Manchmal tauchen Fragen, die man sich schon öfter gestellt und dann wieder verdrängt hat, auf Umwegen wieder auf. Heute sah ich ein junges Gothic-Paar in der Stadt, gekleidet in trendigem X-tra-X-Schwarz inklusive einem Berg aus Schnallen, Ösen und Bondage-Bändern. Sofort stellte sich bei mir die innere Abwehr ein. Mit denen hab ich nichts zu tun. Das sind nur Mitläufer. Die gehören nicht zur Szene. Mode-Gruftis, die sich nur interessant machen wollen. Untrue! Gleichzeitig das schlechte Gewissen, sich als „was Besseres“ zu fühlen und direkt in abwertenden Kategorien zu denken.
Was wissen die neuen Gothics schon von der alten Szene – von den Beweggründen und Zielen, die einen zum wahren Mitglied dieser Subkultur machen? So schoss es mir durch den Kopf. Äh – Moment mal! Da war sie wieder, die besagte oft verdrängte Frage. Gab es überhaupt jemals eine Richtung oder ein Ziel in der Szene?
Zuhause am Computer nehme ich Wikipedia zur Hilfe, um ein einigermaßen objektives Bild von großen Subkulturen und ihren Zielen zu erhalten. Und siehe da: Die Musik spielte zwar immer eine übergeordnete Rolle, aber es steckte mehr dahinter:
Hippie – Der Traum vom humaneren und friedlichen Leben
„Die von San Francisco ausgehende Hippiebewegung stellte die ihrer Meinung nach sinnentleerten Wohlstandsideale der Mittelschicht in Frage und propagierte eine von Zwängen und bürgerlichen Tabus befreite Lebensvorstellung. Im Vergleich zur 68er-Bewegung und den Gammlern dominierten dabei stärker gemeinschaftliche (Selbstverwirklichung) als gesellschaftspolitische Konzepte, teilweise überschnitten sich die Ideale der Bewegungen. „Denn anders als die Gammler wollten sie nicht nur dem Leistungsdruck der Gesellschaft entfliehen, sondern zugleich neue, menschlichere Lebensweisen und Umgangsformen finden.“ Die Idee von einem humaneren und friedlicheren Leben wurde mit dem – oft synonym zur Hippiebewegung verwendeten – Schlagwort Flower-Power (englisch für „Blumenmacht“) belegt, das 1965 vom US-amerikanischen Dichter Allen Ginsberg geprägt wurde. Diese Ideale wurden versuchsweise in neuartigen, oft ländlichen Kommunen umgesetzt.“ 1
Punk – Gegen das Establishment
„Zu den Ursachen für die Frustration englischer Jugendlicher bezüglich der sie umgebenden Regeln gehörte der mangelnde Halt durch die Schulen und mangelnde Aussichten im Berufsleben, bedingt durch die Wirtschaftskrise und das steife englische Klassensystem. Die Jugendlichen fühlten sich ausgeschlossen und betrogen um die Dinge, die ihnen erstrebenswert vorkamen: modische Kleidung, die neueste Musik, oft sogar schon der Konsum von Getränken in Gaststätten. Aus dieser Perspektive war auch durch Rock- und Popmusik ein neues Establishment geschaffen worden, das gegenüber der bürgerlichen Mehrheitsgesellschaft keine Alternative mehr bot und das deswegen bestenfalls noch Stillstand bedeuten konnte. Die Antwort der englischen Punk Szene hierauf hieß Eigenproduktion, „von der Szene für die Szene“… Die dreckigen und schnoddrigen Elemente des Punk Rock wurden hier zum Programm: das Establishment, und damit der Status Quo der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit, wurde offen abgelehnt und brüskiert. Die herrschenden Werte wie auch die herrschende Ästhetik wurden durch einen radikalen Nonkonformismus negiert. Die Bewegung versuchte nicht, sich etwa durch künstlerische Qualität in ihrem Anliegen verständlich zu machen, sondern betonte gerade das Unvollkommene, Dreckige, das radikal Individuelle und Unvermittelbare der eigenen Musik und Lebensweise. Man war nicht der Auffassung, dass Kritik an dieser Gesellschaft in ihr auch konstruktiv wirken müsse. Im Mittelpunkt stand die eigene Subjektivität, das eigene Leiden am Zustand der Welt, das sichtbar gemacht und so gegen sie gewendet werden sollte.“ 2
Hip-Hop – Früher gegen die sozialen Ungerechtigkeiten
„Die überlieferte Hip-Hop-Kultur begann ihre Karriere in den frühen 1970er-Jahren der Bronx, einem verarmten New Yorker Stadtteil. Im Verlauf der 1960er- und 1970er-Jahre war dieser Teil New Yorks einer zunehmenden Verarmung und Ghettoisierung durch Immigranten und Afroamerikaner ausgeliefert. Die schwarze Ober- und Mittelschicht mit ihren Intellektuellen entfloh zunehmend in die „weißen“ Vorstädte und hinterließ unter anderem ein sozial isoliertes afroamerikanisches Proletariat. Außerdem verstärkten städtebauliche Fehlplanungen des Viertels diesen Effekt noch, besonders auf dem Gebiet des sozialen Wohnungsbaus sowie beim Bau einer Umgehungsstraße, welche die Bronx nun vom Rest New Yorks abschnitt. Bandenkriminalität, Verarmung und Verwahrlosung waren die bekanntesten unmittelbaren Folgen dieser Entwicklung zu einem Teufelskreis. […] Während der ursprüngliche Hip-Hop noch die sozialen Ungerechtigkeiten, in denen die farbige Bevölkerung in den Ghettos New Yorks lebte, thematisiert habe, sei heutiger Hip-Hop jedoch oft reaktionär, gewaltverherrlichend, frauenfeindlich, homophob, sexistisch und fördere dadurch unter anderem die Jugendkriminalität, Aggressivität, Passivität und generelle Gewaltbereitschaft. Statt der Verbesserung der sozialen Lage der eigenen Community strebe, so die Kritiker, der gegenwärtige Hip-Hop-Künstler im Musikbereich keine weiteren Ziele mehr an als ein gefülltes Bankkonto und Platzierungen in Charts, sowie ein möglichst „gangster“-mäßiges Image (Kleidung, Auftreten, Äußerungen).“ 3
Soweit die anderen – bei der Suche nach den Beweggründen unserer Gothic-Szene wird es schwammig:
Gothic – Eine gemeinsame Lebenseinstellung gibt es nicht
„Die Gothic-Szene gilt als ästhetisch orientierte Subkultur, deren Mitglieder als friedlich, aber auch als unnahbar, elitär oder wirklichkeitsfremd wahrgenommen werden. Sie ist eine retrospektive Kultur mit einer enormen Bandbreite an modischen Formen. Die Durchschnittsbevölkerung wird von Teilen der Gothic-Kultur negativ kritisiert, etwa als konservativ, konsumorientiert, intolerant, egoistisch und vom Gesetz der sozialen Bewährtheit geleitet. Aus der Ablehnung dieser Eigenschaften resultiert eine demonstrative Distanzierung zur Gesellschaft. Eine charakteristische Lebenseinstellung, die alle Angehörigen der Gothic-Kultur miteinander teilen, gibt es nicht. Zwar werden philosophische, religiöse sowie politische Fragen unter Goths thematisiert, allerdings nicht einheitlich beantwortet.“ 4
Klingt ein wenig nach einer hohlen Frucht, die außen zwar ganz hübsch aussieht, aber innen nicht viel zu bieten hat. Dabei propagieren wir doch – auch in diesem Blog – immer wieder, dass Gothic mehr ist als Mode und Musik. Alles nur nachträglich hinein interpretiert? Eine Art Subkultur-Sozialromantik, erdacht von ein paar Gutmenschen, die mit den schwarzen Klamotten alt geworden sind und sie mit Sinn füllen wollen? Ist Gothic überhaupt eine Subkultur, wenn es kein Ziel und keine Richtung gibt? Es gibt jenseits von Modetrend und Musik nicht einmal eine Wurzel, aus der die schwarze Blume gewachsen ist.
Der Begriff der Subkultur („Unterkultur“) ist ein seit den 1940er Jahren in der Soziologie verwendeter Terminus, mit dem eine bestimmte Untergruppe der sozialen Akteure einer Kultur beschrieben wird, die sich im Hinblick auf zentrale Normen deutlich von der „herrschenden“ Kultur abgrenzen. Eine völlige Abgrenzung, also eine den herrschenden Normen diametral gegenübergestellte soziale Gruppe wurde von Soziologen (vor allem seit den Protestbewegungen der 1960er Jahre) häufig als „Gegenkultur“ (counterculture) bezeichnet. Umgangssprachlich werden beide Begriffe häufig synonym verwendet. 5
Grenzen wir uns deutlich von herrschenden Normen ab? Vielleicht: Wir verweigern uns aktuellen Modetrends, verwischen optisch die Geschlechter und bevorzugen eine morbide Ästhetik. Aber was wollen wir erreichen? Für ein ernstzunehmendes Ziel ist das wohl etwas zu dünn. Selbst der Begriff „soziale Akteure“ aus der obenstehenden Definition muss in Frage gestellt werden. Wer agiert denn sozial? Wir agieren allenfalls, indem wir uns bewusst für schwarze Klamotten entscheiden und andere Musik hören als der Mainstream. Vielleicht bemüht sich der eine oder andere, im privaten Umfeld die Welt ein bisschen besser zu machen – der Szene als solches kann man das aber nicht als gemeinschaftliches Ziel zuschreiben. Immer wieder ist die Rede von „Provokation“, die zu diesem oder jenem Outfit führt. Wer soll provoziert werden? Und warum? Mit welchem Ergebnis?
Die Gothic-Szene ist nach 30 Jahren Orientierungslosigkeit nicht umsonst so breit gefächert. Wo es keine gemeinsamen Beweggründe, keine Ideale und keine gemeinsamen Ziele gibt, können Gruppen aller Gesinnungen ihr Fähnchen in den Boden hauen und eine neue „Strömung“ ausrufen. Es gibt niemanden, der mit dem Brustton der Überzeugung sagen kann: Das war und ist nicht unser Beweggrund, unsere Richtung, unser Ziel. Auch ich kann das nicht sagen. Leider.
Einzelnachweise
- Quelle: Wikipedia – Hippie[↩]
- Quelle: Wikipedia – Punk[↩]
- Quelle: Wikipedia – Subkultur Hip Hop[↩]
- Quelle: Wikipedia – Gothic Kultur[↩]
- Quelle: Wikipedia – Subkultur[↩]
Und wo sind jetzt die großen Unterschiede zu Cybers? Cybers seien ja alle immer nur am Party machen, aber sie hören Musik abseits des Mainstreams, provozieren auch, eine Verwischung zwischen den Geschlechtern hat man auch, die Ästhetik ist jetzt nicht so sehr morbid, aber auch abseits des Mainstreams.
Cybers sind noch weniger „ideologisch“ als Gothics, aber so verschieden dann doch nicht. Auch wenn es immer überall bei Gothics betont wird.
Ich selber bin irgend so ne Mischung zwischen Geek, Gothic und Cyber. Ich kann mich selber nicht wirklich mit Gothic identifizieren, denn bis auf Teile des Stils (Bondage Hosen, Frisur und Schminke) und der Musik und eine Lebenseinstellung die „Carpe Diem“ als nicht sehr unwichtig betrachtet, habe ich nichts mit Gothic am Hut. Trotzdem müsste ich mich nach diesem Post dazu zählen können. Ich möchte damit nicht sagen, dass der Post irgendwie unrecht hat. Tatsächlich kann ich mich aber nicht dazu zählen, denn die Ablehnung der Cybers durch Gothics lässt das nicht so wirklich zu. Ich bin zu sehr Gothic für ein Cyber (wenn ich mein Cyber-Outfit anhabe ausgeschlossen) aber zu sehr Cyber für ein Gothic. Und beides ist ja angeblich nicht unter ein Dach zu bringen.
Der Post hier impliziert aber das, was aber immer von Gothics abgelehnt wird.
Ich glaube ich bin eine Mischung aus Hippie-Goth wenn ich Deinen Beitrag nur von den oben genannten Subkulturen in aller Kürze zusammenfassen würde ;)
Hmmm wenn Du schreibst „Kein Ziel, keine Richtung“ glaube ich ist das zu pessimistisch gesehen. Eine Gegenfrage: waren dann die ganzen Beiträge (die zwar nur einen kleinen Teil unserer Subkultur wiederspiegelten, jedoch ein ganz gutes Gesamtbild abgeben) zum Gothic Friday nur eine „Zusammenkunft gruftiger Schreiberlinge“ die sich zur jeweiligen gestellten Thematik einfach Just for Fun äussern wollten? Ich glaube nicht. Wurde nicht recht deutlich wie intensiv die Teilnehmer die Themen anpackten und niederschrieben, ebenso die abgegeben Kommentare (auch von Nichteilnehmern)? War gerade beim Gothic Friday nicht deutlich zu sehen das es zwar unterschiedliche Vorlieben, Ansichten oder was auch immer gibt, jedoch alle (behaupte ich jetzt mal) ein Ziel/eine Richtung haben/hatten: unsere Subkultur aktiv zu leben, sich auszutauschen, den Horizont zu erweitern, neue Wege zu beschreiten oder Alte aufzufrischen, etc. Gerade beim Kapitel 9 „Ist Gothic (D)ein Lebensstil?“ wurde das recht deutlich meiner Ansicht nach, oder?
Okay das waren jetzt mehr Gegenfragen als gedacht … jedoch denke ich nicht das unsere Subkultur keine Ziele/Richtung aufweist … der beste Beweis ist diese Seite hier inkl. Schreiber und Kommentatoren :)
@Benedikt
Die Cyber bewegen sich ebenso in der Gothic-Szene wie die Mittelalterlichen, die Uniformierten, die Fetisch-Fans und viele Strömungen mehr. Wer da nicht unters „schwarze Dach“ passt, kann ich allenfalls aus meiner persönlichen Sicht beurteilen, da es keine einheitliche Definition für die „Mitgliedschaft“ gibt. Das war ja auch mein Kritikpunkt. Wenn es keine allgemein gültigen Orientierungspunkte gibt, ist alles erlaubt und keiner weiß Bescheid. Ich wollte aber bitte keine neue Cyber-Diskussion lostreten, sondern eher der Frage nach dem ursprünglichen sozialen und emotionalen Inhalt der „Schwarzen Szene“ nachgehen, sofern es ihn gibt.
Steffi
Ja, ich habe das Bild bewusst pessimistisch gezeichnet, um die Kernaussage zu verdeutlichen. Selbstverständlich ist die Szene für Viele ein wichtiger – mit vielen Inhalten gefüllter – Bestandteil des Lebens, was die Beiträge zum Gothic Friday und die differenzierten Kommentare im Blog verdeutlichen. Jeder verbindet etwas mit der Szene und hat persönliche Beweggründe und Ziele. Aber jeder hat andere – gibt es auch gemeinsame Eckpunkte, die die Szene ausmachen? Abkehr von der Spaßgesellschaft, intensiveres Leben im Bewusstsein, dass der Tod allgegenwärtig ist, der Hang zum Individualismus. Sind das Kennzeichen unserer Szene, oder ist es nicht vielleicht vermessen, das zu behaupten? Ich kenne viele „Bunte“, die ebenso denken. Und ich kenne viele „Schwarze“, die weit von Erkenntnissen dieser Art entfernt sind. So eine richtige gemeinsame Gesinnung mit Ziel, die eine Gemeinschaft formt, kann ich oftmals nicht erkennen.
Ich möchte gleich mit meinem ersten Gedanken dazu beginnen: „Hach, Sabrina, ich liebe Dich, aber Dein Artikel ist in meinen Augen völliger Unsinn.“ :)
Du betrachtest die Große Masse dessen, was heutzutage „Gothic“ genannt wird, weil du vielleicht deinen eigenen Kern zu verwässerst siehst. Gothic hat eine Richtung und ebenfalls ein Ziel. Auch wenn es jetzt plakativ klingt, aber die Abkehr von der Spaßgesellschaft ist so ein Ziel. Das heißt nicht, das wir partout keinen Spaß haben dürfen, aber unsere Freizeitgestaltung beschränkt sich eben nicht nur darauf.
Doch zurück zum Anfang. Gothic ist ein Oberbegriff für zahlreiche Spielarten eines möglicherweise subkulturellen Lebens geworden und mischt Dinge wie Cyber, Fetisch, Mittelalter oder auch Steampunk, die mit dem Kern der Sache nichts zu tun haben. Oftmals beschränken sich die Parallelen auf Musik oder Outfit, aus Lust an der Andersartigkeit oder am Drang zur Individualisierung.
Was ist unsere Richtung?
Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir versuchen Glücksmaschinen zu sein. Man sucht Spaß, Ablenkung, Unterhaltung, um die Sorgen und Ängste zu verdrängen, die das Leben mit sich bringt. Als Gothic damals mit Musik begann, war es schon bezeichnend, dass die Künstler Texte schrieben, die sich genau darum drehten. Angst, Tod, Traurigkeit. Sie schufen dazu eine Musik, die nicht fröhlich stimmte, sie war düster und dunkel. Diese Mischung traf auf ein Publikum, dass sich in ihren Gedanken bestätigt fühlte. Man setzte sich auseinander, dachte nach und tauschte sich aus. Endlich gab es eine alternativ zum Punk, in dem man zwar das System zertören wollte, aber hauptsächlich darauf bedacht war, sich selbst zu zerstören, in dem man (provokativ gesprochen) Unmengen an Alkohol in sich einflößte. Gothic ist das Zulassen von Ängsten und Traurigkeit, die Musik der Katalysator. Eine unserer Richtungen. Wir sind in einer Szene (idealisiert gesprochen), in der es vielen Menschen gibt, die das genauso sehen, der gemeinsame Austausch tut uns gut. Wir erweitern unseren Horizont und die eigenen Gedankenwelt.
Wir tragen schwarz, weil es uns gefällt. Ein Stück weit tragen wir aber auch schwarz, weil wir der „bunten Welt“ die eben diese Dinge verkörpert auch zeigen möchten, dass wir anders sind. (Diese Aussage ist schwammig, mir fällt aber jetzt nichts besseres ein).
Was ist unser Ziele?
Dunja Brill fasste das in der jüngsten Dokumentation ganz gut zusammen: Bedenke, dass du sterblich bist und genieße den Tag. Ich für meinen Teil genieße jeden Tag und möchte mich erleben und spüren, auch Traurigkeit oder Melancholie, genauso wie Freude und Spaß. Vielleicht möchten wir die Gesellschaft verändern, aber weil das so aussichtslos erscheint, schaffen wir uns unsere eigene kleine Welt in Form von Veranstaltungen oder gemeinsamen Treffen. Unser Ziel ist es, der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten. Ja, sie sollen verschreckt sein, sich provoziert fühlen oder Angst haben, wenn sie uns sehen. Dann beginnen sie sich damit zu beschäftigen. Im Idealfall werden sie sogar neugierig und hinterfragen. Wir sind merkwürdig? Du bist normal? Sicher, ein großes Ziel, deswegen auch erstmal die kleine eigene Welt.
Dieser Blog ist, so wie Stoffel schon angedeutet hat, genau deswegen entstanden. Die verwässerte Szene zu konzentrieren, ihr etwas zum nachdenken zu geben, Gleichgesinnte zusammenzuführen. Es geht hier auch nicht unbedingt darum, wie man aussieht oder in welche Splittergruppe man sich einordnet. Es geht darum, dass man denkt. Hier im Blog habe ich einige Dinge gelernt. Es gibt gemeinsame Ziele und Richtung und Menschen, die bereit sind sich damit zu beschäftigen und ausführlich ihre Gedanken niederzuschreiben. Zum Tod, zur Musik, zur Kultur und Kunst, zum Weltgeschehen oder zum eigenen Dasein. Und genau DAS ist Gothic.
