, geben ideologisch geprägten Organen Interviews und erteilen Freigaben um auf „NPD-Samplern“ zu erscheinen. Auf direkte Fragen antworten sie verschwurbelt und unklar. Niemand weiß woran er ist.
Kalkulierte Kontroverse. Gute Kunst braucht das nicht, die muss nicht künstlich gepusht werden um zum nachdenken anzuregen.