Das der Großteil der Szene unpolitisch ist, sollte spätestens seit diversere Publikationen bekannt sein. Gothics sind ein introvertiertes und ruhiges Völkchen, das offenbar nur in Ruhe seiner Passion nachgehen möchte. Das Schlagwort unpolitisch ist in diesem Zusammenhang in fast allen Publikationen, die ich gelesen habe, erschienen. Stammt die Gothic Bewegung ursprünglich vom Punk ab, so war die Szene zu ihrer ersten Blütezeit Mitte der 80er tendenziell eher Links orientiert ohne aber wirklich eine wirkliche, politische Gesinnung zu zeigen.
Und heute? Der überwiegende Teil der schwarzen Gemeinde ist unpolitisch und das stärker als jemals zuvor. Daran ist zunächst einmal nichts auszusetzen, denn Aktivismus ist nicht jedem als Leidenschaft in die Wiege gelegt. Angesichts der rechten Strömungen innerhalb der Szene halte ich es aber für wichtig, Stellung zu beziehen, sonst verkommt das unpolitische Verhalten schnell zu einer Gleichgültigkeit, die Nährboden für Faschistische Ideologien sein kann. Die Gemeinsamkeiten zwischen den Schwarzen und den Rechten wurde Anfang der 90er bewusst dazu missbraucht, rechte Einflüsse innerhalb der Szene zu etablieren.
Initiativen wie Grufties gegen Rechts versuchten den Strömungen Einhalt zu gebieten und durch Aufklärung für eine politische Neuorientierung zu sorgen. 2003 wurde die Initiative jedoch eingestellt und hinterließ eine Lücke der Meinungslosigkeit. Auch ehemals engagierte fielen zurück in die Gleichgültigkeit und machen sich mehr durch Äußerungen die wie Wortgewebe aus Sinnlosigkeit wirken, von sich reden. Von Beschäftigung mit der Vergangenheit und von bewusster Provokation ist die Rede, wenn sich uniformierte Musikprojekte mit der Symbolik und Versampelung von Tondokumenten schmücken. In Interviews geraten dabei viele der Musiker und Künstler in eine, anscheinend gewollte, Verteidigungsposition in der sie sich um Schadensbegrenzung bemühen ohne dabei aber wirklich Stellung zu beziehen.
Aktivismus ist nicht jedermanns Sache, unpolitisch zu sein ist kein Verbrechen, aber Stellung zu beziehen und zu zeigen das man nichts von Faschismus hält das mindeste. Gerade die Gothic Szene, die sich schon seit geraumer Zeit durch die stärker werdende Kommerzialisierung ihrer Wurzeln beraubt fühlt sollte wieder anfangen, den Blick in den eigenen Teller zu schärfen und mitmachen, die Suppe wieder auszulöffeln. Wer etwas mehr über die Hintergründe erfahren möchte, sollte sind zunächst einmal das Werk Die Geister die ich rief… auf der inzwischen nicht mehr gepflegten Internetpräsenz der Grufties gegen Rechts umschauen, dort liegen die Werke zum Großen Teil zum nachlesen bereit.
Es gilt also Flagge zu zeigen, um das Bewusstsein innerhalb der Szene wieder zu schärfen. Initiative zu ergreifen und zumindestens ein notwendiges Maß an Passivismus zu zeigen schadet niemand und stärkt das eigene Selbstbewusstsein. Ich werde mich im Rahmen meiner Möglichkeiten auch bemühen, in dieser Richtung aktiv zu werden und diesen Blog auf für ein wenig Darstellung des eigenen Passivismus zu nutzen.
Ich will jetzt mal behaupten, dass das nicht unbedingt ein Problem der Szene ist sondern ein generelles Problem zu unserer heutigen Zeit. Viele interessiert Politik einfach überhaupt nicht mehr. Vielleicht weil sie nicht durchblicken, weil sie schon den Unterricht damals in der Schule langweilig fanden. usw usf. Vielleicht aber auch unpolitisch um nicht in irgendeine Schublade gepackt zu werden, in der sie sich beweisen müssten. Lieber raushalten.
Das ist so meine Beobachtung, wenn ich so durch die Altersklassen von meinem Alter an abwärts schaue. Erfahrungsgemäß steigt das politische Interesse dann im steigenden Alter.
Nun, du hast ja schon per Mail nachgefragt, aber ums auch hier nochmal zu sagen: Ich selbst beziehe zwar keine politische Position, meine Ansichten schwanken abhängig vom Thema zwischen links und rechts hin und her, aber gegen die radikalen Ausläufer beider Gesinnungen hab ich dann doch etwas. Daher mach dich ruhig unter Projekt Schwarz breit mit deinem politischen Aktivismus innerhalb der Szene, ich kann dir dafür auch einen Info-Bereich anlegen, denn für wichtig halte ich dieses Thema auf alle Fälle.
Wobei ich sagen muss, dass ich dieses verblödete Parolen-Gegröhle Marke „Nazis raus“ auch nicht leiden kann und leider scheint doch ein ziemlich hoher Prozentsatz der „politisch Aktiven“ innerhalb der Szene sich genau auf diesem Niveau zu befinden. Denn gerade beim Kampf gegen die Rechten rutschen die meisten doch gern in das linke Gegenteil ab – Punk trifft Nazi: Wer wirft den ersten Stein?
@Ricarda: Sag doch gleich das ich alt werde :) Nein, aber ernsthaft. Sicher handelt es sich dabei um ein Gesellschaftliches Problem. Das „Lieber raushalten“ funktioniert natürlich nur so lange, wie es einen selbst nicht betrifft. Manche scheuen es auch, aktiv zu werden. Aber bietet sich das Internet nicht an, einfach und problemslos seinen Teil beizutragen? Und gerade der Gothic Szene wird eine solche Einstellung nachgesagt, raushalten und nichts tun. Muss man meiner Meinung auch nicht, aber sagen was man denkt und sich eine Meinung bilden sollte jeder, einige früher, aber unbedingt später.
