Es ist schon etwas Besonderes, wenn sich Szene-Künstler erheben, um über die Szene zu schreiben. Der Blick von den Bühnen der Republik ermöglich häufig ein umfassenderes Bild über eine Subkultur, der man häufig selber entspringt. Tim Hofmann, Gitarrist und Keyboarder der Gruppe fetisch:MENSCH tritt aus dem vermeintlichen Schatten den Oswald Henke gelegentlich zur werfen vermag und hinterfragt die sprichwörtliche Hand, die ihn füttert. Sein Blick von der Bühne zeigt ihm eine kritiklose Masse, die ihre Tiefe verloren hat und nun hilflos auf der Oberfläche paddelt. Hier kommt keiner zu kurz, die verbale Klatsche gegen die musikalische Gothic-Landschaft und deren einschlägigen Magazine sitzt. In seinem Artikel: Wann hat Gothic sein Herz verloren? Und wann seinen Sinn? schreibt er: „Vielleicht hat es nicht so wehgetan, weil es so langsam und schleichend passiert ist. Und genau deswegen tut es wohl auch besonders weh: Gothic, so wie wir es einst lieben gelernt haben, ist nicht mehr. Nur noch ein Schatten, eine Erinnerung.“
Seit Jahren predigen die Veteranen das Ende der Szene, in nahezu jeder Dekade liegt die Szene im Sterben. Wir sind es gewohnt. Wir sind gewohnt zu hören, dass Gothic tot ist, dass es seine Tiefe verloren hat, seinen Gehalt. Die Anzahl derer, die resignieren, wächst stetig. Zu laut ist die Masse der Oberflächlichkeit, zu leise die eigene Stimme. Und dennoch fühlen wir uns noch irgendwie zu einer Szene hingezogen, die öfter gestorben ist als eine Katze.
Doch Tim Hofmann weiß zu differenzieren und schreibt weiter: „Wann hat er eigentlich aufgehört? Als der Graf ins Fernsehen ging? Als Mono Inc. beschlossen, ihre Karikatur von dunkler Musik zu veröffentlichen? Als zu viele WGT-Besucher das optische Ausstellen einer inneren Anders-Gefühlslage mit dem karnevaleskem Spaß am Verkleiden zu verwechseln begannen? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es an all diesen Einzelpunkten nicht liegt. In jeder Szene gibt es Menschen, deren Herz tief verwurzelt drinhängt und solche, die nur an einigen Details gefallen finden. Alles hat eine Oberfläche. Das ist kein Problem so lange es darunter auch die Tiefe gibt.“ Schon wieder jemand, der resigniert? Jemand, der die Hoffnung aufgibt? Es tut gut, dass jemand die Sache auf den Punkt bringt, ausspricht, was gesagt werden sollte und das Gewicht seiner Stimme dazu nutzt, die Reichweite zu erhöhen.
Die Szene, lieber Tim Hofmann, ist nicht tot. Wie gerne würde ich nur nicken und denken: „So ist es!“ Doch nach den Zeilen der Zustimmung folgen auch Zeilen des Prickelns, einem Gefühl das Dir sagt: „Nein! Schau doch mal hin!“ Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen den Ihrer Meinung nach schlimmsten Fehler, die Kritiklosigkeit, auszubügeln. Jedenfalls ein bisschen. Die Szene stirbt immer erst dann, wenn sie in einem Selbst stirbt, wenn man den Kampf aufgibt und sich von der Oberfläche so weit entfernt, dass ein gelegentliches Auftauchen unmöglich erscheint. Nach 6 Jahren bloggen bin ich mir mittlerweile sicher: Die Szene muss nicht sterben, die Geburtenrate ist gesunken, aber vorhanden.
„Der Ton war uns Überzeugungs-Gothics immer etwas ganze Besonderes. Wir haben unter der Oberfläche der Gesellschaft nach den Nischen gesucht, nach der Individualität. Haben zugehört. Zugelassen. Selbst Schmerz und Hass. Haben hinter alle Dinge geblickt. Aber irgendwann haben wir dabei Toleranz mit Kritiklosigkeit verwechselt. Meinungsfreiheit war uns ein so hohes Gut, dass Irgendwann der Inhalt einer Meinung egal war. Der Inhalt. Das hat dazu geführt, das irgendwann jeder alles machen konnte – wir haben es geschluckt. Und irgendwann haben wir mangels besserer Angebote Dinge geschluckt, die wir so eigentlich nicht haben wollten. Irgendwann war ASP eine der besten Bands der Szene. Wir haben nie gelernt, wie wichtig und befruchtend konstruktive Kritik und Streit sind. Auseinandersetzung. Das Ergebnis ist, dass es keine guten neuen Szene-Bands gibt. Man betrachte nur die Programmfolgen der Festivals in den letzten Jahren.“
So ist es. Mensch Tim, großartig geschrieben! Doch das Prickeln bleibt, gibt es keinen guten Szene-Bands mehr, oder ersticken wir in der ständigen und überflutenden Verfügbarkeit von Musik? Seit Punk kann jeder Musik machen, seit dem Internet kann jeder darauf aufmerksam machen. Die paar Menschen, die sich ernsthaft mit der Musik auseinandersetzen und sagen könnten was gut oder schlecht ist, kommen kaum noch hinterher sich durch die Flut der Belanglosigkeit zu kämpfen um die Perlen zu entdecken. Was wäre fetisch:MENSCH ohne den Namen „Henke“? Du schreibst es selbst: „Es gibt immer noch hervorragende dunkle Musik. Musik, die unter die Oberfläche schaut und das Dunkel ertastet. Die Schnitte im Herz, die Wunden in der Seele. Kunst, wegen der wir uns einst in der Schwarzen Szene heimisch gefühlt haben.“
Dass du diese Musik eher außerhalb gewohnter Pfade findest, liegt vielleicht auch daran, dass „Gothic“ ein Modelabel ist, auf das hunderte von „Musikern“ aufspringen um für tausende, die dem Mode-Diktat folgen, das nötige Futter zu produzieren. Randbereiche sind sicher noch nicht so stark infiltriert, hier hat eine Suche mehr Erfolg. Neofolk, der Prügelknabe der Szene, ist so ein Beispiel. Kommerziell noch zu uninteressant und voller Leidenschaft dümpeln hier einige Perlen in den Hoffnung auf den Durchbruch. Vielleicht liegt auch hier ein Problem: Der Wunsch von seiner Musik leben zu können, ist stark. Musiker machen am liebsten Musik. Doch Musik, die schneidet und Wunden reißt ist 2014 nicht mehr erfolgreich. Sie bleibt Leidenschaft. So kommen viele Künstler an einen Punkt an dem sie sich fragen, wohin sie möchten. Musiker, so wie du, kennen das sicherlich. Es fehlt also nicht nur eine Szene mit Tiefe, sondern auch Künstler mit Tiefe. Was nun zuerst da war und wer von wem abgeguckt hat, bleibt diskutabel. Die Musik hat ihre Vorbild-Funktion verloren, das Publikum die Bereitschaft zuzuhören. Aber das hast ja bereits geschrieben.
„Auf der anderen Seite steht dagegen ein übermächtige, starre Masse, die aus dem einstigen Blick ins Dunkel der Tiefe eine neue Oberfläche gemacht hat. Symbole, deren Chic jeder kennt und deren Bedeutung niemand mehr fühlt. Eine Masse, die aus den Erkenntnissen und mutigen Perspektiven von einst die Phrasen von jetzt gemacht hat. Sie ritualisiert abspult und in Online-Shops einkauft. So wie Mutti jedes Jahr die Weihnachtskugeln an die Tanne hängt – und am Ende beides für originäre Bestandteile eines christlichen Festes hält. Am deutlichsten wird das vielleicht, wenn man auf die toten Magazine blickt: Eine Szene, die so viel auf ihren Geist und ihre Gedanken hält, erträgt komplett geist- und journalismusfreie Szenehefte, in denen jeder Artikel an bezahlte Anzeigen gekoppelt ist? Ja. Und nein. Aber: Diese Situation ist entstanden, weil sie aus uns allen heraus so entstehen konnte.“
Und da haben wir alle Schuldigen versammelt: Die Szene-Hefte, die Musiker, die Szene – ich ergänze noch die Veranstalter, die immer szenefreiere Bands zu Headlinern machen und die Discotheken die gelangweilt immer das gleiche Programm abspulen. Aber Tim, sei doch mal ehrlich. „Szene-Hefte“ kann man nicht im Supermarkt kaufen. Konnte man noch nie. Das ist wie früher, als eine breite Masse modegeiler Kids die BRAVO für ein Blatt mit Ahnung hielten. Die den Stil der „Grufties“ kopierten und die Musik hörten, von denen man erzählte. Szene-Journalismus und Szene-Geist findet man nicht mehr zwischen Fetisch-Bildern mit halbnackten Models.
Und nein, viele von uns ergeben sich nicht in das Schicksal, von dem du schreibst. Wir machen etwas. Es gibt unzählige Blogs und Magazine im Internet, es gibt leidenschaftliche Autoren die Nischen-Magazine herausbringen, die Bücher und Foto-Bände veröffentlichen, Künstler die fotografieren und erschaffen, die Ausstellungen organisieren um das geistige Auge zu bereichern. Die meisten machen das nicht, um Geld damit zu verdienen, sondern weil sie ihrer Passion nachgehen. Denn wenn du anfängst Geld mit dem verdienen zu wollen, was du tust, musst du Dich den Wünschen deiner Kundschaft beugen. Und so funktioniert Subkultur nicht. So hat sie noch nie funktioniert. Die Wunschvorstellung, mit Leidenschaft Geld zu verdienen, bleibt nur einigen wenigen vorbehalten.
So wahr Deine Worte auch klingen: Sie sind ein Schlag in das Gesicht derer, die ihre Leidenschaft eben diese Szene widmen, die Du für tot erklärst.
Wir sind zu gut darin uns in Aussichtslosigkeit zu wälzen. Wie wäre es mit einem Artikel „Gothic lebt! Wo das Herz der Szene wirklich schlägt.“ oder „Gefunden! Wie ich den Sinn der Szene erkannte.“ Hoffnungsvolle Artikel die eine Richtung zeigen, einen Anhaltspunkt bieten. Die Gedankenanstöße liefern und Möglichkeiten bieten. Tim Hofmann, verstehe mich nicht falsch, Dein Artikel ist wunderbar, wenn auch einseitig. Er endet: „Es ist traurig.“ – Was können wir tun, wo gehen wir hin, was sollten wir lesen? Und ja, du hast mich auch überrascht, denn du predigst nicht nur, sondern stehst auch dazu. In 93 Kommentaren bleibst du am Ball und lebst die geforderte Diskussion.
Das ist doch das ewig gleiche Thema, über das die „Szene“ seit Anbeginn der Zeitrechnung diskutiert. Das liegt einfach daran, dass viele ihre subjektive Vorstellung von Gothic auf die „starre Masse“ namens „Szene“ projizieren und daher pikiert sind, wenn andere „Szenegänger“ eine andere Auffassung haben. Stichwort Cyber. Mir sind die mittlerweile sowas von egal geworden. Sollen sie machen, wenn’s ihnen Spaß macht. Solange man nicht selbst Hand anlegt, Musik schreibt, spielt oder aufnimmt, Sachen entwirft und gestaltet, die für einen selbst „grotesk“ und „gothic“ sind, dann ist die ganze Sache nicht tot, sondern verstaubt einfach als Eisklotz. Für mich steht „Gothic“ für Kreativität. Dinge erschaffen, tiefe dunkle Leidenschaft.
Wer das Gefühl bekommt, Gothic sei tot, ist in erster Linie des Gothics überdrüssig und gelangweilt. Verliert das Interesse. Solange man selbst dieses nicht verliert, wird Gothic auch nicht sterben. Denn jeder ist sich selbst der szenste.
Nach dem Lesen dieser Zeilen bin ich mir bei der zeitlichen Verortung des Verfassers nahezu sicher. Anders kann ich mir diese späte Erkenntnis nach knapp 15 bis 20 Jahren Niedergang des Wave-/Goth-Konstrukts in seiner „reinsten“ Form nicht erklären. Die Bands, die er auflistet und denen er nachtrauert, waren zu einem Großteil in der zweiten Hälfte der 90er populär. Sorry, werter Tim, aber für den durchschnittlichen Altgruftie war Deine Generation schon nicht mehr Goth genug. *g*
Ja, die subjektive Sichtweise mag eine Seite der Medaille sein. Die andere ist ein umfangreicher, selbstverständlich kollektiv angelegter Wandel, sprich Generationswechsel, der über die individuelle Wahrnehmung hinausgeht und der zur Verschiebung des musikalischen und kulturellen Rahmens führt. Wie wir wissen, geschah das in einer ersten Phase ca. Mitte der ’90s, also vermutlich noch vor Tims Zeit.
Das Bild von „Gothic“ ändert sich etappenartig, ist immer medial bedingt und stets kollektiv angelegt, sonst hätte es nicht als Grundlage für eine bzw. mehrere nachkommende Szenen (bzw. „Scheinszenen“, je nachdem, von welchem Standpunkt aus man es betrachtet) dienen können.
Warum sollte man das eigentlich noch kommentieren? Ganz Ehrlich: dieser Stil ist ganz und garnicht tot. Im Gegenteil. Man muss nur die Augen aufmachen, sich auf die Suche begeben und hinhören. Es gibt da draußen zig gute Bands. Gerade in den USA ist die Wave-Musik sehr, sehr lebendig. Just jetzt liege ich in den letzten Zügen der „Stairways“-Compilation, die nächsten Monat gemastert und designt wird, und im April veröffentlicht. Eine klassische Wave-Geschichte mit tanzbaren Songs, mal mit analogen Synthies, mal mit Stromgitarren. Zwischendurch ein wenig Shoegaze und Punkelemente und einmal kräftig durchmischen – fertig wird ne Compilation, die sich komplett dem Heute verweigert, aber dennoch frisch ist. Ihr werdet es hören. :-)
Ungelogen: seit Dezember habe ich mich durch 40-50 Bands und Musiker gehört, die genau diesen alten Stil produzieren und das ist nur die Spitze eines Eisbergs.
Wer sich einmal näher beschäftigt, wird richtig tolle Netlabels entdecken. In Schweiz beispielsweise Siss Dark Nights, die richtig tolle Musik veröffentlichen: https://www.facebook.com/SwissDarkNights
Das französische Label Zorch Factory sollte sich eigentlich schon rumgesprochen haben:
Oder was ist mit den Berlinern von [a+w]? https://www.facebook.com/aufnahmeundwiedergabe?fref=ts
Zudem eben die ganzen Bands, die sich selbst organisieren. Wenn das alles tot wäre, wieso sind dann She Past Away, ohne Plattenvertrag wohlgemerkt, so erfolgreich? Wieso schafft es Florian mit seinem Farblos und bisher ein paar Demosongs zu mehreren hundert Hörern?
Genau für solche Leute ist das Geschreibsel von Tim ein Tritt in die Eier, so hart muss man es leider ausdrücken!
Leute, ganz ehrlich: ich kann und will diese ganzen totgesänge nicht mehr hören. Legt endlich mal ne andere Platte auf. :-/
Mir unbegreiflich: da hat man DAS Werkzeug überhaupt in der Hand – DAS INTERNET – und dann muss man sowas immer wieder hören…
Was Ian sagt.
@ Axel: Das schiebe ich auf das wandelnde (Fehl-)Verständnis von Goth. Bei den meisten End-90er- und „Millennium“-Schwarzen steht Wave-basierte Musik nicht im Mittelpunkt wie bei uns. Sie würden diese Musik nicht einmal als Gothic-Musik wahrnehmen.
ich dachte vor einigen Jahren mal Futurepop, Industrial und Darkelectro sei der wahre Goth,da hatte ich noch nicht soviel ahnung, bin erst 9 Jahre in der Szene, bis ich eines besseren belehrt wurde, dass dieses ganze Techno und Electrozeugs nix damit zu tun hat, sondern dass es früher vorallem New Wave, Darkwave und Gothicrock war.
@Death Disco: Glaube ich ehrlich gesagt nicht. Es muss denen nur mal wieder jemanden zeigen. DJs wie die Sheatle beispielsweise, zu der hinterher immer die Leute kommen und sagen „Wow, sowas habe ich schon lange/noch nie [je nach Alter] gehört“. Oder eben besagte Labels. Gerade Zorch Factory machen nen verdammt genialen Job. Man braucht nur auf die Page und sich die Musik runterladen. Und auch wenn ich selbst meine Projekte in solchen Diskussionen lieber außen weg nehmen würde. Aber auch die erreichen durchaus ja einige und da gab es auch schon einige, die gesagt haben: „Mensch, ohne „Snowflakes“ wäre ich nie auf die Folkmusik gekommen“. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das mit der Wave-Musik nicht genauso funktionieren kann.
Und schlussendlich: wenn jemand so ein Wave-Song hier nicht als Gothic wahrnimmt, dann sollte er in der Tat überlegen, ob er sich nicht doch für die falsche Richtung entschieden hat. ;-)
Ich bin erst seit 2009 „schwarz“ und mag Wave trotzdem.
der gute herr hoffmann scheint gar nicht zu wissen was die echte szene war oder ist.
der echte schwarze kern ist doch noch sehr vital und aktiv, alles was er so bespricht wurde doch gerade von diesem kern nie wahrgenommen.
Axel
das du deine projekte in diskussionen hier lieber wegnimmst ist mir gar nicht aufgefallen
das liedchen klingt nett, ist mir aber zu glatt und zu popig
na ob du das bestimmen darfst wer gothic ist oder nicht? ;)
du hattest ja nun in dem anderen thread schwere beschuldigungen an einen zwickauer club gerichtet. ich würde mich freuen wenn du das mal klarstellst.
https://www.spontis.de/vernetzt/wochenschau-01-2014/#comments
Punk war auch schon immer tot, Gothic war schon immer tot… je toter der Fisch desto mehr zappelt er.
Daran glaube ich nicht wirklich. Die meisten dieser Leute haben ganz andere Vorlieben/Hörgewohnheiten, die – wie schon mehrmals angesprochen – im Metal oder in tekkno-artiger Musik zu suchen sind. Wave spielte bei denen nie eine Rolle. Und das hängt nun mal mit der Vermarktung zusammen. Wenn ich keine Wave-Musik anbiete, kann ich auch keine Wave-Szene erhalten. Das Publikum, das dann angelockt wird, ist nun mal ein ganz anderes (und wieviele der End-90er Marilyn-Manson-, Rammstein- und HIM-Jünger hatten wohl einen Bezug dazu? Das sind dieselben, die heute zu ASP und Mono Inc. auf die Konzerte flitzen).
Minderheiten bleiben dabei unberücksichtigt. Es geht um die Hauptströme. Dort ist Wave nur Spurenelement, zumeist dann, wenn die Hörer mit etablierten Relikten wie Lakaien in Kontakt kommen. Ein tieferer Einblick findet nie statt.
Ich kann Death Disco da völlig zustimmen. Wieviele Freunde habe ich, auf die das mit der musikalischen Definition zustimmt. Aber sie können ja wirklich nichts dafür. Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass ich ihnen irgendwann mal etwas gezeigt habe und das hat ihnen auch ziemlich gefallen. Man muss Hörgewohnheiten langsam und schleichend ändern. Früher habe ich auch Metallica und solche Sachen gehört, bis ich mich umorientiert habe. Metal kann ich heute überhauptnicht mehr hören.
Metallica haben doch mit dem Load-Album aufgehört Metal zu sein. ;-)
Das ich ich im letzten Jahr viele (für mich) unbekannnte Bands oder Stilrichtungen entdeckt habe ist doch gar nicht mal so schlecht für eine Tote Szene.
Da schreibt der Sänger eine Glosse üebr ne Machinery in der seine eigene Band schon selber drinsteckt. 100% auf einer der 10 monatlichen Szene Bravo Heft CD´s vertreten bzw im Copy und Paste Lineups der großen „Szene“ Festivals…
Und wozu muss immer neues nachkommen, wenn das alte Zeug eh besser ist? Lieber hör ich Bauhaus auf Dauerschleife und hüpf durch die Bude. Man kann mich halt einfach zufrieden stellen :D
Metal ist Metal, das sollten wir hier nicht ausphilosophieren, in diesem Artikel geht’s um Gothic.
Ich glaube ebenfalls – wie Kara Ben Nemsi erwähnte – dass die meisten „Steine des Anstoßes“ vom Kern der Szene niemals als Teil der Szene verstanden wurden. Die Subkultur ist doch mit vielen aktiven Grufties, die Magazine wie das Pfingstgeflüster oder Events wie das Young & Cold Festival erschaffen, die Ausstellungen wie das Schattenkabinett organisieren oder Webseiten wie Spontis und den schwarzen Planeten pflegen, ausgesprochen lebendig. Schwarze Autoren gehen gemeinsam auf Lesereise -an dueser Stelle sei auf Klaus Märkert verwiesen, der ganz hervorragende Geschichten und Bücher schreibt, in denen man sogar dem alten „Zwischenfall“ begegnet. Leute wie Karnstein machen nicht nur super Musik, sondern erklären in liebevoll gestalteten Videos, was Gothic ist. Auch wenn mir Axel mit seinem Selbstlob und seiner Eigenwerbung auf den nicht vorhandenen Sack geht, hat er Recht. Auch heute noch machen tolle Bands tolle schwarze Musik. Und in den schwarzen Diskos stecken unter grauem Haar viele viele Leute, die schon vor 20 Jahren dabei waren und hinter verunglückten X-traX- Outfits verbergen sich mitunter ganz großartige Menschen mit einer schwarzen Seele, die Gleichgesinnte sucht. SO WHAT? Größer als der heutige Kern war die Szene früher auch nicht. Und tiefsinniger gleich zweimal nicht.
Läuft bei mir alles unter Revival. Viele der heute noch aktiven „Altgoten“ waren nicht permanent dabei, sondern legten, wie etwa Frau B, langjährige Pausen ein. Die Gründe dafür wurden ja schon öfters erläutert.
Einen wirklichen Kern erkenne ich heute nicht mehr. Was damals im Mittelpunkt stand, ist heute nur noch ein Nebenstrom.
Ich stimme den obigen Kommentaren im Wesentlichen gerne zu, fühle mich jedoch auch nah an der Kritik von Tim.
Es gibt für mich in der Szene so was wie eine Subkultur in der Subkultur, die Tim von Fetisch Mensch offenbar nicht betrachtet oder gar nicht kennt. Einige Beispiele wurden oben von euch dafür ja genannt. Ob es sich dabei um den Kern oder nicht viel mehr nur eine Randgruppierung handelt, könnte man jedoch diskutieren. Ist aber letztlich egal.