@ Robert
Woher wusste ich, dass Du vehement auf Gegenwehr gehst? :-) Ich hatte es im Artikel schon erwähnt. Man neigt dazu, in die Szene eine Art Tiefsinn hinein zu interpretieren. Die Frage ist doch, ob dies nicht eine Wunschvorstellung ist. Zu Beginn der schwarzen Subkultur – ich rede von der in Westdeutschland, weil ich nur die aus eigener Erfahrung kenne – gab es keine Richtung. Es gab noch nicht einmal eine Abkehr von der Spaßgesellschaft und es gab auch keinen Tiefsinn. Ich glaube, die „Alten“ sind sich da einig, dass es um Mode, Musik und „cool/anders sein“ ging. Es mag sein, dass wir auf den Klang der Musik reagiert haben, aber ehrlich gesagt kann ich in vielen der Texte von The Cure oder den Sisters, die uns damals gepackt haben, nichts von dem finden, was du beschrieben hast. Love Cats? Why can’t I be you? Temple of Love? Falls da irgendwo Traurigkeit, Tod und Angst drin vorkommen, habe ich das damals schlicht nicht gemerkt. Damals konnte ich aber auch nicht besonders gut Englisch. Faszinierend waren hingegen die Outfits und faszinierend war die Abkehr von der Masse hin zu einem spannenden, etwas verruchten Underground, zu dem nicht jeder Zugang hatte. Man wollte etwas Besonderes sein und auffallen. Höchstwahrscheinlich aus niederen Beweggründen wie Eitelkeit und Geltungssucht. Ich bin mir nicht sicher, ob sich das seit damals geändert hat. Dass man mitunter „tiefsinniger“ wird und Dinge hinterfragt, ist nicht unbedingt ein Ergebnis der Szenezugehörigkeit. Meine Intention war es nie, jemanden zu verschrecken oder in Angst zu versetzen. Die Frage, wer merkwürdig ist und wer normal, kann man auch in „bunt“ stellen – am besten sogar in knallbunt mit wilden Mustern. ;-) Dass der Blog Gleichgesinnte zusammenführt ist großartig und auch ich freue mich über jeden Kommentar, der sich kritisch mit den Themen beschäftigt. Ich freue mich auf die Spontis-Treffen und sehe viele „Gemeinsamkeiten“, die hier zusammengeführt werden. Aber ist Spontis repräsentativ für die Schwarze Szene? Du schreibst, dass ich die große Masse dessen, was heute „Gothic“ genannt wird, betrachte und daher ein verwässertes Bild sehe. Wenn ich aber die kleine Masse der ursprünglichen Szene betrachte, sieht das Bild nicht anders aus.
Nur in Kurzform, damit die anderen auch zu Wort kommen: Jeder hat seinen „Einstieg“ in die Szene aus ähnlichen Beweggründen begonnen wie Du. Die von mir erwähnte Stichworte sind ja auch keine „Einstiegskriterien“. Ich beziehe mich eher darauf, was sich daraus entwickelt hat. Die Kids, die 1978 Joy Division gehört haben, habe sicher so ähnlich gedacht. Die selben Kids waren dann später die Prototypen der Szene, weil sie begannen, sich auseinanderzusetzen. Wenn man jugendlich ist, gibt es täglich neue Ziele ;) Ich schließe mich da nicht aus.
Ob Spontis repräsentativ für die Szene ist? Keine Ahnung, für „meine“ Szene ist es das jedenfalls. Und wenn ich den ein oder anderen mitnehmen kann, seine Szenezugehörigkeit zu überdenken, zu festigen oder zu entwickeln, habe ich eines meiner Ziele erreicht.
Es geht aber in meinem Artikel nicht darum, ob Du deine Ziele erreicht hast. Es geht darum, ob die Szene in ihrer Gesamtheit jemals Ziele oder eine gemeinsame Richtung hatte. Und ja: Ich würde auch gern die Meinung der anderen hören. ;-)
Ich bin auch eher auf Sabrinas Seite. Klar, es gibt einen harten Kern, der gern alles mit Inhalt füllt. Aber schlagen wir mal Nägel mit Köpfen! Wie sieht s denn in der allgemein Gothic-Szene aus?
Politik:
Die Szene ist so unpolitisch, dass selbst braune Spinner darin rumlaufen können ohne groß aufzufallen oder auf Gegenwehr zu stoßen. Politische Ziele hatte diese Szene nie!
Kultur:
Auch hier muss man sagen: einen kulturellen Weg kann man nicht erkennen. Es gibt keine Weiterentwicklung, alles soll so sein wie es war un sich nur nie ändern. Anders kann ich mir beispielsweise die ganzen Hassparolen auf Lacrimosa im Netz von ach so truen Gothics nichts erklären.
Sozialität:
Machen wir uns nix vor: große Teile der Szene waren schon immer hochnäßig, arrogant und oberflächlig. Es ist wohl DIE Subkultur, wo am meisten Wert auf Klamotten und Make-Up gelegt wird.
Seien wir mal ehrlich: was unterscheidet die allgemeine Gothic-Szene (nicht so ein paar Leute, wie wir, die zuviel nachdenken) denn von der Gesellschaft? Wenn die Farbe der Klamotte das Einzige ist, dann ist das doch ein wenig dünne, nicht wahr?
Ich würde übrigens auch sagen, dass ich von der Definition her eher ein Hippie-Alternative-Goth bin. Denn gerade dieser DIY-Gedanke oder das Zusammenstehen, Zusammehalten, versuchen eine bessere Welt zu schaffen, sind klassischste Hippie-Merkmale.
Ich glaube, das mit den Zielen für eine Szene ist ein wenig zu hoch gegriffen.
Die Sozialwissenschaft spricht bei Szenen oder posttraditionalen Gemeinschaften (ein Begriff, der den Szene-Begriff teilweise ersetzt/erneuert) von einem freiwilligen Zusammenschluss von Individuen aufgrund eines gemeinsamen thematischen Fokus. Dieser Fokus kann sehr kurz sein (Fussball WM/Public Viewing/ein einziger Abend im Club) oder eben länger anhaltend (Musik/Mode/Weggehen/Sport etc.). Sobald sich bei einzelnen dieses Interesse, also der Fokus verschiebt gehen sie eben woanders hin (ja es ist komplizierter, man bindet sich ja auch etc…aber so prinzipiell). Diese Gemeinschaften funktionieren und funktionierten schon immer durch gleichzeitige Abgrenzung und Einbettung, d.h. wir benutzen Symbole/Musik/Meinungen oder was auch immer um uns im Verhältnis zu anderen Gruppierungen aber eben auch innerhalb der eigenen Gruppe zu positionieren.
Ein übergeordnetes idealistisches Ziel da hinein zu interpretieren finde ich übertrieben. Sicher gibt es Tierschützer, Naturfreunde, Romantikliebhaber, Pazifisten und Literaturfreaks unter den Schwarzen, aber das ist doch nicht der gemeinsame Fokus – höchstens für kleine, lokale Grüppchen. Das ist etwas, was auch außerhalb der „Szene“ realisiert werden kann.
Klar werden bestimmte politische Einstellungen im Nachhinein den diversen Gruppierungen der 50er/60er und 70er zugeordnet, aber das ist erstens auch nur bei sehr wenigen so (was ist mit Teddyboys, Rockern, Mods, den amerikanischen Artpunks etc.?) und zweitens eher ein sozialgeschichtlicher Zufall.
Die Beatniks, Hippies, Punks, Ois, Skins und selbst die Gothics in den 80ern hatten es doch noch viel einfacher idealistisch zu sein. Die Welt war klar gegliedert, ihre Herkunft war klar und das was möglich ist im Leben auch. Ein englischer Junge aus der Arbeiterklasse hatte kaum Aufstiegschancen und kam eben nur mit Punks und/oder Skins (auch das ist dann meist Zufall) in Berührung. Es war alles weniger global, weniger komplex. Heute gibt es soviele individuelle Lebensweisen und Lebenslagen, dass das Gemeinsame kaum mehr sein kann als etwas relativ basales wie Musik, insbesondere bei einer Gruppierung, die schon so lange – wenn man Entwicklungen wie die Digitalisierung und die Globalisierung betrachten Äonen – existiert.
Dass sich da dann ganz unterschiedliche Werte- und Normengebilde einschleichen und das alles aufspalten und verändern ist klar. Nach wie vor ist aber Musik das hauptsächliche Distinktions- bzw. Inklusionsmerkmal.
Oder wie ein Bekannter von mir Mitte der 90er mal über seinen „Szene-Einstieg“ sagte: „Was wollte ich denn machen, die Metaller saufen exzessiv, die Technoten nehmen Drogen. Ich wollte nur gute Musik hören und Tanzen. Also bin ich halt zu den Schwarzen.“
Das mit den Klamotten/der Ästhetik war für mich immer nur nettes Beiwerk zum Anschauen. Aber es mag Leute geben, denen das mittlerweile das Zentrale ist, wenn es gefällt, völlig ok.
Hm.
Ich selber bin in diese Subkultur durch ältere Semester „geraten“. Und wohne seit zwei Jahren leider nicht mehr in diesem Wirkkreis.
Als ich hierher kam, wurde ich schräg angeschaut, weil ich meine Kleidung selber mache und weil ich mich lieber zu den dunklen KLängen wiege als wild zum EBM zu stampfen.
In meiner Region herrscht leider das schlecht gezeichnete Bild der schwarzen Partygemeinschaft vor. Schwarz tragen? Gerne, aber nur am Wochenende in der Disko! Nur nicht auffallen, was sollen denn die Nachbarn von mir denken?
Hier ist die schwarze Szene leider wirklich zu einer Wochenend-Party geworden. Traurig, aber wahr.
So stieß ich auch auf diese Seite. Denn ich suchte gezielt den „wahren“ Kern der Szene – jene, für die das noch ein Lebensgefühl ist. Diejenigen, die schwarz aus Überzeugung tragen.
Und dabei fühle ich mich andererseits aber auch schlecht, da ich mich – selber gerade mal zarte 30 und damit kein Urgestein der Szene – über die stelle, die ich hier so hart kritisiere. Vermutlich betrachtet ihr mich genauso, da auch von der Ursprungsszene an mir wenig haftet (ich bin nun einmal keine Schwarzromantikerin, ich bezeichne mich gerne als „Alltagsschwarz“ – so trage ich auch meine „Partyklamotten“ auf Arbeit).
Die Gothic-Szene mag oberflächlich betrachtet vielleicht eine Provokation sein (für die 80er Jahre interpretiere ich sie eher als Rebellion gegen Plastik, Schein statt Sein und die vorherrschenden gruseligen Bonbon-Farben), aber dahinter steckt eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Schattenseiten des Lebens (mittlerweile ist zum Glück auch Lächeln erlaubt und somit auch die Sonnenseiten des Lebens).
Ich mein, damals in den 80ern war durch den kalten Krieg das Leben hier in Deutschland als Puffer zwischen den Streitmächten doch recht angespannt. Ich finde es ersichtlich, dass die Gesellschaft auf Spaß und Unterhaltung gelenkt werden sollte, eben um die Bedrohung eines vlt. atomaren Krieges zu verdrängen. Und bäm! Dann kommt da eine Jugend daher, die schwarz trägt und sich mit den Themen Tod, Traurigkeit, „Weltschmerz“ auseinander setzt. Und dies auch noch offen zeigt! Dies mag in den letzten Jahren und Jahrzehnten vielleicht verwässert erscheinen – doch aber nur, weil die Themen mittlerweile salonfähig und allgegenwärtig sind. Wir grenzen uns nicht mehr ab, wenn wir uns damit auseinander setzen. Ich finde daher nicht, dass es der Szene an Orientierung mangelt. Sie hat sich nur einfach nicht wirklich weiter entwickelt und fällt mittlerweile nur noch optisch aus dem Rahmen (sofern man auf die im Beitrag genanntetn Bondage-Klamotten vom bösen X oder auf die Gasmasken der Cyber zurück greift).
Ich finde, man sollte auch diesen „Kiddies“ die Chanze geben, dieser Szene neue Impulse zu geben. Ob sie diese nutzen oder sie sich doch nur als Eintagsfliegen und Mittläufer entpuppen, das mag die Zeit zeigen.
Ach, ihr und eure Ziele. Und dann diese Darstellung von Gothic als Trauerweidenverein. Warum darf Gothic nicht einfach wieder Gothic sein?
Eine Szene, die sich um die Musik gebildet hatte, optisch rudimentär die Provokation des Punk aufgriff, die schon immer auch modisch interessiert war und Wert auf’s Aussehen legte (dabei aber nicht den Bezug zur Musik vergaß), die ein bisschen Neugier an dunklen Themen zeigte, dazu nicht zwingend akademisch an die Sache heranging (von den alten Grufties konnten ganz sicher nur 5 von 50 ein paar Romantiker nennen… und diese 5 waren schon viel), die einfach ein bisschen Mystik-Erleben anstrebte, um dem Alltag zu entfliehen, aber nicht so stark, dass sie sich völlig darin verlor. Eine Szene, die auch lachen konnte, denn Gothic war nicht nur Joy Division und The Cure, Gothic war nicht nur melancholisch und träge, sondern voller Kraft und Düsternis, Morbidität und ganz sicher auch gewürzt mit einer Portion Humor.
Sobald irgendwelche Ideologien in den Vordergrund gestellt werden, beginnt die Verwässerung der Szene. Die eigentlichen Kernmerkmale treten in den Hintergrund. Genau das ist geschehen. Das Tor stand nun weit offen für jeden, der angeblich ein düster-trauriges Lebensgefühl verspürte, die Bedeutung der Musik und der „identifikativen“ äußeren Merkmale hatte man dabei einfach abgesägt. Auf dieser Grundlage durften dann auch Metaller, bärtige Wikinger, Emos, Raver samt Moll-Techno zur Szene gehören. Im Prinzip wurde über die Jahre alles, was auch nur ansatzweise eine düstere Seite besitzt und besitzen kann, unter der Etikettierung „Gothic“ subsumiert und vermarktet, ohne jegliche Rücksicht auf die Kernmerkmale dieser ehemaligen Jugendkultur der 80s. Vom Wave-Bezug wurde kaum noch gesprochen. Selbst Bücher, wie das Gothic- und Dark-Wave-Lexikon, von denen man erwarten darf, dass sie faktenreich an die Sache herangehen, setzten inhaltlich plötzlich auf das Lebenseinstellungsgesäusel geschichtsscheuer Spinner. – Ich habe gar nicht so viele Mittelfinger, wie ich zeigen möchte.
Auch, wenn ich keine Ambitionen habe, Mittelfinger zu zeigen, sehe ich das Ganze ähnlich wie Death Disco. Wenn ich an „damals“ denke, dann ganz sicher nicht an Tod, Trauer und Traurigkeit. Es gab eine Menge Totenköpfe und Kreuze, weil das „cool“ war. Die waren aber nicht mit Bedeutung überschüttet. Diese Gemütszustände waren aus meiner Sicht nicht der Nährboden für die Entstehung der Szene. Ich denke eher an genau das, was Death Disco beschrieben hat. Die Stimmung war weder nachdenklich noch hat irgendwer großartig den Eindruck gemacht, andere Dinge zu reflektieren als der normale Durchschnittsjugendliche mit Hirn. Es gab keinen gemeinsamen Leidensdruck, aus dem – wie bei den Beispielen Punk oder Hip-Hop – ein Zusammenschluss erfolgte. Es gab auch keine Utopie – wie bei den Hippies, die zu einer alternativen Lebensweise aufgerufen hat. Es ist natürlich theoretisch möglich, dass die Szene im Verlauf der 30 Jahre eine Richtung eingeschlagen hat. Für mich sieht es aber eher nach Chaos aus. Nicht einmal die schwarze Kleidung ist mehr ein – zumindest – äußeres Merkmal. Man braucht natürlich nicht zwangsläufig eine Ideologie, um sich gerne mit Gleichgesinnten zu guter Musik zu treffen, aber selbst das ist ja durch die Verwässerung aufgrund fehlender Orientierungspunkte immer schwieriger.
Ich würde nie bestreiten, dass der Ursprung Provokation / Rebellion war. Bei mir selber hat sich mein Weg auch durch eine ursprüngliche Rebellion entwickelt. Und ich denke, so wird es vielen gehen. In jeder Subkultur.
Fragt mal 100 Punks, was für sie Punk sei. Man erhält 100 verschiedene Antworten, die alle untereinander paarweise genauso richtig und genauso falsch sind. Und nun fragt mal 100 Gothics, was für sie Gothic sei.
Wenn es wirklich nur darum geht, sich zu kleiden und zu benehmen, wie man es gerade für cool findet…warum nimmt man dann Anstoß an das oben beschriebene Pärchen mit den X-tra-X Bondageklamotten? Und spricht überhaupt von Verwässerung, wenn nichts da war, was verwässert werden konnte.
Ich komme da gerade nicht hinterher.
Gothic kann kein Ziel haben, da gar keine allumfassende offizielle Ideologie vorhanden ist. Einige sind politisch interessiert, andere interessiert dieses Thema nicht die Bohne. Einige wollen provozieren und suchen den Kampf mit der scheinbar so andersartigen Mainstream-Gesellschaft, andere wollen vor selbiger nach Feierabend flüchten und blos ihre Ruhe haben. Und so weiter und so fort.
Gothic als Gesamtheit ist kein bischen anders oder besser als der Rest (ja, Rest!) der Gesellschaft. Denn er gehört dazu. Es ist die gleiche Spassgesellschaft auf der Flucht vor der Verantwortung. Nur eben in – mehr oder weniger – schwarz und auch – aber nicht ausschließlich – in melancholischere Gefilde.
Individualismus – wo ist der denn gern gesehen? Abseits der ausgetretenen Pfade womöglich, aber auf den Autobahnen diverser Foren, im Club um die Ecke etc. – wird man als Individuum schnell platt gemacht. Wenn man von der Masse abweicht – dies kann die Szene als Gesamtheit sein, aber auch die Fan-Schar einer Band oder der doch nicht optimal gewählte eigene Freundeskreis – dann war man die längste Zeit gern gesehen.
Was bleibt ist meine Meinung und Erkenntnis, wie ich sie schon mal geäußert habe:
Gothic hat kein Ziel. Nun ja, Konsum und Realitätsflucht könnten womöglich die häufigsten Inhalte sein. Aber das müsste dann in einem demokratischen Wahlverfahren zur offiziellen Szenerichtung gewählt werden.
Warum braucht Gothic überhaupt ein Ziel? Geht es um Musik? Oder um Politik?
Am Ende bleibt das Individuum, welches sein eigenes Leben bestmöglichst leben kann.
Sollte Gothic denn nicht ein Ziel haben?
Viele von euch beziehen sich auf die Anfänge und die eigenen Erfahrungen, um eine Erklärung für das Jetzt zu finden. Fakt ist, das die meisten hier mit (oder in) der Szene älter geworden sind. Reifer, nachdenklicher. Früher mag es cool gewesen sein, ist es denn heute immer noch cool?
Ich finde, dass wir das, war wir damals schön fanden, was ein Teil unseres Stils geworden ist, ein Teil unserer Interessen und Vorlieben geworden ist, mit etwas von uns selbst füllen sollten. Anfangs fand ich es auch cool, mit schwarz zu kleiden und andere Musik zu hören, das reichte mir zunächst. Doch ich entwickelte mich weiter, wurde neugieriger und forschte nach, beschäftigte mich mit Song-Texten, Quellen und der Ästhetik. Ich fand es spannend, dass andere das auch machten und sich mit Religionen, Okkultem und Mystischem beschäftigten, ich entwickelte eine Leidenschaft dafür.
Wenn Punk und Hip-Hop Szenen waren, die aus einem gemeinsamen Leidensdruck entstanden sind und dadurch eine Richtung und ein Ziel formulierten, so haben sie es heute verloren. So sehe ich das jedenfalls. Wenn Gothic eine Szene war, die kein Ziel und keiner Richtung hatte, beginnen wir nun damit Ziele und Richtungen darin zu suchen, sie zu formulieren und auszuleben. Das finde ich wesentlich spannender und vor allem langlebiger.
Warum in der Vergangenheit nach Zielen suchen, wenn man heute gemeinsame Ziele formulieren kann? Aktuell hat Gothic, wie keine andere Szene, ein unglaublich vielschichtiges kreatives Potential. Das ist meine Meinung. Viele Szene-Anhänger, die ich kennengelernt habe, sind kulturell interessiert, kreativ und neugierig. Und nicht nur die „alten“. Wenn sich ein 17-jähriger, der sich der Gothic-Szene anschließt, beginnt, sich für die darin gebotenen Inhalte ins Sachen Kunst und Kultur zu begeistert, ist das nicht etwas, was erhalten werden sollte? Ist nicht das vielleicht ein Ziel?
Ich habe Verständnis für die Veteranen, die in der alten Zeit schwelgen, die Musik hochhalten und betonen, dass man nur cool sein wollte. Es ist aber engstirnig die Augen vor dem Jetzt zu verschließen. Gothic ist nicht mehr mit damals zu vergleichen, es hat sich entwickelt. Nicht alle Entwicklung sind gut, keine Frage. Man muss sie ja nicht mitmachen. Gerne kann man auch bei der Musik bleiben.
Vergleicht nicht „früher“ mit „heute“. Wir sollten unsere Wurzeln kennen, aber auch die Blüten und Blätter schätzen, die daraus gewachsen sind.
Genau darauf kommt es an. Nur weil man die heutigen Blüten schätzt, heißt das nicht, dass man die alten Wurzeln verachtet. Es gibt auch heute so viel tolle Musik zu entdecken. Es gibt heute so viel Kunst, soviel Inhalt was einem erfüllen kann.
Manchmal erinnert mich die Veteranen der Gothicszene ein wenig an meine Großeltern. „Früher war alles besser“, „damals hätt’s das nicht gegeben“ – Ich wollte nie wie meine Großeltern werden. Gerade die heutige Zeit bietet Szenetechnisch soviel spannendes ud interkulturelles durch das Internet. Wieso muss man sich davor immer so verschließen?
Und dennoch: die Allgemeinheit denkt wohl leider nicht so. Da hält man das hoch womit man quasi „aufgewachsen“ ist. Das kann ja auch ganz nett sein, doch macht es blind für das Heute und Morgen.