@Tears: Ich möchte deine Punk trifft Nazi Theorie hier unterstreichen. Ich kann mich mit rechten oder linken Gewaltaktionen nicht identifizieren, ebenso mit Polemik wie „Nazi raus“. Politische Position zu beziehen liegt auch nicht in meiner Natur, aber viel zu oft verwechselt man politische Neutralität mit Meinungslosigkeit. Ich bin gegen jegliche Art von Faschismus und das möchte ich auch nach außen hin abstrahlen.
Ich möchte mit meinem Artikel nicht erreichen, das jemand eine politische Stellung bezieht, von sowas nehme ich Abstand (sehr großen Abstand). Ich kann aber Nazis, Faschisten und ähnliches völkisches Gelumpe nicht ausstehen. Und das sollte nicht nur meine Meinung sein.
Robert, da stimme ich dir natürlich zu. Meinungen bilden, Meinungen sagen. Das macht für mich einen interessanten Menschen aus, denn nur jemand mit einer Meinung hat auch was zu sagen. Die Realität sie leider oft anders aus. Keine Perspektive/Kein Interesse/Keine Meinung. Bzw die vorherrschende Meinung „Ist doch eh alles scheiße“.
Und warum man mit dem Alter eher Interesse zeigt? Weil man merkt wie abhängig das eigene Leben von denen da oben ist. Als Jugendlicher ist die höchste Instanz vielleicht die der Eltern, oder höchstens noch die der Schule. Aber später irgendwann merkt man, wovon man wirklich abhängig ist. Und ich denke darauf beruht dann das aufsteigende Interesse. Zumindest kann ich es mir so vorstellen ;)
Was „die da oben“ angeht muss ich dir widersprechen. Bei mir sinkt das Interesse an denen mit jedem Tag den ich älter werden bzw. meine Haltung wird zunehmend „Anti“. Ich bekomme das kotzen wenn ich mir Merkel, Schäuble und deren Machenschaften angucke und beim Blick auf die Alternativen dreht sich mir ebenfalls der Magen um. „Ist doch eh alles Scheiße“ trifft es für mich ganz gut, allerdings hält mich das nicht davon ab nach dem Spülkasten zu suchen der dieses ganze Pack in die nächste Kläranlage befördert. Denn wo willst du dein Kreuzchen machen damit sich etwas für dich positiv ändert? Bei denen die dich belügen, deren Nase sich nach den großen Konzernen ausrichtet… oder doch eher die, die neu, unverbraucht und innovativ sind aber absolut keine Ahnung vom Regieren haben?
@Ricarda: Genau aus den Gründen enstand einmal die Techno-Jugend. Einfach nur Spaß haben, ohne zu denken, ohne Botschaft. Jedoch bedingt das eine auch das andere und beides ist ohne das andere nicht lange existent. Wie gut, das es einige unerschrockene gibt, die nicht alles scheiße finden und mit ihrer Lebensfreude andere auch noch anstecken können. Ob mit dem steigenden Alter die Einsicht reift abhängig zu sein, steht außer Frage. Ohne Moos nix los, das gilt in allen Lebenslagen. Entweder du partizipierst mit dem System, lebst von ihm, nutzt es aus oder verweigerst dich. Möglich ist alles. Eine Grundsätzliche Antwort gibt es meiner Meinung nach nicht, das entscheidet jeder für sich und nach seiner Überzeugung.
@Tears: Steigt mit dem sinkenden Interesse an „denen da oben“ nicht die Gleichgültigkeit? Hoffentlich nicht. Auf die Frage wo du dein Kreuzchen zu machen hast, kann ich Dir leider auch keine gescheite Antwort geben – ich wünschte ich könnte es. Ich hoffe nur für uns alle, das du nicht irgendwann den Kopf in den Sand steckst, das wäre eine große Verschwendung :)
Kopf in den Sand stecken ist absolut nicht mein Ding. Stummer Protest im Sinne des Auswanderns schon viel eher. Ich bin mir zwar auch der Tatsache bewusst, dass es überall „nicht besser“ ist, aber in manchen Ländern ist es doch „angenehmer gleich scheiße“. Ansonsten bin ich nach wie vor der Ansicht, man sollte alle Politiker in einen Sack stecken und im Meer versenken, dafür fehlt mir aber leider die Armee ;)
Man muss sich ja nicht direkt gegen Faschismus einsetzen, die Künstler sollten nur deutlich machen, ob sie selbst dem Faschismus nahestehen oder bloß provozieren möchten.
@Christian: Ja, so sehe ich das auch. Kritischer und auch provokativer Umgang erlaubt, ohne klare Grundhaltung aber ein No-Go.
Die NPD spielt ja auch mit ihren Ansichten, eigentlich ist es ihnen aber sehr ernst.
Die NPD gewinnt dadurch traurigerweise auch noch Anhänger, nicht viele, aber auch ein paar sind schon zu viel. Die Wege sind vielfältig, verschlungen und schon lange nicht mehr offensichtlich.
Ja, deswegen: Wenn man es ernst meint, muss man es sagen, und wenn man es nicht ernst meint, muss man es auch sagen.
Das macht nur niemand. Beispielsweise auf dem WGT ist von offizieller Seite NICHTS zu hören. Und schweigen, wird im Zweifelsfall immer als stille Zustimmung ausgelegt. Je nach dem welche Rufe lauter schallen. Solange das nicht so ist (und das wird es meiner Ansicht nach nie sein) müssen wir damit leben das man entweder beipflichtet, Opposition ergreift oder auch einfach die Klappe hält.