Ihr fühlt euch als Sponti-Leser, was vermutlich kein Zufall ist, genau diesem speziellen Teil der Szene zugehörig und widersprecht den Abgesängen von Tim, weil ihr etwas erlebt, was gerade wieder erblüht: Die Wiedergeburt von Musik, wie aus den 80igern, unkommerziell, alternativ, leidenschaftlich.
Tim betrachtet jedoch den Teil der Szene, dem die Mehrheit des Schwarzvolkes angehört und zu dem ich mich mit den Bands, Festivals, Zeitschriften auch sehr lange zugehörig fühlte. Und zu dem Fetisch Mensch auch angehört.
Noch vor drei Jahren hörte ich Kirlian Camera, vor fünf Jahren noch Diary Of Dreams, vor sieben Jahren noch In Strict Confidence. Von jenen und noch vielen anderen Künstlern mehr habe ich mich abgewendet, weil es mir auch so ging, wie Tim schreibt. Immer weniger Tiefgang, immer mehr Bravo-Gepose, endloses Wiederholen auf Festivals. Heute höre jetzt ich lieber Lebanon Hanover, Keluar, Tempers, muss mir aber selber aktiv diese Perlen heraus suchen.
Aber irgendwie bestimmt ja nun jeder seinen „Mittelpunkt der Szene“ selber. Was ich sagen wollte: Auch heute kann man sich seine Szene bzw seinen schwarzen Bekannten- und Freundeskreis so „basteln“, wie man es gerne hätte und man kann seine Vorstellung von „true“ heute noch selbst dann finden, wenn man nur die Vergangenheit mit ihrer Musik und ihren Outfits mag und Kreativität und Tiefe der schwarzen Loveparade-Schaulaufen-Szene vorzieht. Was um diesen bevorzugten Kern herum passiert, muss einen ja nicht zwangsläufig interessieren.
Bevor die Vergangenheit romantisiert wird: Früher gab es genau so oberflächliche Leute, Bands und Fans wie heute. Die ganzen BRAVO-Goths, die das ganze als Mode verstanden haben, sind das Beste Beispiel. Die Szene ist jedoch NIE gestorben, obwohl man ihr das hartnäckig und seit Jahren hinterherruft. Es mag sein, dass Genre an Bedeutung verloren haben oder ausgestorben sind, aber das was Gothic ausmacht, ist nie gestorben. Und genau darum geht es auch bei Tim Hofmann. Ich glaube man sollte seinen Artikel losgelöst von seiner Bandzugehörigkeit sehen. Die „Szene“ im Sinne von hinterfragen, Inhalten, Meinung, Kritik und Diskussion ist meiner Ansicht nach sowieso erst in den späten 80ern entstanden und genau von diesem Kern wird jetzt geredet. Denn der hat unabhängig von jeder Musik funktioniert.
Gothic ist heute in zwei Kategorien einzuteilen: In eine musikalische und eine thematische. So sehe ich das jedenfalls.
Ich finde außerdem, dass dieses „Deine Meinung ist doof, meine Meinung ist besser.“ sehr engstirnig ist. An Herrn Hofmanns Meinung ist viel wahres dran und ich finde es sehr gut, dass er einen Artikel dazu geschrieben hat um Kritik zu üben. Mir geht es nur darum, dass sein Artikel NUR die pessimistische Seite zeigt. Wir sollten seinen Artikel nicht mit einer verbalen Klatsche „legt doch mal eine andere Platte auf“ sondern seine Einwände auf uns wirken lassen.
Und das war im Endeffekt nie anders gewesen, heute ist es durch das Internet nur einfacher geworden auf Suche zu gehen. Man kann weltweit auf Suche gehen. Das hat, wie schon oft debattiert, Vor- und Nachteile. Nachteil ist sicherlich, dass jeder seine Musik online stellt und es schwierig ist zwischen all den Mist die Perlen zu finden. Aber auch das war im Endeffekt nie wirklich anders. Schon in den späten 90ern musste man gute Bands wie beispielsweise Angizia aus Österreich aktiv suchen, weil die schon damals kaum in einschlägigen Zeitschriften stattfanden. Das ging dann meist über spezielle Mailorder Kataloge oder auch indem man die kleinen Clubkonzerte besuchte, die damals noch viel mehr veranstaltet wurden. Heute hat sich das alles in soziale Netzwerke und Plattformen wie Bandcamp verlagert. Aber geändert an dem Kern – der aktiven Suche – hat sich mMn eigentlich nie etwas.
Ach, hört doch auf. Was macht Gothic denn aus, wenn nicht ein Basisgenre? Alles andere war und ist individuelle Interpretation, eben das, was Ian oben ansprach. Es gab niemals ein gemeinschaftliches Ideal. Und wenn, dann keines, das der traditionellen Gothic-/Wave-Szene zuzuordnen ist. Gothic ist doch keine Religionsgemeinschaft, ein Dichter- oder Denkerclub. Es war eine lose Szene, die sich primär über die Musik zusammenfand. Alles andere hätte nie zur Entstehung einer Jugendszene geführt.
ich sah in gothic immer mehr als reinen musikkonsum.
gothic war und ist für mich schon immer auch ein lebensentwurf mit allem was dazu gehört
das was ich in gothic sah, ist vielleicht doch besser mit gruftietum zu beschreiben, obwohl ich in gothic den passenderen begriff sehe. leider beanspruchen diesen titel zu viele strömungen.
ende der 80ziger bezeichneten wir uns als grufties, das gaben wir in den 90zigern auf, um uns halt auch einen breitgefächerteren kulturellen anspruch zu geben. zu friedhof, styling und musik kamen literatur, occultismus und philosophie. dafür reichte gruftiesein nicht mehr.
jetzt bin ich und viele meine alten weggefährten wieder beim gruftie gelandet.
Für mich war die Musik das wichtigere Element, eben so, wie es auch im Punk oder im Metal der Fall war. In der Musik konnte man sich verlieren. Die Grundstimmung in den unterschiedlichen Bereichen, dieses emotionale Planschbecken, stand für mich im Vordergrund. Selbst wenn die Texte total beknackt waren.
Natürlich gab es da auch ein Interesse am Altertümlichen, an ersten Hochkulturen wie den Sumerern und Ägyptern, an Runen und Mythologie aller Art, an Symbolen, an alten Sprachen wie Griechisch und Altenglisch, oder mehr laienhaft an philosophischen Themen. Damit stand man auf weiter Flur aber auch ziemlich alleine da. Das ist nichts, was ich einer ganzen Szene zuordnen würde, und auch nichts, was ich für „gothic-spezifisch“ halte.
Ich stimme da Death Disco weitgehend zu. Am Anfang und am Ende steht die Musik. Hier kann man sicherlich die Grenzen individuell erweitern auf Folk, auf Shoegaze, Post-Rock, usw. Solange es nachvollziehbar aus dem Wave entstanden ist – oder eine ähnliche Intention verfolgt, sollte man schon offen für neues sein. Es sollte nur nie etwas komplett von außen hineingetragen und umettiketiert werden.
Aber auf Musik kommt es im Endeffekt an. Nicht umsonst definieren sich viele nunmal genau darüber. Und an Musik messe ich auch wie lebendig eine Szene ist oder nicht.
Alles andere – egal ob Kleidung, Literatur, Philosphie, etc., das sind persönliche Hobbies und Vorlieben, aber nix was eine Szene ausmacht… Viele Grufties die ich kenne sind nebenbei auch Retrogame-Nerds. Dennoch ist Retrogaming nicht Gothic-spezifisch. ;-)
Ich gehe davon aus, dass zumindest ein Großteil der Künstler eine ungeheuer große Ahnung von Kunstgeschichte hatte oder generell gebildet war.
Der Name Bauhaus kommt ja nicht von ungefähr. Generell ist vieles der „Punk“-Kunst keine neue Erfindung der späten 70er oder 80er sondern bedient sich aus dem Bauhaus-Stil (Gropius, Paul Klee etc. lassen grüßen) sowie dem Dadaismus, was auch in diesem Zeitraum, nämlich den 20er-Jahren, lag. Und auch vom Kleidungsstil und der Art sich zu schminken ist die Post-Punk-Zeit beeinflusst. Das kann man von heutigen Gothic-Abziehbildchen Marke XtraX keineswegs erwarten.
musik ist wichtig den sie transportiert die inhalte…TEXTE!!!! woher kommen die ernstzunehmenden texte im gothic? literatur, occultismus, mythen, religionen und philosophie
sowas lässt sich nicht trennen. diese inhalte für sich zu erschliessen, kennenzulernen zu hinterfragen war und ist mein verständnis der gruftkultur. reines melodien hören ist doch das was wir den cybern vorwerfen. inhaltslosigkeit. ferngesteuertes abzappeln.
nochmal axel: du bist kein gruftie, der grossteil deiner musikvorschläge hat auch nichts damit zu tun.. klezmer folk, shoegaze, postrock hat nichts mit uns zu tun.
retrogame nerd passt auf jedenfall zu dir.. du bist eine virtuelle persönlichkeit, du lebst scheinbar nur in deinen unzähligen internetforen. dich gibts real doch gar nicht. deswegen musst du ja auch discobesuche erfinden :) sogar dein angebliches ausgegrenzt werden ist rein virtuell.
wie orphie schon sagte, auch mir gehst du gewaltig auf die nüsse.
ps.. ian.. recht haste. es ging und geht um inhalte
@Death Disco, Axel: Ich muss mein Veto einlegen, Gothic besteht mittlerweile nicht nur aus Musik. Musik, da gebe ich euch recht, ist der Ursprung – das erste gemeinsame Interesse. Auch heute ist Musik häufig der Einstieg. Doch was im Laufe der Jahre dazu kommt, lässt sich heute nicht allein mit Musik definieren. Spätestens dann, wenn man sich mit den Inhalten der Musik tatsächlich auseinandersetzt, formt sich ein paralleles Weltbild. Man interessiert sich für Hintergründe, für das was hinter Text oder Performance steht. Der ganze Inhaltsüberschwang an Tod und Vergänglichkeit, die in vielen Texten eine Rolle spiele, führen zwangsläufig zu einer Auseinandersetzung. Ansonsten ist der Inhalt doch austauschbar, belanglos, unwichtig.
Darüber hinaus ist es auch eine Form der Selbstdarstellung, das Innere nach außen kehren, eine Botschaft äußerlich zeigen, was auch immer. Warum laufen wir sonst in schwarz herum? Wenn es nur um Musik geht, die so breit gefächert ist wie Axel behauptet, welchen Sinn macht dann noch schwarze Klamotten?
In gewisser Weise verstehe ich Death Discos und Axels Argumentationsführung. Beide sind Musiknerds, die alles über Musik wissen, alles gehört habe und jede Frage mit Musik beantworten können. Das ist auch nicht weiter schlimm, sondern oftmals sehr hilfreich. Ihnen erschließt sich die „andere“ Seite einfach nicht. Auch nicht schlimm. Es ist nur etwas engstirnig, den eigenen Horizont als Status Quo zu betrachten. Deshalb sage ich ja auch, dass Gothic heute 2 Seiten hat. (Wie oben erwähnt)
Und ja, ich finde andere Gothics mit einer ähnlichen Handhabung der eigenen Gedanken- und Gefühlswelt. Oftmals gibt es sogar Parallelen in Interessen oder Leidenschaften. Die Musik ist hier manchmal nur Begleitung, der Soundtrack eines Lebensentwurfs.
Ich glaube, die „Inhaltslosigkeit“ liegt an der Hörerschaft. Wenn sich die Künstler diesen anbiedern müssen wie gewisse Subway To Sally (auch wenn das nicht schwarze sonder Mittelalterrammsteinmusik ist, aber das ist doch ein gutes Beispiel, weil viele sowas hören und sich gleichzeitig „schwarz“ bezeichnen), die ein Album „Schwarz in Schwarz“ nennen und ihren Hörern in den Arsch kriechen um beachtet zu werden. Bands wie Xmal Deutschland fanden ihre Hörer, die „Grufties“, eigentlich doof und sind einfach auf die Bühne, haben ihr Ding gemacht und sind gegangen. Früher sind die Fans ihren Bands nachgerannt, heute ist das scheinbar andersrum.
The Cure haben mit „Killing An Arab“ ein Stück aufgenommen, das sich auf ein literarisches Werk bezieht, und viele Texte der „alten“ Wave-Künstler wirken vielleicht schräg, haben aber viel mehr Tiefgang als irgendwelche heutigen Schunkel-Rock-Stücke mancher Bands.
Ja, warum tragen wir schwarz? Warum eigentlich? Ich weiß nur, dass ich immer schwarz trage und mich ungern davon trennen würde. Woran liegt das eigentlich?
Als hätte jeder Goth mit Stift und Zettel dagesessen und Texte übersetzt. Nun wird’s aber unrealistisch. Und dann sang auch nicht jede Band über Okkultismus, Gothic Novels und Co. Viele Texte waren gesellschafts- und religionskritisch, im elektronischen Bereich, wenn wir Gothic/Wave mal als Ganzes betrachten, gab es oft Themen wie Tierversuche, im Industrial Mord und Totschlag. Man sollte sich nicht zu sehr auf die Texte fixieren. Musik MUSS nicht von Grund auf textliche Inhalte liefern. Gesang kann auch problemlos als Instrument dienen.
Ohne Musik keine Szene. Damals wie heute. Ich kann Literatur mögen, muss es aber nicht. Ich kann Kunst mögen, muss es aber nicht. Ich kann mich der Philosophie hingeben, und dennoch bin ich nicht weniger Goth, wenn ich an Philosophie kein Interesse zeige.
Ein Goth ohne Gothic-Musik gibt es hingegen nicht. Das war schon immer meine Auffassung. Wie auch? Die Szene bekam erst durch die Musik ihren Namen. Jede andere Verwendung, losgelöst von der musikalischen Basis, hat nichts mit der ursprünglichen Bedeutung zu tun. Somit kann man, wie oben bereits angesprochen, sowieso nur von aufeinanderfolgenden Szenen reden und nicht von einer, die pausenlos über 30 Jahre hinweg existierte.
Ja. Dein Weltbild. Kein kollektives. Es gibt in der Wave-Musik eine Bandbreite von Themen, die – sollten sie denn wirklich ausschlaggebend für den Hörer sein – gar kein gemeinschaftliches Weltbild zulassen.
Es soll Leute geben, die schon vor Eintritt in die Szene ein düsteres, nachdenkliches, morbides oder gar negatives Weltbild hatten, für das sie nur noch eine musikalische Untermalung suchten. Ich denke, so erging es vielen. Damit hab ich noch lange keine Texte gelesen oder gar verstanden. Letzteres ist besonders interessant, wenn man bedenkt, dass der Hörer die Texte oft anders interpretiert als es vom Musiker gedacht war. Ich werfe da einfach mal „Gottes Tod“ von Das Ich in den Raum, das von 99% der Hörer garantiert falsch verstanden wurde.
ich denke robert hats da am besten ausgedrückt.
ich spreche halt von mir und meinem umfeld. ich kenns nicht anders. und genau das definiere ich als gruftietum. reine musikfans haben ihre berechtigung, aber sind für mich keine grufties. bands ohne ausage haben mich meist nicht interessiert und natürlich war die themenvielfalt weiter gesteckt..das waren jetzt nur beispiele.
@Death Disco: Natürlich, nicht jede Band sang über Tod und Okkultismus, aber eben auch über Gesellschaftskritik, Religionskritik und die anderen Themen aus Deinem Beispiel. Und genau damit haben wir uns dann auseinandergesetzt.Im besten Fall setzen wir uns heute noch damit auseinander. „Früher“ als Musik noch nicht so schnelllebig gewesen ist und kein Internet da gewesen ist, habe ich tatsächlich einige Texte von Hand übersetzt. Nicht alle, das ist Utopie.
Ein Goth ohne Gothic-Musik gibt es hingegen nicht.
Genau! Es ist eine Art Symbiose zwischen dem was Du meinst und dem was ich meine. Eine Mischung aus Musik und Lebensgefühl. Eine Seite allein reicht meiner Ansicht nach nicht. Es gibt keinen Goth ohne Musik und keinen Goth mehr ohne Bewusstsein und Auseinandersetzung. Meiner subjektiven Meinung nach.
Ja. Dein Weltbild. Kein kollektives.
Natürlich, das stimmt. Das war vielleicht etwas hoch gegriffen.
Es soll Leute geben, die schon vor Eintritt in die Szene ein düsteres, nachdenkliches, morbides oder gar negatives Weltbild hatten, für das sie nur noch eine musikalische Untermalung suchten.
Wieder richtig. Sie haben sich in der Musik gefunden, in manchen Text sogar ihre Fragen beantwortet gefunden. Vielleicht einen Denkansatz oder Inspiration. Und genau das ist eben „mehr“ als Musik.
Letzteres ist besonders interessant, wenn man bedenkt, dass der Hörer die Texte oft anders interpretiert als es vom Musiker gedacht war. Ich werfe da einfach mal “Gottes Tod” von Das Ich in den Raum, das von 99% der Hörer garantiert falsch verstanden wurde.
Ein Liedtext lässt i.d.R. immer Raum für Interpretation und genau das ist doch auch der Trick mit der Kunst. Wie schön wäre es, wenn man anstatt ewiger Genre-Diskussionen mal anständig über einen Liedtext philosophieren könnte? Meint DAF mit „Tanz den Mussolini“ dass wir tanzen sollen oder ist das eine subtile Aufforderung genau das nicht zu tun?
Ich bin mit dieser sehr aufschlussreichen Diskussion jedenfalls der Auffassung, ein Stück voran gekommen zu sein. Im Gegenseitigen Verständnis :)
Einen untergeordneten Sinn. ;-)
Du sagst, Gothic ist ein Weltbild. Ich stimme da wiederum Death zu: Du ziehst Dir aus verschiedenen Texten dein Weltbild. Das kann man aber doch nicht auf alle übertragen und projizieren. Denn Du hast eine bestimme Sozialisation, eine bestimme Lebensumgebung und Lebenswirklichkeit. Aber es reicht schon wenn Du Dich mit jemanden aus einem anderen Land unterhältst. Nehmen wir beispielsweise die USA, die ja nun eine sehr lebendige Wave-Musikszene haben. Die haben zum großen Teil eine ganz andere Herangehensweise. Okkultismus? Philosophie? Das sind dort nicht wirklich Themen. Die haben eine ganz andere Sozialisation, eine ganz andere Kultur. Sehe die Musik als Ausdruck ihrer Selbst aber nicht als Auseinandersetzung mit irgendwelchen Historien oder Geisteswissenschaften. Da fließt eher das ein was sie tagtäglich erleben: Politik, Alltagsgeschichten. Und die sind schon allein wegen einer anderen Gesellschaft und ner ganz anderen Vergangenheit der USA gänzlichst anders als hier in Mitteleuropa.
Du brauchst Dir nur mal verschiedene Gothic-Bands aus den USA, Mexiko, Südafrika, Frankreich, Italien, Russland, Türkei oder Japan anhören. In jeder Musik hast Du ganz andere Einflüsse was Texte betrifft. Die Themen unterscheiden zum Teil gravierend von den Situationen in den einzelnen Ländern. In türkische Goth-Bands hast Du eine große Auseinandersetzung mit deren Kultur die eine komplett andere ist als die Deutsche. Russische Bands verarbeiten die UDSSR-Vergangenheit oder prangern die heutige Politik an. Südarfikanische Bands haben wiederum andere Sichtweisen. Wie gesagt: Zorch Factory Records! Die vertreiben Goth Bands aller Herren Länder und du siehst da so viele unterschiedliche Themen und kulturelle Hintergründe…
Das zeigt doch eigentlich schon, dass Gothic garkein Weltbild sein kann. Und schon garkein einheitliches! Und es ist, wie gesagt, auch nicht so – wenn man sich mal US-Wave-Bands anschaut – dass dort Tod, Okkultismus und solche Dinge heutzutage ne übergeordnet große Rolle spielen.
Ich behaupte an dieser Stelle mal, dass diese Themen hier in Mitteleuropa und in England ne große Rolle spielen. Weil wir eine gewisse Geschichte haben! England ist das Mutterland der Gothic Fiction im 19. Jahrhundert. Deutschland ist DAS Land der Märchen. Wenn man sich Märchen in ihren Ursprung anschaut, sind die häufig sehr grausam, überhaupt nicht kindgerecht und streckenweise zutiefst morbide. Wir haben aber auch gewisse geschichtliche Hintergründe, wie das dritte Reich. Wir haben aber auch eine Vergangenheit die Romantik, auf die sich heute viele Bands beziehen. Das alles fließt in solch einer Subkultur mit ein und man kommt über die Texte auf die Themen und beschäftigt sich damit.
Aber sobald Du in ein anderes Kontinent gehst, hast Du ganz andere geschichtliche und kulturelle Hintergründe die sich nicht 1:1 auf Europa übertragen lassen.
Aber nicht nur interkontinental gibt Unterschiede, sondern natürlich auch individuell. Ich behaupte einfach mal, dass eine Band wie Psycho Luna eine ganz andere Weltsicht vertritt als beispielsweise Endraum. Üverhaupt: Psycho Luna sind mit ihren linkspolitischen, aber trotzdem literarischen, tiefgründigen Texten ja DAS Beispiel, dass es auch andere Inhalte geben kann…
Wenn man das alles runterbricht, bleibt im Endeffekt eigentlich nur Musik übrig. Der Hang zur Melancholie, die Fähigkeit der Hinterfragung und Neugierde auf Antworten. Oder manchmal auch ganz simpel: sich selbst mitteilen. Dazu ein musikalischer Kern und eine Stimmung, die weltweit mehr oder minder stringend sind (gehen wir mal von aus, dass keine Leute von außen kommen und etwas umettiketieren).
Wenn Du also sagst, dass Gothic mehr als Musik geworden ist, dann mag das für Dich so stimmen. Dann mag das für eine Szene stimmen, wo der Kommerz so präsent ist, dass man sich andere Fluchtpunkte sucht. Das ist ganz normal und menschlich. Das heißt aber nicht, dass das weltweit so sein muss oder das andere Menschen dies zwangsläufig gleich sehen müssen.