„Und dennoch: die Allgemeinheit denkt wohl leider nicht so. Da hält man das hoch womit man quasi “aufgewachsen” ist. Das kann ja auch ganz nett sein, doch macht es blind für das Heute und Morgen.“
Deswegen sind „wir“ doch hier. Was interessiert mich ne schwarze Allgemeinheit? Da suche ich doch lieber das wohlschmeckende Haar in jenem Brei und freu mich über erhobene Mittelfinger! Im Gestern und heute und im Morgen! :-)
Als „Veteran“ muss ich da natürlich reagieren ;-) Ich bin nicht der Meinung, dass früher alles besser war und ich sehe ebenfalls viele neue Aspekte, die spannend und bereichernd sind. Möglichkeiten und Angebote, die es früher nicht gab. Sowas wie diesen Blog beispielsweise inklusive der Kontakte und Treffen, die daraus entstehen. Es ging mir in dem Artikel keineswegs darum, dass man das Alte als Maßstab nimmt und sich Neuem verschließt. Die Frage war vielmehr, ob sich durch die ziemlich sinnfreien Anfänge und die daraus resultierende Orientierungslosigkeit in der Schwarzen Szene nicht ein Chaos entwickelt hat, in dem sich niemand mehr so richtig zurechtfindet. Auch die von Robert erwähnten „Blüten und Blätter“ brauchen Pflege, weil sie sonst vom „Unkraut“ überwuchert werden und nur noch mit viel Glück sichtbar sind. Und falls sich irgendwer über das Wort „Unkraut“ aufregen möchte: Das ist nur ein Bild.
@mela Die Szene war zu Beginn so überschaubar, dass sie auch ohne großartige Inhalte oder Leitgedanken homogen war. Verwässerung ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck gewesen, aber wenn ungefiltert alles in eine Szene strömt, weil es keine Orientierungs- oder Eckpunkte und keine Definitionen gibt, dann wird es halt chaotisch und man muss die, die einem ähnlich sind, in der Masse suchen.
Ich kann im Prinzip den Grossteil der Meinungen verstehen. Auch ich hege eine gewisse Nostslgie vor allem was die Musik und Mode der Szene betrifft. Allerdings muss ich Robert zustimmen- allein das macht es fuer mich nicht aus. Daher finde ich es gut, dass es mittlerweile inhalte gibt. Ich rede nicht von tiefgruendigkeit in gezeungenem masse sondern von solchen kreativen aktivisten wie die, die ausstellung boten des todes gemacht haben. Und auch fruher wird es nicht arg anders gewesen sein. Es gab schon immer unterschiedliche gruppen. Allein unter musikern. Xmal deutschland hatten m.m. Nach tiefsinnigere texte als specimen, die mehr eine art freakshow waren. Aber eig geht die musik allrin von einem gefuehl aus, das schon aussage besitzt.
Hi!
Ich habe mir ehrlich gesagt nie groß Gedanken darüber gemacht, welches konkrete Ziel unsere Subkultur im Allgemeinen nun anstreben könnte. Das war für mich nie wichtig. Signifikant für mich ist : Ich fühle mich innerhalb der Szene geborgen, ich liebe die ganze Atmosphäre und die (mehr oder weniger) dunklen Klänge. Und es gibt immermal wieder etwas zu entdecken, mit dem man sich zuvor nicht beschäftigt hatte. Ich bin zB momentan total fasziniert von Joy Division, über die ich jüngst auf ARTE im Rahmen der Gothic Night eine Doku gesehen habe. Die Musik spricht mich absolut an, ich finde sie sehr inspirierend und der frühe Tod von Ian Curtis ist wirklich eine Tragödie. Ich erlebe es zuweilen, daß ich eben noch über so etwas in der tiefsten Vergangenheit unserer Subkultur stolpere, über das ich nichts wußte und das meine Liebe zu Gothic nur noch weiter verstärkt. Und gleichzeitig verfluche ich nicht die heutige Vielschichtigkeit der Szene, die sich im Laufe der Jahre immer weiterentwickelte und veränderte.
OK – neulich waren wir aus und auf dem Elektrofloor kam plötzlich der Remix eines bekannten Technoliedes. Da habe ich nur die Arme verschränkt und mich geweigert, darauf zu tanzen. Mein Freund fand das sehr lustig aber das ging mir in diesem Moment einfach zu weit. Wenn ich mir vorkomme wie auf der Love Parade, hört der Spaß für mich auf. Obwohl ich sonst für die Elektrofloors wirklich offen bin und Stücke wie Pong von Eisenfunk oder „Und jetzt tanz, Schlampe!“ echt cool finde und darauf dann auch richtig abgehe. Elektronisches aus der dunklen Ecke höre ich jedenfalls schon ziemlich lange – sei es nun VNV Nation, Suicide Commando, Wumpscut, Feindflug, Project Pitchfork oder Covenant. Die Richtungen EBM & Industrial/Noise habe ich hingegen erst später für mich entdeckt. Ich kann jedenfalls mit dem Background, den ich habe, die Cyberszene auch nicht wirklich verteufeln. Sie wäre mir persönlich aber auf Dauer zu einseitig, da ich eben nicht nur auf Elektronisches stehe, sondern auch noch ganz viele andere schwarzen Genres mag. Ich kann mich mit Type-0 Negative genauso um den Verstand hören wie mit Deine Lakaien, Janus, Project Pitchfork, Das Ich, Suicide Commando oder Schandmaul – die Tageslaune entscheidet bei mir. Oft höre ich auch alles abwechselnd queerbeet. ZB zuerst Front 242, dann DIVE, dann Subway to Sally und dann Lacrimosa. ;)
Das Schöne ist ja : Jeder kann seine ganz eigene Definition des Schwarzseins ausleben. Es gibt zwar schon so etwas wie einen gemeinsamen Konsens ( die schwarze Kleidung zB ) aber jeder kann frei für sich entscheiden, was ihm nun gefällt und was nicht.
Dunkle Grüße! :)
Melle
„Und jetzt tanz, Schlampe!“?
Ohne den Moralapostel raushängen zu lassen, aber: wie frauenfeindlich ist denn bitte schön sowas? Wenn ich jetzt ne Frau wäre, würde ich als selbstbewusste Frau keinen Club unterstützen, der Musik mit solchen Texten spielt!
(Da frage ich mich, ob heutzutage eigentlich das Gefühl für Sprache verloren gegangen ist, wenn man auf verbale Gewalt tanzt. Zudem wird im Text des besagten Liedes die Frau als williges Sexobjekt abgestempelt – und sorry, aber solche Inhalte sollte wir alle gemeinsam ablehnen! Wo leben wir denn eigentlich? In den 1950er Jahren???)
Ich finde nicht, dass du den Moralapostel raushängen lässt, Axel.
Hin und wieder muss ich selber zwar für mich differenzieren, ob die Vulgärsprache Provokation, ein „Kunstgriff“ oder einfach nur herabwertend ist – idR gehe ich zwar zugunsten des Künstlers von Provokation aus, aber ich persönlich ziehe da deutliche Grenzen. Mich erschreckt es ja schon, dass so viele Mädels so viel Haut zu zeigen bereit sind (hier gibt es sogar ein Mädel, das obenrum bevorzugt maximal mit BH tanzt) und die Herren das auch noch total „geil“ finden – da muss ich mich als Frau nicht auch noch weiter erniedrigen lassen, zu einem Lied zu feiern, dass mich als Frau pauschal als Objekt bezeichnet.
Da frägt man sich doch wofür die Frauen in den 70ern auf die Strasse gegangen sind! Dafür, dass sich heutige Mädels und Frauen bereitwillig erniedrigen und beleidigen lassen doch wohl ganz bestimmt nicht. Und Provokation? Klar, mit Provokation kann man ja alles rechtfertigen, ähnlich wie Satire immer vorgeschoben wird. „Ist ja nur Provokation“, „ist ja nur Satire“ – ganz ehrlich: soviel essen kann ich garnicht wie ich da k**** könnte.
Um es mit dem Topic zu verbinden: ich finde jegliche Art von Vulgärsprache hat in der schwarzen Szene nichts verloren (Ich fande ja schon den Song „Irgendein Arsch ist immer unterwegs“ von Lacri sehr direkt, auch wenn es ein seit Jahrzehnten etablierter Spruch ist), vorallem keine Texte wo Frauen als Sexobjekte angesehen werden! Das finde ich zutiefst widerlich und hat für mich nicht im geringsten damit zu tun was ich unter „Gothic“ verstehe.
Und im übrigen: ich finde diese Frauen, die sich da ständig aufreizend kleiden müssen, nicht im geringsten „geil“ oder ähnliches, sondern ich empfinde da eher eine Mischung aus Ekel und Abstößigkeit. ich sage ja nix gegen Weibichkeit, aber für mich gehört auch Würde und ein gesundes Maß an Selbstbewusstsein zur Weiblichkeit dazu. Es ist doch schöner, wenn man nicht gleich alles sieht, sondern auch viel der Fantasie überlassen wird. Das ist für mich viel erotischer als das was man da in Clubs zu sehen bekommt.
(Zudem betrachte ich die Sexualisierung innerhalb der Gesellschaft auch so als sehr kritisch und fragwürdig. Kann es auch nicht nachvollziehen, dass die Leute ständig gleich ins Bett springen müssen, bevor sie sich richtig kennengelernt haben. Nennt mich altmodisch, aber ich muss doch jemanden erst vertrauen können, eh ich sowas intimes wie Sexualität teile…)
Das, was man geläufig in den Clubs zu sehen bekommt, ist weit entfernt von Erotik.
Ich kämpfe hier gegen Windmühlen, wenn ich von den Herren nicht nur als „Haare, Brüste, Arsch“ angesehen werden möchte. Für mich gehört Sexualität schlicht und einfach zur Intimsphäre und sollte genau das bleiben: intim.
Zur Weiblichkeit gehört für mich neben der von dir genannten Würde und ein gesundes Maß an Selbstbewusstsein auch und vor allem Selbstachtung.
Ich stecke nicht in den Köpfen der Mädels, die gerne alles zeigen möchten, was sie an Vorzüge zu bieten haben, aber ich bezweifle, ob dadurch wirklich die Selbstachtung gewahrt wird.
Also bei mir rennst Du damit sperrangelweit offene Türen ein! :-)
Denn „Haare, Brüste, Arsch“ interessieren mich an einer Frau nun überhaupt nicht. „Verstand, Charakter, Witz, Kreativität“ – Das macht mich an einer Frau an.
Wir leben in einer oberflächligen und übersexualisierten Gesellschaft. Und da wundern die sich alle, dass ihre Beziehungen in die Brüche gehen, wenn diese auf das falsche Fundament aufgebaut werden? Ich mein, sowas läuft doch nicht von alleine. Es erfordert immer auch Arbeit an einem selbst und auch den Willen sich weiterzuentwickeln und offen zu sein. Aber genau das wird durch den immerständigen Konsum ja gerade verschüttet.
Das mit der Selbstachtung erachte ich übrigens als Selbstverständlich. Eine Person die sich selbst nicht achtet, die kann auch ich nur schwer achten.
(Jetzt muss ich mal in Deinem Blog suchen, von wehr du kommst, Mela :D)
Diese Frage möchte ich je nach Betrachtungsweise entweder mit „Das Ziel existiert implizit doch schon“ oder mit „Nein“ beantworten ;)
Die Frage ist ja, was so ein Ziel sein könnte oder welche Voraussetzungen so ein Ziel erfüllen sollte. Gemeinsam gute Musik hören ist ja auch schon ein Ziel. Ein sinnvolles oder erfüllendes Ziel? Das kommt wohl darauf an, was man als sinnvoll ansieht. Da steckt die Frage nach dem Sinn schon drin, die auch mit der Frage nach einem Ziel zu tun hat. Es gibt schließlich genügend Leute, die sich viel allgemeiner fragen, was denn der Sinn des Lebens sei (und ob es überhaupt einen gebe), wenn es doch kein Ziel gibt – außer, dass langfristig alle tot sind.
Ich meine, dass allein die Tatsache, dass sich Leute zum gemeinsamen Musikhören getroffen haben, Sinn und Zweck genug ist. Da der Musikgeschmack zumindest teilweise auch mit anderen Hobbys korreliert, findet man so auch Leute, die noch andere gemeinsame Interessen haben. Daraus ergibt sich dann eine breitere thematische Aufstellung einer Subkultur, die dann eben nicht nur mehr Musik und Klamotten umfasst. Natürlich muss man sich immer fragen, ob es denn so sinnvoll ist, alles und jeden „reinzulassen“, aber dafür kann man sich dann ja wieder eigene Nischen (oder das zweite Untergeschoss) bauen. Da finde ich deinen Satz „Wir sollten unsere Wurzeln kennen, aber auch die Blüten und Blätter schätzen, die daraus gewachsen sind.“ passend und schön ausgedrückt.
Oder in Kurzform: Ich finde nicht, dass es auf ein Ziel ankommt, sondern auf die Entwicklung.
An diesem Punkt kann ich auch @Sabrinas Argumentation, so, wie ich sie verstanden habe, nicht ganz nachvollziehen: Auf der einen Seite sagst du „Es gibt niemanden, der mit dem Brustton der Überzeugung sagen kann: Das war und ist nicht unser Beweggrund, unsere Richtung, unser Ziel. Auch ich kann das nicht sagen. Leider.“ Auf der anderen Seite verwehrst du dich als Veteran aber auch ein Stück weit gegen – aus deiner Sicht – eine Überladung mit Inhalten, weil die eben gar nicht die Grundlage der Szene seien. Müssen denn alle Inhalte und die Entwicklung schon in den Grundlagen enthalten sein? Kann es nicht Teil der Entwicklung selbst sein, ein breiteres Fundament aufzubauen? Ja, es ist etwas schwierig, dann die „richtigen Erweiterungen“ für die Szene zu finden, aber nicht unmöglich.
@Robert: Es geht mir gar nicht so sehr um eine zu zeigende Objektivität, sondern nur um Bequemlichkeit ;) Dein letzter Punkt spricht es ja schon an, solche Links können durchaus hilfreich sein. Klar kann man das alles auch selbst finden, aber wenn ihr die Information habt, könnt ihr sie ja auch teilen.
Das sollte ja auch nur ein kleiner Punkt sein, aber weil nach Anregungen gefragt wurde, wollte ich auch eine bieten ;)
Auweia, da hab ich ja nu was losgetreten… ;D
Also : Zunächt einmal ist das Zitat „Und jetzt tanz, Schlampe!“ aus dem Rodriguez-Film Planet Terror. Dort kommen sie aus dem Mund von Quentin Tarrantino. Der Streifen ist saucool (wenn man denn, wie ich, auf derben Humor steht).
Darüber hinaus sind grenzwertige Samples im Elektrobereich ja nun auch nicht neu. Von daher: Macht Euch mal locker. Nur weil ich auf solche Lieder tanze und sie gut finde, heißt es nicht, daß ich Gewalt gegen Frauen (oder gegen andere Leute) befürworte. Schmeißt das mal bitte nicht in einen Topf. ;D
Hallo zusammen,
ich lese seit Langem diesen Blog, seit langem die Frage „Was sind wir, was wollen wir?“.
Ich bin nun seit 8 Jahren „schwarz“, wenn man es denn über die Farbe definieren möchte.
Ich selbst trage gern Bondagehosen. Einerseits weil ich gern weite Hosen mit viel Gebimsel trage, andererseits weil ich der Selbstshneiderei nicht mächtig bin. ;)
Auch ich erwische mich dabei, die „Neuen“ zu belächeln, die sich mit Ketten behanden irgendwelche Zeichnungen ins Gesicht schmieren & anschließend in der Öffentlichkeit irgendwelche abgrundtief bösen Äußerungen von sich geben, um möglichst böse zu wirken.
Ein Arbeitskollege verglich mich die Tage sehr nett mit einem Praktikanten: „Du, du bist schon lange so, hast deine Einstellung und gut ist. Der XY kommt ständig mit irgendwelchen Katalogen und hört nicht auf darüber zu reden.“
Meine Meinung ist die, dass uns etwas verbindet, was nicht direkt zu benennen ist. Für mich bedeutet es – trotz immer mehr herrschender Intoleranz – Zusammenhalt und ein intensiveres, bewussteres Erleben mancher Dinge.
Leider kann ich da überwiegend von den Älteren reden, mit denen ich diese Einstellung teile. Ich selbst bin 23…
Feiern gehen übrigens viele gern, Freunde treffen, etwas trinken, schöne Zeit verbringen.
Auch wenn sich mir die Szene nie als besonders laut zeigte, muss man wohl damit leben, dass schwarze Parties leider immer elektronischer werden.
Schöne Grüße.
pls don’t mind: Ich habe mich jetzt noch nicht durch die kommentare gewühlt.
Guter Post bzw. interessante Frage, Sabrina!
Es gibt aus meiner Sicht kein gemeinsames Ziel der Szene bzw. von Gothics als Gesamtheit. Dann wären wir wohl eher eine Partei oder eine Protestbewegung. Beides ist nicht der Fall. Gothics/Grufties/Waver waren nie aktiv und auffällig in der Gesellschaft, sondern haben sich jeder individuell ihre Parallelwelt geschaffen, in die sie sich zurückziehen, mit dem wahren Leben da draußen arrangiert man sich. Wir gehen alle brav arbeiten und nehmen an den normalen gesellschaftlichen Sachen teil.
Wenn ich überhaupt ein gemeinsames Element bei den meisten Gothics erkennen kann, dann ist es Ablehnung bestimmter gesellschaftlicher Punkte. Aber auch darin erkenne ich kein Ziel, auf das man sich nun geeinigt hätte oder das man gemeinsam verfolgen würde. Denn WAS abgelehnt wird, das variiert auch wieder. Der eine lehnt nur Popmusik ab, der andere die modernen Lebensumstände. Es gibt alles – und das ist gut so. Vielleicht als kleinster gemeinsamer Nenner: Ablehnung des Mainstreams. Und was Mainstream ist, ist auch schon wieder Definitionssache jedes Einzelnen.
Ich persönlich verfolge mit meinem Gothic-Dasein ehrlich gesagt kein Ziel. Zumindest nicht im öffentlichen Bereich. Ich möchte einfach nur ich sein, meinem Geschmack und Macken fröhnen (den/die ich an einigen Stellen mit anderen meist schwarzen Gestalten teile) und von den „Normalos“ in Ruhe gelassen werden. Missionarischer Eifer, Provokation oder Protest liegt und lag mir schon immer fern.
@ Dominik: Bei uns gibt es meist noch einen Classix-Floor oder so etwas in der Art. Da bin ich auch ziemlich oft anzutreffen. :) Bzw mag ich am liebsten gemischte Floors, wo die unterschiedlichen Richtungen abwechselnd laufen.
Für die, die das nicht wollen, bleibt ja immer noch Winterkälte, damit kann man zumindest thematisch auch jeden Baumknutscher zufriedenstellen *g* (Der „Baumknutscher“ ist auch gar nicht abfällig gemeint, auch, wenn es vielleicht so klingt)
Naja, „elektronisch“ ist ja nicht unbedingt mit „laut“ gleichzusetzen und für sich genommen doch auch nichts Schlimmes. Es gibt ja auch ruhige elektronische Musik. Hättest du jetzt „technoider“ geschrieben, ich würde dir sofort zustimmen ;)
„Auch“? Aber mal davon ab, man muss dann eben sehen, wie sich die Künstler und/oder die Fans außerhalb der Musik geben. Gerade als Sample bzw. Zitat aus nem Film finde ich das Beispiel, das die Diskussion ausgelöst hat, gar nicht so schlimm. Und zum Thema vulgäre Ausdrücke allgemein: Für mich muss sowas zum Genre passen, würden jetzt bspw. irgendwelche Darkwave- oder Neofolk/-klassik-Bands damit anfangen, fände ich das schon etwas seltsam ;)
Zunächst mal: Sorry, ich habe mir die anderen Kommentare noch nicht durchgelesen, also mag das eine oder andere schon thematisiert worden sein…
Wenn man der obigen Definition einer Subkultur Glauben schenkt dann ist die schwarze Szene sicherlich keine, sondern eben „nur“ genau das: eine Szene. Es gibt eben tatsächlich kein zentrales Gedankengut, keine allgemeine Mode und ebenso keine einheitliche Musik – einer der vielen Faktoren warum es so schwierig ist Gothic zu begreifen und begreifbar zu machen.
Daher kann die „schwarze Szene“ für mich auch immer nur ein Oberbegriff für verschiedene artverwandte und sich manche Wurzeln teilende Szenen sein. Aber wo ist die Berechtigung für ein gemeinsames Etikett? Was macht uns denn nun unterm Strich zu Goths? Was sind wir?