Gothic ist in dem Fall wirklich das, was man selbst draus macht. Denn jeder interpretiert es anders, eben auch inhaltlich gesehen.
politsoße, kommerz, alltag und heute das sind alles themen vor denen wir geflüchtet sind.
ja es gibt strömungen.. von mir aus nennen wir es schwarze szene.. der begriff gothic ist aber europäisch..benennt nicht von ungefähr eine europäische epoche oder von mir aus ein literaturgenre.
wie robert schon sagte..wieso die schwarzen klamotten. wieso die religiösen oder antireligiösen symbole, die blassen gesichter die ans mittelalter erinnernden gewänder. der ganze style ist zutiefst im abendland verortet. der ursprung ist england, aber auf dem kontinent wurde der trend erst kultiviert, neubefruchtet zu neuen höhen getrieben.
die ursprüngliche gruftikultur in deutschland war sehr homogen, die aufsplitterung und das unsägliche anwachsen der „szene“ erfolgte erst mitte der 90ziger.
ein diskussion wie wir sie hier haben, in der ein schwarzer, mystisch-okkulter grundkonsenz in frage gestellt wird, wäre anfang der 90ziger undenkbar gewesen. de szene war klein, wieviel grufts wirds wohl anfang der neunziger in deutschland gegeben haben? 3-4 tausend?
aber das kannst du nicht wissen axel, weil du nicht dabei warst und auch heute nicht dabei bist. dein gruftietum beschränkt sich auf den pc. richtige schwarze kultur kennst du nicht. deswegen versucht du sie virtuell zu leugnen, deren macher zu defamieren und ständig szenefremde themen, bands, politscheisse einzutreuen. linksradikalen wie dir, ist diese szene wegen ihrer angeblichen rückwärtsgewandheit, ihrem teilweise elitären anspruch ein dorn im auge. jeder deiner posting verät dein wohlen, du kannst nicht ohne zu belehren und zu ermahnen. und ab und zu verstrickst dich dabei halt auch in glatte lügen… ohne den blog scheinst es aber irgendwie nicht zu schaffen oder :). es zeugt schon von einer ziemlichen charakterschwäche wenn man des lügens überführt wird, einfach so zu tun als ob nichts wäre. aber ist ja halt nur virtuell, so wie der ganze axel.
wie wäre es den mal mit einer entschuldigung beim veranstalter der hier mitliest…herr gutmensch????
„Gothic“ bedeutet auf deutsch „Grotesk“ – zum Beispiel in der Typographie. Groteskschriften sind serifenlose, neuartige Fonts wie später „Helvetica“, die in ihrer Entstehungsphase sehr schockierend auf die klassizistisch und historistischen Schriftarten gewirkt haben müssen. Die Leute kannten im 19. Jahrhundert ja nichts anderes als gebrochene Schriften oder kulturell abhängige Schreibschriften. Und den Eindruck, den diese neue radikale Form der Typografie auf die einfachen Menschen haben musste, haben wohl in den 70ern auch die Punks und später die Waver auf die Menschen gemacht. Ungewohnt, skurrill, grotesk.
Edgar Allan Poe war sicher einer der ersten Goths. Nur hätte er wohl so reagiert wie die Sisters of Mercy, wenn man ihn direkt so betitelt hätte.
„…Der ganze Inhaltsüberschwang an Tod und Vergänglichkeit, die in vielen Texten eine Rolle spiele, führen zwangsläufig zu einer Auseinandersetzung..“
Es ist ja wirklich eine gute Sache das Bewusstsein für Tod und Vergänglichkeit zu schärfen..andererseits machen das wohl so einige Menschen in dieser Welt..eher unfreiwillig..nämlich real..wenn beispielsweise Angehörige versterben oder man selber von einer Krankheit betroffen ist. Dazu brauch man dann weder besonders aussagekräftige Songtexte noch schwarze Kleidung, die verdeutlichen soll wie man eigentlich tickt..in diesem Zusammenhang kann dann diese Herangehensweise nämlich sehr oberflächlich sein.
Es gibt über den gruftigen Tellerrand hinaus auch so einige Bands, die sich auch mal mit solchen Themen beschäftigen..aus persönlicher Erfahrung heraus und ohne Gothic zu sein.
Darüberhinaus gibt es bspw. bei The Cure ja nicht nur „Faith“ und „Pornography“…und viele Goth-Bands haben auch sehr kryptische Lyrics in denen Aussagen nicht objektiv auszumachen sind..da kann man dann nur etwas eigenes hineininterpretieren obwohl unter Umständen eine gewisse Intention des Künstlers vorhanden ist.
Oh ja, Mylene Farmer – eine ganz wunderbare Künstlerin! :-)
es gibt strömungen.. von mir aus nennen wir es schwarze szene.. der begriff gothic ist aber europäisch..benennt nicht von ungefähr eine europäische epoche oder von mir aus ein literaturgenre.
Der Begriff Gothic hat in diesem Zusammenhang aber mitnichten etwas mit einer europäischen Epoche oder auch einem Literaturgenre zu tun..sondern ist wohl eher ein von den Medien hochgezüchteter Begriff.
Unklar ist seine Herkunft..oftmals wird behauptet er stamme von Ian Astbury (The Cult) über das Publikum der Sex Gang Children:“Hordes Of Goths..it could be London“. Und anno dazumal waren wohl nicht alle sogenannten Goths wirklich tiefsinnig..oftmals war es wahrscheinlich manchmal auch nur plakatives Zurschaustellen und Cool-Sein (was ich auch nicht unbedingt schlimm finde).
Später hat man dann alles mögliche hineininterpretiert.
Wie The Drowning Man schreibt: Es gibt unterschiedlichste Themen, wie z.B. The Cure sie behandeln. Gothic ist die dunkle Seite von New Wave, Dark Wave eben. Musikalisch gesehen eben mit Gitarren. Und im Grunde ist das ganze Wave-Ding keine Lebenseinstellung, sondern eine Bezeichnung fürs Leben an sich. Es ist ein Auf und Ab. Wie Wellen – und letztlich das Leben – sich nun mal verhalten. Wir interpretieren viel zu viel da rein.
Axel: Wie Dir entgangen sein dürfte, habe ich das mit dem „Weltbild“ bereits ein Kommentar vorher korrigiert. Da habe ich mich nicht richtig ausgedrückt. Den Rest Deiner Antwort verstehe ich leider nicht richtig.
Ich antworte ganz ähnlich wie Kara: Gothic (als Subkultur) ist zutiefst europäisch, man hat das Thema international interpretiert und für sich vereinnahmt. Aber wenn ich etwas über die Szene schreibe, dann immer nur über die in meinem Dunstkreis, deshalb habe ich mich beim Weltbild auch korrigiert.
@The Drowning Man: Ich denke jedoch, dass wir in einer Welt der Verdrängung leben. Der Tod wird weggeschoben, weggefeiert. Man beobachte nur einmal einen typisch deutschen „Beerdigungskaffee“. Ich fand es immer schrecklich, weil sich jeder mit sich selbst beschäftigte und nicht mit dem Verstorbenen. Songtexte und düstere Musik können durchaus hilfreich sein, sich diesen Gedanken hinzugeben, sie zu erleben und so eine Auseinandersetzung zu fordern. Musik ist ein Katalysator für Gefühle und Emotionen, warum sollten wir ihn nicht nutzen?
Und ja, es gibt Bands über dem gruftigen Tellerrand, die genau diese Themen behandeln. Deshalb ist Gothic neben einer eigenen Richtung auch immer sehr offen gewesen für andere Stile/Einflüsse. Denke ich jedenfalls.
Ja. Gothic ist ein Medienwort. Genauso wie Gruftie. Es heißt Dark Wave. Punkt. „Goth-Rock“ ist auch nur Wave. Und Wave ist solange nicht tot, wie hier drüber philosophieren.
@The Drowning Man: Ich denke jedoch, dass wir in einer Welt der Verdrängung leben. Der Tod wird weggeschoben, weggefeiert. Man beobachte nur einmal einen typisch deutschen “Beerdigungskaffee”. Ich fand es immer schrecklich, weil sich jeder mit sich selbst beschäftigte und nicht mit dem Verstorbenen. Songtexte und düstere Musik können durchaus hilfreich sein, sich diesen Gedanken hinzugeben, sie zu erleben und so eine Auseinandersetzung zu fordern. Musik ist ein Katalysator für Gefühle und Emotionen, warum sollten wir ihn nicht nutzen?
Da gebe ich dir vollkommen Recht..nur brauch ich dafür nicht explizit gruftige Kleidung
Die Frage ist ja auch, was „gruftige“ Kleidung überhaupt ist? Ich persönlich trage schwarz, aber eben auch bevor ich die „dazugehörige“ Musik gehört habe. Und andere hören die Musik und tragen beispielsweise bunte Sachen. Das muss jeder für sich entscheiden. Und im Grunde kommt man dann wieder auf das Thema Dresscodes in Clubs zu denken, das sich dann irgendwie immer mehr ins Lächerliche zieht. Wozu ein Dresscode? Nur, weil zufällig einige „Schwarzkittel“ schwarz tragen und wenige nicht? Über dieses Thema wird man sich noch in hundert Jahren streiten, genauso über die Frage, ob „Gothic“ tot sei…
Und ich werde, glaube ich, verrückt :D
Und ich werde, glaube ich, verrückt :D
Hahaha..das kenn ich
Man sollte vielleicht nicht vergessen, dass die frühesten Gruftis das Aussehen ihren Vorbildern zu verdanken haben. Ich kann sicher nicht für alle sprechen, aber ich bezweifle auf breiter Ebene, dass diesbezüglich mehr dahinter steckte als Ästhetik und Ausdruck der Zugehörigkeit. Ein bisschen Shocking und Provokation vielleicht noch.
Kreuze waren cool. Trug jeder Waver am Hals oder am Ohr. Halsketten, Ohrringe, Armreife… gab’s in der gesamten New-Wave-Mode, ob bunt oder schwarz. Ankh-Kreuze bei Siouxsie und Specimen. Weiße Gesichter, mit denen nun auch nicht jeder herumrannte, fanden sich bei den New Romantics bis hin zu Bands wie Alien Sex Fiend, Sex Gang Children und Damned (oder Das Ich in den ’90s). Auch das lässt sich problemlos nachvollziehen. Was den Bereich um die Augen anbelangt, so muss man auch nicht lange suchen. Irgendwann ist daraus ein Selbstläufer geworden. So sehe ich das.
An an das Mittelalter erinnernde Gewänder mag ich mich jetzt nicht wirklich erinnern. Muss wohl nach meiner Zeit gewesen sein. Das würde ich eher in die ’90er verfrachten.
Ich wusste nicht mal, dass die immer noch in Ratekau sitzen. Das liegt gerade einmal 5 Km von hier entfernt.
Und es ist, wie gesagt, auch nicht so — wenn man sich mal US-Wave-Bands anschaut — dass dort Tod, Okkultismus und solche Dinge heutzutage ne übergeordnet große Rolle spielten
Bei Bands wie Christian Death, Shadow Project, 45 Grave, Radio Werewolf (bei denen sogar sehr extrem..haha) oder vielleicht auch Mephisto Walz aber doch schon.
Und Christian Death war ja damals auch ne Kultband die auch einige europäische Bands beeinflusste..bspw die deutsche Band Madre Del Vizio.
In meiner „aktiven“ Zeit (also optisch)Anfang der 90er hatten halt Bands wie Christian Death, Death In June, Current 93 (Neofolk war damals Teil der Gothic-Szene weil es ja noch keine Abspaltungen in Sub-Szenen gab) und Madre Del Vizio u.a. nen ziemlich hohen Stellenwert daher nehme ich diese Phase auch als mystisch-okkult und abgedreht wahr und hab mich deshalb auch mit verschiedenen Dingen beschäftigt (Aleister Crowley,Tarot,Baudelaire,Poe..allerdings war es wohl eher ne oberflächliche Beschäftigung um meinem persönlichen schwarzen Idealbild gerecht zu werden..in meinem Umfeld haben das nicht alle Leute so gemacht).Provokation gehörte auch dazu. Ab Mitte der 90er war für mich jedoch die ganze Sache in Punkto Szenezugehörigkeit gegessen..weil es einfach nicht mehr das war womit ich mich identifizieren konnte..einfach kein Underground mehr. Zu dem Zeitpunkt wurde Gothic Mainstream (Rammstein, Marylin Manson und Theatre Of Tragedy waren damals angesagt und Darkwave war quasi erstmal weg) und der Underground zersplittete sich hinterher in Sub-Szenen (Neofolker, Batcaver etc.).
Und heute geht es mir daher nur noch um die Musik und die kann in meinem Fall heutzutage sehr vielfältig sein da sich vieles einfach relativiert hat.
Das klingt ja schon fast wie ne „feindliche Vereinnahmung“. ;-) Und das finde ich dann doch unfair, sollte es tatsächlich so gemeint sein.
Klar, die ganzen Bands kamen anfang der 80er aus England. Aber daraus zu schließen, dass das alles zutiefst europäisch sei? Das ist mir dann doch zu kurz gedacht. Denn sobald etwas in andere Länder schwappt, ist es nunmal auch Teil dieser Länder und deren Kultur. Mit Deiner Argumentation dürften sich übrigens auch nur Engländer als Goths bezeichnen. In Deutschland wurde das ja auch nur „vereinnahmt“ und anders interpretiert. Eine Band wie die frühen Deine Lakaien unterscheidet sich doch sehr von And also the Trees, The Mission und The Chameleons. ;-) Oder sind beispielsweise She Past Away jetzt weniger Gothic, weil sie aus der Türkei kommen und inhaltlich – also textlich! – andere Aspekte und Herangehensweisen hineinbringen, als mitteleuropäische Bands?
Gehen wir mal zurück in die 80er: Da ist also ein Land, wie England, von dort kommen Bands die andere Musiker inspirieren. Ralf Jesek, Alexander Veljanov oder Roman Rütten, mal 3 deutsche Musiker die mitte der 80er angefangen haben, sind nicht von allein auf die Idee gekommen diese Art von Musik zu machen. Die haben sich von den britischen Bands wie Joy Division inspirieren lassen und ihre eigene Interpretation drauf aufgebaut.
Das ist ganz natürlich und hat nix mit Vereinnahmung zu tun.
Eine Subkultur dagegen kann sich erst nur durch die Musik entfalten, ohne Musik ist das nicht möglich. Das ist überall so – sei es im Hip Hop oder im Metal oder sonstwo. Du versuchst Subkultur und Musik zu trennen. Ich und Death sagen: nein, das kann man nicht trennen. Subkultur braucht Musik als zentrales Indentifikationsmerkmal. Andererseits braucht Musik aber nicht unbedingt eine Subkultur um bestehen zu können. Ich schreib gerade Mails mit dem Roberto Santos aus Spanien. Der kommt aus Logroño, das ist ein kleines Dorf in La Rioja. Der hat damals, anfang der 90er, auf ner Reise durch Europa die Musik von The Cure, Bauhaus, Siouxsie usw. kennengelernt. Der hat dann im Endeffekt die vermutlich erste Goth-Band in La Rioja gegründet. Es gab damals schon ne kleine Post-Punk-Bewegung in Spanien (Heroes Del Silencio haben bspw. mal ganz zu Beginn so angefangen, bevor sie mit Pop-Rock bekannter wurden) aber keine wirkliche Subkultur mit Magazinen, Labels, etc. Das kam erst in den letzten 10-15 Jahren verstärkt auf. Heute hast Du da unten immer noch keine große Subkultur in unserem Sinne, aber ne eingeschworene Vernetzung. Trotzdem hält es die Musiker nicht auf ihre Musik zu spielen. Sich selbst zu verwirklichen. Und das kann man bei jeder Bewegung beobachten. Musik ist seit dem 20. Jahrhundert immer die Grundlage für eine Bewegung.
Daher sag ich auch, dass am Anfang und am Ende immer die Musik steht. Weil es das verbindende Element ist. Nicht die Kleidung und auch nicht irgendwelche Interessen. Sondern im Mittelpunkt steht die Musik.
Ich denke, man darf bei all den theoretischen, kultur-historischen Ausführungen, die letztlich zu nichts führen, nicht vergessen, den Fokus auf kleine, persönliche Erlebniswelten zu richten, da diese nach meinem Empfinden letztlich ein viel klareres Bild einer vergangenen Zeit liefern. Es ist richtig, dass damals die Musik das zentrale Thema war, welches die schwarzen Menschen im Kern verband. Mochte jemand The Cure oder die Sisters und sah dabei noch den eigenen Idolen ähnlich, konnte dieser gleich dreimal so bekloppt sein, wie der Rest der bunten Welt, man sah soweit es ging drüber weg und verzieh um einiges mehr. Solang jemand die „richtige“ Musik konsumierte und gruftig aussah, war alles tutti. Man darf eben auch nicht vergessen, wie alt oder besser jung wir damals waren. Und streckenweise pubertierend dazu. Als ich mit 13 Jahren begann, meine Haare aufzutürmen und mich in schwarze Klamotten zu hüllen, tat ich das aus einer Faszination für das „Andere“ heraus. Mehr als Musik und Klamotte war das Ganze für mich von Anbeginn. Ich habe mich schon früh intensiv den Inhalten der alles verbindenden Musik gewidmet und meine Wände waren geziert von stümperhaft übersetzten Songtexten und auf kariertem Schreibpapier gezeichneten Bildern (Ich bin Jäger und Sammler, weswegen ich unten mit Relikten zum Anschauen dienen kann. *g). Ich mochte Menschen, die sich daran erfreuen konnten und in mir mehr sahen, als einen pubertierenden Teenie, und ich zog mich zurück von jenen, die mir absprachen, das tiefe, stille Wasser zu sein, als welches ich gern wahrgenommen werden wollte. Ich begann auch selber Texte zu schreiben und verbrachte Stunden allein mit mir, ner Kerze und einem Blatt Papier. Irgendwann kamen Trakl, Kafka und Poe dazu. Und ich umgab mich mit Menschen, die ähnlich tickten wie ich. Und eben auch jenen, die mir komplett fremd waren, aber eben gut aussahen in ihrem Robert-Smith-Gedenk-Outfit. Wir hatten unsere Musik und eine Menge Spaß in ganz stillen und auch ganz lauten, überschwänglichen Stunden.
Das (Er-)Lebensgefühl von damals kann ich auch heute noch in mir abrufen und auf Knopfdruck auch die Emotionen und die Melancholie von damals, welche mir sehr lieb geworden sind über all die Jahre. Schwieriger wird es da schon bei der Toleranz. Begegnet mir heute jemand in schwarzem Megaoutfit und benimmt sich wie der letzte Trottel, dann komme ich nicht umhin, den einfach nur Scheiße zu finden. Und da kann er zehnmal dieselbe Musik mögen wie ich. Noch schwieriger wird es mit meiner Toleranz bei Menschen, die sich berüschen und auffummeln, um dann zu Mitklatsch-Kajal-beschmierten-Rockbands abzufeiern. Das ist nicht meine Welt. Da gehöre ich nicht hin. Und ich glaube, das ist es auch, was Tim im Kern meint: Dieses Fremdfühlen in einer schwarzen Masse von Menschen, die es nicht interessiert, wenn man von schwarzer Melancholie, Leben oder Tod schreibt, singt oder redet, geschweige denn, dass sie es auch nur im Ansatz nachvollziehen könnten.
Um zu einem positiven Abschluss zu kommen: Es gibt zwischenzeitlich ja tatsächlich viele Veranstaltungen, wo man sich schlagartig gut aufgehoben fühlt. Wo noch Blicke reichen und man versteht einander. Wo man ungehemmten Spaß haben kann oder auch stille Stunden genießen. Und das finde ich bemerkenswert und immer wieder schön.
Hier das Foto.
@katrin.. besser kann man es nicht beschreiben. ja genauso war es auch bei mir. danke das du es so formuliert hast.
Also ich weiß nicht. Es gab doch schon in den 80s Waver, die mehr Gotenrock mochten, die mehr Synthie mochten, und auch schon „Industrial“-Leute, die auf Psychic TV und sowas standen. Neofolk mag Anfang der 90er ein recht junges Genre gewesen sein, aber die Bands? So habe ich zwar diverse „Industrial“/Wave-Platten von Current 93 oder Di6 im Schrank (Lashtal, Nada! und solche Sachen). Als das zu „Apocalyptic Folk“ mutierte, ging aber viel von der alten Energie verloren, wie ich meine. Di6 fand ich von den Vorzeigebands immer noch am besten.
War es bei den meisten, behaupte ich. Ich betrachtete z.B. die Beschäftigung mit Satanismus eher als pubertären Shocking-Trend oder als „eskapistischen Erlebnis-Kick“. Bei den meisten steckte doch überhaupt nichts dahinter. Je älter man wurde, desto peinlicher erschien es einem auch.
Und dann waren auch nicht alle Grufties so drauf. Es gab doch auch Leute, die sich für buddhistische Lebensweisen interessierten und mit Schwarzmagie und Satanismus rein gar nichts am Hut hatten. Die trugen dann z.B. auch Schmuck aus Hare-Krsna-Läden und auch kleidungsbezogen schlug sich das irgendwie nieder. Ich selbst konnte mich auch nie wirklich für Satanismus begeistern. Diese Spielerei damit war für mich typisch für Heavy Metal. Während andere damit kokettierten, bewegte ich mich interessenmäßig irgendwo in Mesopotamien und bewunderte Keilschrifttafeln.
Erinnert mich auch ein wenig an das damalige Briefeschreiben. Man verbrachte wirklich Stunden damit, mit Tinte und Schnörkelschrift halbe Kunstwerke zu erschaffen. Noch ein Pseudonym druntergekleckert und ab in die Post damit. *g*
Das war schon immer so, soweit ich mich erinnern kann. Dieser melancholische, nachdenkliche Teil, das Interesse am Vergangenen oder diese eigenartigen Deja-Vu-Erlebnisse, die man in bestimmter Umgebung erfahren konnte. Dafür war immer nur ein kleiner Teil der Szene empfänglich. Ob es zu Tims Zeiten anders war? Ich bezweifle das irgendwie.
Katrin,
Du bringst es mit diesem wundervollen, persönlichen Beitrag auf den Punkt, vor allem mit der Einleitung! Ich bin leider nicht so gut im „Gefühle-Beschreiben“, daher einfach nur mal ein Danke !!! an Dich. :-) (Ich hab auch noch einige gemalte Bilder … ;-) , mit Songtexten kann ich leider nicht dienen. )
Auch Death Disco und Kara Ben Nemsi, bei vielen Eurer Beiträgen erwische ich mich auch oft beim stillen „Nicken“. :-)
Der Mensch ist ein Individuum und jeder hat seinen eigenen Grund, wieso und weshalb er das schwarze Outfit – mehr oder weniger extrem – gewählt hatte, da können diejenigen, die die Zeit damals nicht miterleben durften gegen die Leute, die sie erlebten durften, fachsimpeln wie sie möchten, sie werden zu keiner Lösung kommen. Denn die gibt es einfach nicht pauschal. Ihr macht mich auch langsam echt kirre hier.
Für die meisten ist mit Sicherheit Musik das Wichtigste, diese ist z. B. auch bei meinem „In-der-Versenkung-Verschwinden“ immer dageblieben.
Andere wiederum lesen sich durch Bücherregale und/oder schreiben selber.
Die nächsten lieben Horror-/Grusel-/Vampirfilme.
Oder manche sind extrem kulturell interessiert.
Weitere lieben alles Alte, Mystische, Gothische, Friedliche… und fühlen sich einfach wohl in der entsprechenden Umgebung.
Andere setzen sich den halben Tag lang mit Tod und Verderben auseinander und/oder sind depressiv …..
…. und ja, 1 % der „Schwarzen“ sind vielleicht auch Satanisten!
Und jeder meint irgendwie, daß nur SEIN ausschlaggebender Punkt fürs „Grufti-Sein“, die Berechtigung sei, die Grufti-Weisheit (von der Entstehung aus dem Punk und/oder Wave heraus… bis heute) mit Löffeln gefuttert zu haben. Ihr werdet hier niemals zu einer Lösung kommen. Erfreut Euch an den schönen Erlebnissen die Ihr hattet (wenn Ihr sie hattet) und behaltet diese gut in Erinnerung!
Und dann kann doch jeder für sich selbst entscheiden, ob er dieses Gefühl, was er bei oben genannten Themen empfindet, auch „optisch“ nach außen tragen möchte. Sei es in dezentem Schwarz mit Jeans und Pulli oder in Extrem-Outfit, weil man das einfach GEIL fand oder findet, denn letztendlich IST es eine „Modeerscheinung“ so herum zu laufen!!!!
Niemand z. B. zwang mich damals dazu, daß ich mich 4 – 5 Stunden vorm Weggehen vor den Spiegel stellte und mich zurecht machte, wie es mir gefiel. Robert Smith verlangte das sicher nicht von mir, nur weil ich seine Musik hörte.
„Schaulaufen“ im Gruftibereich gabs damals genau so wie heute. Und es machte – mir zumindest – einen Riesenspaß! Es war damals nur schwieriger, an entsprechendes Outfit zu kommen. Man konnte nicht „mal eben“ im Gruftishop nebenan oder im Internet (das gabs da noch nicht) sein Outfit kaufen. Man bastelte über mehrere Tage oder Wochen selbst. In welcher Form auch immer. Aber mit ganz viel Leidenschaft und Kreativität. Die Stunden, die ich alleine an der Nähmaschine für meine Kutten, Kleider und Mäntel verbracht habe, habe ich nie gezählt. Ich hatte nicht mal Schnittmuster, alles habe ich aus dem Kopf genäht und gebaut.
Auch an „optische“ Vorbilder kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich sah damals „Ratte“ in der Bravo… und dann nahm mein damaliges schwarzes Leben – optisch gesehen – seinen Lauf… und wurde über die Jahre immer extremer. In meinem „Endstadium“, denke das war ca. Ende 1992, war man teilweise selbst „Vorbild“ für die Junggrufties bzw. „Fraggles“, wie sie liebevoll *grins* genannt wurden. Und uns „Alten“ wurden Geschichten angedichtet, sei es über Grabschändungen, Katzenmorde, Sargschlafen oder weiß der Geier, die Presse tat ja immer gern ihr übriges dazu … niemals jedoch hat damals auch nur ein einziger Junggrufti gefragt, WARUM ich so herum lief. Diese Blöße wollte man sich als Nachwuchs dann auch nicht geben. ;-)
Ok, klar, wir hatten einen Sarg, zum Schlafen war er aber zu unbequem… aber die unzähligen Grableuchten in der Wohnung sorgten stets für eine schöne Stimmung. Die Grabsteine waren auf legalem Weg in die Wohnung gekommen.
Ich kann die vielen Leute, die über das WGT schimpfen, daß es „nur ein Schaulaufen sei“, nur bedingt verstehen. WENN man sich denn mal richtig aufbrezeln möchte, wenn nicht dort, wo denn bitte dann??? In der Woche war es sicherlich damals wie heute mit dem extremeren Outfit etwas schwierig, weil man mit Geld zur Arbeit gezwungen wurde oder wird, und dort kann man sich oft nicht so zeigen, wie man gerne würde. So ging und geht es zumindest mir. (Ja, Gruftis waren und sind echt ganz normale Menschen!!!! Gehen Arbeiten (in der Regel) und leben wie jeder andere normale Mensch auch, haben ggfs. nur andere Vorlieben und Hobbys.)
Und selbst wenn ein „optischer Extremgrufti“ auf dem WGT zu sehen ist, wer nimmt sich das Recht heraus, über diese Person – unbekannterweise und alleine vom Outfit her – zu urteilen? Woher will man wissen, daß dieser nicht DER bestbelesenste und gelehrteste und obergruftigste Obergrufti höchstpersönlich ist, nur weil er endlich mal wieder, optisch gesehen, die Sau rauslässt und als Gesamtkunstwerk durch die Gegend stiefelt?
Die Leute, die Samstags abends in der Disco im schwarzen 08/15-Aderlass-Outfit auf der Tanzfläche abzappeln, muß man halt einfach kommentarlos hinnehmen. Man muß sie ja nicht zwanghaft kennenlernen oder sie in ihren Freundeskreis aufnehmen. Sie halten die wenigen Diskotheken und Veranstaltungen am (finanziellen) Überleben, weil sich kaum noch ein Grufti heraustraut. So empfinde ich das jedenfalls, seit Mai war ich JEDES (!) Wochenende unterwegs. Gruftis suche ich fast vergebens… von 100 Leuten sinds vielleicht 5.
Ich bin gespannt, wohin mich meine Reise nun wieder führen wird. Ich fühle mich aktuell so wohl wie in den letzten 20 Jahren nicht, und jeder, der mich etwas näher kennt, kann das bestätigen.
An dieser Stelle mal ein dringender Veranstaltungs-TIP, in den ich viel Hoffnung setze:
Im TIC in Mülheim gibt es am 25.04.2014 ein ganz besonderes Event mit Klaus Märkert. Schaut bitte auf die TIC-Homepage! Vielleicht traut „Ihr Altgrufties“ Euch dann auch mal wieder unter das schwarze Volk. Da es ein Freitag ist, ist die Chance groß, daß das übliche Partyvolk eher nicht kommt. ;-)
PS: Sorry für den Roman, Katrin war Schuld!
@Death Disco
kurze Anmerkung zu Crowley: er war mit nichten ein Satanist. er lehrte den Weg zur Selbsvergöttlichung, zur Macht und griff dabei auch auf die antiken Hochkulturen zurück. Ohne altes Ägypten, Sumerer, Hebräer kein Thelema.
Die meisten reden über Crowley ohne sich je mit ihm beschäftigt zu haben. Unser Zugang waren die Fields, Current93 usw.. die berühmte „Tausend Augen des Meisters“ Biographie kreiste in Chemnitzer Gruftiekreisen in Dauerschleife.
Meine Gruftiehochzeiten waren von 1990-95, das ist auch die Zeitspanne von der ich hier rede. In dieser Zeit war die Beschäftigung mit dem „Occulten“ selbstverständlich. Das war nicht nur in Chemnitz so, man traf überall (zumindestens im ehem. Osten) auf Gruftiecliquen die sich mit ähnlichen beschäftigten. Viele dieser Leute sind auch heute noch an dem Themea interessiert, die alten Freundschaften werden gepflegt, man trifft sich auf dem WGT oder wenn unsere alten Helden spielen. Neben Styling und der Plattensammlung war eine gutsortiertes Buchregal Pflicht. Man kommunizierte über Fanzines (Sigill, Bizarre, Black) über die Zillo Kleinanzeigen..dort wurden auch Bücher, Okkultismus besprochen. Es ist mir völlig unerklärlich das es scheinbar Parallel-Szenen gab wo dies nicht so war. Gestern habe ich erst dieses Thema bei alten Gruftkumpels angesprochen und erntete ungläubliches Staunen und die kurze Antwort, das es sich wohl um Electros handeln müsste.
Vielleicht sollte man auch noch hinzufügen, dass ich es nicht als Manko betrachte, dass es Leute in der Szene gibt die scheinbar nicht so wie wir waren (sind). Ich möchte nur darauf hinweisen, dass es bei uns so war und gegen dieses „Leugnen“ unserer „Okkulten Wurzeln“ anschreiben. In der heutigen (Massen)Szene gibt es zur Zeit einen so unsäglichen Trend unsere Gothkultur als harmlose, immer tolerante, witzige Kostüm- und Musikfreaks darzustellen. Alles was nicht Medienkonform verkauft werden kann oder irgendwem verärgern könnte, wird geleugnet.. es gab angeblich nie Grabschändungen, keine Satanisten, Selbsmörder, Drogensüchige … das hat alles die Bild erfunden. Man muss es nicht gut finden aber sowas gab es auch.
Mone vom Rabenhorst, dein „Roman“ hat mich sehr berührt! Darf ich ihn in meinem Blog als Gast-Artikel verwursteln? :)
Katrin: Die Zeichnungen sind wundervoll!
Ian, verwechselst Du mich grad mit Katrin?
Falls ganz sicher nicht, schick mir mal bitte nen Link zu Deinem Blog.
Und Death Disco…. diese Briefe… mein Gatte und ich haben „unsere“ von damals aufbewahrt, habe sie jetzt beim Renovieren wieder in der Hand gehabt. Herrlich. Mit Christian Death-Schrift, mit der der Postbote sicher immer beim Adressen-Entziffern einen Heidenspaß hatte…. und auch immer schön mit schwarzem Trauerrand außen am Umschlag ;-).
Kara Ben Nemsi:
„es gab angeblich nie Grabschändungen, keine Satanisten, Selbsmörder, Drogensüchige … das hat alles die Bild erfunden. Man muss es nicht gut finden aber sowas gab es auch.“
Doch, gab es. ABER! Nicht unbedingt/zwingend von „Schwarzen“. Meist von anderen Idioten, die meinten, sich wichtig zu tun. Auch Selbstmörder gibt es in allen Schichten der Gesellschaft.
Ich war ca. von 1985 – Ende 1992 in „der Szene“ unterwegs, und zwar quasi vom Norden bis Süden Deutschlands und auch mal in Österreich. Ich kannte definitiv keinen Grabschänder, Satansanhänger, Drogensüchtigen (Alkohol bei Partys ausgenommen) und Selbstmörder. Und ich kannte nunmal wirklich viele Leute…. so meine Erfahrungen.
Zumindest nicht intensiver. Ich war immer geschichtlich interessiert. Auch mythologisch in einem sachbezogenen Rahmen. Jegliche Form von gelebter Religion oder Glaubensgemeinschaft ging an mir vorbei. Church of Satan und Co. Das rief in mir keinerlei Interesse hervor. Mir war bewusst, dass sich auch Musiker damit auseinandersetzten. Aber ich war nie jemand, der die Interessen der Musiker nun 1:1 kopieren musste. Sie konnten als Anregung dienen, kein Zweifel.
Hier gehe ich mit. Das ist ja auch das, was ich schon seit Jahren predige. Dieses Bild vom immerbraven Grufti nervte mich schon in den Mitt-/End-90ern. Mir erschien die alte Wave-Szene zu der Zeit wie eine untergegangene Hochkultur. Es interessierte sich kaum noch jemand dafür. Alles damit Verbundene schien vergessen zu sein.
https://mondbote.wordpress.com/ Das ist mein Blog, aber mein Name ist schon drauf verklinkt.
es scheint wirkliche regionale unterschiede gegeben zu haben, dass war ja auch musikalisch bemerkbar.
Grad nicht. Muß ja erst ein Geeignetes suchen….. *freu*.
Du „verlinkst“ meinen Kommentar aber (auch) hier zu Spontis, oder?
Weil er ist ja sonst ein wenig aus dem Zusammenhang gerissen…
Also Buddhisten sind mir eher wenige begegnet, Death Disco…
Natürlich war und ist die „Gothic-Kultur“ mit ihren thematischen Bezugnahmen und Gegenständen ganz maßgeblich abendländisch geprägt, das heißt vom lateinischen Christentum (ohne das sich letztlich auch viele okkultistische und satanistische Strömungen nicht denken lassen), von der Aufklärung und damit verbundenen Religions- und Ideologiekritik, von der (schwarzen) Romantik (einschließlich Faszination für Okkultismus und Heidentum), von der Idee des Individualismus, die in den zwanziger Jahren einen ersten Höhepunkt erreichte. Wir mussten von den Engländern da gar nichts „vereinnahmen“ oder „uminterpretieren“, Axel, weil wir dieselben Wurzeln haben! Das gilt, nebenbei bemerkt, auch für die berühmten „Gothic Novels“, die es, wenn auch nicht unter dieser Bezeichnung, beispielsweise in Deutschland auch gegeben hat (Hoffmann, Tieck…).
Im Übrigen zeigen sich auch die USA natürlich sehr (!) stark von abendländischem Denken und abendländischer Kultur beeinflusst. Und auch dort haben wir dieselben Wurzeln: lateinisches Christentum (darunter ist selbstverständlich auch der „westliche“ Protestantismus zu subsumieren), Aufklärung, Romantik als teilweise Gegenbewegung. In den Texten der echten (!) amerikanischen Goth- oder meinetwegen Death-Rock-Bands ist das auch durchaus zu erkennen.
Am Rande bemerkt wage ich zu bezweifeln, dass bsp. die (auch) in den Staaten in Gruftiekreisen sehr beliebten Dead Can Dance einen amerikanischen Goth an Arbeitslosigkeit und soziale Probleme denken lassen. Das hätten die Kommunisten nur gern. (Es mag sein, dass sich da seit den Zeiten des seligen Ian Curtis auch was verändert hat.) Und wenn sich eine ganze Anzahl Gothics mit Mesopotamien, Ägypten oder von mir aus auch mit dem Buddhismus auseinandersetzen, dann kommt für mich auch darin ein genuin abendländisches kulturelles Erbe zum Ausdruck, das von weiten Teilen der bildungsentwöhnen Nach-68er-Generationen leider nicht mehr gepflegt wird.
Katrin, ich schließe mich Kara Ben Nemsis Dank an!
Mit soviel Resonanz hatte ich gar nicht gerechnet… *huch
Aber es freut mich, dass ich die ein oder andere Erinnerung wecken konnte. Und ja, das mit den pompösen Briefen habe ich auch betrieben. :-)
Kara Ben Nemsi:
„kurze Anmerkung zu Crowley: er war mit nichten ein Satanist. er lehrte den Weg zur Selbsvergöttlichung, zur Macht und griff dabei auch auf die antiken Hochkulturen zurück. Ohne altes Ägypten, Sumerer, Hebräer kein Thelema.“
Kurze Anmerkung von mir: Eigentlich krass, dass man das in „Gruftie-Kreisen“ inzwischen klarstellen muss.
Na ja… wenn man das Video zu Host of Seraphim vor Augen hat („Baraka“), fällt das dann auch nicht mehr sonderlich schwer. DCD sind übrigens ein gutes Beispiel für textlose Musik. Lautmalerisches Geträller gab es auch bei den Cocteau Twins. Stimme als Instrument. Und es störte nie das Gesamtbild.
Auch ein tolles, neueres Beispiel von Hybryds
Krasser fänd ich’s, wenn Robert hier mal IPs miteinander vergleicht und dabei feststellt, dass man die eine oder andere gleich mehreren Nicks zuordnen kann. ;-)
„DCD sind übrigens ein gutes Beispiel für textlose Musik.“
…textlos nur bezogen auf Lisa Gerrard und niemals kontextlos.
Angesichts der Anzahl der Kommentare hier auf Spontis (siehe diesen Artikel hier) kann man sagen: Die Szene ist nicht tot, sondern hat sich einfach wo anders hin verlagert. Was ich damit sagen will: Hier ist ’ne Menge los :)
„Krasser fänd ich’s, wenn Robert hier mal IPs miteinander vergleicht und sie mehreren Nicks zuordnen kann. ;-)“
???
@Arcricola Heimgang: Schon längst gemacht und in der Tat sind alle Kommentatoren Individuen. Die Zugriffen kommen sogar aus Deutschland, Österreich und Schweiz.
@Ian: Bitte nutze doch FB oder andere Kommunikationwege um organisatorische Dinge zu klären, das bläht hier unnötigweiser auf :) Bin trotzdem sehr gespannt auf Deine Veröffentlichung ;)
Da bin ich ja froh, dass ich ich bin. Ich war durch Death Parties Statement ganz verunsichert und befürchtete, ich sei irgendwie noch jemand anderes und vielleicht schizophren…
Ecki Stieg hatte schon Mitte der 80er den Tod der Szene bescheinigt und Bauhaus`Burning From The Inside – Album als den „finalen Sargnagel“ bezeichnet.
Was dann mit dem Eintritt in die Neunziger als sog. neue deutsche Todeskunst seinen Anfang nahm, war für ihn nicht mehr als das künstliche am Leben erhalten von etwas, das sich überlebt hatte.
Ich will damit sagen, daß es immer im Auge des Betrachters liegt, ob er noch Teil von Etwas sein kann, oder ob die Sache für ihn gelaufen ist.
Ehrlicherweise muß ich jedoch zugeben, daß die Szene viel von ihrem Biss verloren hat. Toleranz in alle Richtungen geht zu Lasten der latenten Gefährlichkeit, welche die Szene in den Augen der normalen Leute früher umgab.
@Wombel: Der Szene wurde schon x-mal der Tod bescheinigt. Das Blöde ist, die Szene hört nicht darauf, wenn sie für tot erklärt wird. Die Aussteller der Totenscheine erklären – wie du schon sagst – IHRER Szene den Tod. Das liegt an vielen unterschiedlichen Dingen. Verlust der eigenen Ideale, ein schwindender Freundeskreis, fehlende Akzeptanz für immer neue Szenetrends und Genreeinflüsse. Vielleicht ist es dieses „väterliche“ zu sagen: „He Kids, die Szene ist tot, geht weiter, es gibt nichts zu sehen.“ Dabei erfindet sich das Ganze immer wieder aufs neue, die Jugendlichen machen aus der Szene IHRE Szene und das mit jeder neuen Generation. Und das ist im übrigen auch genau richtig so.
@Katrin: Völlig richtig, genau so empfinde ich das auch. Und wegen deinem „positiven Abschluss“ muss ich Tim widersprechen. Man kann nicht einfach pauschalsieren, das „Gothic“ tot ist, es ist unsichtbar, verborgen, klein und glimmend, lodernd, still und doch vorhanden. Was ist mit den Suchenden, den Menschen, die genauso sind wie Katrin? Was ist den jungen Menschen die auf der Suche nach eine Szene sind, in der Melancholie und Emotion eine Rolle spielen? Die lesen dann ständig Todesbekundungen von Bands, die sie gut finden, bekommen vor den Kopf geklatscht: „Such woanders, hier ist alles Scheiße.“ Damit machen wir uns selbst zu den Einsamen, wir leben die selbsterfüllende Prophezeiung. Wir möchten uns mit Menschen umgeben, die so ticken wie wir. Haben wir nicht dann die Pflicht zu winken um zu sagen: „Komm hier her. Wir haben Kekse.“ Du weißt, was ich meine.
Natürlich hat Tim völlig Recht, der Großteil ist tatsächlich ein lebloser Haufen. Die meisten Bands, die als „Gothic“ betrachtet werden, sind noch nicht einmal anständige Musiker. Doch gestorben ist noch nichts, nur kleiner geworden. Unsichtbarer.
@Mone vom Rabenhorst: Das WGT bringt sie alle zusammen. Die Oberflächlichen, die Tiefgründigen, die mit dem gruftigen Weltbild, die Schauläufer, die Aufbrezler und die Mitläufer. Die Nachmacher und die Kreativen, die Künstler und die Fans. Warum? Weil hier jeder findet, was er sucht. Rund 200 teils unbekannte Bands liefern dem Musik-Goth sein Futter, die mit teilweise melancholischen und nachdenklichen Texten die Tiefgründigen locken. Die Schauläufer finden Gleichgesinnte, in jeder Facette ihres Daseins. Sogar hier gibt es mittlerweile wieder die Selbermacher. Unzählige Rand-Events mit Lesungen und Ausstellungen locken die Poeten und Schöngeister, die, die sich der Kunst hingeben. Das WGT macht seine Arbeit, jetzt sind wir dran. Darf ich deinen Worten „Leben und leben lassen“ entnehmen? Ich pflichte Dir bei.
Trotzdem sollten wir – und da pflichte ich Tim Hofmann bei – nicht alles Kommentarlos hinnehmen. Ich glaube wir sollten schützen, was wir gut finden und in den meisten Lesern, die ich Kennenlernen durfte, schlummert des selbe Geist. Wir betrachten die Szene immer noch als ein Stück unserer Heimat. Und ich denke wir stehen in der Pflicht, dafür etwas zu tun. Wir sollten uns mitteilen, erzählen wie es „früher“ war, berichten, was man schön findet und teilen, was toll aussieht. Nur so finden wir die, die so ticken wie wir. Egal welche Facette wir leben. Mit einer Einstellung „interessiert mich alles nicht“ oder „die Szene ist tot“ berauben wir uns selbst unserer Grundlagen.
Was ist denn die Folge, wenn all die, die in deinen Augen „Szene“ bedeuten zu Hause bleiben und wehrlos aufgeben? Klaus Märkert (als Beipsiel) ist nicht mehr gefragt. Wir überlassen die Tanztempel der zu Disco-Klängen schwoofenden Masse die verstört die Bretter verlässt wenn der Klaus seine Perlen auspackt. Die Folge: Märkert wird nicht mehr gebucht. Was ist, wenn wir das WGT kampflos aufgeben? Wenn wir nicht mehr hingehen weil uns die Menschen zu absurd erscheinen? Bands, die hauptsächlich wir sehen wollen kommen nicht mehr, weil keiner hingeht. Ausstellungen und Lesungen? Für wen denn noch? Für die gröhlenden Zeltplatzbewohner, die nachts nach „Helga“ rufen?
Wir alle finden in der Szene etwas, was uns dort hält, was uns reizt und fasziniert. Wir „nehmen“. Wir stehen in der Pflicht zu „geben“, denn sonst ist irgendwann alles leer. Tanzflächen, Blogs, Veranstaltungen und was auch immer. Die, die sich aufbrezeln, gehören 100% dazu, Menschen wie Du, die sich stundenlang aufdonnern geben der Szene etwas: Ihre Faszination. Ein Haufen langweilige schwarze Jeans? Mich schüttelt es.
Es ist nicht zwanghaft nötig, tiefgründig zu sein, poetisch zu sein, besonders hübsch zu sein, besonder schlank zu sein, besonders intelligent zu sein. Es ist aber nötig, Leidenschaftlich zu sein. Für was auch immer. Leidenschaftlich für sich und für andere. Beim Rest raufen wir uns schon zusammen ;)
Oha, ich musste feststellen, dass durch mehrmaliges Umziehen quer durch Deutschland über die Jahre so einige Erinnerungsstücke verloren gingen. Nix mit gut sortierten Kisten auf dem Dachboden. ;-)
Also das hatte er bestimmt nicht Mitte der 80er getan. Der Satz ist in dieser Form falsch formuliert. Die NDT, die zu Beginn der 90er populär wurde, konnte er zu dieser Zeit noch gar nicht beurteilen, es sei denn, er hätte neben seiner Tätigkeit als Moderator und Schreiberling auch noch einen Blick in die Kristallkugel geworfen. Das ist ein Auszug aus „Gothic – Die Szene in Deutschland aus der Sicht ihrer Macher“. Stieg hat(te) primär eine Vorliebe für elektronische Musik, in seinen Sendungen lief doch so gut wie kein Gothic Rock, oder irre ich mich da?