Meiner ganz subjektiven Meinung nach war, ist und bleibt Gothic vor allem eine Ästhetikbewegung. Und zwar nicht zwangsläufig bezogen auf einen Kleidungsstil oder einen konkreten Musikgeschmack, sondern eher so etwas wie ein dem persönlichen Ästhetikempfinden und Kunstgeschmack in vielen Fällen zu Grunde liegendes Prinzip:
Auf eine gewisse Art von Düsterniss und Abgründigkeit können sich vermutlich alle Goths einigen – sei es morbide Friedhofsästhetik, depressive Litatur oder Malerei irgendwie zwischen Caspar David Friedrich und Victoria Francés.
Die erwähnten Goths, die du, werte Sabrina, da gesehen hast würde auch ich sicherlich nicht als Teil „meiner Szene“ ansehen, und doch werden ein paar gemeinsame Faktoren da sein – ein allgemeiner Geschmack der eben einfach gothic ist.
Und wenn auch dem nicht so sein sollte – sorry, dann bin und bleibe auch ich ein elitistischer Snob ;)
Karnstein gebe ich mal wieder recht :-) Lasst es uns einfach formulieren: Die 80er-Wave-Szene erschuf ein Konstrukt, eine Art Wolkenkratzer mit verschiedenen Etagen, Fluren und Zimmern, auf den wir alle später aufbauten und unsere eigenen kleinen Suites schufen. Da kann es schon vorkommen, dass die Möblierung und die Tapete beim einen anders aussieht als beim anderen, noch dazu die Heizkosten und Stromrechnung :-) Regt euch nicht so auf, ich nenne diesen Turm „Schwarze Szene“ und man muss ja nicht jeden besuchen, den man nicht mag. Aber es wird sicherlich auch WGs von gleichgesinnten geben. Spontis ist für mich auch so ne Art Wohngemeinschaft und selbst hier scheiden sich die Geister, aber das finde ich super so, denn Klone sind langweilig. Oder vergleicht es meinetwegen mit einer Firma, wo man sich seine Kollegen auch nicht aussuchen kann aber mit ihnen leben muss^^ Sicher sind wir End-Achtziger-Neunziger-Generation keine „Goths“ im herkömmlichen Sinne. Das ist mir auch klar. Aber ich finde Nachwuchs immer schön und will nicht einfach, dass Gothics bloß in den 80ern anzusiedeln sind und danach einfach von der Bildfläche verschwunden sind. WIr sind eine andere Generation mit anderen Musikstilen, Ansichten usw. aber eines vereint uns doch ganz einfach: Die Farbe Schwarz als Zeichen unserer Kleidung. Ob meine Einstellung im oxidentalischen Sinne schwarz ist, kann ich jedenfalls nicht behaupten. Da bin ich eher wie die Asiaten, die Weiß als Trauerfarbe besitzen. Nein, eine Heulboje bin ich nicht, aber der Hang zu Vergänglichkeit und depressiver Musik ist schon da. Für mich ein Ausdrucksmittel zum emotionalen Kampf gegen die Spaßgesellschaft. Und da ist mir das Genre reichlich wumpe. Ob ich nun ausschließlich Gothic höre oder Punk oder Elektrisches macht mich nicht mehr oder weniger zum Goth. Ich bin ja auch nicht das, was ich esse :-) Ein bisschen Spaß muss (auch mal) sein.
Ach ja: Und ich bin mir durchaus bewusst, dass man die Zeit nicht zurückdrehen kann und so verändern wie man es selbst gerne hätte. Aber soll ich mich jetzt Hippie nennen, nur weil ich gerne philosophiere, hinterfrage und der Szene mit kreativen Dingen etwas beitragen möchte? Natürlich kann man auch sagen, man macht das allein für sich selbst, aber wenn jetzt der Großteil der Szene einen Künstler aufnimmt und unter die schwarzen Fittiche nimmt muss man sich nicht wundern, dass Marilyn Manson oder Rammstein von der breiten Masse als Gothic bezeichnet werden sowie früher schon The Cure oder die Sisters Of Mercy, die sich schon immer vehement dagegen wehren. Aber so ist es nun mal. Und meine Ansicht von Gothic ist eben, dass Wave für mich persönlich Gothic ist, wenn für andere Unheilig oder Eisbrecher das schon ist. Da gibt es kein richtig und kein falsch, nur ein böses G-Wort, das inflationär benutzt wird. Wenn die Leute von heute Bondage-Klamotten tragen, lasst sie doch. Wie kann es bitte sein, dass einige ü40-jährige eben jene verhassten Bondage-Hosen tragen auch wenn sie in den 90ern noch wie Eldritch rumgelaufen sind? Ich glaube, das ist auch ein Modetrend, der heute halt in der Szene aktuell ist. Gab es eben in den 80ern noch nicht, da legte man eher auf Pikes und Türmchen, Krähennest und Tellermine wert. Zeitgeist nenne ich das. Aber zurück zu den Inhalten, wir kommen ja immer nur auf Äußerlichkeiten zu sprechen :-) Also: Eine Philosophie gibt es nicht. Das Spielen mit dem Vergänglichen, Modrigen, Spukigen vielleicht. Als optisches Schmankerl. Aber das wars dann schon wieder. Alles andere denkt sich jeder selbst aus. So war es schon immer und so wird es auch immer sein. Inhaltslos sind nur die, die nichts zu erzählen haben. Alle anderen sagen nur das, was ihnen schon mal erzählt wurde. Das Rad kann nicht neu erfunden werden.
Ja wieder mal die Grundsatzdiskussion, kann man fast die Uhr nach stellen, alle 4 Jahre neuer (alter) US Präsident, VW bringt den neuen Golf raus und die Szene diskutiert sich zu Tode und die Sisters haben immer noch nicht das neue Album raus.
Ich fühle mich hier wohl weils für mich hier die richtige Musik gibt die meinen Geschmack entspricht. Sorry kann zwar weder Schneidern noch habe ich nen begehbaren Kleiderschrank mit den neuesten Klamottentrends. Klassische Partys mit DJ meide ich auch lieber dann lieber auf Konzerten da weis man eher was einen erwartet bzw. habe ich kein Bock Sven Väth auf ner Goth veranstaltung zu hören. Dafür ist die Fusion da.
Ziel und Richtung … das frage ich mich auch schon, seit ich vor Jahren (als „Spätzünder“) in dieser Szene einen Raum zum Wohlfühlen gefunden habe. Anfangs dachte ich, Romantik, Morbidität, Kreativität, Nachdenklichkeit seien wohl die verbindenden Gedanken der Szene, das lag auch an der Auswahl der Leute, die ich getroffen hatte, und bei denen ich mich wiedergefunden habe. Diese Illusion war natürlich nicht haltbar …
Eine gemeinsame Richtung kann ich immer weniger erkennen, und ein Ziel schon gar nicht. Aber jenseits des „Partyvolk zum Feten feiern“ (SG-Kategorie, schauder …) finde ich immer wieder diesen Kern an Romantikern, bei dem ich mich wohlfühle, meine „Szene“, ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Damit bin ich zufrieden, mehr wäre nicht realistisch, und ich glaube nicht, daß es das in anderen Szenen gibt.
Das Fehlen politischer Richtung, oder zumindest politischen Bewußtseins, stört mich dagegen wirklich. Ich wünsche mir keine Parteipolitik – aber unser verschrobener Individualismus hat eine politische Dimension. Er fordert eine tolerante, freie Gesellschaft, um überhaupt existieren zu können. Daß es „Schwarze“ gibt, die sich dem rechtsextremen Spektrum zuwenden, macht mich fassungslos. Nicht nur als Antifaschisten, Humanisten, Menschenrechtler, auch als Mensch der nicht mehr aus dem Kopfschütteln herauskommt über Leute, die eine Ideologie unterstützen, der sie als Außenseiter als erste zum Opfer fallen würden, sollten sie je Erfolg haben …
Spannend finde ich, hier in den Kommentaren mehr Stimmen gefunden zu haben, die eine Verwandtschaft zwischen Gothic- und Hippie-Bewegung finden. Zumindest die Schwarzromantiker (jedenfalls einige, die ich kenne) sehe ich auch als „Hippies, die in der Realität angekommen sind“, die ohne Hoffnung auf das Wassermann-Zeitalter ihre Nische in der Welt suchen …
Ich glaube, dass wir heute noch nichts entscheiden sollten.
Herr Väth war übrigens mal DJ für Wave und Elektronik in der zweiten Hälfte der 80s und produzierte mit Luca Anzilotti auch ’ne EBM-Nummer. :)
Ich bin ganz froh darüber, dass die Sache recht unpolitisch funktioniert. Der Nährboden reicht nicht aus, um irgendeine politische Richtung darauf etablieren zu können (welche sollte das denn auch sein?). Rote Spinner und Antifa-Gurken möchte ich jedenfalls nicht in meiner Umgebung haben. Die sind genauso abzulehnen wie die Braunen. Hinter den aus diesen Richtungen propagierten Ideologien steckt ein Kollektivismus, der nie und nimmer mit dem stets betonten Individualismus der Szene zu vereinbaren wäre.
Und das trifft alleinig auf den Nationalsozialismus zu? Frag mal ein paar ehemalige Grufties aus der DDR, wie es bei den roten Brüdern war.
Ich halte im Übrigen an der Betrachtungsweise von Hendrik de Man und S. M. Lipset fest: Falls man die Nazis überhaupt politisch eindeutig verorten konnte, dann in der Mitte der Gesellschaft mit Flügeln zu beiden Seiten (etliche Kommunisten wurden über Nacht zu Nazis). Die Wählerschaft bestand überwiegend aus „proletarisierten“ Mittelständlern und garantiert nicht aus dem Adel (die eigentlichen Rechten).
Für detaillierte Ausführungen wäre das allerdings der falsche Platz…
Death Disco: sehe ich auch so. Auf rechtr habe ich genauso wenig lust wie auf rote antifas. Ich lehne die extremen ganz einfach ab.
Ich freue mich sehr über die vielen Kommentare zu diesem Artikel und über die Diskussionen, denn sie zeigen einerseits, dass Spontis eine Wohngemeinschaft mit hinterfragenden Bewohnern ist, um mal bei Ian Luthers Bild zu bleiben, und andererseits, dass ich mit der „Orientierungslosigkeit“, die ich angesprochen habe, nicht so falsch liege.
Beispiel: “Und jetzt tanz, Schlampe!”, das Melle/Axel erwähnt haben, steht der Aussage von Karnstein entgegen, der von Gothic als Ästhetikbewegung redet. Allein auf dieser Ebene gibt es in der Szene schon keine gemeinsame Richtung. Mit der Ästhetikbewegung kann ich mich persönlich gut anfreunden und auch mit der erwähnten – etwas tiefgründigeren – Lebensweise. Dann lande ich auf einem Konzert von Project Pitchfork, die eigentlich immer mit gehaltvollen Texten geglänzt haben, und treffe auf die Vorband „Stahlmann“ und auf T-Shirts mit der Aufschrift: „Stahlflittchen“ und Texte wie: Du kleines Stück, komm bück dich. Die Schwarzgewandeten brüllten einheitlich mit und hatten Spaß an dem niveaulosem Zeug und dem militärischen Eingepeitsche der Band. Und schon war es vorbei mit der Vorstellung von Tiefsinn und Ästhetik.
Nicht dass Death Disco jetzt wieder die Plattensammlung rausholt und mit Fakten darüber glänzt, wer früher schon wann wie was gesungen hat. Das ist mir in dem Fall mal schnurzpiepegal. Es geht mir um die Widersprüche in der HEUTIGEN Szene, in der halbnackte Weiber mit abgeklebten Nippeln neben Menschen stehen, die eine ganz andere Ästhetik für eine wichtige Eigenschaft der Szene halten. Und ich möchte jetzt nicht behaupten, dass alle Nippelabkleber nicht zur Szene gehören. Es ist wie es ist – und es ist orientierungslos, sogar gegensätzlich.
Irmin sagt, dass es möglicherweise Teil der Entwicklung ist, ein solches breites Fundament aufzubauen. Aber wenn Vorlieben, Interessen, Ästhetik, Musik, Ambiente und selbst der Kleidungsstil einer Szene sich zwischen den Grüppchen so dermaßen widersprechen, dann frage ich mich, warum man immer wieder versucht, alles in einen Pott zu schmeißen, „Schwarze Szene“ darauf schreibt und für Toleranz plädiert, beziehungsweise auf die Entwicklung verweist, der man sich nicht verschließen soll.
Kommt alle her, egal, wie ihr drauf seid und was ihr mögt, Hauptsache ihr tragt Schwarz? Ach neee, Neonfarben, Bunt, Mittelalter-Jute, Zombie-Design oder wahlweise Nackt geht auch! Komisch irgendwie. Musikalisch, ästhetisch, inhaltlich nicht die Spur von einem roten Faden.
@Irmin
Das mit der „Überladung mit Inhalten“ hast du falsch verstanden. Oder ich habe es falsch ausgedrückt. Ich meinte nur, dass die Symbole der Szene in vielen Fällen erst nachträglich mit Inhalt belegt wurden. Eine Art Hinein-Interpretieren, damit es nicht so platt wirkt. Und auch hier herrscht wieder das Chaos. Während die einen nicht müde werden, zu erklären, dass Gothics keine Satanisten sind, spielen die anderen (in vollem Ernst) mit umgedrehten Kreuzen und geben sich satanisch und böse. Ebenso wie die einen Friedfertigkeit als Grundsatz der Szene propagieren, während andere sich die neueste Militäruniform bestellen, weil es so schick aussieht. Die einen meinen, dass die Szene sich AUCH dadurch auszeichnet, dass nicht so viel gesoffen und zugemüllt wird, während andere sich die Kante geben und auf Festivals Müllberge hinterlassen, wie man sie nur von Mainstream-Festivals kennt. Was ist nun wahr und was ist nur eine Wunschvorstellung?
Wie Du sicher sehen kannst, erfolgte das nach Axels Empörung über belanglose Movie-Samples und seiner Forderung, „Vulgärsprache“ aus dem Umfeld der schwarzen Szene fernzuhalten. Dass das nicht möglich ist, zeigt das Beispiel Industrial, ein wirklich sehr altes Beispiel übrigens, das aufzeigt, dass Vulgärsprache eben keine Neuheit in der Szenemusik ist. Selbst ein Project-Pitchfork-Sänger sang in den 90s schon vom Ficken, wenn auch nicht ganz so oft und nicht ganz so billig verpackt.
Und letzteres ist doch offensichtlich der eigentliche Grund, weshalb wir uns daran stören: die billige Darbietung von Erotik, sei es in der Musik oder in der äußeren Aufmachung. Die Nackt- und Halbnacktfotos der populären „Szenezeitschriften“ haben oftmals soviel Kunstgehalt wie ein Fladenbrot. Neuere Heftchen, wie DarkSpy, muffelten schon immer nach glatt gebügelten Wichsbroschüren. Das hat mit der Erotik, wie sie beispielsweise von Die Form ausging, nicht einmal ansatzweise etwas zu tun.
Das sehe ich absolut wie Du. Allerdings stellt sich mir die Frage, ob nicht schon damals Industrial und Dark Wave zwei komplett unterschiedliche Szenen waren – zumindest was die Leute betrifft, die sich darum scharten. Was hatten die Gruftis in schwarz-wallenden Mänteln und Pikes mit den „groben“ und lauten Industrial-Fans gemeinsam? Ich meine allein die Leute, ihr Auftreten, ihr Lebensgefühl und ihren Stil – nicht die musikalischen Wurzeln!Da ist wohl schon damals was vermischt worden, was nicht so recht zusammenpasste. Seither versucht man alles, was schwarze Socken anhat und entfernt auf die Postpunk-Ära zurückzuinterpretieren ist, in eine einzige Szene zu quetschen. Angesichts der fehlenden Eckpunkte und der damit verbundenen Untätigkeit der Szenemitglieder reicht es ja schon, wenn der Sänger einer Band Kajal benutzt und mindestens einmal „Darkness“ in den Text packt. Das war damals schon so unsinnig wie es das heute ist – und daraus entsteht das Chaos, was ich meine. Kein Ziel und keine Richtung!
Und wieder einmal gebe ich Death Disco recht :-) Ich finde Gothic und Industrial verbindet zumindest schonmal, dass sich beide Gruppen gemeinsame Bands teilen oder teilten. Ich weise da nur auf Depeche Mode hin, die im Synth und EBM-Bereich ebenso wichtig sind wie im Wave-Bereich. Letztlich ist Industrial ja gar keine eigene Szene, die sich um eine Musikrichtung schart, denn streng genommen ist sie das ja auch nicht, sondern eine Erschaffung von „industriellen“ Klangbildern, die tatsächlich nur Emotionen ausdrücken. Die kalte unangenehme Welt in Manchester beispielsweise, woher auch Joy Division kamen, die eigentlich auch das gleiche Ziel hatten: Krach machen und zur Welt „Fick dich“ sagen. Und Joy Division haben letztlich den offiziellen Grundstein für Goth-Rock gelegt. Ich finde, dass da durchaus ein Zusammenhang besteht – im weitesten Sinne zwischen Punk und Industrial. Für mich besteht im Gothic-Bereich (oder Industrial oder sonstwas) nur die Aussage, dass Kunst auch wehtun darf und nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen ist. Und Vulgärsprache gehört für mich einfach (trotz gehobener literarischer Vorbildung) dazu. Man muss nicht immer Goethe rezitieren, um musikalisch knackige Themen anzusprechen. Wobei ich manchen Samples und „Klängen“ auch eher den Finger in den Hals wünsche als sie selbst zu akzeptieren. Solange wir in der Szene keinen Gangster-Rap oder Musikantenstadl einführen bin ich glücklich.
Vielleicht hätte ich „Ich meine nicht die musikalischen Wurzeln“ groß und fett schreiben sollen. ;-)
Vielleicht hätte ich “Ich meine nicht die musikalischen Wurzeln” groß und fett schreiben sollen.
Allerdings gab es meines Erachtens nie eine eigene Industrial-Szene ( jedenfalls was die Hörerschaft anbelangt).
Also ich denke, dass man gerade aneinander vorbeidiskutiert. Es geht meiner Ansicht nach um die Szene als solche, nicht um die musikalischen Genre, die in der Szene zu finden sind.
Sabrina hat Recht, wenn sie sagt, das schon damals zwei Szenen aufgrund ihrer musikalischen Berührungspunkte vermischt wurden, die eigentlich nichts miteinander zu tun hatten. Gothic und EBM, ferner auch Industrial. Die Vermischung fand in Clubs und auf Veranstaltungen statt.
Die ursprüngliche Frage, ob Gothic kein Ziel und keine Richtung hat, ist meiner Ansicht nach NICHT in der Musik zu suchen. Es geht um das, was die musikalische Toleranz innerhalb der Gothic-Szene mitbrachte. Eine Verwässerung. Es strömte Szenen in die Gothic-Szene, die sich aufgrund von angeblichen musikalischen Paralleln dort gut aufgehoben fühlten.
Vielleicht liegt die Antwort eher im philosophischen Bereich. Mit musikalischen Fakten, welche Band wann und wo spielte, hat das nichts zu tun. Gab es überhaupt eine gemeinsame Idee von „Gothic“ abgesehen von der Musik und wie hat sich diese entwickelt?
Siehe Ian und Drowning Man.
Eine Industrial-Jugendszene gab es nicht in der Form, wie wir uns das vorstellen. Industrial war dafür zu klein, zu experimentell. Wenn man darüber las, dann in Punk-Magazinen, in denen zur selben Zeit auch frühe Goth- und Dark-Wave-Bands vorgestellt wurden. Diese Interaktion zwischen Punk, Wave und Industrial existierte von Beginn an und war prägend in der Entstehungsphase der Schwarzen Szene. Zumindest eingängigere (Post-)Industrial-Musik wurde auch von einem größeren Anteil der Szene favorisiert. Test Dept. und Foetus traten im Batcave auf. Experimentellere Sachen oder Ritual-Musik wurden zuhause im stillen Kämmerlein gehört.
Anfang der 90er wurde das sogar noch intensiviert. Da gab es diese Leute von Artware, die dafür spezielle Parties organisierten. Die Fanzines der Schwarzen Szene waren zu dieser Zeit voll mit (Post-)Industrial Music. Glasnost berichtete über Nekrophile Records aus Österreich, wo damals auch „The Secret Eye of L.A.Y.L.A.H.“ von Zero Kama erschien (angeblich mit Menschenknochen eingespielt). Doppelseitige Berichte über Cold Meat Industry und Co. folgten, NER/World Serpent und Neofolk waren auch mit von der Partie. Ich hab sogar noch die frühen A5-Ausgaben des Sigill-Magazins, als es noch nicht als Fascho-Blatt verschrien war. Dort war die Mischung ähnlich. Neben Project Pitchfork oder Silke Bischoff standen da gleich Plattenbesprechungen zu Söldnergeist oder Genocide Organ. Nichts war unmöglich. Ein anderes Magazin namens Aeterna war fast genauso gestaltet. Lustmørd hier, In My Rosary dort, dazwischen ’ne Platte von Corpus Delicti. Und das war keine deutsche Eigenart. Das Propaganda Magazine aus den USA war zwar breiter im Format, deckte sich aber teilweise mit dem Inhalt der europäischen Printmedien. Hier ein Bericht zu Rosetta Stone, einmal umgeblättert und es kam ein Laibach-Report. Diese Magazine spiegelten damals noch den Geschmack der Szene wider.