So einfach, wie ihr es euch macht, ist es dann doch nicht. Genre- und optische Merkmale lassen sich durchaus objektiv bestimmen und haben meiner Meinung nach nur bedingt etwas mit dem Auge des Betrachters, des einzelnen, zu tun. Das Styling verschwand nahezu gleichzeitig mit dem Ausklingen der Wave-Musik, also ca. 1994/95, als man sich in mehreren Musikmagazinen bereits darüber empörte, dass keiner mehr Bock hatte, sich die Haare zu stylen. Das ist kollektive Wahrnehmung, keine individuelle. Wir haben hier zwei Szenemerkmale, einerseits das musikalische Herzstück, andererseits das Visuelle als Ausdruck der Zugehörigkeit, die von der Bildfläche verschwanden. Sicher liefen noch alte Hits in den Clubs, aber da war man schon auf dem Weg in Richtung „Retro-Party“. Und wer macht Szene, wenn nicht vorrangig Clubs und Konzertveranstaltungen? Alles andere ist gedachte Szene im stillen Kämmerlein.
den privaten Bereich sollte man meiner Meinung nach nicht ausklammern.
Anfang der 90ziger hatten wir hier bei uns auch mal eine fast Veranstaltungsfreie Zeit.
die Ostszene war durch die Glatzen kollabiert, es gab einfach nichts mehr. In die Discos wo noch minimal Indie lief traute man sich nicht mehr, weil es lebensgefährlich war. Das war die Hochzeit der Keller, Ruinen und Friedhofstreffen hier und halt auch in den wenigen Wohnungen. Die meisten wohnten ja noch zu Hause. Wichtig waren auch die besetzten Häuser. In Zwickau und Chemnitz gab es da richtige Gruftiezimmer.. Sperrgebiet für unsere Punks. :) Das war für uns eigentlich die kreativste Zeit, völlig ohne Discos.
Unsinn. Clubs sind größtenteils nur Sammelpunkte die Musik spielen, die die Besucher hören wollen. Durchlaufzahlen, Umsatz, Profit. Wenn alle alten „Waver“ zu Hause bleiben und nicht den Mund aufmachen, läuft in den meisten Tempel eben nur der Schrott, den meinetwegen die DAC produziert. Konzerte sind selektive Ereignisse, weil dort nur ein Künstler auftritt (oder mit Vorband, heute auch „Support“ genannt.
Szene ist immer mit Gemeinschaft verbunden, mit Gemeinsamkeiten, Styling und viel Musik. Szene im stillen Kämmerlein ist keine Szene.
Und die Musikmagazine folgen ganz ähnlichen Trends. Wo sind denn die Magazine geblieben die sich aufregen? Die etwas scheiße finden oder in Euphorie ausbrechen? Ich finde sie nicht, jedenfalls nicht gedruckt. Das war „damals“ vielleicht anders, heute schustern Orkus, Zillo, Sonic Seducer einen bizarren Konstrukt, der mit „Szene“ nicht viel zu tun hat. Fetisch, Metal, Folk — völlig egal, Hauptsache die Auflage geht weg.
Szene sind die Menschen, die sich ihr zugehörig fühlen, etwas dafür tun, mitmachen, sich ähnlich stylen, die gleiche Musik hören oder die gleichen Leidenschaften teilen. Das ist der Ursprung, nicht irgendwelche Musikrichtungen. Und die „richtig“ Szene macht ihre Veranstaltungen mittlerweile selbst.
Szene entsteht (vorrangig) in Clubs. Der Akt des Zusammenfindens – das ist Szene. Drogenszene, Comic-Szene, Schwulenszene… Szene entsteht durch „soziale Interaktion“, basierend auf Themen und Vorlieben. Und hier ist das eindeutig die Musik gewesen.
Wem fühlen sie sich zugehörig? Die Szene entsteht doch erst durch diese Menschen. Wandeln sich die Inhalte, der thematische Kern, um den sich alles dreht, geht die Szene eben flöten.
Wie Eckie Stieg das von mir ins Spiel gebrachte Zitat letztlich gemeint hat, wird er vielleicht nur er selbst wissen, für mich liest es sich jedoch ganz ähnlich dem, was Tim Hofmann da vorgebracht hat. Die Entwicklung der Szene in den kommenden Jahren wird zeigen, ob T. Hofmann recht behält, oder ob es wieder einen Aufschwung geben wird. Ich denke, immer wenn ein kommerzieller Kollaps droht, wird sich abseits ein Grüppchen finden, das im Sinne des ursprünglichen Gedankens weitermachen wird. Vielleicht wird es wieder, wie in der Vergangenheit, regional recht isolierte Grüppchen geben, auch wenn das in Zeiten des Internet nur schwer vorstellbar ist.
Ich zumindest bin sehr gespannt, wieviele der heutigen Szene-Ikonen noch dabei sein werden, wenn irgendwann kein Geld mehr damit verdient werden kann.
Hallo, ihr habt es geschafft, ich muss nun mal auch meinen Senf dazu geben.
Also ich finde es echt zum an die Decke gehen, dauernd vom Tod der Szene zu lesen, oder woher oder aus was sich welche Dinge hier begründen…
Sicher trauere ich auch den alten Zeiten nach, aber das ist noch lange kein Grund mich und die Szene kaputt zu reden.
Ich ziehe mein Ding weiter durch, solange es mir möglich ist. Gleichgesinnte gibt es noch genug, und zum Glück bin ich auch bereit mit der Zeit zu gehen, vor allem Musiktechnisch. Die Guten alten Sachen höre ich weiterhin und dazwischen auch die guten Neuen Sachen.
Hätten früher alle so gedacht würden wir wohl immer noch alle im Lendenschurz rumlaufen und die Keule schwingen.
Man ist nur so alt wie man sich fühlt,… und die Szene lebt noch!!
Ein schönes Gruftiges Wochenende wünsche ich euch…
Für die muss ich wohl schwerhörig sein. ;-) Die Revival-Aktivitäten der letzten Jahre einmal ausgenommen, ist die musikalische Landschaft der Schwarzen Szene seit den vergangenen 20 Jahren das reinste Fiasko. Die Müllhalde der Popmusik, sozusagen.
Na zum Glück sind Geschmäcker verschieden….. wie schon gesagt “ Lendenschurz usw….“ Daher ist und bleibt das eine Endlos Diskussion, mit wünschen und Hoffnungen, die wohl zum Teil unerfüllt bleiben werden…..
In der Diskussion geht es aber nicht nur um Geschmack. Hier geht es um klar erkennbare kulturelle Merkmale und um ihr Verschwinden.
Jugendszenen wurden bereits in den 90ern mit Stammeskulturen verglichen, was auch meiner Vorstellung entspricht. Zur Veranschaulichung eignet sich das nämlich hervorragend. Veranstaltungen, Veranstaltungsorte und eine eigene musikalische Basis dienen der Festigung ihrer Reiche. Alte Kulturen werden jedoch nach einer Hochzeit oft verdrängt, verwässert, assimiliert, bis auf Minderheiten, die noch vereinzelt ihre Bräuche pflegen, wie koptische Christen im islamisierten Ägypten. Ein eigenes Reich besitzen sie nicht mehr. Sie sind lediglich Teil einer übergeordneten Menge, der sie sich nicht einmal wirklich verbunden fühlen. Würde man die Waver bspw. mit den Byzantinern gleichsetzen, so sind heutige Schwarze eben Osmanen. Deshalb halte ich es für falsch, von EINER Szene zu reden, die angeblich nur in der subjektiven Wahrnehmung vom Untergang bedroht war.
@Death Disco: Ich wage mich überhaupt nicht aufzuzählen, was ich von den „neuen“ Sachen gut finde. Nur soviel: Ich finde die schwarze musikalische Landschaft mehr als lebendig. Im Prinzip habe ich das seit den späten 80ern so gehandhabt. Ich habe nicht nach dem geurteilt, was drauf stand, sondern wie es klang, was inhaltlich und emotional für mich rüberkam.
Jugendszene, Stammeskulturen – Auch wenn das angesehene Forscher so herleiten können, wir haben 2014. Wir haben eine Infrastruktur, Telekommunikation, Internet. Szenen ist schon lange nicht mehr an Veranstaltungsorte gebunden. Das hat sich spätestens mit dem Internet grundlegend verändert. Die Welt ist kleiner und erreichbarer geworden. Die alten Agypter kann man sicherlich nicht mehr als Vergleich nehmen.
Szene entsteht (vorrangig) in Clubs. Der Akt des Zusammenfindens, das ist Szene. Drogenszene, Comic-Szene, Schwulenszene… Szene entsteht durch “soziale Interaktion”, basierend auf Themen und Vorlieben. Und hier ist das eindeutig die Musik gewesen.
Gewesen. Heute gibt es neue Themen und Vorlieben. Musik spielt immer noch eine wichtige Rolle, aber nicht nur. Soziale Netzwerke ersetzen oftmals soziale Interaktion. Ob ich das gut finde, steht auf einem anderen Blatt.
Die Szene entsteht doch erst durch diese Menschen. Wandeln sich die Inhalte, der thematische Kern, um den sich alles dreht, geht die Szene eben flöten.
Genau. Menschen machen die Szene. Die Inhalte wandeln sich mit und durch die Menschen. Ende der 80er war beispielsweise Styling und Musik im Vordergrund, weniger die Inhalte und das drumherum. (Ich spreche jetzt von mir und meinem Dunstkreis) Mit steigendem Alter stieg auch der Anspruch. Man begann sich zu interessieren, sich auszuprobieren, schrieb Songtexte auf, schrieb Geschichte, besuchte Friedhöfe. Es gab dann die, die das nicht interessierte, die meisten von ihnen verließen dann die Szene und es gab die, die diese Interessen verfolgte und gemeinsam diskutierten oder sonstwo rumhingen. Entweder man geht mit, oder eben nicht. Flöten geht hier nichts.
Für mich steht momentan nicht der Fakt im Raum, dass wir das Jahr 2014 schreiben und irgendwelche Revivals feiern, sondern die Frage, ob Jugendszenen generell nur in der subjektiven Wahrnehmung „untergehen“. Und das verneine ich ganz klar.
Menschen wandern zu und wandern ab. Neues entsteht auf alten „Trümmern“. Das ist durch einschneidende Faktoren gekennzeichnet. Das Internet steckte Mitte der 90er gerade einmal in den Kinderschuhen. Von einem Kommunikationswerkzeug für die breite Bevölkerung konnte zu dieser Zeit gar keine Rede sein.
Du wirst aber schon zugeben müssen, dass das keine Grundlage für eine Szene sein kann. Nach der Vorgehensweise könnte ich auch Darkthrone hören, weil’s irgendwie geil und düster klingt. In einer Gothic-/Wave-Szene landet man damit aber sicher nicht.
Das verstehe ich nicht.
Das Beispiel Internet führte ich nur an, weil du mir mit Ägypten gekommen bist. In den 90ern gab es bereits andere Möglichkeiten der Vernetzung, die die alten Ägypter nicht hatten. Telefon, Magazine (Kleinanzeigen!), Briefe.
Das war auf die späten 80er gemünzt. Ich wusste gar nicht, dass man das überhaupt „Szene“ nennt. Für mich war das die Grundlage, mich zugehörig zu fühlen. Die gleiche Musik, egal ob da nun Gothic, Wave, Synthie-Pop oder was weiß ich drauf gestanden hat. Ob das Grundlage für eine Szene nach Definition gewesen ist, war mir schnurz.
Heute ist das aber ganz ähnlich. Das Empfinden für Musik (nennen wir es vielleicht Geschmack) ist die Grundlage. Die Grundlage der Szene, wie ich sie kenne. Ich versuche es, verständlich zu machen: Ein guter Szene-DJ versorgt die Tanzenden mit einer Stimmung, die vielleicht von „A Forest“ von The Cure beginnt. Getragen, melancholisch, schwermütig, schwebend. Der DJ hält diese Stimmung oder steuert sie in die eine oder andere Richtung. Ob das nächste Lied dann per Definition „Gothic“ oder was auch immer ist, spielt überhaupt keine Rolle, wenn es die Stimmung entsprechend aufgreift.
Verstehst du, was ich meine?
Du suchst die Grundlage, die Definition der Szene immer in klar definierten Grenzen von Musik, Bands und meinetwegen auch Instrumentierung. Doch ich denke, so leicht ist es einfach nicht. Daher ist die Grundlage „der Szene“ nicht unbedingt eine starre Musikrichtung, sondern das Gefühl dafür. Für mich jedenfalls.
Nach der Vorgehensweise könnte ich auch Darkthrone hören, weil’s irgendwie geil und düster klingt. In einer Gothic-/Wave-Szene landet man damit aber sicher nicht.
Ich mag Mayhem, Emperor und Darkthrone…waren anno 95 die Fortführung von Christian Death, Shadow Project usw…in meiner Wahrnehmung..während man in schwarzen Dissen damals nur kitschigen Metal geboten bekam
Man kann hören was man will. Dadurch wird man nicht mehr oder weniger zum Goth/Wave oder zum Metaller. Ich finde es bescheiden, dass man sich als Individuum eine Bezeichnung aufzwängt, als gehörte man zu einem Volksstamm oder einer religiösen Bewegung. Jemand der auf Gothic steht, ist erstmal ein Mensch, der einfach bloß auf Gothic steht und sich dementsprechend kleidet, weil ihm danach ist. Ich kann in kompletter Montur durch die Gegend rennen, deswegen bin ich noch lange kein „Goth“.
Jemand, der Volksmusik hört, ist schließlich auch kein Volksmusiker, denn er MACHT die Musik nicht. Ein x-beliebiges Kiddie, das chartorientierten Hip-Hop hört, ist auch kein Hip Hopper, denn es konsumiert bloß und gibt nichts.
Was macht UNS denn so sehr besonders, außer, dass wir uns teilsweise selbst zu wandelnden Kunstobjekten machen? Trägt irgendeiner von uns etwas kulturelles bei außer in Clubs zum Tanzen zu gehen und über die schlechte Musik zu meckern?
Ich glaube, wenn es eine inhaltslose „Szene“ gibt, dann wohl die unsrige. Die etwas beitragen, sind die Künstler, aber nicht die einfachen Szenegänger wie Du und Ich.
Das mag hart klingen, aber ist es nicht eigentlich so?
Der einzelne macht etwas. Schreibt oder malt, macht Musik. Poe trug auch zeitlebens schwarz, obwohl das über 130 Jahren vor den „Goths“ war. Und trotzdem ist er für mich so viel „gotischer“ als der Durchschnitt einer Pseudo-Düster-Abziehbildchen-Szene.
Eine Szene ist in erster Linie eine Vernetzung von Künstlern, oder Musikern, die ihrerseits ihren Bekanntenkreis haben. Lieschen Müller oder ich, der ich keine Musiker persönlich kenne, gehört mitnichten zu einer Szene, wir können nur für uns rumdödeln und die Musiker bewundern, die irgendwo 500 km weit entfernt ganz andere Vorstellungen haben.
Seh ich genauso…ich höre die Musik die mich bewegt..egal welcher Sparte (gut..ein Großteil ist schon Darkwave/Postpunk). Ich bin halt ein Individuum (mit relativ normaler Kleidung). Manche Leute halten sich halt für Individuen und rennen schwarz angepasst durch die Weltgeschichte (weil sie sich immer noch mit einem fiktiven Gedankenbild identifizieren)…hahaha. Wobei ich meinen möchte..eigentlich ist jeder Mensch ungeachtet seiner Kleidung, Hautfarbe oder Geschmack ein vollkommenes Individuum.
Und darum, weil ich The Cure höre, die sich einer wahnsinnige Bandbreiten an Themen widmen, kann ich nicht sagen: „Ich bin Goth“, denn sie haben vielleicht drei Alben veröffentlicht (Seventeen Seconds zähle ich mal als Gothic-Album dazu), die man explizit als Gothic bezeichnen könnte, „Pornography“ als düsterstes Album ihrer gesamten Bandgeschichte an erster Stelle. Ihr musikalischer Stil ist New Wave, meinetwegen Dark Wave. Und das ist für mich persönlich auch die treffendste Bezeichnung. Gothic ist für mich eine Ausdrucksform, aber keine Genre- oder Personenbezeichnung. Aber ich glaube, dass wir uns im Kreis drehen und man bestimmt schon vor zwanzig Jahren über solche Dinge diskutiert hat. Viele Waver haben die neuartigen Goths in den spätern 80ern sicher mit einer solchen Abneigung betrachtet wie die heutigen Goths die Cyber betrachten. Als Störenfriede, die ihre (Sub)Kultur verwässerten oder gar persiflierten, siehe „Neue Deutsche Todeskunst“, die eigentlich eine Erfindung der Popper war, die irgendwann einen auf „düster“ machen wollten. Von Punk-Ästhetik ist doch in der NDT und ihrer übertriebenen Ernsthaftigkeit keine Rede mehr. Das ist wie mit Barock und Rokoko. Wenn Wave den Stellenwert von Barock übernimmt, dann ist Gothic das Pendant zu Rokoko: Verkitschte Tiefgründigkeit.
Und wenn heute wieder die BILD über irgendwelche „blutrünstigen Gruftie-Morde“ schreibt, was kümmert mich das? Die Medien haben die schwarze Szene so verwässert, dass ich mich schon angesprochen fühle, wenn sich Blutengel-Hörer gegenseitig abschlachten, obwohl man sich doch klar darüber sein sollte, das unästhetische Dinge wie Morde in jeder guten Familie stattfinden (könnten).
Wenn schon Oswald Henke mit seiner NDT keine Ahnung hat, was „Gothic“ ist, wie kann dann Tim Hofmann darüber urteilen?
im Grunde geht es doch darum freigeistig, kreativ und lebendig zu sein…sind aber Definitionen („Die Schwarze Szene“) nicht einfach das Gegenteil davon weil man sich nur limitiert? War nicht das Tolle an den 80ern das es Leute gab die einfach Musik aus sich heraus gemacht haben ohne zu (teils unbewusst) zu denken „Ich mach jetzt Musikrichtung XY“?
Ich erlebe die Welt mittlerweile überwiegend als vollkommen unkreativ, uninspiriert, vermarktet und oftmals vollkommen belanglos..
Ja. Das ergeht mir ähnlich. Ich finde, man sollte diese Szene als Grundgerüst, als Skelett, betrachten, auf dem man aufbauen, seine eigene Kreativität walten lassen kann. Eine Art Richtlinie, aber fernab von Dogmen – und doch ist sie ein einziges Dogma.
Ich dachte, das sei Teil der Diskussion? Die Berichte über das Dahinsterben einer Szene werden von einigen ausschließlich der subjektiven Wahrnehmung zugeordnet, so als würde es soetwas wie einen Szeneniedergang nicht geben. Da eine Szene aber Merkmale besitzt, kann man sehr wohl Veränderungen, Hoch- und Niedergangsphasen festmachen.
Ich hatte Dich weder direkt angesprochen noch hatte ich ausschließlich Ägypten erwähnt. Spielt ja auch keine Rolle. Das lässt sich zigfach mit anderen Beispielen vergleichen.
Aber wie ich bereits schrieb: Szenen gab es lange vor dem Netz. Magazine, die größtenteils von der Bildfläche verschwanden, kann man wohl kaum als Mittel der Vernetzung bezeichnen. Was gab es Ende der 90er denn noch für Zeitschriften, abgesehen von den 3 oder 4 Wurstblättern? Interessantere Heftchen, wie das Black-Magazin z.B., führten immer ein Schattendasein und erschienen anfangs auch nur unregelmäßig alle drei oder vier Monate. Telefone? Das ist nicht Dein Ernst? Das mag cliquenbezogen so sein, aber doch nicht wenn es um eine ganze Szene geht.
Womit wir wieder bei den Szenemachern sind. Ohne diese Orientierungspunkte würden Grundlage und Szene nicht existieren.
Ansonsten frage ich mich, was Du von meiner Aussage so Abweichendes schreibst. Ich sehe gerade keinen Widerspruch.
Diese Musik ist doch aber eingegrenzt. Oder läuft auf Deiner Party alles querbeet? Ich denke, auf die Richtungen, die Du ansprichst, lässt sich problemlos das Etikett „Wave“ kleben.
Abgesehen davon muss man in Diskussionen simplifizieren und auf Kernmerkmale, auf das Wesentliche reduzieren. Ansonsten wird es zu komplex und individuell und damit undefinierbar. Diskussion hinfällig. Wenn wir von „Szene“ reden, sollte die Mehrheit schon ein einigermaßen klar umrissenes Bild vor Augen haben.
Dass es zu den jeweiligen Stilen übrigens auch Subszenen gibt, kann man wohl kaum leugnen. Einen EBM-Fan wirst Du selten zu Gotengitarre herumspringen sehen.
@ Ian
Aber natürlich. Musik bestimmt Deine Szene-Identität. Wenn ich hauptsächlich Metal höre, kann ich wohl kaum ein Grufti sein.
Szenen funktionieren nun einmal kollektiv. Wer das nicht mag, rechnet sich keiner zu.
Du solltest vielleicht zwischen Jugendszenen und Musikszenen trennen.
Da liegst Du wohl leider im Konflikt mit der Geschichte.
? Nun wird es aber abenteuerlich… Henke hörte sehr wohl Wave-Musik, u.a. zählten The Fair Sex zu seinen Favs, soweit ich mich erinnere.
Das ist genau das, was ich sage. Das Wesentliche. Die Basis. Das, was die Szene zusammenführte und zusammenführt. Alles andere baut nur darauf auf, ist frei wählbar und sollte nicht zur Richtlinie einer ganzen Szene mutieren.
Ich lese keine Gothic Novels. Der dickste Roman in meinem Schrank nennt sich „Die Nebel von Avalon“. Und der hat nicht einmal ansatzweise etwas damit zu tun. Ich mag vereinzelt Gruselfilme, keine Frage. Aber über sowas hatte ich nie meine Zugehörigkeit definiert.
So könnte man X verschiedene Beispiele nennen.
@ The Drowning Man:
Das mag auf Bands wie Bauhaus, Siouxsie und Joy Division zutreffen. Alle danach wussten sehr wohl, was sie spielen und wonach sie klingen wollten. Die Cocteau Twins z.B. orientierten sich schon an Siouxsie, eine ganze Horde von deutschen Bands hatte fast ausschließlich britische Vorbilder.
Auf EBM trifft das genauso zu. Nitzer Ebb waren Teenager, die wie DAF klingen wollten. Cassandra Complex hatten immer den Anspruch, härter und lauter als DAF zu sein… so könnte man tausende Gruppen aufzählen.