@ Sabrina: Ich möchte nochmal etwas zum Thema Ästhetik innerhalb der Szene sagen. Ich habe selbige immer schon als eine sehr ästhetikbezogene Subkultur wahrgenommen. Man putzt sich heraus, macht sich aufwändig zurecht, außerdem wird teilweise doch sehr auf das Aussehen der einzelnen Leute geachtet (auch dies ist ein ästhetischer Aspekt). Zudem haben viele Gothics einen Hang zum Künstlerischen, es gibt viele kreative Köpfe, Kreativschaffende, Schöngeister, Träumer…
Natürlich gibt es auch diejenigen, die wirklich sehr freizügig in die Disco gehen – nicht alles davon finde ich persönlich gut. Wenn jemand quasi grad mal die Unterwäsche am Körper trägt, finde ich das persönlich zB etwas arg einfallslos. Aber nicht gezwungenermaßen unästhetisch. Kommt darauf an, wer das nun trägt. An manchen sieht das wirklich absolut lächerlich aus… :D Auch können offenherzige Fetischoutfits wirklich sehr schön sein… Was mir da allerdings echt auf den Keks geht: Die ganzen Latextanten. Hier und da ist das ja mal ganz nett und es sieht ja auch oft schön aus. Aber die schwarzen Zines werden teilweise von Latex- und Fetischbildern allgemein zu sehr überschwemmt, man hat das Gefühl, es gehe bei Publikationen immer weiter in diese eine Richtung.
Zum Thema Tiefgründigkeit in der Lebensweise: „Und jetzt tanz, Schlampe!“ oder „Pong“ ist für mich eher Partymucke, man tanzt darauf und hat seinen Spaß. Wobei ich auch durchaus gern Elektronisches daheim höre. Ich bin der Meinung, daß der Spaß zum Leben dazugehören sollte. Man sollte nicht alles im Leben, auch im Bezug auf die schwarzen Szene, so arg bierernst nehmen. ;) Was nicht heißt, daß man damit automatisch nicht ernsthaft hinter seiner Gesinnung steht. Ich finde es zB wirklich schön, daß man bei uns tiefgründigere Gespräche führen kann und es nicht nur um banale Oberflächlichkeiten geht thematisch. Daß man sich friedlich unterhalten kann und sachlich. Ich habe durchaus auch melancholische Tage, an denen ich sehr viel grüble und über das Leben nachdenke oder Gedichte schreibe. Vom Wesen her habe ich sowohl sehr extravertierte Seiten sowie auch sehr introvertierte. An manchen Tagen bin ich total in Partylaune und stürze mich ins Getümmel, knüpfe neue Kontakte, an anderen Tagen ziehe ich mich eher zurück und melde mich teilweise wochenlang nicht bei meinen Freunden (weil ich manchmal ganz alleine mit mir glücklich bin und niemanden sonst um mich brauche).
Finde den Widerspruch. :D
Gerade diese ständige Reduzierung aufs Äußere Auftreten geht mir gewaltig auf die Nerven! Das geht soweit, dass Bands nach deren Outfit bewertet werden, nicht nach deren Musik. Das geht soweit, dass Menschen, die sich lieber gern schlicht und einfach kleiden, nicht akzeptiert werden. Wenn sich jemand aufwendig herausputzen will – bitte! – aber muss man das denn von jedem erwarten? Genau da liegt nämlich mein Hauptkritikpunkt – dass man die Oberflächligkeit von der normalen Gesellschaft übernommen und extremisiert hat. Mir geht das ziemlich gegen den Strich, muss ich sagen.
(Deswegen jetzt schonmal ne kleine Vorwarnung: ich werde nächstes Jahr auf dem Spontis-Treffen beim WGT weder geschminkt noch sonderlich auffällig erscheinen und damit wohl ein gewisses Understatement setzen, aber das muss ja auch sein…)
Gothic halte ich nicht für eine Idee. Für mich war das Ganze eine extreme, provokative, nebulöse Ausdrucksform, teilweise auch „okkult“ anmutend (obwohl das heutzutage gerne verneint wird). Allerdings wirkte diese Ausdrucksform am meisten in Bezug auf die entsprechende Zeit (und den damit einhergehenden gesellschaftlichen Zustand).
Im Grunde möchte ich eigentlich behaupten, dass die sogenannte „Szene“ aus dem Nicht-Erklären gewisser Dinge ihre Kraft bezog.
@Death Disco: Nichts für ungut, aber das lässt sich alles auf das gleiche Phänomen herunterbrechen. Verwässerung. Die Szene hat immer schon Musik gehört, die ihre gefallen hat. Das wir dadurch Nährboden für immer neue Szenen und Musikrichtungen geworden sind, liegt an unserer Haltung uns nicht zu wehren. Das Phänomen „Gothic-Szene“, dass hier diskutiert wird, lässt sich nicht mit musikalischen Fakten erklären.
@Melle Noire: Natürlich muss man alles nicht bierernst nehmen, Spaß gehört ebenso dazu. Aber der Unterschied zu manchen anderen Szenen ist, dass es nicht nur darauf reduziert. Musik, die auf Spaß, Tanzen und Selbstdarstellung ausgerichtet ist, passt nicht in „meine“ Szene. Auf einer Party, auf der ich mich bewegen, will ich sowas nicht hören. Es steht für mich sogar im Widerspruch. Wie kann ich ein tiefgründiges Gesprächen über Ängste, Emotionen, Gefühle oder Gedanken führen, während im Hintergrund jemand „Und jetzt tanz, Schlampe!“ ruft? Das geht für mich nicht zusammen.
Axel: Die Reduzierung auf das Äußere ist nicht Gothic. (Punkt!) Nicht in meiner Welt. Herausputzen, sich stylen und zurechtmachen gehört für mich zum persönlichen Wohlfühlfaktor. Ich möchte mich so geben, wie ich mich fühle. Dennoch reduziere ich niemanden darauf. Du bist in „meiner“ Szene ebenso willkommen. Vertausche nicht die aktuelle Realität der Oberflächlichkeit mit dem erwünschten Grundtenor der Szene. Der IST-Zustand ist Gegenstand dieser Diskussion, wir arbeiten daran, das herauszukristallisieren, was man als Ziel oder Richtung definieren könnte.
@Drowning Man: Genau darum geht es. Der Gothic will sich nicht erklären, er will seine Ruhe ;)
Damit steht Lacrimosa gleich an erster Stelle. Ein Tilo mit Jeans und T-Shirt hätte mit der Musik faule Tomaten geerntet. Das Outfit ist ein bedeutendes Identifikationsmerkmal von Szene und Musik. Das sollte man nicht vergessen.
Die Szene hat die Musik gehört, mit der sie entstanden ist. Im Vordergrund standen Wave (Goth-Gitarre bis Synth-Punk) und Industrial, zudem verwandte Sachen aus dem weiten Feld des Post-Punk, wie 2-Tone-Ska oder Psychobilly. Der rote Faden war also durchaus vorhanden, er lässt sich eben hauptsächlich über die Musik erkennen. Die Szene war in sich homogen und das spiegelte sich im Outfit wider.
Wenn man heute von Chaos spricht, kann ich das sehr gut nachvollziehen. Die Entwicklung dieses Chaos‘ datiere ich in die Mitte der 90er, mit dem Verfall der Wave-Kultur. Die Wave-Szene hatte Strukturen, genauso wie eine Skinhead-Szene samt Northern Soul und Ska-Musik.
DeathDisco:
Das Herr Väth aus solchen Bereichen kommt ist mir bewusst, hat er ja später mit der Nummer „Dein Schweiß“ nochmal Revue passieren lassen. ;)
@Robert: Natürlich ist das nicht Gothic. Da musst Du mir ja garnicht widersprechen. Aber leider ist das so, dass der IST-Zustand ein komplett anderer ist. Ich versuchs mal musikalisch festzumachen.
Indica wären da ein schönes Beispiel!
In Finnland gibts die Band seit nun 10 Jahren. Die haben an sich nix, niente, nada mit Gothic zu tun. Sie machen einfachen Pop-Rock mit kleinen textlich folkigen Einschlägen. Hier mal ein paar Beispiele:
http://www.youtube.com/watch?v=IVEfpYtBl0M
Was passierte bekanntlich vor 2 Jahren? Man wollte die hier in Europa als super neue „Gothic“-Sensation vermarkten. Das sah dann so aus:
http://www.youtube.com/watch?v=5fTq6UmhS80
Als langjähriger Fan der Band war ich GESCHOCKT was die aus dieser Band und der Musik gemacht haben (hier mal das finnische original: .
Davon abgesehen, dass es schwachsinning hoch 10 war (man merkte Jonsus Unsicherheit in jedem Interview an und auch der Band, dass die sich nicht frei und wohl fühlten) die als „Gothic“ zu verkaufen, hat es dahingehend funktioniert, dass alle möglichen Hörer drauf angesprungen sind, weil die ja so tolle Klamotten tragen. Haben die denn nicht auf die Musik gehört? Das die englischen Versionen extrem unharmonisch produziert, der Gesang unsicher wie sonst was klingt? Sind die nicht mal auf die Idee gekommen sich mal die finnischen Originalsongs anzuhören?
(Davon ab: es kommt doch auch niemand auf die Idee Bon Jovi schwarz anzuziehen und als „Gothic“ zu vermarkten)
Anderes Beispiel: das wunderbare Projekt Ebenbild. Die machen so wunderbare schwarzromantische Instrumentalmusik. Mit Gitarre und Klavier und alles richtig virtuos vorgetragen. Live sind die beiden absolute Spitzenklasse und bereichern jede Blaue Stunde oder jedes Gothic Christ wo die auftreten. Nur, leider sehen sie nicht aus wie typische Gothicmusiker. Und das macht es den beiden schwer in dieser Szene Fuß zu fassen. Denen wird immer mal wieder gesagt: „aber ihr seht nicht so aus wie ne Gothicband“.
Ein anderes hervorragendes Beispiel wäre auch Paul Roland. Ebenfalls ein Typ der sehr unscheinbar ausschaut, eher wie der typische UK Indie Künstler. Auch wenn er sich selber nicht als Teil irgendeiner Szene fühlt, so ist diese Musik, die er macht in meinen Augen gothischer als das was hier im Mainstream in den letzten 10 Jahren so veröffentlicht wird. Beispiele:
http://www.youtube.com/watch?v=nIIpAFEHXJc
http://www.youtube.com/watch?v=jRjN8cP7voo
http://www.youtube.com/watch?v=0YrjfGIWX-w
Aber auch er hatte, bis auf den Nosferatu-Song, immer Probleme in dieser Szene irgendwie wahr genommen zu werden. Dabei sind die Themen die er hat geradezu wie geschaffen. Und auch wenn er musikalisch viele Folk oder Garage und Psych Elemente hat, dass ein bekannter englischer Musikjournalist ihr mal liebevoll „Godfather of Goth“ genannt hat, kommt nicht von ungefähr, wenn man sich beispielsweise auch mal seine frühen Werke anhört:
http://www.youtube.com/watch?v=JdAWVJ8A2FU
Frage mal einen typischen Goth was seiner Meinung nach einen „Gothic-Künstler“ ausmacht. In sehr vielen Fällen wird nicht etwa die Musik genannt, sondern das Styling und die Art wie sich der Künstler inszeniert. Auch wenn ich und Du das für falsch empfinden, leider ist dies so. Und Bands / Musiker, die sich diesen Dresscode nich unterwerfen wollen, haben es ungleich schwieriger in diesem Bereich wahrgenommen zu werden. Weil, leider, auch dahingehend ein Tunnelblick vorherrscht. Häufig kommt es vor, dass ich von „Goths“ ausgelacht oder beschimpft werde, wenn ich sage, das ich sehr viel Pop, Alternative oder Singer/Songwriter-Musik höre. Ich hatte mal eine Internetradiosendung gehabt bei einem Gothic-Sender. Da habe ich einfach mal frei die Musik gespielt die mir gefällt. Da waren viele ausländische Gothic-Bands wie Virgin Black und Closterkeller, sehr düstere Singer/Songwriter Geschichten wie Andrea Schroeder oder Shino und solche Dinge dabei. Du kannst Dir garnicht vorstellen wie sehr ich beschimpft wurde seitens der Hörer, weil ich nicht den üblichen Blutengel/Untoten/ASP Wünschen nachgegangen bin. Nach 3 Ausgaben habe ich das Projekt zum Bedauern der anderen Mods und des Admins des Senders abgebrochen, weil es nix gebracht hat.
Deswegen würde ich auch nicht sagen, dass Gothics offen für neue musikalische Impulse sind, sondern das viele eher einen Tunnelblick haben. Viele konsumieren lieber was ihnen Labels und „etablierte“ „Szene“-Medien vorkauen. „Denn die sind ja objektiv“ (O-Ton eines Hörers des besagten Internetradiosenders).
Also meine Erfahrungen sind eher so, dass die typischen Goths ziemlich engstirnig und alles andere als offen sind. Deswegen bin ich ja auch so glücklich, dass es auch noch einen anderen Kern gibt.
@ Axel: Mir geht es auch auf den Geist, daß viele zu sehr nach dem Äußeren schauen. Aber dies ist Bestandteil des Ästhetikempfindens innerhalb der schwarzen Szene. Das kann man nicht leugnen. In meiner Welt gibt es auch nicht nur Leute, die sich total aufbrezeln, ich habe auch nichtschwarze Freunde usw… Mein bester Freund zB hat mit Gothic nix am Hut, ist der totale Technik- und Computerfreak, total sportfanatisch und dazu noch gläubiger Christ. LOL :D Wichtig ist nur eines: Daß man sich auf menschlicher Ebene versteht!
@ Robert: Wenn ich mich mit jemandem unterhalte,ist es ganz egal, welche Musik gerade im Hintergrund läuft. Denn diese kann ich sehr gut ausblenden, wenn ich mich gerade auf ein Gespräch konzentriere. :)
Und dann findet die so gern, zum Beispiel auf Schwarzes Glück seitenweise, propagierte Individualität ein jähes ende, wenn man vielleicht ein etwas anderes, oder auch mehrere Ästhetikempfinden hat. Und genau in diesem Punkt unterscheidet sich das Gros der schwarzen Szene nicht im geringsten von der normalen Gesellschaft.
Meine Güte, ihr seid ja fleißig hier… ;-)
Dann will ich mal, zunächst an Death Disco:
Jein. Auf der einen Seite brauche ich tatsächlich keine politische Aufladung der Szene, zumal so etwas selbst mit besten Absichten in die völlig falsche Richtung gehen kann (dazu äußerte ich mich hier ja schon oft genug). Auf der anderen Seite sollte „Wir sind unpolitisch!“ aber keine Entschuldigung für die Toleranz extremer Ansichten sein – außerdem finde ich, dass eine Subkultur immer ein Stück weit politisch sein sollte, und sei es nur im Sinne einer Unterstützung einer liberaleren und offeneren Gesellschaft (ansonsten führt man sich selbst ein wenig ad absurdum).
Vielleicht muss man dann, wie die beiden, einfach den umgekehrten Weg gehen (sprich, die Musik kommt später dazu) ;-) Zumindest, wenn ich die grobe Bandgeschichte noch richtig in Erinnerung habe.
Dann mal zur größeren Thematik wie welche Musik woher kommt, was sich vor allem auf das nachfolgende Zitat von Sabrina sowie die Ausführungen von Death Disco & Co. bezieht:
Ich denke, es gibt mehrere Methoden, wie, um es mal neutral zu formulieren, neue Dinge zur Szene hinzufinden. Der von Death Disco beschriebene Weg ist wohl der umfassendste: Musiker beeinflussen sich gegenseitig oder probieren sich in mehreren Genres (wie z. B. Wave / Industrial) und gleichzeitig gibt es Überschneidungen in der Hörerschaft. Nicht unbedingt in der Art, wie sich Künstler und z. T. Fans geben, aber mal ernsthaft: Wenn ich mich auf ein jeweiliges Konzert begebe (was mir persönlich mehr gefällt als ein Club), weiß ich ja ungefähr, was mich erwartet und kann mich dementsprechend „vorbereiten“ bzw. verhalte mich da auch entsprechend. Es ist ja auch ein ganz anderes Ambiente: Bei einem Neokassik- oder Neofolkkonzert wird der Konzertsaal eventuell bestuhlt sein (kommt darauf an, ob es ruhigere Vertreter des Neofolk oder mehr in Richtung Martial Industrial Gehende sind) und man freut sich darauf, Musik genießen zu können. Bei Industrial- (oder in meinem Fall Metal-)Konzerten dagegen ist das „Abrocken“ (kann man das auch für Erstgenannte verwenden?) integraler Bestandteil des Konzerts.
Ich sehe es aber absolut nicht so, dass man deswegen eine völlig getrennte Hörerschaft haben muss. Es kommt vermutlich darauf an, wie sehr man in einem Genre „drinsteckt“.
Das ist auch meine Erklärung, wie diese verschiedenen Aspekte, die man jetzt „in einen Pott schmeißt“, auf den dann „Schwarze Szene“ geschrieben wird, zusammenkommen. Es ist im Prinzip kein anderes Verfahren als das, das schon Industrial mit Wave verbunden hat, nur in unterschiedlichen Ausprägungen. Mal sind es mehr die Hörer, mal mehr die Musiker, die Genres und Grenzen überschreiten. Und ich möchte das grundsätzlich erst einmal völlig wertneutral betrachten, es passiert eben: Überschneidungen von Techno und der Szene (was dann Hellectro ist, oder so), Überschneidungen mit Metal an gleich mehreren Punkten (neben dem offensichtlichen Gothic Metal z. B. zwischen Dark Ambient und Black Metal) sowie Überschneidungen mit Folk (was dann Elektrofolk oder andere Mischungen zur Folge haben kann). Nicht alles ist dem Kern der Sache gleich nah, manche Überschneidungen sind auch transitiv. In welche Richtung und was nun näher ist, darüber kann man sich gerne streiten. Auch darüber, ob jede Kombination so sinnvoll ist und überhaupt noch dazu gezählt werden sollte (ich persönlich würde da bei Hellectro gern widersprechen, andere sehen vermutlich Metal oder Folk nicht so gern in der Nähe des Gothic). Das kann dann wieder über die Schiene Musik oder eben über die Hörerschaft erfolgen. Falls ich es z. B. noch mal zum WGT schaffen sollte, würde ich mich sehr über nicht vorhandene Horden an grölenden und saufenden Metallern freuen – was aber gar nichts daran ändert, dass ich mir durchaus gern auf Metal-Konzerte gehe (nur halt nicht gerade nach Wacken…).
Das ist für mich – zumindest so ohne Weiteres – erst mal eine völlig natürliche Entwicklung, sowohl, wenn sie vonseiten der Musiker ausgeht, als auch, wenn sich Hörer finden, die z. B. ganz gerne Goth Rock hören, es aber gerne auch etwas härter mögen (oder Waver, die Industrial hören). Das kommt dann auf den ganz persönlichen Musikgeschmack an, und je nachdem ist man dann auch der Gothic-Szene näher oder nicht – neben einigen anderen Faktoren. Ich will da aber keine „objektiven“ Kriterien einführen oder ein „Deutschland sucht den Supergoth“ draus machen; da müsste ich mir selbst ja ein eher schlechtes Zeugnis ausstellen ;) Es geht mir nur darum, dass diese Entwicklung, die ich ja schon ansprach, meiner Meinung nach recht natürlich daherkommt. Übrigens auch alle Entwicklungen hin zu einem gewissen Mainstream, der je nach Betrachtungsweise wohl sogar außerhalb der eigentlichen Szenemusik liegt.
Ob man das dann als Chaos bezeichnen muss? Zumindest hat sich alles durch die oben beschriebene Entwicklung so weit diversifiziert, dass ich Sabrina in einem völlig recht gebe: Es dürfte ohne Weiteres möglich sein, sich selbst als Goths bezeichnende Menschen zu finden, die man musikalisch (oder vielleicht auch in Sachen böses L-Wort) kaum zueinander bringen könnte. Was natürlich, um eine Subkultur zu beschreiben oder anzusprechen, nicht sonderlich praktisch ist.
Was man da tun kann? Ich weiß es nicht. Vielleicht sollte man sich von der „Schwarzen Szene“ und sogar „Gothic“ als Begriffe lösen und der Diversifizierung Rechnung tragen. Dass die Teilbereiche alle kleinere oder größere Überschneidungen haben, merkt man dann ja immer noch. Ich meine, hätten die Hippies 30 Jahre prosperiert, gäbe es da doch sicherlich auch unzählige Strömungen und man könnte kaum noch von einer Subkultur sprechen.
Zuletzt zu diesem Thema: Ich weiß ja nicht, wie das bei euch so ist, aber ich kann mir schlecht vorstellen, dass es allzu viele Leute gibt, deren Interessen vollständig innerhalb dessen liegen, was man im engeren Sinne zur Gothic-Szene zählen kann (was auch immer der engere Sinn von etwas schwer Definierbarem ist). Ich persönlich bin ja eh mehr ein Halb-Gote (was Musikgeschmack und auch einige andere Dinge angeht), von daher kann ich das vielleicht auch nicht so sehr beurteilen… ;-) Nur meine ich, dass es mehr darauf ankommt, eine gewisse Schnittmenge der Interessen zu teilen, die auch andere Leute haben als genau das eine und das andere, aber auf keinen Fall ein drittes Interessengebiet. Dieser Blog ist ein gutes Beispiel, hier finden ja auch viele doch recht unterschiedliche Leute zusammen, die eben doch genug gemeinsame Interessen teilen, um darüber diskutieren zu können.
Okay, danke für die Aufklärung, das hab ich dann wohl falsch verstanden. Da stimme ich dir zu, das finde ich auch nicht besonders sinnvoll. Man kann Symbole ja auch einfach mal ohne tiefere Symbolik nutzen. Zum Rest hab ich weiter oben ja ein wenig was geschrieben ;-)
Ich finde das, was ihr schreibt, sehr interessant. Jedes einzelne Kommentar wäre einen eigenen Artikel wert, wenn wir über Musik diskutieren würden.
Ich würde mir (und Sabrina schließt sich sicherlich an) wünschen, wenn ihr mehr über euer Gefühl sprecht, was die Ziele der Gothic-Bewegung oder die Intention der eigenen Zugehörigkeit angeht. Was verbindet Ihr, außer der Musik, noch mit Gothic? Gibt es etwas, was ihr erreichen wollt, ein Ziel oder einer Richtung, die für euch erstrebenswert wäre?
Primär verbinde ich die Farbe Schwarz damit. Und ein Gefühl des „Hier bin ich Zuhause“. Ich muss mich nicht verstellen, ich darf sein, wer ich bin. Und ich fühle mich wohl dabei.
Ich erwische mich oft, dass ich auch gerne mal behaupte, es sei ein Lebensgefühl, wenn ich von anderen gefragt werde, warum ich denn zum Schwarzvolk gehöre. Mittlerweile drehe ich den Spieß um und frage, warum der- oder diejenige denn „normal“, HipHoper, Metaller oder was auch immer sei. Darauf wissen die ebenso gut eine Antwort wie ich auf die analoge Frage.
„Warum trägst du jeden Tag schwarz?“ – „Gegenfrage: warum trägst du gerne Jeashose und Hemd?“
Ich rechtfertige mich nicht mehr, warum ich so bin, wie ich bin. Ich trage schwarz, weil ich es mag. Weil es mir gefällt. Will ich damit ausdrücken, dass die Welt in ihren Grundtiefen schlecht und verachtenswert ist? Dass ich mich nach dem Tode sehne? Dass ich nachts auf Friedhöfe schleiche und schwarze Katzen opfere? Hineininterpretieren kann ich immer was – aber der Grund ist viel naheliegender: weil ich es mag.
Warum sind Pasta dein Lieblingsgericht? Warum genießt man die wärmende Sonne im Gesicht? Warum riecht man gerne diesen, aber nicht jenen Duft?
Geschmack ist meiner Meinung nach nicht hinterfragbar.
Möchte ich was erreichen? Möchte ich die Szene ändern?
Nein – andere Leutchen dürfen gerne ihre Suppe nach eigenem Geschmack kochen und würzen. Wenn mir etwas nicht gefällt, muss ich es nicht konsumieren. Ich muss nicht jeden Trend mitmachen und zu jedem Lied auf der Party tanzen. „Ist mir doch egal.“ ist ein herrliches aber auch zerstörendes Weltbild. Dennoch lebe ich zumindest in diesem Punkt sehr gut damit. Damit möchte ich nicht zum Ausdruck bringen, dass mir prinzipiell alles egal ist. Es betrifft gerade wirklich nur die Sub- und Subsub- und subsubsubkulturen ;)
Für mich selber verfolge ich schlicht und einfach den Weg und das Ziel, meine eigene Mitte zu finden. Mich wohl zu fühlen, mit mir selber im Reinen zu sein. Und die schwarze Szene trägt einfach dazu bei. Das Leben ist sowieso doch schon hart aber unfair – da muss ich doch nicht auch noch im Stillen mit mir und gegen mich selber kämpfen (wäre auch ziemlich unspannend – die Kräfte sind da gleich verteilt).
„Gothic“ im Sinne von „Schwarze Szene heute“ ist doch lediglich ein weiteres Angebot unserer Spaßgesellschaft. Zu Hause fühle ich mich dort eher selten. Das was in der Summe heute als “schwarze Szene” unterwegs ist, ist doch letztlich nur das Ergebnis von Stempeln, die sich ein Markt selbst aufgedrückt hat, um unwirtschaftliche Lücken gewinnträchtig zu füllen… marktwirtschaftlich betrachtet perfekt gelungen und Müller und Meier freut es, abseits eines grauen Alltags ein wenig Aufsehen erregen zu können und stolzen Hauptes das eigene Ego zu streicheln. Wo sind denn aber die Köpfe, die über all das nur lachen können? Dieser Kessel Buntes ist für mich in der Summe pure Satire. In welche Richtung sich dieser Zirkus weiter entwickelt, ist für mich daher von eher geringem Interesse. Ich bewahre mir meine Dunkelheit und teile sie mit Menschen, die ähnliche Ambitionen haben. Ob nun „Gothic“ oder nicht.
In den meisten Clubs fühle ich mich auch nicht heimisch, wohl aber in dem Teil der Szene, in dem ich mich bevorzugt und gerne bewege. Und der hat mit der illustren Partygesellschaft wenig gemein. Aber was der exakte Kern dieser Splittergruppe ist, das vermag ich nicht in passende Worte kleiden. Es ist einfach ein: „So sind wir einfach.“
Klar, Du wirst schon wissen, was typisch Goth ist…
Dann versuch’s halt in der Metal-Szene. Die sind gleich noch ’ne Nummer engstirniger. Die können dabei sogar so richtig „Battlen“. Mit irgendwelchen Trällertanten brauchst Du dort erst gar nicht aufzutauchen. Was nicht klingt wie Holy Moses, Arch Enemy oder Gallhammer, fällt bei denen unten durch wie im Plumpsklo.
Ich kann Dir da nicht ganz folgen. Ansichten soll man nicht tolerieren? Was kümmern mich die Ansichten anderer Leute? Die dürfen so viel denken und fühlen, wie sie wollen. Wenn jemand die gesamte Menschheit zum Teufel wünscht, kann ich auch damit leben.
Ich trenne hier immer noch zwischen Geschmack und Zugehörigkeit. Ich kann mir auch ’ne Reggae-Platte geben und sie toll finden. Vielleicht entspricht sie meinem Geschmack. Nur schwärzer und gotischer wird sie dadurch auch nicht. Die Überschneidungen, die Du ansprichst, sind meines Erachtens zu minimal, um irgendwelche Veränderungen hervorzurufen. Es mag Überschneidungen zwischen Dark Ambient und Black Metal geben. Welchen Stand hat aber schon Black Ambient à la Vinterriket in der Schwarzen Szene? Das kennt so gut wie kein Mensch. Auch würde ich den Einfluss des Metal auf den Goth-Bereich nicht überbewerten (zumindest gab es keine Scharen von Goth-Bands, die Metal-Elemente integrierten. Bands wie Dreadful Shadows und Love Like Blood waren da deutlich in der Minderheit). Vielmehr ist es doch so, dass die aktuelle Szene ein Resultat gezielter Fehlvermarktung ist. Seit der zweiten Hälfte der 90er hatte man diese Szene einfach nur künstlich aufgeblasen, weil eine Minderheit glaubte, darin Pop, Metal oder Techno etablieren zu müssen. Dieser Punkt wurde aber schon bis zum Erbrechen ausdiskutiert.
Damit kannst Du leben, bis sie Dich damit sterben lassen … Tolerieren heißt Erdulden, und erdulden sollte man in der Tat eine ganze Menge an anderen und fremdartigen Einstellungen. Nicht erdulden sollte man jene, die anderen – also letzendlich auch UNS! – ihre Lebens- und Sichtweise vorschreiben wollen. Das fängt durchaus schon diesseits von Rechts- und Linksextrem an (um einen Kommentar weiter oben nur kurz aufzugreifen: ich bin nicht nur Antifaschist, sondern auch Antikommunist, nur hat die schwarze Szene derzeit kein Problem mit ihrem „linken“ Ende). Wir brauchen und üben Toleranz, daher sollten wir sie auch fordern. Das sehe ich bereits als „politisch“ an. Wir formen damit eine Gesellschaft mit, auf die wir angewiesen sind. Sich dieser Einsicht zu verweigern, heißt Scheuklappen aufzusetzen. Und das ist nun wirklich nicht „gothic“ …
Dabei wollte ich gar keine Politik-Diskussion lostreten, und diese Frage liegt sicher nicht an der schwarzen Wurzel, aber es ist, denke ich, ein Blatt, das wir brauchen.
„Gothic“ heißt für mich, einen Schutzraum für meine melancholisch-romantische Weltsicht zu haben, eine Raum zum Wohlfühlen ohne „Fröhlichkeitszwang“, zum Träumen … Damit blende ich selbst eine ganze Menge Alltag und Gesellschaft(spolitik …) aus (und damit trifft mich meine oben geäußerte Kritik selber). Es ist ein Abtauchen in eine Welt, in der eher Stimmung als Konkretheit wichtig ist, damit aber auch das beste Mittel, Stimmungen zu transportieren: die Musik. Musik schafft es, am Verstand vorbei zu unseren Gefühlen vorzudringen. Das ist ihr wunderbares und zu zugleich erschreckendes Potenzial. Ohne Musikstile kann ich daher „Gothic“ einfach nicht definieren, (überindividuell) verständliche WORTE vermag ich nicht zu finden.
Von den Wurzeln haben wir uns weit entfernt, wir sind andere (selbst jene, die von Anfang an dabei waren, sind andere geworden), und wir leben in einer anderen Welt. Die (auch musikalische) Sprache von damals gilt nicht mehr, sie wird nicht mehr gelebt, nur noch retrospektiv interpretiert. Die Szene von der Wurzel her zu interpretieren, kann damit nicht mehr funktionieren. Wir müssen mit den Blättern und Blüten leben (hoffend, daß manche gedeihen und andere nicht …), aber selber Grenzen einziehen und zu definieren, was zu uns gehört und was nicht, das funktioniert nicht (wie schon diese Diskussion zeigt). Anders wäre es beruhigender …
Wir können uns diese „Szene“ nur selber geben. („Geben“ ist aktiv …)
(Danke an Axel für die Musiktipps – ich habe mich gerade durch „Ebenbild“ gehört)
Ja, das finde ich auch. Allerdings glaube ich, dass sich nur der Großteil der heutigen Szene von der Musik der Altszene entfremdet hat. Es gibt nach wie vor Leute, die das alte für wesentlich wichtig erachten. Das sehe zum Beispiel ich so und das sehen eine ganze Menge andere auch so. Nur: Eines darf nicht überwiegen. Ich versuche mir eine Balance aus Alt und Neu zu schaffen, damit für mich alles Aktualität und Gefallen behält. Außerdem heißt Gothic für mich nicht nur melancholisch-verträumt sonder sogar auch Gutelaune-Stimmung. In eben meiner Nische.
@Ian: Ich dachte dabei eher an diverse Eisblümchen und Unheilige und natürlich an chart-orientierte Klänge, wie sie Pohlemann und Co. fabrizieren.
Tut mir leid, aber das halte ich für unsinnig. Dass eine derartige Gefahr von der Schwarzen Szene ausgeht, gehört ins Reich der Mythen.
Ich kann die Ansichten anderer nicht verbieten. Hier fängt die Gleichschaltung schon an. Solange sie damit keine Politik betreiben, ist mir ihre Denkweise völlig Wumpe.
Danke für den Lateinkurs, aber ich denke, wir wissen alle, was es bedeutet…
Eben. Darum muss ich alle Ansichten tolerieren, ganz egal, wie abstrus sie mir erscheinen. Du bewegst Dich nämlich auf demselben Pfad, den Du zuvor noch kritisiert hattest.
Die Blüten und Blätter wurden zum Teil angeklebt. Sie erscheinen mir äußerst welk und hässlich – müssen sie ja, da keine Ernährung aus dem Kern erfolgt. Es ist an der Zeit, das Bäumchen mal kräftig zu schütteln, damit das welke Zeug abfällt und die Triebe sichtbar werden. ;-)
Naja, solange es Leute gibt, denen Eisblümchen und Co. gefallen, ist es doch auch egal. Ich selbst höre das Zeugs ab und an, bezeichne es aber nie und nimmer als „Gothic“, das bin ich mir schon bewusst. Aber eher bezeichne ich diesen Gruftie-Pop als Gothic als dass ich so etwas als „Wave“ bezeichnen würde. Für mich kann alles pseudodüstere wie Unheilig oder Blutengel „Gothic“ sein. Aber nie und nimmer Wave. So viel Vorwissen besitze ich auch. Aber wie du schon sagst, es sind angeklebte Blüten. Deshalb finde ich es gut, wenn es so viele verschiedene Floors gibt, in denen jeder seine Richtung ausleben kann.
Wie bewusst ist das aber den anderen? Daran mangelt es doch. Szenewachstum durch musikbezogene Fehlinterpretationen, zu (großen?) Teilen forciert durch Printmedien, Labels und „Szenemacher“.
Wenn Axel mit seinen Virgin Black daherkommt und sie wiederholt als Gothic-Band tituliert, dann muss man sich schon fragen, was da schief gelaufen ist. Und sich anschließend darüber beschweren, dass ein Teil des Schwarzvolks diese Musik nicht hören will. Wen wundert’s. Schwere Doom-Metal-Gitarren, Growling und weiblicher Operngesang, als würde man My Dying Bride mit alten The 3rd & The Mortal kombinieren. Logisch, dass ich Untoten den Vorrang lasse (in den 90ern brachten die durchaus passable Alben auf den Markt, von denen „Nekropolis“ das beste gewesen sein dürfte).
Im Übrigen stelle ich gerade bei meiner eigenen Generation fest: Düster muss es sein. Harrrrt muss es sein. Für mich WAR das vielleicht mal der Gedanke, als ich mit dem Schwarzsein angefangen habe. Aber es ist für mich mittlerweile ein meilenweiter Unterschied zwischen einer SCHWARZEN Einstellung (die wesentlich mehr ein Ausgleich zwischen Gute- und Schlechte-Laune ist) als das, was manche als SCHWARZE Musik bezeichnen.
So viele Leute, die ich kenne, könnten bessere Black Metaller sein als Grufties. Gruftie-sein ist alles andere als finster und pseudo-intellektuell, wie manche es gerne hätten. Grufties dürfen lachen. Und dürfen szenefremde Mukke hören. Aber bitte nicht alles, was konsumiert wird, als potentielle Gothic-Mukke bezeichnen. Ich mag auch Soap&Skin und Lykke Li. Aber das ist kein Gothic, auch wenn manche Käseblätter das als solches bezeichnen. Genauso wenig wie auch Joy Division Gothic ist. Das ist düstere Indie-Punk-Musik, die anderen Bands eine Art Grundstein boten. Ich finde den Begriff Gothic einfach schlimm, weil er so viele unterschiedliche Felder in einen Topf schmeißt und so vieles, was vielleicht mal etwas eigenständiges hätte werden können, einfach zusammenknetet. Da ist die Optik dann entscheidend. Wenn Lacrimosa rumlaufen würden, als wären sie irgendwelche BWL-Studenten würde die schwarze Masse nach Tomaten greifen. Würden Rammstein & Eisbrecher nicht einen auf dicke Hose mit schwarzem Kajal machen, würde kein Spatz nach ihnen krähen. Und dennoch höre auch ich ab und an ein paar Sachen von ihnen, weil ich zugebe, auch von Zeit zu Zeit auf dieses Kommerz-Karusell auf zu springen. Trotzdem ist es doch nicht zu viel verlangt, einmal Wikipedia oder Lastfm anzuklicken und festzustellen, dass genannte Bands nix mit Gothic zu tun haben. Da fühlen sich dann manche wieder persönlich angegriffen oder gar verletzt. Wenn alle DJs nur noch Wave und Gothic spielen würden, wären die Diskos leer… zu langweilig, zu lahm. Letztes Wochenende erst wieder erlebt. Dennoch die bessere Alternative zu elektronischem Steinzeit-Gerumpel. Wenn ich tolles, gruftiges Gerumpel hören will, kann ich mir auch das Intro und Outtro von „Bela Lugosi’s Dead“ geben. Das ist Gothic :-) (P.S.: Ich finde Unheilig erst gut, seit sie weichgespühlte Pop-Musik machen. Diese brachialen Schlager-Texte vorher fand ich öde. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur ein schlechter Gruftie :-) )
Seltsame Parties auf die du da gehst….kann ich nämlich überhaupt nicht bestätigen. Öhm…“Zu langweilig, zu lahm“ ???
Ich will die ganze Leier auch nicht wieder durchkauen, ich finde die ganze Entwicklung der letzten 10-15 Jahre furchtbar. Gründe wurden hier schon genug genannt. Ergo, die beiden größten Fehlentwicklungen sind der vergewaltigte Begriff Industrial und die Tatsache, das Gothic heute mit Blutengel, Unheilig und ASP assoziiert wird. Für mich ist der Begriff einfach durch. Er hat seinen ursprünglichen Gedanken völlig verloren und man muss dann eben weiterdenken. Es gibt da draußen so viele „neue“ gute Bands und Künstler…The Soft Moon, Exploding Boy, Miserylab, Angels of Liberty, Horror Vacui, Animal Bodies, Martial Canterel, Les Yeux Sans Visage, Human Tetris, Götterdämmerung, Die Angst etc etc etc….um nur mal ein paar zu nennen, welche näher an dem eigentlichen Begriff dran sind als es Suicide Commando, Eisenfunk, Eisbrecher und Unheilig je waren. Wobei ich zugeben muss, das jene Aussage gerade etwas schwammig und wenig detailliert formuliert ist, aber ich denke im Kern, weiß man, wie ich das meine….Demnach, nichts für ungut. Wollte bloß meine paar Fußnägel mit dazu geben ;)
Btw. finde es schön, dass hier sowohl junge als auch alte Hasen vernünftig ihre Ansichten abgeben. :)
Chris Juracid: Danke für die Tipps. In Karlsruhe gibt es halt leider keine reinen Wave-Partys. Da muss man schon mit Veranstaltungen mit mehreren Floors zufrieden sein. Und eben der Wave und Indie-Floor hat außer mir und ca. sechs anderen über den ganzen Abend lang niemanden zu Gesicht gehabt. Da bin ich schwer am Überlegen, ob man vielleicht lieber Partys im privaten Rahmen veranstalten sollte, da echter „Gothic“ dort leider nicht mehr gefragt ist. Zumindest ist meine Ecke eine ziemliche Wüste, was das betrifft. Es gibt zwar eine Menge Schwarzkittel, die sich allesamt Grufties nennen und auch kleidungstechnisch der alten Zeit nachempfinden, aber allein an der Musik, die hauptsächlich gespielt wird, kann man erkennen, wie fremd einem das ganze doch ist. Ich bin zwar einer der Jungen und höre wie gesagt auch genannte Faschings-Bands, aber trotzdem würde ich mir mehr „Oldschool“-Mukke oder eben das, was du aufgezählt hast, auf regulären schwarzen Partys hören. Nicht einseitig „Oldschool“, ich will ja die anderen auch nicht verdrängen, aber dass sich halt wenigstens jeder angesprochen fühlt. Zum Thema Eisbrecher: Da ist mir so etwas schon wesentlich lieber als auf einer SCHWARZEN Party BÖHSE ONKELZ laufen zu lassen. Entschuldigung, dann bitte lieber Blutengel die ganze Nacht lang.
Was heutzutage alles mit dem Etikett „Gothic“ versehen wird, hat keine gemeinsame Basis. Ich meine mich zu erinnern, dass dies auch schon einmal anders war. Zumindest schien eine Mehrheit die Musik und die Suche nach einem Gegenpol zur bunten Spaßgesellschaft zu verbinden. Ohne gemeinsame Basis kann es auch keine Richtung geben. Vielleicht sollte man sich einfach von dem mittlerweile beliebig gewordenen Begriff „Gothic“ verabschieden…
Eigentlich hätte man das Wort nie verwenden dürfen. Schon die Waver in den 80ern sträubten sich gegen die Bezeichnung Gothic. The Cure, Sisters Of Mercy & Co. wollten einfach nur Wave und Post-Punk machen. Das, was man heute als Gothic versteht ist für mich sowas wie Goethes Erben, und selbst die machten später einen Crossover hin zu Metal. Gut zu hören auf dem Album auf dem auch „Glasgarten“ ist. Alles schöne Musik. Aber lasst das „Gothic“ weg und nennt es „schwarz“. Dann werden zumindest die Cyber als erste verschwinden. Wir streiten hier nicht über Grundsätze sondern über Fakten. Schwarz ist schwarz und Gothic ist schwarz. Aber nicht alles, was bunt ist, ist gleich normal. Für mich ist Xmal Deutschland Gothic. Fertich :-)
Bezüglich der Frage Roberts möchte ich mich zu wesentlichen Teilen Scyllarus anschließen:
Was die Ziele und die Richtung angeht: Ich glaube, vorrangigstes Ziel sollte es sein, von dem Begriff „Gothic“ wegzukommen. Lasst die Blutengel-Fans den Begriff weiter benutzen, dann sind sie glücklich, und nehmt mehrere neue, um der diversifizierten Gegenwart gerecht zu werden. Sowohl auf musikalischer, als auch auf inhaltlicher Ebene. Wobei ich das Gefühl habe, dass das de facto sowieso schon passiert, man nimmt eben nur aus Gewohnheit die alten Begriffe noch mit.