Vielleicht nutzte man nicht flächendeckend irgendwelche Bezeichnungen dafür, aber Stilvorstellungen- und imitationen waren sehr wohl vorhanden. Und das in jeder Musikrichtung.
Das stimmt, aber „Metaller“ wäre ich deswegen auch nicht, sondern nur Musikliebhaber, solange ich nur zu Hause vor mich hin dödel und nicht unter Menschen gehe.
Das mag sein, jedoch macht er keinen Wave. Zumindest ist Goethes Erben für mich kein Wave. Der Graf hört auch Sisters of Mercy, macht aber trotzdem Schlager. Ich mag auch The Fair Sex, bin aber deswegen noch lange kein Wave, denn ich habe die Zeit nicht selbst miterlebt, um das Recht zu haben, mich als solchen zu beurteilen. Man kann sich selbst nicht in Schubladen stecken, sehr wohl aber andere.
Ich will es mal so beschreiben: Für mich haben „Die Ärzte“ mit Wave mehr zu tun als „Goethes Erben“ es zu tun versuch(t)en, denn was sie machen, nennen sie „Musiktheater“ und das wiederum passt. Für „Wave“ fehlt den Erben ganz einfach der gewisse „Punk“, den eine andere Band des Genres NDT, Relatives Menschsein, noch hatten.
Gut, bei Goethes Erben magst Du sogar recht haben. Aber deshalb darauf zu schließen, dass die NDT von Poppern erfunden wurde, ist schon ziemlich… fantasievoll.
Deine Vorstellung ist falsch. Sorry DD, aber so einen Satz kann nur jemand von sich geben, der nicht den Hauch einer Ahnung hat, was eine Stammesgesellschaft überhaupt ist und was sie ausmacht. Du hast anscheinend zu viele Soziologiebücher gelesen, dieser Neotribalismusquatsch geistert nämlich schon seit den 60ern durch die Soziologie.
Eine Stammesgesellschaft ist eine, deren Mitglieder wirklich zusammenleben. Das bedeutet, sie wohnen bzw. siedeln zusammen, sie arbeiten und wirtschaften gemeinsam, sie schlagen sich miteinander durch den Alltag usw. Eine Szene hingegen ist eine Freizeitveranstaltung, die sich mittels uniformer Merkmale einen Anstrich von Zusammengehörigkeit zu geben versucht.
Die Neotribalismusidee ist Produkt eines falschen und gefährlichen geschichtsphilosophischen Modells, nämlich der historischen Dialektik, die ihrerseits Produkt der linearen Zeitvorstellung ist. Dieses um 1800 entstandene Modell geht davon aus, dass die Geschichte einen Dreischritt durchläuft, d.h. auf der zweiten Stufe tritt eine Entfremdung vom Urzustand ein, der dann auf der dritten Stufe auf einer höheren Ebene (was immer das sein mag) wieder erreicht wird. Der moderne Nationalismus, der zur gleichen Zeit entstand, stützt sich ebenfalls auf dieses Modell, ebenso der Kommunismus (und überhaupt der Totalitarismus) und eben auch der Subkulturalismus.
All diesen Gesellungsformen gemeinsam ist die Idee eines homogenen, normierten Kollektivs. Eine illusionäre Vorstellung, da sie nicht auf wirklichem Zusammenleben basiert – wie könnte sie das auch, denn in Gesellschaften von der Größenordnung moderner Nationalstaaten, wie sie seit 1800 entstanden sind, wäre das vollkommen unmöglich. Da das Kollektiv also keinerlei reale Grundlage hat, muss eine Vorstellung von Kollektivität künstlich durch Massenmedien erzeugt werden. Im nationalen Maßstab machen das Bild & Co., auf subkultureller Ebene macht es z.B. Zillo.
Man merkt, in struktureller Hinsicht funktionieren Szenen nicht anders als die Gesamtgesellschaft. Dass bei Szenen der Schein neuer `Stammesgesellschaften` aufkommen kann, liegt an ihrer im Vergleich zur bürgerlichen Nationalstaatsgesellschaft geringen Größe. Nicht die Größe ist aber das Entscheidende, sondern die Funktionsweise. Und die ist bei Subkulturen keine andere als bei der bürgerlichen Nationalstaatsgesellschaft.
Versponnene Grüße
Yorick
Wenn es nur das wäre, gäbe es nicht diesen Hang zur Abgrenzung, in den 80ern noch radikaler ausgeprägt als heute. Damals hatten sich diverse Grüppchen sogar gegenseitig auf’s Maul gehauen. Es wurde ein- und ausgegrenzt nach stammeskulturellen Mustern. Die Cliquenbildungen führten dann nochmals zur internen Abrenzung. Bei Jugendkulturen wie den Skinheads ist diese radikale Form der Abgrenzung vermutlich sogar bis heute erhalten geblieben. Da gibt es Regeln, Symbole, Kleidungsformen, etwas, das man als Stammesattribute bezeichnen könnte.
@Ian:
Also ich finde es ja schon abenteuerlich zu behaupten, nur wer Musik macht, bildet überhaupt eine Szene! Natürlich bilden auch Hörer diese Szene. Denn die Rechnung ist ganz einfach: ohne Hörer keine Musik! Zumindest nicht in dem Stil. Es gibt natürlich auch Musiker, der daheim privat vor sich hin musizieren, gelegentlich mal was ins Netz stellen und das war’s. Aber das macht erst Recht keine Szene aus! Eine Szene entsteht durch Geben und Nehmen. Der Musiker gibt den Hörer Musik und somit etwas, in was er eintauchen kann. Der Hörer gibt dem Musiker Anerkennung und im besten Fall Geld zurück und so entsteht ein Kreislauf. Beides bedingt einander. JEDER der irgendwie kreativ tätig ist, sei es Musik machen, sei es das Schreiben eines Blogs, sei es DJs, JEDER will doch auch Feedback und Reaktionen. Vielleicht etwas bewegen oder eine Bewegung anstoßen. Das funktioniert aber nur, wenn jemand da ist der das rezipiert. Ganz einfache Rechnung! Wenn hier niemand kommentieren würde, würde Robert dann so lange schon diesen Blog pflegen?
Ich kann für mich sagen: wären jetzt bspw. die beiden „Snowflakes“-Geschichten nicht im hohen dreistelligen bzw. niedrigen vierstelligen Bereich heruntergeladen worden, würde ich das ganze Projekt nicht weiter machen. So bekam ich aber sehr viel Feedback und sogar schon vereinzelte Spenden für die Arbeit. Also mach ich das weiter und vertiefe das Projekt noch mit 2 weiteren Compilations. Wenn das niemanden erreichen würde, würde ich mir die Arbeit nicht machen und mich mit was anderem beschäftigen bzw. mich nur aufs passive Hören jener Musik begrenzen. Und so ist es auch bei Festivals, bei jeglicher Tätigkeit. Mal vom finanziellen abgesehen: würde es dieses Jahr ein zweite Young & Cold geben, wenn letztes Jahr kaum jemand hingegangen wäre? Man macht sowas nicht nur „für sich selbst“ – sondern eben auch um etwas zu geben. Kein DJ würde weiter machen, wenn niemand zu seinen Parties kommt. Kein Blogger würde weiter schreiben, wenn es niemand liest. Kein Podcaster würde weiter aufnehmen, wenn es niemand hört.
Deswegen gehören Rezipienten sehr wohl zu einer lebendigen Szene dazu! Egal ob jemand auf Parties geht, oder zu Konzerten oder sich daheim Musik anhört. Das ist nunmal individuell. Die Einen mögen keine Discos, die Anderen haben Familie und kaum Zeit dafür, usw. Das ist ja individuell sehr verschieden. Sobald man sich aber für etwas stärker interessiert gehört man nach meiner Weltsicht auch dazu.
Das steht nicht im Widerspruch zu meinen Aussagen. Selbstverständlich gibt es Szenen und Subszenen und meinetwegen Sub-Sub-Sub-Sub-Subszenen. An den grundlegenden Szenemechanismen ändert das nicht das geringste. Und diese sind eben nicht, und zwar wirklich in keinster Weise, als tribalistisch zu qualifizieren. Wenn du mir das nicht glaubst, empfehle ich dir folgenden Text:
http://www.rabenclan.de/index.php/Magazin/HansSchuhmacher/Szene01
Bitte nicht vom reißerischen Titel „Rassismus und Szene“ abschrecken lassen, ab Abschnitt 2 wird es interessant^^ Dieser Artikel zielt zwar auf die Neuheidenszene, aber vieles, was dort steht, lässt sich m.E. auch auf die schwarze Szene anwenden.
Auch wenn mich der Text nicht wirklich zufriedenstellt (der Link funktioniert übrigens nicht), liegst Du im Detail sicher richtig (wobei „kollektiv“ von mir stets im Sinne von „gemeinschaftlich“ verwendet wird. Wären Szenen rein individuell angelegt, würden sie doch gar nicht als solche existieren). Dennoch bin ich mir ehrlich gesagt nicht ganz sicher, welchen Nutzen diese Unterscheidung für die Veranschaulichung haben soll. Hier geht es um Erkennungsmerkmale, äußerliche und musikalische, Identifikationsmerkmale, anhand der man die Szene charakterisieren und von anderen „Urban Tribes“ unterscheiden kann. Ebenso um die zeitliche Zuordnung anhand dieser Merkmale, um Entstehung, Blütezeit und Niedergang, Mechanismen, die sich sehr gut mit sich wiederholenden, geschichtlichen Ereignissen vergleichen lassen. Mehr braucht es doch auch gar nicht.
(Eines kurz vorweg: Selbstverständlich hat Ekki Stieg stets auch klassischen Gothic-Rock gespielt! Natürlich war nie eine „Grenzwellen“-Sendung ohne Skinny Puppy oder Click Click zu haben und ganze Sendungen waren auch mal Carlos Peron gewidmet, aber wen hätte das gestört?)
(jetzt folgt leider ein Roman)
Zum Thema Herz & Seele der Szene: Ich finde nach wie vor, dass beides noch vorhanden ist; es ist aber auch so, dass sich die Szene stark verändert hat und sich derzeit in einer Lage befindet, die mir nur semi gefällt.
Grundsätzlich führe ich das zurück auf „das Internet“ und die damit in den vergangenen 10-12 Jahren einhergegangene allgemeine Zersplitterung gesellschaftlicher Bewegungen durch den „Zwang“ zur medialen Individualisierung. Andere (wahrscheinlich viele) werden die heutigen medialen Möglichkeiten eher als Befreiung empfinden. Fluch oder Segen? Ich mache keinen Hehl daraus, dass es für mich eher weniger Segen ist.
Versuch einer Erklärung: Als ich Teil der Szene wurde, befand ich mich noch in keiner Szene. Paradox? Als Teenager Mitte der 80er in einer Kleinstadt im westdeutschen Zonenrandgebiet musste man großes Glück haben, auf Gleichgesinnte zu stoßen. Ich war damals allein – mit meiner schwarzen Kleidung, der seltsamen Frisur und der Musik, die ich hörte (die sich zunächst natürlich zunächst auf Dinge wie Cure, Smiths, Siouxie, DeMo und ähnliche konzentrierte, die damals noch lange nicht als von einer einzigen „Szene“ vereinnahmt gelten durften). Rückblickend fühlte ich mich also als Teil einer „Szene“, von deren Existenz ich nur rudimentär wusste. Schwarze Clubs habe ich erst später kennengelernt (natürlich auch andere Schwarze), man brauchte schon ein Auto.
Damals fand ich Musikmagazine als unfassbar wichtig, um überhaupt über regionale Grenzen hinweg eine informelle Plattform zu haben, auf die sich alle einigen konnten. Es bedeutete, dass man „allgemein“ auf einem gemeinsamen neuesten Stand war, was Plattenveröffentlichungen, Bücher, Filme etc. betraf. Musiker, Künstler, Autoren waren auf diese gemeinsame Öffentlichkeitsplattform ebenfalls angewiesen.
Heute, in Zeiten eines (mobilen) Internets hat sich das nun einmal komplett von einer Gemeinschaftlichkeit entkoppelt und extrem ausdifferenziert. Für etliche Künstler (Musiker, Autoren, Fotografen) gerade aus dem eher undergroundigen Bereich mögen die Möglichkeiten großartig sein: Sie können veröffentlichen, was sie mögen. (Ob das alles ohne einen gewissen Filter veröffentlichungswürdig ist, steht natürlich auf einem anderen Blatt.)
Problem: Kriege ich diese Veröffentlichungen eigentlich mit?
Gleiches gilt für eine vermutlich unüberschaubare Zahl an Blogs und Bloggern: Etliche kluge Gedanken, nur: Kriege ich die eigentlich mit? Ich muss gestehen, dass ich (oft) keine Lust habe, mühsam danach zu suchen, meist habe ich auch keine Zeit (wie schön, dass Robert hier immer wieder schöne Fundstücke zusammenstellt, auf die ich selber nie gestoßen wäre). Ich glaube, dass die Mehrheit auch in der Schwarzen Szene eher nehmende Konsumenten denn gebende Produzenten sind, aber es bleibt deutlich: Ein gewisser Teil der Szene ist nach wie vor lebendig, kreativ und gestaltend – im Fokus einer größeren Öffentlichkeit muss das alles (leider) nicht mehr sein.
Folge: In den etablierten Magazinen (die mittlerweile dazu verdammt sind, Geld verdienen zu müssen) verflachen die Angebote, es wird nivelliert auf den oft kleinsten gemeinsamen Nenner. Neueinsteiger bekommen so ein arg verengtes Bild von dem, was die Szene zu bieten hat. Was ich sehr schade finde und was sich – leider – in den eher kommerziell ausgerichteten Schwarz-Clubs sehr negativ bemerkbar macht.
Beispiel: Als ich etwa im Rahmen einer kleinen Veranstaltung bewusst so gewünschtes altes Wave-Zeug auflegte (ich gebe bewusst keine Beispiele, um keine Nebenkriegsschauplätze zu eröffnen), beschwerten sich etliche Jüngere (ja, auch so ein Klischee), wie langweilig das denn sei und wann denn endlich Manson/ASP/Rammstein/Eisbrecher kämen. Es wurde ungemütlich und ich mach’s seitdem nicht mehr. Allen Enthusiasten also großen Dank, die es weiterhin tun.
Solche Veranstaltungen sind aber längst wieder abgewandert in semiöffentliche Veranstaltungsorte, für die es keine Flyer gibt, die nicht in Terminkalendern auftauchen, deren Orte nur durch Mundpropaganda zu finden sind. Elitäre Abschottung? Ja! Immerhin kann ich daher wenigstens nach Tageslaune wechseln, ob ich’s undergroundiger oder kommerzieller will.
Fazit: Die Szene hat noch Herz und Seele, ihr Kern hat sich aber von der mainstreamigeren Öffentlichkeit wieder ein Stück weit separiert – das macht es wieder etwas schwieriger, aber es ist kein Grund, zu verzweifeln.
@DD
Ups, mir ist auch gerade aufgefallen, dass der Link nicht funktioniert, Mea Culpa>.< Naja, dann halt einfach die Adresse eintippen.
Ich behaupte ja nicht, dass ich dem Artikel 100%ig zustimme, aber ich finde es schon wichtig, darauf hinzuweisen, dass es sich bei sog. "Urben Tribes" eben nicht um Stämme im eigentlichen Sinne handelt. Das führt nämlich sonst zu gewaltigen Missverständnissen, aus denen bereits viel Unsinn hervorgegangen ist.
Nun möchte ich aber auch noch einmal etwas dazu sagen. Und ich kan mich nur wiederholen:
So lange es diese wunderbare Musik gibt, Joy Division, die Sisters, die Fields, the Cure, ASF und all die anderen wundervollen Künstler, und so lange es Menschen gibt, die von dieser Musik und der Lebensart in ihrem Herzen und der tiefsten Stelle ihrer Seele berührt werden – so lange mache ich mir keine Sorgen um ein „Szenesterben“. Die Szene verändert sich. Und vielleicht stirbt irgend wann einmal das was die oberflächliche Mainstreamschicht dastellt, dann verschwinden diverse aktuelle Bands die ich jetzt nicht näher betiteln möchte auch von der Bildfläche…….aber so lange es Menschen wie Euch hier alle gibt wird die Szene niemals sterben – und noch in vielen Jahren (totgesagte leben länger) wird man sich darüber unterhalten und ärgern, dass die Szene stirbt und doch so verwässert ist ;) :D
@Saturin: Wunderbares Statement. Genauso ist es. Vielleicht eine Ergänzung: Man sollte sich noch mehr untereinander auf das Schöne aufmerksam machen. Nicht leise und in quasi elitären Zirkeln, sondern laut in Blogs, auf sozialen Netzwerken usw. Dann wird es vielleicht auch nicht so schwierig das gute Zeugs aus der Masse herauszufiltern. Leider habe ich hier aber such das Gefühl, dass viele Menschen lieber alte statt neue Bands erleben wollen. Was ich sehr schade finde…
Axel: Da liegt vielleicht das Missverständnis – es geht nicht darum, das gute Zeugs aus der Masse herauszufiltern, sondern es überhaupt irgendwo zu finden und wahrnehmen zu dürfen.
BTW: Ich liebe alte Bands (und werde mir Joy Division als die z. B. allerbeste ;) natürlich nicht nehmen lassen), aber ich hab offene Ohren für alle neuen. Aber ohne eine gewisse Grundierung von Gewesenem (und Aufgebautem) macht es natürlich nur halb so viel Spaß…..
Das Finden war ja immer ein wenig aufwendig. ;-) Aber auf die bekannten Medien wird man sich da nicht verlassen können. Wenn man da nicht bereit ist sich für viel Geld dort einzukaufen findet man dort ganz einfach nicht statt (Ausnahmen bestätigen die Regel). Mit dem Internet hat man doch ein gutes Werkzeug. Und anstatt dass sich die Leute ständig über den „Tod der Szene“ ergießen, könnten sie ja mithelfen eine Art „neue alte Bewegung“ zu initiieren. Sei es mit Blogs, mit kreativen Podcasts (ein deutsches Pendant zum GothTune Podcast – http://gothtune.blogspot.com/ – wäre doch ganz nett!), kreativen Webradios (Idee: ein Goth-Radio mit GEMA-freier Musik!), Online-Fanzines oder eben auch Online-Compilations wie ich sie mache. Es gäbe da so viel was man machen könnte und die Werkzeuge liegen mit dem Internet für jeden Bereit aktiv zu werden.
Das sind Dinge, die in anderen Ländern wie Polen normal sind. Weil es dort kaum kommerzielle Magazine gibt. Also machen das die Leute im Netz selbst. Hierzulande scheint mir da eine gewisse „Müdigkeit“ vorzuherrschen, was ich sehr schade finde!
Oder wie es Hagen Rether so schön zu sagen pflegt:
„Sich empören bringt doch nix. Das macht nur Pickel, graue Haare und Schaum vorm Mund“. :D
Edit: Nochmal zum Thema Podcast. Im deutschsprachigen Raum gibt es beispielsweise den Mitternachtsreigen hier: https://mitternachtsreigen.at/ – Wo man bei den Schweden von GothTune bekanntes und unbekanntes gemischt zu hören bekommt, hört man hier nur das was man in jeder Disco hört. Keine Überraschungen, nix neues. Kann ja zwischendurch auch ganz nett sein – will ich garnichts sagen. Aber es scheint mit symptomatisch fürs deutsche Netz zu sein, dass man sich kaum was neues traut und bei den bekannten Pfaden bleibt. Das finde ich schade.
ja der virtuelle axel kann eine virtuelle szene kreieren.
alles am pc, weil da kann jeder mitmachen..das ist natürlich bequem, besonders um veranstaltungen oder gruppen die es in der realen szenewelt gibt mieszumachen ohne selbst erst dahin zu müssen.
der sozialkritische, ein stückweit immer mahnende und vor selbstlob triefende goth-nerd.. herrliche zukunft.
axel wann kommt nun mal deine klarstellung oder entschuldigung zu deiner selbsterfundenen geschichte hier: https://www.spontis.de/vernetzt/wochenschau-01-2014/#comments
ich kann dich als mitdiskutanten nicht ernst nehmen wenn du hier geschichten erfindest. da bin ich ein stückweit elitär :)
Um mal einen anderen Aspekt aus Roberts Ursprungsbeitrag aufzugreifen: die Künstler. Die sind ja auch irgendwie wichtig…
Die Grundvoraussetzung, sich entscheiden zu müssen, ist natürlich, sich in der Musik überhaupt selbst ausdrücken zu wollen oder mit Leidenschaft dabei zu sein. Da Musik der Schwarzen Szene (ich gebrauche diesen Begriff jetzt einfach mal für jedwede Musik, die man irgendwie darunter kategorisieren könnte) einigermaßen Nische ist, halte ich das für gegeben. Man mag das als eine zu positive Sichtweise auf die aktuelle Musik der Szene sehen, aber ich denke bei diesem Aspekt mehr an die Unsitte in der Popmusik, die Erstellung von Text und Musik sowie die Ausführung derselben beinahe getrennt voneinander zu halten. Das ist also keine allzu hohe Hürde.
Die Frage, ob man in erster Linie sich selbst verwirklichen oder Geld verdienen möchte, ist wohl wirklich nicht ganz einfach zu beantworten. Man kann natürlich beides versuchen, aber das schaffen nur ganz wenige. Und „in erster Linie Geld verdienen“ klingt negativ, aber inwieweit kann man das Künstlern verdenken? Schließlich sind sie in erster Linie sich selbst und nicht einer höheren Idee oder einer Szene verpflichtet. Es sei denn, sie schmücken sich damit. Wenn sich also – um mal ein Beispiel zu nennen – Faun dazu entscheiden, dass sie doch etwas, nun, „geschliffenere“ Musik machen wollen, ist ihnen das zu verdenken? Die Diskussion hatten wir ja schon mal zu genau diesen Künstlern.
Ich kann da nur für mich persönlich sprechen, aber ich behandle Faun nun wie jede Band, die irgendwann in eine Richtung ging, die mir nicht mehr gefiel. Manche Gründe für einen Richtungswechsel könnte ich wohl einfacher „akzeptieren“ als diesen, aber meine Güte, es ist jetzt nicht so, als sei ich auf neue gute Musik von Faun angewiesen. Die alten Alben werden ja nicht schlechter und andere gute Musik gibt es auch.