Ich sehe gerade, Marcus und Ian haben zwischenzeitlich das gleiche geschrieben, also bin ich da nicht der einzige, der mit dem Begriff nicht so richtig viel anfangen kann…
Da kommt’s aber auch drauf an, welche Metaller du fragst, schließlich gibt’s da auch solche und solche ;-) Vom Hatebreed-/Korn-Hörer (der sich dann vermutlich total alternativ fühlt, weil immerhin sind die ja nur selten in den Charts) bis zum Schwarzmetaller, der nichts hört, was außer ihm mehr als fünf Leuten gefällt. In Sachen Engstirnigkeit sind Letztere wohl die schlimmste Gruppe, was dem Genre nicht gerade geholfen hat. Und wenn sie dann für sich in Anspruch nehmen, zu bestimmen, was „trve“ ist und was nicht, bitteschön, sollen sie machen. Muss mich ja nicht interessieren…
Das funktioniert vielleicht, wenn man alleine im Wald lebt und sich nicht um die Zivilisation kümmert. So lange man aber noch stark in die Gesellschaft eingebunden ist (stärker, als es vielleicht so manchem recht ist), sollte einen schon kümmern, was die Umwelt so veranstaltet. Wobei Ansichten hier in der Tat der falsche Ansatzpunkt sind – was ein Mensch denkt, kann (und will) ich schließlich nicht wissen. Gedankenverbrechen gibt es auch noch nicht. Es wird also erst beim Handeln kritisch, und spätestens das sollte einen schon interessieren. Aber gut, das sagst du mit dem Satz „Solange sie damit keine Politik betreiben, ist mir ihre Denkweise völlig Wumpe.“ ja selbst.
Das heißt also, entweder sind die Bands zu unbekannt, um Einfluss zu haben, oder zu bekannt, und der Einfluss ist deshalb ein künstlicher? Was ist dann der richtige Bekanntheitsgrad? :>
Die beiden Sätze sind nicht ganz ernst gemeint, zumal ich das künstliche Aufblasen ja schon dann vor Augen geführt bekomme, wenn ich bspw. bei Infrarot etwas bestelle und etwas belustigt durch den beigelegten Werbeflyer blättere… Wie viele Leute nun Vinterriket (oder Summoning) kennen, keine Ahnung. Ist aber in dem Fall auch egal, Robert hat in seiner Metapher ja nicht gefordert, dass die Blätter Einfluss auf den Stamm nehmen.
Andererseits sind die Sätze oben teilweise schon ernst gemeint, denn die Frage ist doch, wie Entwicklung stattfindet, wenn nicht durch (eventuell nur anfänglich) kleine Schritte und Bewegung an den Rändern?
Aber nicht zu hart, es sollte noch einigermaßen konsumierbar sein, so wie Düster-Techno eben ;-)
So wie beim Begriff „Schwarze Szene“? ;-)
Im Grunde ist es doch egal, welches Etikett man verwendet. Ob Goth, Wave oder Schwarz. Interessant ist doch eher, dass sich im Untergrund viele neue Bands etablieren, die weit düsterer, cooler und gehaltvoller sind, als das, was die einschlägigen Szene-Postillen hoch schreiben. Ein paar Beispiele wurden oben ja schon genannt. Lebanon Hanover, Zola Jesus, Die Selektion oder Agent Side Grinder fallen mir da noch spontan ein. Das könnte der Soundtrack der schwarzen Szene anno 2012 sein, ist es ja zum Teil auch. Beim WGT oder dem Drop Dead Festival bekommen solche Bands ein Forum.
Weil die Szene aber zu allem Ja und Amen sagt führt die falsch verstandene Toleranz dazu, dass inzwischen die peinlichsten Schlager-Gruft-Combos und Kirmestechno-Acts in den Clubs gespielt werden und vom Zillo-Cover runtergrinsen. Weil sich damit mehr Geld verdienen lässt, lassen sich auch Szeneveranstalter und -magazine nur zu gern dazu verführen.
Zum Lifestyle, um den es Sabrina im Ausgangsbeitrag ja vor allem ging möchte ich sagen: Früher haben sich viele Schwarze über ihr fieses Tod-und-Teufel-Image geärgert und gegen die Medien gewettert, wenn diese mit den üblichen Satanismus- und Faschismus-Klischees um die Ecke kamen. Heute sind die Gossix die schrägen Vögel von nebenan, die wilde „Kostüme“ tragen, aber eigentlich total lieb sind. Ist das wirklich die bessere Alternative?
Zu dieser Wahrnehmung stellte jüngst Annie Burger-Roussennac im I-Goth-my-World-Projekt treffend fest: „Die Gothics schützen sich, indem sie beispielsweise mit satanischen Symbolen spielen oder Hakenkreuze zur Schau tragen. Sie existieren nur, weil sie gegen den Mainstream ankämpfen, weil sie stören und provozieren. Sobald sie damit aufhören, werden sie ihr Wesen verlieren und untergehen.“
Um an meine oberen Ausführungen anzuknüpfen: Mit Unheilig lässt sich schwer provozieren und Neon-Röhrchen im Haar rufen im besten Fall Mitleid hervor.
Ich nehme an, Du beziehst Dich u.a. auf „Nichts bleibt wie es war“? Den Song hatten Project Pitchfork zusammen mit Mindy Anfang 1996 verbrochen. Im Original heißt er „Shockwaved„.
Goethes Erben hatten genau genommen schon seit dem Abschluss der Trilogie (Der Traum…, Das Sterben…, Tote Augen…) und mit der Veröffentlichung des „blauen Albums“ nicht mehr sonderlich viel mit der Düsterecke zu tun. „Schach ist nicht das Leben“ könnte man noch nennen. Was man später in deren Musik fand, waren dann Rock, Akustik-Geklampfe, gemäßigter „Deutsch-Pop“ mit funky Downtempo-Beats und anderen seltsamen Elementen. Undefinierbares Zeug.
Ich sehe keinen Grund dafür. Metaller geben doch auch nicht den Metal-Begriff auf, nur weil Nu- und Heulbojen-Metal existieren und den Trend bestimmen. Vielmehr wäre es doch ein erstrebenswertes Ziel, Goth und seine Wurzeln noch stärker herauszuarbeiten. Irgendwann ist auch diese Blutegel-Ära vorüber. Dann kräht kein Hahn mehr danach.
Von innen heraus, siehe Metal und seine Unterarten. Crossover-Stile, wie bspw. Industrial Metal oder Gothic Metal, funktionieren nur an den Rändern, haben im Kern der Metal-Szene kaum den Stellenwert von Speed-, Doom-, Death- oder Black Metal. Wenn es keine Entwicklung in der Goth/Wave-Szene mehr gibt, kann man sie nicht hervorzaubern. Stilentwicklungen waren eben Teil der 80er. Die 90er brachten kaum Nennenswertes hervor und die 00er gehörten der Retro-Welle. Aber warum sollte es uns besser gehen als der Punk-Szene…
Nun, Unheilig war ja auch nie Gothic und hatten auch nie Ambitionen, dazu zu gehören. Wenn die Szene sowas hören will, dann vereinnehmen sie das ja auch ganz schnell, genauso, wie sie eine Band sofort fallen lassen, sobald sich neue Fans oder ein Stilwechsel ankündigen (wobei ich zweiteren nicht bewusst, aber nur durch das Rumgejammer mancher Altfans wahrgenommen habe, ja, die Meinung anderer trübt die Sicht der Dinge). Und wenn Robert Smith plötzlich Haarausfall hat und sich die Frisur abrasiert, geht ein Aufschrei durch die Gruftieschar, denn diese wollen möglichst alles in Konserven packen. Seltsam, war dies doch einst ein Grund, sich von der sich selbst „konservierenden“ Aerobic-Gesellschaft der 80er abzugrenzen. Egal was man macht, als Künstler hat man es schwer. Und vor allem hat man es als Individuum schwer. Das Beispiel Bondage-Hosen, was Sabrina angesprochen hat: Ich selbst besitze eine, ziehe diese einmal im Jahr an und komme mir sowas von dumm in dem Teil vor. Da frage ich mich doch: Habe ich das gekauft, weil es mir gefällt, oder weil es mir gefallen „muss“? Ich sehe das Problem der Szene darin, dass jeder viel zu sehr Wert darauf legt, was die anderen von einem denken, und dennoch sagt mn über sich selbst: Ist mir doch scheißegal, was alle von mir halten. Ich nenne das Gruppenzwang und der gehört nicht in meine Vorstellung zu ner „schwarzen“ Gesellschaft. Ich möchte weder der böse Satanist und Kinderfresser sein, noch der verrückte Gottich-Freak von nebenan, der ich ja leider nun mal bin in den Augen der Nachbarn. Ich möchte einfach wie ein normaler Mensch wahrgenommen werden, aber das geht von Seiten der Szene und der gewöhnlichen Gesellschaft nicht. Ergo werden einige von uns wirklich zu Freaks gemacht. Und die wahren Spinner die in Politik und Wirtschaft sitzen einfach nur belächelt, während die Welt im Chaos versinkt, verstricken wir uns hier in Machtkämpfen um die „arische“ „Gotenrasse“. Ist doch auch nicht das, was wir uns wünschen, oder?
Okay, das ist ein Argument. Auch wenn man bezüglich Nu-Metal meiner Meinung nach endlich das Präteritum benutzen kann, das interessiert keinen mehr. Die Leute, die das früher gehört haben, sind vermutlich jetzt bei Dubstep angekommen…
Dann muss man aber den anderen Weg gehen und Gothic deutlich enger fassen, denn Metal ist sich trotz all seinen Sub- und Subsubgenres deutlich ähnlicher als das, was selbst abseits des Zeitschriften-Mainstreams alles unter Gothic gefasst wird. Ich frage mich nur, ob z. B. Industrial eine solche engere Fassung „überleben“ würde, trotz aller Berührungspunkte…
Den Rest kann man meiner Meinung nach weiter unter dem schwammigsten aller schwammigen Begriffe, „Schwarze Szene“ weiterführen.
Warum hast du bei den Metal-Subgenres gerade Folk Metal rausgelassen, ist das doch – zumindest meiner Meinung nach – sowohl ein Crossoverstil als auch recht erfolgreich? Dem Teil mit den Stilentwicklungen würde ich auch gerne widersprechen, aber vielleicht will ich auch nur in „meiner“ Generation etwas sehen, das nicht da ist… ;-)
@Ian:
Das finde ich einen sehr wichtigen Aspekt, den ich vorher schon habe anklingen lassen: Wenn einem Musik gefällt, hört man sie eben. Wenn man sich eh aufgrund des Musikgeschmacks zu einer Gruppe zusammenfindet, gibt es auch eine gewisse Chance, dass anderen das auch gefällt. Und so wird eine Band eben schnell „vereinnahmt“. Was ich als absolut natürlich ansehe. Das hat ja erst mal gar nichts damit zu tun, wie gotisch diese Band ist, sondern nur, dass sie Leute, die Gothic hören auch daran Anklang finden. Würde das den Leuten nicht gefallen, würden sie es sich ja nicht anhören. Mal gesetzt den Fall, man lebt in einer idealen Welt ohne externe Kräfte, die Label zu Marketingzwecken missbrauchen.
Vielleicht sollte man also Gothic/Wave (die Musikstile) davon trennen, was Goths/die Schwarze Szene/etc. hören. So richtig überzeugt bin ich von dem Gedanken nicht, aber ich hatte so manches Mal in dieser Diskussion das Gefühl, dass es diesen Unterschied gibt und die einen über ersteres, die anderen aber über letzteres reden. Dann wäre die Diskussion über die „arische Gotenrasse“ auch keine, sondern einzig die Diskussion über Ersteres, was Letzteren ja nicht „schadet“.
Also mir sind Trends im Allgemeinen herzlich egal. In der schwarzen Szene picke ich mir manchmal was Neues heraus, das mir gefällt, das kommt schonmal vor. Aber wenn mir etwas absolut nicht zusagt, dann muß ich das auch nicht haben. Da kann es dann noch so angesagt sein bei den anderen – mich läßt das eher kalt. ZB diese Atemschutzmasken. Die finde ich grauenhaft. Und ich hab noch nie wirklich nachvollziehen können, warum man sich sowas in heißen stickigen Clubs antut. Ok – man muß dann nur das halbe Gesicht schminken, das spart natürlich mächtig viel Arbeit im Vorfeld… LOL ;D
Es ist wirklich interessant, dass die Frage nach Beweggründen und nach dem, was die Schwarze Szene im Kern ausmacht, immer in akribischen Musikanalysen endet. Wahrscheinlich, weil das die einzigen „Fakten“ sind, an denen man sich entlang hangeln kann. „Kein Ziel und keine Richtung“ kann sich natürlich auch auf die musikalische Entwicklung beziehen, aber gibt es da nicht noch mehr? Trage ich tagtäglich Schwarz, steh auf Kajal, Silberschmuck und Patschuli (im übertragenen Sinne), weil das Musikgenre es erfordert? Das oft zitierte „Lebensgefühl“, das die „Schwarzen“ angeblich verbindet“, kann doch nicht aus einem Haufen Bands bestehen, deren Musikstile man auseinanderpflückt, um sie als passend oder unpassend einzusortieren.
Dazu muss man nach den Wurzeln dieser „Ausschmückung“ suchen. Wer kommt denn schon von sich aus auf die Idee, Kajal zu tragen? Dieses „Bemalen“ entstammt geradewegs der Punk-Szene bzw. lässt sich schon früh bei den Goth-Musikern finden. Mit der Kleidung ist es genauso. Es ist ja nicht nur das Schwarz, das getragen wird, sondern es ist ein bestimmtes Outfit. Zumindest bei der Altszene ließ sich das sehr gut beobachten. Lauter kleine Bob Smiths, Siouxsie Siouxs, Johnny Sluts und Andrew Eldritchs. Bei vielen war es das typische Wave-Styling. Fazit: Keine Vorbilder -> kein Erscheinungsbild, wie wir es kennen.
Wave/Goth war nun mal vorrangig eine Musikszene. Es ist individuell bedingt, inwieweit man den Rest mit Inhalt füllt. ;-)
Ist Industrial nicht schon ziemlich eng gefasst? Das Genre lässt sich meiner Ansicht nach sogar besser abgrenzen als es die Begrifflichkeit Dark Wave ermöglicht. Und Gothic in seiner Ursprünglichkeit war Gothic Rock. Zumindest kann ich mich nicht daran erinnern, dass es musik- und szenebezogen in anderen Zusammenhängen genutzt wurde. Selbst Anfang der 90er war Christian Death noch Goth und Sachen wie Project Pitchfork oder Fortification 55 nannte man „Electro Wave“. Letztlich stand über allem der Wave-Begriff.
Stimmt! Aber – um es mal überspitzt auszudrücken – ich mochte auch Udo Lindenberg und hab mir trotzdem keinen Hut gekauft und mich als Rocker gefühlt. Ich glaube, ich fand den schwarzen Kleidungsstil ästhetisch und die mystische Eleganz der „Schwarzen“ – gepaart mit der Musik, ein wenig Arroganz und elitärem Flair – hat mich fasziniert. Ich vermute, dass da mehr hintersteckte als Robert Smith. Der hat damals eh noch Turnschuhe und weiße Shirts getragen. Irgendwas muss einen da jenseits der Musik einfangen – bis heute. Ich will nicht behaupten, dass das „irgendwas“ furchtbar tiefsinnig ist, aber die Punks hat schließlich auch nur der recht fragwürdige Leitgedanke „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ zusammengebracht.
Ich diskutiere mal nicht, sondern kommentiere den Text. Es wurde beim zitieren der allwissenden Müllhalde ein Punkt vergessen, der eigentlich sofort einige aufgekommene Fragen beantwortet:
„Die Gothic-Kultur ist eine Subkultur, die Anfang der 1980er Jahre aus dem Punk- und New-Wave-Umfeld hervorging…“
Da hast du deine Wurzel, aus der die schwarze Blume gewachsen ist. Nimmt man weiterhin den Punk als Grundlage und Vater/Mutter der Goth Szene, wird einem auch das Ding mit der Provokation durch z.b. die Klamotten schon klarer: Es soll den Ottonormalo zum nachdenken, vielleicht auch zur Diskussion anregen. Der Tabubruch mit dem Thema Tod war auch mal eine wichtige Sache.
Richtig ist allerdings, das wir gefühlte Millionen an Musikstilen und Unterkategorien haben. Macht aber nix.
Es gibt nicht nur Leute, die von sich aus keine klaren Beweggründe, Richtung und Ziel hatten, um Schwarz zu werden, oder ein Projekt zu starten. Es gibt auch welche, die nicht viel rumschwafeln, und versuchen, ihre klare Linie zu fahren.
Klar gibt es hohle Früchte, und nicht wenige wollen bei uns ihr Fähnchen in den boden rammen. aber den Idioten gilt es dann auch direkt klar zu machen, das sie besser wieder in ihre Boote steigen und sich tunlichst verpissen sollen. Nur leider machen das die wenigsten Schwarzen, weils Weicheier sind. Bei den Normalos werden ungebetene Leute auch schon mal rausgeprügelt oder anderweitig effektiv weg gemobbt.
Ich hab mal so nen Schwarz-Neongelben Hüpftechno Mensch auf mich zukommen sehen, der grinste mich an, und wollte sich einschleimen. Nachdem ich ihn eine Minute verbal in der Mangel genommen hab, is er geschockt wieder abgezischt. Ich hab den Penner nie wieder in diesem oder nem andren Club gesehen.
Für mich ist Schwarz mehr als nur n Trend. Ich hab meine Linie, der ich treu bleibe. Ich trage Schwarz, weil ichs mag, weil ich „düster drauf“ bin, wie die wenigen Normalos in meinem Leben so sagen, aus Respekt vor der Szene, als Abgrenzung zur Idiotengesellschaft und als Erkennungszeichen. Und ich freue mich immer, wenn ich „einen von uns“ sehe, egal, ob er hinter der Theke eines Buchladens steht, oder an ner Bushaltestelle.
Wenn andere in sich schauen, und da nur eine Leere vorfinden, ist das ja nicht mein Problem…
Jennifer Rostock und Udo Lindenberg haben wohl kaum zur Szenebildung beigetragen. ;-)
Auch rannte Bob Smith nicht ständig mit Turnschuhen umher. Man muss da schon genauer hinschauen und die unterschiedlichen Phasen von The Cure berücksichtigen. Es fing 1980 an mit Seventeen Seconds und endete vorläufig mit dem Split der Band nach der Veröffentlichung von Pornography anno 1982/83. Vor 1980 waren The Cure eine lärmende Post-Punk-Garagen-Band. Nach 1983 und der „Neugründung“ landeten sie im Pop, versuchten sich an „schwarzer“ Musik usw.. Zu der Zeit waren selbst die Maxi-B-Seiten besser als die Titel auf den Alben.
Es dauerte bis 1989. Dann bekam Herr Schmidt wieder seine Depri-Phase, die er auf Disintegration exzessiv auslebte. Solche „Weltschmerzhymnen“ knüpfen nahtlos an alte Sachen wie „Lament“ an. Nach ca. 1991 ging es zurück in den Pop-Sektor.
Das mag ja alles zutreffen und sicher empfinden das auch andere so. Nur ändert das nichts an der Herkunft des Stylings. Inwieweit es zu dieser Zeit schon Inhalte gab, wird wohl ewig ein Streitpunkt bleiben. Einen Leitgedanken gab es meines Erachtens nicht. Wave (bzw. das, was man in den 80s darunter begriff) war nicht so politisch wie Punk. Es ging um Konsum, um Lifestyle, um Provokation und vereimzelt um Okkultes. Mehr war da nicht. Und mehr musste da nicht zwingend sein. Etliche Musikbewegungen beinhalteten Konsum und Lifestyle, ganz egal, ob das nun die Revival-Mods der 80er oder den Grunge- und Brit-Pop-Boom der 90er betraf.