Ich finde es allerdings schwierig, „Künstler mit Tiefe“ zu messen – woran macht man das fest? Und ist irgendwas außerhalb der musikalischen Veröffentlichungen überhaupt wichtig? Ich meine, gut, wenn’s mir gefällt, vielleicht, aber ansonsten will ich ja im Wesentlichen gute Musik hören. Man kann natürlich argumentieren, Künstler ohne Tiefe könnten auch keine emotional ergreifenden Lieder schreiben. Da mag etwas dran sein. Darüber, wie tiefsinnig ein Künstler ist, mag ich mir aber kein Urteil bilden und es ist mir, ganz ehrlich, letztendlich auch egal. Oder nein, anders: Es ist schön, wenn man bemerkt, wie sehr ein Künstler sich mit seiner Musik und dem darin Vermittelten auseinandersetzt, aber wenn nicht, ist es auch nicht so schade. Zumindest meiner Auffassung nach.
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Da ich gerade schon über viele andere gute Musik sprach, jetzt zur aktuellen Diskussion. Die liefert mir wunderbare Argumente, warum ich mich selbst nicht als „Goth“, „Gruftie“ oder so etwas in die Richtung bezeichne, sondern allenfalls meine für alle offensichtliche Lieblingsfarbe bei der Bekleidung erwähne. Mit allem anderen hat man nur Scherereien und muss sich eventuell noch rechtfertigen, warum man denn diese und jene Musik (nicht) hört oder gar, in welchem Verhältnis die verschiedenen Genres stehen. Das brauche ich nicht, also lasse ich es bleiben. Ich verwahre mich andersherum nicht, wenn mich jemand in eine Schublade packt, aber das ist dann zumindest nicht auf meinem Mist gewachsen. Ich würde mich auch nicht als „Metaller“, „Folkie“ oder „Neofolker“ bezeichnen, nur, weil ich Musik aus diesen Genres höre – schon, da ich als richtiger, alter trve Metaller natürlich jede elektronische Musik (oder auch nur Synthies als Begleitung) verabscheuen müsste. Gut, Neofolker wäre ja vermutlich „erlaubt“, da Subszene oder so. Mit mir könnte man dann vielleicht keine Szene aufbauen, zumal ich der Ansicht bin, dass ich mit niemandem gut klarkommen muss, nur, weil er oder sie zur Szene gehört. Die Voraussetzungen sind eventuell etwas besser, aber das war’s auch schon.
Vielleicht verstehe ich unter der Szene ja einfach etwas anderes als andere Diskutanten und eventuell verstehe ich den Begriff auch einfach falsch. Wenn dem so ist, brauche ich die „richtige“ Szene dann wohl nicht. Mir reichen gute Musik, die es meiner Auffassung in diversen Genres auch immer noch gibt (selbst Neofolk wurde ja schon totgeschrieben), Leute, mit denen ich gut zurecht komme und die eventuell sogar andere meiner Hobbys teilen (denn selbst, wenn das nicht bei jedem der Fall ist – wie ich schon schrieb, die Voraussetzungen sind besser) und Orte, an denen ich mich wohlfühlen kann. Wie man das Ganze dann letztendlich bezeichnet, ist meiner Auffassung nach nun wirklich nicht so wichtig. Da ich dieses Ganze aber immer noch vorfinden kann, ist es alles andere als tot.
Was nicht heißt, dass alles großartig und toll ist. Irgendwas ist ja immer. Nur: So lange es mir gelingt, etwa eher furchtbareren musikalischen Elementen aus dem Weg zu gehen, kann ich damit leben. Was interessiert mich, dass Aggrotech Unmassen an Leuten anzieht? Die Mehrheitsmeinung interessiert mich ja schon bezüglich der Gesamtmusik nicht, dann sollte ich nicht innerhalb „Schwarzer Musik“ damit anfangen.
Den entscheidenden Punkt hat meiner Meinung nach noch keiner meiner Vorredner genannt.
Ich denke: Jeder, der sich zur schwarzen Szene bekennt, ist – alles nur nicht schwarz!
Warum?
War das nicht am Anfang der schwarzen Bewegung Ende der 70er/Anfang der 80er in England der Grund, aus alten Schemata auszubrechen? Eben keiner Kategorie anzugehören?
Und was macht der Deutsche? Schafft sich mit „Szene“, „Gothic“ etc. Kategorien.
Zum Vergleich: Wer aus einem Gefängnis ausbricht, hockt sich nach gelungener Flucht doch nicht ins nächste.
Oder etwa doch?
Sowas hake ich als retrospektiv hineininterpretierten Wunschtraum ab. Mag sein, dass sich zu der Zeit diverse Leute keiner der bestehenden Szenen zurechneten. Andere wiederum sahen sich sehr wohl noch im Punk verhaftet oder als Teil der New Wave. In Sachen Uniformierung und Abgrenzung unterschied sich der gemeine Gote nicht sonderlich von anderen Jugendkulturen. Warum auch?
Genau. Das waren und sind die eigentlich schwarzen.
Denen
am A…. vorbei gehen.
Oder wovon singt die alte Garde sonst!
Nein, das waren jene, die sich mangels Bezeichnung zwischen den Stühlen bewegten. Nicht mehr, nicht weniger. Ist nun wieder Märchenstunde angesagt?
Es gilt natürlich nur deine Wahrnehmung. Alle anderen sind Idioten.
Mit Verlaub, aber die Behauptung, die wahrhaftig Schwarzen seien jene, die sich weder Namen geben noch einer Kategorie zuweisen, hat nichts mit Wahrnehmung zu tun, sondern gehört einzig in Deine Fantasiewelt. Das ist komplett ahistorisch.
Du solltest vielleicht mal weniger den Szene-Historiker raushängen lassen, sondern dich mit den Inhalten der Musik beschäftigen.
Und zwar nicht mit dem, was du glaubst verstanden zu haben, sondern das was die Musik tatsächlich erzählt.
Keine der oft gepriesenen „alten“ Bands hat je was von Uniformierung und Abgrenzung gepredigt. Keine einzige.
Alles nur eine Erfindung der breiten Masse an Grufti-Mitläufern, die die Musik niemals verstanden haben.
Inhalten Ach herje… wieder einer dieser Spät-’90er Typen, die ewig auf Inhalte pochen und glauben, das „Schwarzsein“ für sich gepachtet zu haben. Als sei das Gruftitum der neue Islam. Ihr geht mir vielleicht auf die Klöten…
Du kannst und willst nichts verstehen. Du tust mir leid.
Nein, Du verstehst nicht. Ich möchte mal sehen, in welcher Szene den sich zugehörig fühlenden Personen permanent abverlangt wird, sich mit Inhalten zu beschäftigen. Sowas geschieht aus freiem Willen.
Wie wäre es denn, wenn wir’s bei einem Minimum an Gemeinsamkeiten, sprich Primärmerkmalen, belassen? Die Menge der Sekundärmerkmale ist individuell bestimmt. Und das hatte ich nun schon mehrmals gesagt.
Du hast einfach überhaupt nicht begriffen, wie Jugendkulturen entstehen und funktionieren, dass Geschmack und Ästhetik dabei eine große Rolle spielen. Du balancierst in irgendeiner Traumblase umher.
Ich glaube man muss ohnehin zwischen den einzelnen Subkulturen und Subszenen und der Schwarzen Szene unterscheiden. Letzteres ist inzwischen ein so schwammiger Begriff für ein Konglomerat aus Überbleibseln mehrerer (Sub-) Szenen und Subkulturen auf der einen Seite und andererseits werden durch stetige Öffnung neue Sachen hinzugezählt, so dass ich es für unwahrscheinlich halte, dass sie in den nächsten Jahren so schnell verschwinden wird, weil es in absehbarer Zeit wohl stets noch Menschen geben wird, die man in irgendeiner Weise dieser Szene zuordnen kann bzw. die sich dieser Szene zugehörig fühlen und dies zum Ausdruck bringen. Und wo man hier die Grenzen zieht oder ziehen möchte, ist ohnehin eine Sache für sich.
Sub- und Jugendkulturen aber kommen und gehen. Sie sind stets eine Reaktion und „Ausgeburt“ der jeweiligen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lage. Deswegen ist Punk nicht bereits 1950 entstanden, sondern eben erst Mitte der Siebziger. Alles vor und nach der (kurzen) Blütezeit des Punk ist meiner Meinung nach kein Punk. Ich stelle also mal gleich zu Beginn die Vermutung in den Raum, dass die meisten Subkulturen in diesem Sinne von vornherein ein Ablaufdatum haben.
Subkulturen leben von einer klar abgrenzbaren Gruppe von Menschen, die einem „Idealtypus“ (Vgl. Max Weber) entsprechen. Idealtypus ist in diesem Sinne nur als eine Art Schablone gemeint um ein soziales Phänomen zu beschreiben, er taucht nie in der Wirklichkeit auf: es gab also ohnehin nie „den“ (um mal bei dem Beispiel zu bleiben) Punk, der dem Idealtypus des Punk entspricht. Aber um als Punk durchzugehen, muss man nichtsdestotrotz gewisse Kriterien erfüllen. Individualität hin- oder her – wer dazugehören möchte, muss in irgendeiner Weise mitspielen. Wem das zu doof ist, der macht eben nicht mit – auch kein Problem.
Verbindendes Element für die Mitglieder ist eine Kollektividee bzw. ein Kollektivgefühl (Vgl. Émile Durkheim), welche/s (bezogen auf Subkulturen, die aus Musikstilen heraus entstanden sind) in einem ähnlichen Musikgeschmack, ähnlichem Styling und teilweise auch einer bestimmten Mentalität zum Ausdruck kommt. Das heißt nicht, dass alle dieselben Vorstellungen haben, man käme auch hier nicht drumherum zu verallgemeinern, aber am Ende sollte sich doch ein grober(!) Kerngedanke herauskristallisieren. Was man zusätzlich oder abweichend davon zu Hause im stillen Kämmerlein treibt (oder auch nicht) ist eigentlich völlig egal. Solange es keine „Massenbewegung“ auslöst, ist es für die Kollektividee irrelevant.
Wenn sich aber die politische und gesellschaftliche Situation verändert, dann betrifft dies oft auch die Subkulturen. Daraufhin kann sie sich einerseits ändern/anpassen (was bis zu einem gewissen Grad auch funktionieren kann) oder sie stirbt eben aus. Natürlich nicht von heute auf morgen, aber sukzessive. Ihre Blütezeit ist vorbei, sie verliert an Relevanz (vielleicht sollte man es eher „dahinsiechen“ als „sterben“ nennen). Klar könnte man auch sagen „Es ist jetzt eben nur anders geworden.“ Aber das ist ein bisschen, als würde man schwarz solange aufhellen, bis es fast weiß ist und dann immer noch behaupten, dass es schwarz sei.
Man könnte aber andererseits auch sagen: Ok, es ist jetzt nicht mehr schwarz. Das ist jetzt eine neue Farbe, nämlich weiß. Aber da ist auch eine Spur schwarz drin. Nur, weil eine Subkultur „stirbt“, verschwindet sie ja nicht vom Erdboden und all ihre Mitglieder fallen tot um. Die Kultur hinterlässt Spuren, ihre Musik bleibt und kann auch von allen „Nachkömmlingen“ gehört werden. Und so beeinflusst sie natürlich auch nachfolgende Kulturen. Niemand hindert einen daran, sich auch heute so zu kleiden, die Musik zu hören oder gar selbst zu spielen – dennoch wird man als Jungspund im Jahr 2014 nie ein Teil dieser „ausgestorbenen“ Subkultur sein, auch wenn man sich ihr auf irgendeine Art und Weise verbunden fühlt – man ist einfach kein Kind dieser Zeit. Aber man kann sich von ihr inspirieren lassen und dafür sorgen, dass sie nicht in Vergessenheit gerät.
Wem oder was Herr Hofmann meiner Meinung nach also nachtrauert, war nur eine Strömung der – bleiben wir mal bei dem Überbegriff – Schwarzen Szene, zu der er sich noch zugehörig fühlt oder sich mal zugehörig gefühlt hat und die in dieser Szene in der zweiten Hälfte der 90er recht dominant gewesen sein mag.
Die Frage, die für mich aber im Raum stehen bleibt, ist, ob es bei aller scheinbaren Lebendigkeit der „Szene“ momentan überhaupt neue(!) Subkulturen in der Szene gibt – mal abgesehen von den gefürchteten Cybern.
Das ist ’ne interessante Frage. Durch die Undefinierbarkeit der aktuellen Szene und die Nutzung der Bezeichnung „Gothic“ als Kaugummi-Etikett entfällt das meiner Meinung nach nahezu vollständig. Das heißt, es gibt unter den Grüppchen, die irgendwie wave-verbunden waren, zwar eine Einteilung (New Romantic, Goth, EBMer, Neofolker etc.). Bei dem losen Konstrukt, das eher abseits davon existiert, spielt das aber offensichtlich keine Rolle. Man könnte anhand der Vorlieben natürlich neue Grüppchen grob umreißen (Symphonic-Metaller, Aggrotekker, usw.), aber eine derartige Unterteilung findet in der Szenewahrnehmung (Gott sei Dank) nicht statt. So ist zu hoffen, dass diese Auswüchse irgendwann sang- und klanglos von der Bildfläche verschwinden, ohne größere Spuren zu hinterlassen. *g*
Muss es überhaupt was Neues geben? :)
Für meinen Geschmack müsste es auch nix Neues geben ;)
Aber etwas, dass sich nicht irgendwie entwickelt, stagniert und ist dann irgendwann tot. Dann lieber Neuerungen, die zumindest Lebendigkeit signalisieren – sie müssen einem nicht in allen Nuancen gefallen, aber man muss ja nicht alles Lemminghaft mitmachen.
Z.B. die neue Still Patient?-EP. Für viele ist sie sicher zu metallisch. Ich persönlich finde sie nicht schlecht. Sie kracht und donnert. Ab und an brauche ich das mal, obwohl ich eher Cure-Freund bin :)
@Isis: Ich bin der Auffassung, dass jeder Strömung ihre Spuren hinterlassen hat und nun in diesem nahezu undurchschaubare Wirr-Warr „Gothic“ mündet. Prinzipiell versteht jeder die Szene anders. Jeder ist zu einer anderen Zeit und unter anderen Erwartungen „dazugekommen“. Es ist aussichtlos zu versuchen, aller Strömungen unter einen Hut zu bringen. Zuerst war es die Musik, dann ein gemeinsamer Style, später die Inhalte und dann die Splittergruppen. Zwischendurch hat sich alles wieder neu erfunden und ausdifferenziert. Im Grunde hast du also Recht.
Wenn man heute „dazugehören“ möchte muss man sich einer Vielzahl von Merkmalen beugen. Hauptsächlich denen, die die kleine Gruppe von Menschen vorlebt, der man sich zugehörig fühlt. Früher waren das die coolen Kids vom Schulhof oder in der Lehrwerkstatt oder beim Studium. Bei den einen reichte ein Styling, bei den anderen die Leidenschaft für Literatur und bei andern vielleicht das Rollenspiel. Es ist undurchsichtig.
Heute gibt es das Internet. Niemand weiß noch, welche Merkmale er erfüllen muss um dazuzugehören. Es gibt keinen gemeinsamen Gustus, keinen Leitfaden, keine Anleitung. Das ist auch der Grund für diesen Blog. Ich wollte eine Brücke zwischen den einzelnen Lagern bauen, nicht sagen was richtig oder falsch ist um dazuzugehören. Das kann ich nicht und das will ich auch nicht. Ich glaube der Tim Hofmann ebensowenig.
Das Internet ist eine riesige Oberfläche, wahre Tiefe geht in ihrer Komplexität aus endlosen Foren und Meinungsmöglichkeiten völlig unter. Tiefe ist nicht mehr zugänglich.
@Death Disco: Es gibt auch keinen Widerspruch, nur eine existente Vielfalt. Musik, Inhalten, Ästhetik, Kunst, Kultur, völlig egal welche Begriffe wir verwenden.
„Szenemacher“ sind austauschbar und letztendlich irrelevant. Wenn du auf einen Schlag alle DJs der schwarzen Szene auf eine einsame Insel schicken würdest, organisiert sich die Szene selbst und bringt wiederrum neue „Szenemacher“ hervor. Menschen mit Leidenschaft, die in Gothic mehr sehen als eine Musikrichtung. Und natürlich ist mir bewusst, dass es auch „Macher“ gibt, die Szene machen, weil sie damit Geld verdienen können.
Und ja, auf „meiner“ Party läuft viel queerbeet. Ich halte mich nicht an eine „Wave-Etikett“. Sicherlich finde ich Themenabende interessant, aber nicht unbedingt notwendig, denn genau diese Mischung machts es für mich aus. Und selbstverständlich habe ich schon EBM-Fans zu Gotenmusik tanzen gesehen, genauso wie Goten zu EBM abtanzen können :-)
Diversen Punkten widerspreche ich nicht einmal. Nur diese Erwartungshaltung, dass man all diese Merkmale gleichzeitig besitzen muss, um als „schwarz“ zu gelten, ist einfach idiotisch. Für viele war Gothic/Wave doch mehr eine Gefühlswelt, in der sie sich ausleben konnten. Und Musik war dabei nun mal (unbestreitbar) ein elementarer Faktor, ein Primärmerkmal, während das Interesse an Kunst, Philosophie oder Literatur Sekundärmerkmale sind, die nicht unbedingt von allen geteilt werden (müssen). Das Interesse daran ist rein individuell. Wenn das zur Leitlinie für alle erhoben wird, wird es ausgesprochen dogmatisch.
So sehe ich das auch. Und es ist ja nicht so, dass es im 21. Jahrhundert keine neuen Subkulturen mehr gibt. Bis vor ein paar Jahren gab es die sog. „Hipster“ auch noch nicht und schwupps (Achtung, stereotype Beschreibung) lauern sie mit ihrem Flanellhemd, Skinny Jeans, Jutebeutel, Club Mate und iPhone hinter jeder Ecke. Sie sind also ein Beispiel dafür, dass sich so etwas trotz oder in diesem Fall vielleicht gerade durch das Internet noch entwickeln kann, da sie sich die „neuen“ Medien auch zunutze machen.
Wie gesagt, mir geht es gar nicht darum, dass etwas Neues entsteht, an dem ich teilhaben kann oder das ich toll finde. Aber Lebendigkeit einer Szene messe ich auch an ihrer Aktualität und ihrem Zeitgeist.
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@ Robert: Ich gebe dir Recht, das Internet hat sicher einen Einfluss auf das ganze Szene- und Subkulturkonstrukt. Aber genau dieselbe Funktion, die Konzerte oder Partys erfüllen, erfüllt doch auch dein Blog, auch wenn er natürlich eine weitere Reichweite hat. Wie du schon sagst, es ist ein Anlaufpunkt und Sammelbecken um Gleichgesinnte zu treffen. Das Internet verstreut und individualisiert nicht alles, sondern wir wenden uns dann anscheinend doch wieder an unsere „Szenen“. Warum sonst gibt es Dating Seiten wie das Schwarze Glück oder abgefuckt-liebt-dich?
Auf Spontis tauschen sich Menschen aus, die sich für ähnliche Dinge interessieren. Einige von ihnen sind vielleicht Teil der Szene, andere interessieren sich nur für sie. Warum finde ich auf deinem Blog nichts zum Thema Tiefseetauchen? Weil es nicht zum Thema dieser Seite passt. Natürlich kannst du auch Tiefseetauchen gehen, aber wenn es nicht in irgendeinem Zusammenhang mit der Szene von Relevanz wäre, würdest du auch nicht darüber schreiben, oder? ;)
In gewisser Weise sagst du also doch, was dazugehört und was nicht, weil du über „Facetten der schwarzen Szene“ berichtest. Du ziehst also Grenzen bei deiner Themenauswahl und das ist doch auch gut so. Subjektive Grenzen, ja, aber dennoch orientierst du dich an gängigen Szenemustern und man erkennt, dass dies ein „schwarzer Blog“ ist. Ohne diese Grenzen brauchen wir doch keine Szene, ohne Grenzen kann sich eine Szene gar nicht definieren.
Jugendliche, die auf diese Seite stoßen und Teil der Szene sein möchten, werden sich vermutlich an dieser Seite orientieren, werden bspw. die Musik aufgreifen, die du hier vorstellst, weil sie den Eindruck haben, dass diese Musik zur Szene gehört. Das ist die gleiche Vorbildfunktion, die die „coolen Kids“ früher auf dem Schulhof erfüllt haben.
Vielleicht muss man endlich mal unterscheiden lernen zwischen den Menschen, welche Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre mit ihrer Musik die sogenannte Szene erschaffen haben (ohne dies im Sinn zu haben) – und denjenigen, welche die Musik für sich und ihre Szene vereinnahmt haben bzw, dies immernoch tun.
Eine Szene geboren aus Ignoranz („Inhalte der Musik und/oder Beweggründe der Musiker sind mehr oder weniger egal“ und Exhibitionismus (Provokation, Abgrenzung).
Eine nicht überlebensfähige Missgeburt, wie man aus dem ewigen Gebashe Richtung Jugend, die Szene würde sein Herz verlieren – AKA Generationenwechsel – ableiten kann.
Diese Missgeburt „Szene“ ist zudem auch noch zum Inzest verdammt. Stichwort „Abgrenzung“.
Meiner Meinung nach ist das aber das Schicksal aller Szenen. Somit sind die Diskussionen in der schwarzen Szene eigentlich nichts besonderes.
Die Frage „Wann hat Gothic sein Herz verloren“ beantworte ich so: Ihr wurde schon mit ihrem Entstehen die Möglichkeit genommen, mehr zu sein als ein Sammelbecken von Provokateuren und Exhibitionisten.
Natürlich verirren sich auch andere Menschen in diese Szene, die sich ernsthaft mit den Künstlern und ihrer Musik auseinandersetzen. Aber das sind dann eher diejenigen, die nicht ständig „ihre“ Szene verteidigen müssen und auf Gedeih und Verderb auf sie angewiesen sind.
Wann werden Freiheit und Zuflucht zum Gefängnis? Vielleicht dann, wenn man sich abgrenzen muss?
Nun denn scheint die Szene an sich also tot zu sein. Aber „Gothic“ als Kunst oder Musik nicht. Hab doch heute erst eine Platte laufen lassen. Die ist zwar sicher von 198irgends, aber offensichtlich tut sie’s noch :) Also tot hört sich für mich anders an :)
Poe liegt aufgeschlagen vor mir und ist dunkler Mainstream seit 1849. Also ist doch alles beim Alten :)
Isis: Ich muss widersprechen. Die Hipster gab es schon damals und bereits in den 70ern. Da waren das die „Hippies“, in den 80ern die „Popper“, in den 90ern „Ökos“ und in den 00ern die „Emos“, die nichts, aber auch gar nichts mit der Musikrichtung zu tun haben. „Hipster“ ist nichts anderes für Mainstream-Menschen, die es total in finden, „out“ und „indie“ zu wirken. Dabei sind sie genauso Mainstream wie ein Agonoize-Hörer schwarz ist :P
Jemanden, der ernsthaft die Grausamen Töchter hochlobt, kann ich leider nicht ernst nehmen :(
Danke, Robert, für den tollen Artikel. :o)
Ich muss immer wieder schmunzeln wenn ich diese Frage lese.
Ich bevorzuge hier immer gerne eine gewissen Trennschärfe zwischen
dem Ende der Szene, dem Ende der Musik und dem Ende der verschiedenen Phasen
Historisch gesehen gab es den Sound ja schon gute 5-6 Jahre bevor die Medien aus der Umschreibung eines düsteren Untertons eine Szene machten.die NME ( New Music Express ) war mit ihrem Artikel um frühere Gothic Punk Bands mit der Überschrift Positive Punk wohl nicht ganz unschuldig daran.Da wars dann aber auch schon Ende 82 – Anfang 83.Bella Lugosis Bauhaus und die Virgin Prunes, um mal 2 Beispiele zu nenne haben den Sound um die düsteren schweren und tiefen Bässe, und die dazu in Kontrast gestellten hellen Gitarren schon lange gespielt.Von den Vorreitern der Deathrock Szene mal ganz zu schweigen, da gings nämlich ebenso Ende der 70er los. Und das war lediglich die amerikanische Version dessen was Retropersketiv gerne als Batcave, Positive-Punk oder Gothic-Punk bezeichnet wird.Als aber 1985 so ziemlich alle Gruppen ( The Southern Death Cult, Sex Gang Children um mal ein paar zu nennen.) In dere Richtungen gingen und sich aufgelöst haben war die m.E nach Ursprüngliche Gothic Musik erloschen – Nachzügler wie die Bonanzas, ein Spitzname der gerne für die Sisters und die Fields benutzt wurde, traten in Licht und brachten einen Punk-unbeeinflussten Stil des Gothic an die Welt.Mit den USA touren von den eben erwähnten Sisters und dem Umzug von Christian Death nach Europa vermischte sich das alles – Wenn man das dritte Album von Christian Death hört ( Ashes 1985 ) hört man ganz klar heraus das diese die Punk Anteile zurück nahmen und vortan eine Version des Gothic Rock, der auch als American Gothic bekannt ist, gespielt haben.Über die Alternative-Metal Geschichte ab 1988 Post-Rozz muss man ja nicht weiter eingehen.Diese ganzen Rock-beeinflusste Gothic Musik oder auch Gothic Rock genannt ist somit schon die 2e Welle und wir schreiben gerade mal das Jahr 1985. The Cults Dreamtime und die ersten Vö’s der Sisters waren die ersten Rock Alben die der Szene entsprangen.Die Band um die Sisters und The Cult dudelten bis c.a Ende der 90er herum.Danach war die Szene so ziemlich, zumindest musikalisch am Ende.Vereinzelt gab es noch Bands die vereinzelt, aber ohne kommerziellen Erfolg ihren Sound spielten.Ende ? Niemals Bereits 2000 kam es durch Bands wie Scarlet’s Remains, Cinema Strange etc zu einem deutlich Gothic-Punk orientierten Revival.Leider kam auch um 2000 ein großer Einfluss der Rave-Bewegung mit in die Szene.Ein Beispiel dafür ist Skinny Puppy.Haben sie früher noch experimentellen Post-Industrial gespielt und ihre Karriere mit einem Industrial-Rock Album 96′ vorzeitig beendet, tauchten sie ja 2004 mit The Greater Wring of the Right Album wieder auf. Der Sound war aber ein ganz anderer.Mittlerweile ist es ledeglich eine düstere Form der Electronica und der IDM – mehr nicht.Andere Interpreten folgten diesem Einfluss, Clan of Xymox ebenfalls.
Die Subkultur die sich hier in Deutschland soweit ich das Beurteilen kann als elitärste zeigt, ist die im Dark Wave Umfeld verortete NDT-Szene.Diese Urgruftis die es so überwiegend in der Zwischenfall-Ära gab, sehen sich durch ihr totenähnliches Auftretten als Ursprung und Äestetisches Vorzeigebild der europäischen Gothic-Szene.Leider ist dabei zu erwähnen das diese wenn überhaupt in der zweiten Welle des gesamten Spektrums “Gothic“ zu finden sind.Der Punkbezug wird dabei nicht mehr berücksichtigt.
Oft bin ich auf internationalen-Grufti-Bloggs unterwegs und sehen dann Grufti-Stereotypen-Grafiken mit „Offshoots“ die ich etwas fragwürdig finde – Fairy Goths, Cababet Goth um mal zwei zu nennen.Ich frage mich nur wie Leute auf sowas kommen.
Um mal zum Ende zu kommen – Ich finde nicht das die Szene tot ist.Es ist nur so, dass viele Leute keine Ahnung haben warum sie selbst so aussehen und was noch viel trauriger ist:Sie haben den Bezug zur Musik verloren – heute gibts ASP, Moni Inc und VNV Nation das reicht den HARDLINE GOFFFS in den üblichen Lokalitäten durchaus um ihre trueness unter Beweis zu stellen. Es gibt neben Wiki, viele kompetente literarische Werke die man sich zu Gemüt führen kann um einen mehr als ausreichenden Überblick über Gothic und Deathrock zu haben.Dafür interessiet sich niemand. Hauptsache die Bondage-Hose vom Bulletstore sitzt.Zusätzlich kommt noch eine totale Falschvermarktung von der Musikindustrie und Szene-Medien wie der Seducer.Berichte über 30 Seconds to Mars brauch ich nun wirklich nicht.Ebenso werden Bands für die Vermarktung ins Boot geholt die nun wirklich gar keine musikalischen Bezüge zum Gothic aufweisen.Das ist dann auch kein Platz mehr für Diskussionen – Es gibt klare Definitionen wann etwas Gothic Rock oder Gothic-Punk/Positive-Punk ist.Und nur weil ein Ville Vallo Jägermeister trinkt und ne schwarze Mütze trägt gehört Dark-Rock nicht zum Gothic.Und genau deswegen haben Symphonic-Metal Bands wie Nightwish und Dark-Rock Bands wie Mono-Inc oder HIM nichts auf schwarzen Festivals zu suchen – Apoptygma Berzerk mit ihrem MAjor Tom gedudel ebenfalls.Ich musste letztens echt meinen Laptop aus dem Fenster werfen als ich einen Beitrag im Mera Luna Forum gelesen habe, indem es um den Bauhaus Gig 08 oder 07 ging. Die Worte des, ich nenne ihn einfach mal „Vogel“ mit:Was haben diedenn hier zu suchen, habe noch nie sowas langweiliges gehört“ waren schlicht unnötig und wohl eines der größten Proteste gegen das schwarze Bildungssystem
Ich habe fertig.
AMEN to that!
Allen, die wirklich mal was über die Ursprünge der Szene in Erfahrung bringen wollen seinen Werke wie z.B. „England`s hidden reverse“ von David Keenan, oder „Rip it up and start again“ von Simon Reynolds ans Herz gelegt. Letzteres gibt`s auch auf Deutsch ;-)
LG Jörg
Wer die 90er kennt, weiß eigentlich, dass Bands wie die Sisters oder Fields seit anno ’92 schon keine wesentliche Rolle mehr für die Szene spielten. Zu der Zeit gab es international mehrere Nachwuchsbands, die bis Mitte der 90er noch eine gewisse Popularität genossen (Nighbreed Recordings, Alice in…, wer die Plattenfirmen noch kennt) ehe Elektro und harte Gitarre das letzte Goth-Grüppchen von der Playlist verdrängt hatten. Das war so ca. ’94-’96. An ein Goth-Revival hatte zu der Zeit kein Mensch gedacht.
Dazu muss man auch sagen, dass Gothic-Auswüchse wie „Ethereal“ in Deutschland nie so recht Fuß fassten, um nicht zu sagen: gänzlich ignoriert wurden. Sowas kommt eben auch noch dazu. Manche Entwicklungen erleben nur regional Hochphasen (selbst heutzutage scheint es in Deutschland dafür keine Hörerschaft zu geben?).
Inwieweit die NDT derzeit noch eine Rolle spielt, kann ich nicht sagen. Meiner Meinung nach ist das seit geschätzten zwei Dekaden abgehakt. Mir ist keine aktuelle Band bekannt (kommt mir jetzt keiner mit Mantus und Illuminate… das hat mit der NDT der frühen 90er nicht sonderlich viel zu tun). Auch erkenne ich den Zusammenhang zwischen der NDT und den Urgrufties im Zwischenfall nicht!? Klärt mich auf…
Dachte, die NDT wäre eher so ein süddeutsches Ding á la Goethes Erbsen, Das Ich oder Umbra
Reynolds exzellentes Buch „Rip it up and Start again“ ist in der Tat bedingungslos empfehlenswert! (Dumm ist nur, dass er mit dem Titel „Orange Juice“ und den Pop des schottischen Postcard-Labels zitiert und so vielleicht irreführende Assoziationen weckt – tatsächlich erfährt man dennoch extrem viel vor allem auch über den Beginn des Post-Punk, der mir in der Diskussion zu kurz kommt.)
Zur NDT: Sicherlich ein damals eher süddeutsches Phänomen – nichts desto trotz hatte (für mich!)das Erscheinungsbild eben dieser Grufties meine Vorstellung von „Goth“ entscheident geprägt. Diese Inkarnation scheint mittlerweile im „schwarzen Alltag“ komplett ausgestorben. Wenn man sich mal in Rüschenhemd und Samtfrack zwängt, kommt man sich selbst in der schwarzen Disse schon wieder als Außenseiter vor, weil dort halt Standart regiert – und VNV-Nation ;)
Zu den Sisters: Mit ihrem Debut waren sie zweifellos definierend (also gewiss keine „Bonanzas“, den Ausdruck kannte ich noch nicht), aber spätestens das finale dritte Album hatte mit Gothic bereits nichts mehr zu tun.
Bonanzas … Mir war der Begriff immer so geläufig, dass er sich auf Leute bezieht, die von ihrem Stil her so aussehen, als hätten sie nach einem Ritt durch die Prärie gerade ihr Pferd draußen angebunden.
Und vielen Dank für den Buchtip!
sehr schöner Kommentar Kevin Brosius
Zu dem Bonanza Ding. Nun gut, wenn man aus den üblichen Quellen wie Mick Mercer und Co rezitiert waren THE Sisters of Mercy wirklich die ersten die in solcher Art und Weise auftraten (Hut, Poncho, dunkle Sonnenbrille, Neeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeebel etc..).
FOTN haben es mehr oder weniger später ausnutzen könne als es bei dem Eldritch/Hussey Zwist zu keine Gigs mehr kam ein Großteil der Leute zu anderen Bands oder den Fields gingen und irgendwann in diesem Zeitraum kam dann auch der Begriff der Bonanzas auf, der durchaus vorhandenen Liebe des Carl McCoy zu bevorzugt italienischen Western, er das Intro vom Harmonica Man liefen lies.
Leider kommt weder aus dem Lager Eldritch noch McCoy noch irgendwie was neues – den Raum haben wieder andere übernommen.
(Ja ich weis auch die 2 oder 3 unreleasten Titel bei TSOM die aber wirklich auch schon ne Ewigkeit auf der Setlist sind. Zeit genug um die als EP rauszzubringen ist ja da^^)
Es haben zu Beginn der Neunziger durchaus einige Bands starke Kritik dafür einstecken müssen, daß sie offenkundig stilistisch auf den Zug der Sisters/Fields aufgesprungen waren, von welchen die bekannteren möglicherweise die Merry Thoughts, Eyes Of The Nightmare Jungle und auch die frühen Love Like Blood gewesen sind. Phantasielosigkeit war der gängige Vorwurf an deren Adresse.
Der Stil der NDT-Grufties zu Beginn der Neunziger lässt sich vor allem als ‚punk-fern‘ charakterisieren, dafür war bei ihnen der New Romantic – Einfluß deutlicher spürbar.
Aufgrund der im Vergleich mit der heutigen Zeit damals viel weniger ausgeprägten Vernetzung der Szene, konnte man noch regional sehr unterschiedliche Szene-Biotope, mit verschiedenen Kleidungs- und Styling-Vorlieben und musikalischen Geschmäckern vorfinden. Diese so unterschiedlich ausgelebte Individualität machte einen großen Reiz für potentielle Szene-Neulinge aus, auch weil damit noch eine wirkliche Reibung mit der Gesellschaft vorprogrammiert war. So war vor allem im Osten der Republik eine starke Durchdringung von Wave- und Punk-Sezene zu beobachten, während man mit den Heavies (man sprach damals noch nicht von Metallern) eine nahezu millitante Feindschaft pflegte.
Die Gothic-Szene (ich nenne sie der Einfachheit halber einfach mal so), ist nicht allein aus ihren englischen Wurzeln erklärbar, sondern auch immer aus ihren regionalen, volkstümlichen Eigenheiten und ich meine es ist kein Zufall, daß die NDT mit ihrer Vorliebe für das ‚feierlich-morbide‘ gerade im ‚barocken‘ Süddeutschland ihren Anfang nahm.
Wombel: Das ist eine gute Erklärung, finde ich!
Gerade die altertümliche, urige Architektur wie der Fachwerkbau, wie man ihn noch im Schwarzwald findet, oder die verfallenen (leider oft von Touristen überschwemmten) Burgen am Rhein, strahlen eine unwahrscheinliche Faszination aus. Es gibt einige Barockschlösser z.B. in Rastatt, Karlsruhe oder Bruchsal, die nach dem Vorbild von Versailles errichtet wurden, allerdings kommen sie alle dem historischen Vorbild nicht wirklich nahe, denn man muss dieses Riesenteil mal selbst gesehen haben. Hinzu kommen regionale Sagen wie die der Loreley oder die des eben schon angesprochenen Schwarzwalds – es gibt einen langen Sagenwanderweg dort, das sind alles Dinge, die einen wichtigen Einfluss auf regionale „dunkelromantische“ Ästhetik haben können.
Man muss natürlich auch die Wurzeln der Bands berücksichtigen… und wenn ich da an frühe Das Ich oder Mental Inquisition denke (davon hab ich allerdings nur ein Demotape), dann standen da ganz klar die Neubauten Pate. Bei Endraum war es Joy Division.
Deswegen zähle ich die NDT in ihrer Anfangsphase noch zur Wave-Musik, während ich den Schlagerkram der End-90er nicht mehr hinzurechne. Gerade Mantus… das ist einfach Juliane Werding auf Metal-Gitarre.
Was die Goth-Nachzügler um Love Like Blood, 13 Candles, Catherines Cathedral, Nosferatu, Sons bzw. Preachers of Neverland usw. anbelangt: Klar, es gab Kritik an der deutlichen Nähe zu den Ikonen Sisters/Fields/Damned. Andererseits war’s bei den Früh-80er Goth-Bands doch nicht anders. Siouxsie & The Banshees -> Cocteau Twins… unverkennbar. Oder X-mal Deutschland. Da hörte man Siouxsie auch problemlos heraus. Joy Division -> Cold Wave… da bekommt man locker mehrere hundert Bands zwischen Island und Australien zusammen, die nach Joy Division klangen. Diese Grundelemente machen doch auch irgendwo einen Musikstil aus.
Was häufig unterschlagen wird, ist dieser Rivalismus zwischen Goth und Elektro, der in den 90ern in sämtlichen Zeitschriften ausgetragen wurde. In einem Elektro-Magazin kam eine Goth-Band nur selten positiv davon. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Corpus Delicti nach Strich und Faden verrissen wurden. Dafür lobte man dann die 500ste Skinny-Puppy- oder Mentallo-Kopie. Also um den Goth stand es Mitte der 90s schon ziemlich mies.
Deswegen werde ich nie verstehen, wie man Elektro aktuell als „Gothic-Stil“ betrachten kann. Es ist nicht so, dass wir nicht auch Cassandra Complex, Front 242 oder The Klinik hörten. Aber Gothic-Musik, wie es derzeit dargestellt wird, war das nie. Dass sich aktuelle „Goths“ dann über sowas wie Hocico oder Agonoize definieren und von traditioneller Gothic-Musik keine Ahnung haben, wirkt total befremdend.
@Wombel:
Es ist tatsächlich spannend, sich die regionalen Unterschiede mal anzuschauen. Und Samt/Rüschen/Puder bzw. dieser ganze NDT-Kram ist und war für mich immer eher ein bayerisches/baden-württembergisches/süddeutsches Ding. Ob das jetzt wirklich auf Barocke Schlösser und Fachwerk zurückzuführen ist, weiß ich nicht. Ich würde es eher an den (streitbaren) „Leuchttürmen“ von damals – Umbra Et Imago (Karlsruhe), Das Ich und Goethes Erben (Bayreuth) – festmachen, die dann eben auch modisch auf die Anhänger ausstrahlten. Die Bands kommen eben aus der Gegend, hatten Clubs/Partys und spielten dort viel live. so entsteht dann die treue, regionale Fanschar, die den Stil kopiert (und natürlich wieder abwandelt, wie das halt so ist bei musikzentrierten Jugendkulturen). Schließlich breitet sich das Ganze sukzessive (via Zillo und Co.) auf Deutschland aus, wo aber auch andere „Einflüsse“ wirken.
Aus dem Ruhrpott, aus Hamburg und aus Berlin kamen da halt andere Sachen (Fair Sex, Project Pitchfork, Girls Under Glass etc.
Im Übrigen kann man diese regionalen Unterschiede heute teilweise auch noch Erleben, wenn man die entsprechenden Veranstaltungen besucht.
Der Osten kommt mir immer noch (sympathisch) „punkiger“ vor, während ich diese unsägliche Vermischung mit Metal in Hamburg (liegt es an Wacken? an den Wikingern? Ich habe keine Ahnung) bspw. total seltsam und unpassend finde.
Aber natürlich hat sich das, gerade was die größeren Veranstaltungen betrifft deutschlandweit stark angeglichen und in den Nischen kommen wieder neue/andere Stile von außen zum Zug (Witch House Hipster, Neo-Goths, Horrorpunker, Retro-NDW-Anhänger und Co.)
Über die Unterschiede zwischen Nord und Süd wurde schon anno ’92 diskutiert. Ich würde es nur bedingt daran festmachen. In Thüringen ist’s mindestens genauso metallisch wie in Schleswig-Holstein. Das ist IMO eine deutschlandweite Entwicklung der End-90er.
Im Norden gab es zum Beispiel auch etliche Elektro-Bands zwischen Abscess (Kiel) und LPF 12 (Schülp) bis hin zu Nigra Nebula (Kiel). Goth gab’s da natürlich auch, z.B. die Band Also (heißt wirklich so) und The Trinity-Mania mit Timo Hoffmann vom Zillo-Magazin (kamen aus der Gegend von Henstedt-Ulzburg, drei Demo-Alben Anfang der 90er zwischen Goth und Electro-Wave) und natürlich The Caves (Schleswig) und Taste of Decay/Garden of Pleasures/Shadowplay (Richtung Flensburg). Selbstverständlich dürfen auch No More und die Nachfolgeprojekte nicht unter den Tisch fallen.
Ich hatte da über die Jahre immer mal Listen angefertigt. Aber da kein Interesse an sowas bestand, sind sie irgendwo verschollen.
Ich muss widersprechen.
Schon vor Corona war dies deutlich und nach Corona ist es offensichtlich. Kein mir bekannter Club im einst so tiefschwarzen Ruhrgebiet macht noch ausschließlich schwarze Parties. Man sieht in Essen und Co. nur noch mit viel Glück zufällig mal einen Goth in der U-/S-Bahn. Das trifft auf Bayern/BW ähnlich zu. München und Berlin haben mehr als 50% der vor 10 Jahren noch vorhandenen Locations verloren, der Nachtplan als „Heft zum mitnehmen“ für Termine in NRW wurde eingestellt, ebenso der Dark Time-Kalender für das nördliche BW. Die im Nachtplan gelisteten Adressen pro Wochenende nahmen über die Jahre mehr und mehr ab (das muss man einfach nur abzählen, da gibt es nichts zu rütteln). Früher fand man Parties, bezogen auf das Ruhrgebiet, an fast jedem Werktag, es gab einen Dark Tuesday in München, einen Dark Thursday in Oberhausen und einen Dark Wednesday in Augsburg. Alles Geschichte. Wenn man Pech hat, hört man die halbe Nacht Indy-Musik („Placebo, Chumbawamba…“) statt Gothic.
Und zu Neofolk sei gesagt, die einzige Partyreihe die es dazu gab, in Aachen ist seit Ewigkeiten Geschichte. Neofolk-Parties existieren nicht mehr.
Das WGT wird immer teurer, die Vorgaben werden rigoroser was die Szene-Kultur zusätzlich belastet. Das Amphi hat seine Location gewechselt, und das alternative Domplattentreffen hat sich in nichts aufgelöst.
Große Labels wie X-traX und Kaleidolex etc… gibts ebenfalls nicht mehr. Reine Szene-Läden findet man kaum noch, die, die es noch gibt verkaufen jetzt zu 50& „Head & Grow“ um sich halten zu können. In den Städten in denen es mal einen Laden gab, macht heute kein neuer mehr auf (Augsburg, Rosenheim, Freiburg i. Br.). Das es Unlicht in Düsseldorf noch gibt ist eine rühmliche Ausnahme.
Die angebliche Publikationsfreudigkeit der Szene teste ich gerade in Amazon (Stichpunkt Gothic in der Rubrik Bücher). Ergbnis: nichts neues, sogar gar keine Ergebnisse auf den ersten 2 Seiten außer einem Fetischkalender.
Eine Neuauflage des DarkWave-Lexikons von Schwarzkopf wäre wünschenswert nach knapp 15 Jahren.
Immerhin haben es die Zeitschriften geschafft zu überleben: Mit Freude stellte ich fest, dass „Gothic“, Sonic Seducer und auch Orcus noch in print zu haben sind. Kleinere unabhängige Fanzines sind aber ebenfalls Geschichte…
Das Ende 2022 Robert Smith live in Deutschland zu sehen ist, gilt es zu feiern. Sicher, die Szene geht gerade unter, das ist richtig, deine Analysen sind zweifelhaft, aber es wird eine neue Szene geben, in 5-10 Jahren oder mehr. Daher klage ich auch nicht. Es ist eben nur etwas schade und Fetisch:Mensch zielt genau richtig darauf ab.
-R. S. aus NRW-
Hallo Ron, danke für Deinen ausführlichen Kommentar! Ich muss allerdings anmerken, dass der Artikel mittlerweile 8 Jahre alt ist und die Szene sich seit der Pandemie (und auch schon kurz vorher) massiv verändert hat.
Die Zeiten geben Dir in einigen Punkten recht, in anderen nicht und bei wieder anderen kommt es auf die Sichtweise an:
Aber es bleibt dabei: Die Szene wird wohl nie Sterben, weil das Lebensgefühl aktuell bleiben wird. Sie wird sich ändern und mit der Zeit gehen, was leider dem Gemeinschaftsgefühl nicht gut getan hat und gut tun wird. Ich bin mir unsicher, ob das zurück kommt.