Das ist richtig. Für mich ist Cure eben ein Beispiel dafür, wie vielfältig Wave-Musik sein kann. Eine schwarze Band muss nicht zwingend immer depressive Musik machen sondern kann auch eine total abgefahrene Freakshow bieten. Letztlich geht es beim Wave für mich einfach darum, seine Gefühle rauszulassen, egal ob man gerade gut drauf ist oder total scheiße, das wichtige ist, dass man sich nicht verstellt, aber so gibt, wie man sich eben fühlt. Und mehr sehe ich auch in Gothic nicht, denn für mich ist beides (Wave und Gothic) das selbe. Schwarze Kleidung ist das Erkennungsmerkmal der Waver und Goths, hat aber nichts mit einer tiefsinnigen Einstellung zu tun. Die erschafft jeder für sich selbst. Darum auch meine große Abneigung gegenüber anderen schwarzgekleideten Szenen und Subkulturen, die die Print- und Online-Medien der schwarzen Szene in einen Topf schmeißen, weil sie ansonsten zu wenig zu berichten hätten. Black Metal sei hier mal groß in den Raum gestellt hat für mich nichts, aber überhauptnichts in der schwarzen Szene verloren, genauso wie Deppentechno à la Blue System, bei dem man denken könnte, Dieter Bohlen hätte die Cyber-Musik erfunden (danke, Axel :-) ). Im Übrigen ist die Ästhetik der 80er weniger an pompöser Viktorianik als an schlichtem Bauhaus-Design und Art déco der 20er Jahre gehalten. Wieso auch sonst würden Bauhaus sich so nennen und so viele Musikvideos wirken konstruktivistisch und eher expressionistisch als „romantisch“. Man könnte daher annehmen, dass die heutige Schwarzromantiker-Ecke eher mit den New Romantics zu tun hat als mit dem kalten, grauen Wave der 80er Jahre. Außerdem muss man bedenken, dass diese ganzen Burgen- und Verlies-Szenerien eher eine deutsche Idee waren. Mir fallen keine englischen Bands ein, die sich optisch mit einer Mittelalterästhetik schmücken, aus dem einfachen Grund, weil es in England in dem Maße keine moderne Mittelalterkultur gibt, wie man sie in der Bundesrepublik vorfindet. Da findet doch jedes Wochenende irgendwo ein Markt statt, von dem sich die hiesigen Schwarzen beeinflussen lassen. WIr können daher gar nicht einen englischen Gruftie mit einem mitteleuropäischen gleichsetzen. Da gibt es nur gemeinsame musikalische Entwicklungen, aber wenige ich nenne sie mal „kulturelle“ Überschneidungen. Friedhöfe, ja, aber nicht in einem szenebezogenen Sinn. Weder heute noch früher gab es ganze Heerscharen von Schwarzen, die einen auf Friedhofsromantik gemacht haben. Das sind immer nur die wenigsten. Und all das morbide wie Kreuze, okkulte Symbole und Totenköpfe ist doch nur Koketterie. Quasi Halloween übers ganze Jahr. Eine Art Markenzeichen. Aber ich bezweifle, dass für den Großteil der Leute irgendeine Bedeutung dahinter steckt. Das ist doch so wie mit den Armringen, die man in den 80ern trug, jeder hatte sie, aber keiner schob ihnen eine Bedeutung zu. Man sollte nicht so viel nachgrübeln. Gothic ist Musik und Kleidung (ich sage bewusst nicht Mode), alles andere ist der Mensch. Wenn mir irgendjemand erzählen will, es ginge dabei darum, seine bösen Gefühle rauszulassen, der ist für mich nicht ganz richtig im Kopf. Dann kann er gerne in eine Sekte verschwinden, aber eine Subkultur als Spielwiese für Abartigkeiten zu nutzen halte ich für vermessen.
@Death Disco, zum Thema Symbolik: Ich stimme dir in soweit zu, dass man nach den Wurzeln schauen muss, wenn man wissen will, woher z. B. die „Bemalung“ überhaupt kommt und wer damit angefangen hat. Wenn man aber wissen will, warum das Leute heute machen – mal davon ab, dass da wohl bei vielen einfach das Herdenverhalten ausschlaggebend ist – hilft die Historie meiner Meinung nach nicht unbedingt weiter.
Nicht unbedingt die einzigen Fakten, aber doch das, was noch am ehesten greifbar und vor allem zu erklären ist. Ein Lebensgefühl kann man schwerer in Worte fassen. Zumal darin – und auch in der Lebenseinstellung – viel mehr Individualität liegt. Was nicht heißen soll, dass man gar keinen gemeinsamen Nenner findet, aber im Zweifel eben doch immer sagen wird „also, den Teil kann ich nicht unterschreiben“. Gut, im Grunde machen wir hier selbst bei der Musik nichts anderes… ;-) Das Problem ist, zumindest aus meiner Sicht, dass, wenn man dann versucht, den gemeinsamen Nenner zu formulieren, schnell bei Allgemeinplätzen landet. Nicht an der Mainstream-Spaßgesellschaft teilnehmen klingt ja z. B. nicht so sonderlich originell; ich kann da zustimmen, aber das mag ja auch daran liegen, dass es so allgemein formuliert ist.
Na, da können aber doch die anderen Szenen nichts für, wenn sie mit Gothics in einen Topf geschmissen werden… Sollte sich die Abneigung dann nicht gegen die Szenemedien richten? ;-)
Na dann schau Dir mal die Leute vom November Whitby Goth Weekend an… ;-)
http://www.youtube.com/watch?v=hPWpR0e3tpE
http://www.youtube.com/watch?v=guUe5QctNto
Hmmm ja. Das sind typische WGT-Besucher würde ich mal so auf Anhieb vermuten :-) Aber ich sehe da keinen einzigen Grufti – zumindest leider niemanden, der gänzlich schwarz trägt. Die gotischen Kathedralen passen zu England, sind ja auch sehr typisch. Dracula soll sich dort in der Gegend aufgehalten haben, wenn man Bram Stokers Buch zu ernst nimmt, kann das sein? Nehmt es mir nicht übel. Auch ich bin ein Freund von Historien- und Kostümfilmen so wie opulent ausgestattetem Theater. Aber keiner von denen läuft unter der Woche so rum, das garantiere ich :-)
Irmin: Natürlich können andere Szenen etwas dafür. Und zwar ganz speziell die Cyber-Goths, die das böse „G“-Wort immer noch hintendran hängen haben. Das hat in etwa die gleiche Bedeutung wie der Weihnachts-Osterhase.
@Ian: Na, die Cyber“goths“ von mir aus. Die hast du aber nicht als Beispiel genannt. Vermutlich sind Schwarzmetaller mit dem In-einen-Topf-Werfen in etwa so glücklich wie du es bist ;-) Und naja, ich frage mich ja auch so manches mal, was diverse Black-Metal-Bands auf dem WGT zu suchen haben, aber das ist ja nun auch nicht die Schuld der Fans…
Das stimmt. Das sind die Veranstalter. Aber waren das ursprünglich nicht mal Fans? Ich glaub, wir sollten unser eigenes Festival machen :-)
Irmin schrieb:
Da merkt man: du bist nicht mit mir auf Facebook befreundet. Dort meckere ich ständig über diese Szenemedien. Letztens auch bei mir im Blog, so gut es öffentlich geht!
Ich muss sagen, mir gehen diese ewigen gleichen Diskussionen auf den Keks.
Ich weiss, wo ich her komme und weiss auch, wo ich hin will. Ich denke, das wissen die Meisten hier auch.
Wenn ich diese Bilder aus Whitby seh, krieg ich das kalte Grausen und fühle mich an die schrecklichen Halloweenverkleidungen von der letzten B.O. erinnert.
Es ist einfach so, dass ich bestimmte Veranstaltungen meide und auch auf dem WGT nur dahin gehe, wo ich weiss, das die Leute da genauso ticken wie ich, also Konzerte wie die Lorrys, Vendemmian und Sigue Sigue Sputnik. :) Und in den Bayerhauskeller. Und in die Batsociety bei uns. Die Pagandj’s sind auch o.k. Manchmal sieht man aufgrund der Nähe zu den Feiermeilen im Loft paar Buntis, aber das ist o.k.
Das war früher auch nicht anders und mir ist ’n Bunti, der Anne Clark mag, lieber als ein obertrver ASP-Anhänger.
Mehr gibt’s dazu eigentlich nicht zu sagen und ich bin der Meinung, man soll die „traditionellen“ Veranstaltungen vor allen Dingen besuchen und nicht so viel darüber reden und schreiben. Weil davon könne die nämlich ihre Miete und Unkosten nicht bezahlen.
Leider hat das das TopAct in Zapfendorf diese bittere Wahrheit jetzt erlebt. Muss aber dazu sagen, das ich da auch schon lang nicht mehr war. Tja, jetz isses zu. :((
My 2 Cents
Ein interessanter Grundtenor, der sich entwickelt. Selber machen. Mutig sein, aktiv werden. Das sehe ich genauso.
Und dies nimmt auch direkt Bezug auf den Kommentar von Michael:
Das stimmt natürlich, aber wenn niemand von alternativen Veranstaltungen erfährt, geht auch nieman hin. Das Problem an ehrgeizigen Party-Projekten ist die Verbreitung. Der Laden muss voll werden, damit sich der Betrieb rentiert. Früher sprach man sich von Mund zu Mund ab, telefoniert und verteilte an der Schule selbstkopierte Flyer. Heute gibt es das Internet. Wer eine Party veranstaltet und diese Möglichkeit der Werbung außer Acht lässt ist auch eine starke Stammclientel angewiesen. Die ist selten. In München ist eine Menge Szene und eine Menge alternatives Programm. Das ist beispielsweise hier nicht der Fall.
Sollte man nicht drüber reden? Diskussionen gehen auf den Keks? Das kann ich sogar nachvollziehen, ja mitunter bin ich es auch leid die ewig gleichen Argumente zu benutzen. Du Michael weißt, wohin du willst. Viele hier kommentierenden auch. Ich ebenfalls. Doch was ist mit dem Rest? Mir liegt auch der „Nachwuchs“ am Herzen, ich möchte etwas erhalten, etwas fördern. Vielleicht sogar um Dinge zu erhalten, die sonst verschwinden würden, so wie das TopAct in Zapfendorf, oder das LaLic in Köln oder das Zwischenfall in Bochum.
Wir sollten zeigen, was wir denken und unsere Ziele darlegen. Das sorgt für Diskussion, das sorgt für Gedankenaustausch und vielleicht für ein Umdenken. Ich freue mich immer, wenn ein 20 jähriger Jung-Gote die Szene entdeckt und hier erfährt, dass es „mehr“ gibt. Und durch seinen Besuch auf einer der Partys mit zur ihrer Erhaltung beiträgt. Von daher versuche ich nicht müde zu werden und das Gefühl „das geht mir auf den Keks“ auszublenden.
Graphiel:
Dem stimme ich voll und ganz zu. Allerdings ist nicht immer der Besuchermangel verantwortlich für eine Clubschließung. Hier gibt es doch vielfältige Gründe vom Ärger mit Anwohnern bis hin zu Personalmangel.
Also manche von den „Alten“ :) hier verirren sich manchmal ins Nero und sprechen da einen Jungspund an, ob er nicht mal Lust auf was ‚Gscheits“ :) hat.
Dann kommen die ein paarmal ins Loft oder auf die B.O., meistens bleiben sie aber dann wieder weg.
Das liegt natürlich auch daran, dass sie ihre Clique da haben und es mit den „Alten“ nicht so leicht ist, in Kontakt zu kommen. Das kommt dann auch sehr auf den Charakter an, wie aufgeschlossen der/diejenige für Neues ist.
Und leider sind manch alte „Batcaver“ nu nich sonderlich kommunikativ oder rümpfen ziemlich schnell die Nase über das „Overstyling“. Damit sind die dann erst mal für ein Jahr abgeschreckt und gehen weiter zu Agonoize und Co. :(
Wenn die Zeit reif ist und sie sich da zwischen den Faschingsprinzen nicht mehr wohl fühlen, kommen die von ganz allein und bleiben dann auch ;)
Also ich als Szene-„Frischfleisch“ bin immer sehr froh, mit den „Alten“ ins Gespräch zu kommen. Und ich muss sagen, dass mir deren schwarze Welt oder auch persönliche Ansichten in Bezug zu Wave und Gothic wesentlich mehr behagen und irgendwie eher mein Ding sind als meine eigene Generation. Nicht falsch verstehen: Ich meide auch die neuen Richtungen nicht, wie ich oftmals geschrieben habe. Ganz im Gegenteil. Ich bin für ein gesundes Zusammensein aller Schwarzkittel, auch wenn meine Wünsche für den ein oder anderen sehr düster-Hippie-mäßig klingen wollen. Aber ich kann die Generation Agonoize auch nicht verteufeln, da sie auch nur ein Teil des Szene-Kuchens sind. Man kann diese schlecht mit Old-School bekehren, das funktioniert nur in den wenigsten Fällen und dann auch nur aus Trendgehabe. Ich befürchte auch, dass die ganzen Fortwendung vom Cyber Richtung buntem Batcave auch nicht dafür sorgt, dass hier mehr Post-Punks und Waver umhermarschieren, denn dafür erscheint mir das ganze zu aufgesetzt und zu künstlich. Wir sollten die Leute so leben lassen, wie sie wollen und einfach unser eigenes Süppchen kochen. Wem es gefällt, soll sich dazu gesellen, wem nicht, der soll machen, was er mag. Ich möchte nicht als Messias der schwarzen Szene die Schwarzkittel in Fischernetzen fangen, denn das finde ich dumm. Und genauso wie Michael sehe ich das auch von wegen Normalos. Ich mag Normalos, die meine Interessen teilen und mit denen ich mich super verstehen kann. Schon Karnstein hat in seiner Dokumentation gesagt, es gibt viele Schwarzkittel, die mit Gothic nichts anfangen können, wie es auch Normalos gibt, die Gothic mögen. Also alles halb so wild. Die Hauptsache ist, dass man selbst weiß, wo man hin gehören will. Und ich denke, jedem der hier seine Kommentare schreibt, kann man das auch von den Sätzen ablesen :-) Ich wünsch euch allen einen schönen Mittwochnachmittag, muss heute Abend noch ganz klischeehaft zur Nachtschicht wackeln… :-)
Hier muss ich Dir, Robert, ein Stück weit widersprechen. Gerade wenn man neu in die Szene kommt, kann man eigentlich niemanden gebrauchen der einem ständig … ich sage mal: altklug reinredet. Zum Beispiel solche Leute wie Death Disco kannte ich in meiner Jugend auch. Die haben sowas über Lacrimosa und Goethes Erben hergezogen und versuchten mir diese Bands richtiggehend madig zu machen. “Hör doch lieber The Cure oder Sisters oder Rozz Williams” war da der Grundtenor. Mit dieser Art von Musik konnte ich damals eher wenig anfangen. Ich bin eher durch die Neue Deutsche Todeskunst sowie Neoclassic und Ethereal zu der Musik gekommen. Dann habe ich ziemlich schnell meine Liebe zum Metal entdeckt (sämtliche Spielarten).
Aber weißt Du, ich habe einfach für mich entdeckt. Ich wollte niemanden der mir sagt: “Das darfst Du, das darfst Du nicht”. Solche Leute wie Death Disco, die da ständig meinen “Das und das und das gehört nicht dazu” finde ich dahingehend manchmal nervig, weil es einfach diesen Tunnelblick symbolisiert den viele haben. Natürlich sollte man die Wurzeln wahren und nicht ablehnen. Aber man sollte auch eben erstmal offen für Neues sein. Man kann ja immernoch entscheiden obs einem gefällt oder nicht. Aber ich persönlich bin davon abgekommen das den anderen im direkten Kontakt madig zu machen. Weil es eigentlich das ist, was ich in meiner Anfangszeit schon nicht mochte.
Einspruch! Sehr wohl braucht es eben genau jene Leute. Mehr denn je und für meinen Geschmack gern noch lauter sogar. Und ganz ehrlich: Würden solche Menschen – wie einige hier – nicht mehr den Finger heben, dann drehte sich jene „Szene“ doch tatsächlich nur noch um die eigenen Pappmasken, ohne auch nur im Kern noch sowas wie Substanz zu haben.
@Katrin: Substanziell wird es aber nur, wenn man versucht etwas zu ändern – und zwar aktiv. Wenn aber einige sich hinter der gefühlten Anonymität des Internets verstecken und die ganzen Communities fast schon vollspammen mit ihren Meckereien, dann geht diese Kritik nach hinten los. Weil die, die erreicht werden wollen, dann mit den Augen drehen und sagen „Nicht schon wieder“. Einfach weil sich die Diskussionen und die Argumente immer wieder im Kreise drehen. Diese Diskussionen gibt es jetzt schon seit Jahren im Netz und heute sind die Argumente dieselben wie vor fünf Jahren: „alles ist nur noch kommerz, es wird nur noch doofe Musik gemacht“, etc. – Seit Jahren geht das so ohne das damit etwas erreicht wird. Im Gegenteil: man spaltet so sogar noch mehr.
Ein Blog wie Spontis beispielsweise thematisiert zwar auch häufig die Wandlungen in der Szene, Roberts Artikel sind aber stehts fundiert recherchiert und es werden immer zwei Seiten beleuchtet. Das ist wichtig und richtig es so zu machen. Abe rman darf nicht den Finger heben, sondern man muss die Leute an die Hand nehmen. Das geht aber nur, wenn man auf sie auch ein Stück weit zugeht.
Axel schrieb: „Substanziell wird es aber nur, wenn man versucht etwas zu ändern — und zwar aktiv.“
Wieso sollte man denn zu ändern bestrebt sein, woran viele Menschen ihren Spass haben? Du schriebst doch selbst: „Ich wollte niemanden der mir sagt: “Das darfst Du, das darfst Du nicht”.“
Soll doch jeder machen, wie er lustig ist. Nur: Mit „Goth“ im traditionellen Sinne hat das eben seltenst etwas zu tun und wenn man es tausendmal drauf schriebe. Weshalb sollte es nicht legitim sein, das so auch zu sagen? Destruktives Gemeckere und Klugscheißerei kann ich diesbezüglich hier nirgends finden.
Und: Du forderst doch selbst Aufklärung und siehst darin einen Weg. Wenn diese dann aber nicht in Deinen Kram passt, wird sie zu destruktivem Gemeckere? Versteh ich nicht.
Ich hab jetzt mal ’ne verzwickte, nicht ganz ernst gemeinte ;)Frage:
Ich geh immer mal wieder von Zeit zu Zeit gern bei uns, meistens im Feierwerk, auf ein Punkkonzert, z.B. Vibrators oder U.K. Subs. Die kommen eigentlich einmal im Jahr. Neulich war ich aus Nostalgiegründen sogar mal bei den Bollocks.:), aber nicht in der ersten Reihe…
Anschliessend war ich auf der Black Opera.
War ich jetzt da ein Punk, der auf einer Gothictanzveranstaltung war oder ein Goth, der auf ein Punkkonzert gegangen ist? (@_@)
Moment, dein erster und dein zweiter Satz in Anführungszeichen haben eine unterschiedliche Bedeutung. Nur, weil eine bestimmte Aktivität nicht zu den typischen Aktivitäten einer Szene gehört, heißt das ja nicht, dass man dieser Aktivität nicht nachgehen darf. Außerdem war das doch eine Diskussion, die sich fast ausschließlich um Musik dreht. Und da kann man nun mal mehr oder minder gut Genregrenzen ziehen.
Michael: Mach dir keine Gedanken, du machst das schon ganz richtig so :-) An dir können sich so einige ‘ne Scheibe abschneiden.
Ich kenne das Lebensgefühl der Goths!!! Die Angst vor dem Verlust der eigenen Scheinwelt ist es. Kann ich zumindest aus so gut wie jedem Kommentar hier ablesen. Wer eine andere Idee hat, möge bitte sprechen oder für immer schweigen ;-)
Um mal hier etwas konstruktives beizutragen :
„Die Gothic-Szene ist nach 30 Jahren Orientierungslosigkeit nicht umsonst so breit gefächert. Wo es keine gemeinsamen Beweggründe, keine Ideale und keine gemeinsamen Ziele gibt, können Gruppen aller Gesinnungen ihr Fähnchen in den Boden hauen und eine neue „Strömung“ ausrufen. Es gibt niemanden, der mit dem Brustton der Überzeugung sagen kann: Das war und ist nicht unser Beweggrund, unsere Richtung, unser Ziel.“
Das liegt aber teilweise auch an der mangelnden Konfliktbereitschaft vieler Szenemitglieder.
Es haben nicht viele den Mut, rosa Hasenfellträgerinnen ins Gesicht zu sagen : „Du schaust Scheisse aus“.
Dieses Jahr ist bspw. auf dem WGT ein Flyer rumgegangen „Bats need no Gasmask“. Der Verursacher ist übrigens ein Kumpel von mir.:) Da haben sich dann viele aufgeregt, dass man doch so nicht provozieren kann und was das soll und wir sind doch friedfertig und lassen jedem sein Ding.
Na gut, dann braucht sich aber auch hinterher intern keiner aufregen und jammern.
Auf der anderen Seite gibt es unter den „Gefärbten“ echte individuelle Paradiesvögel, die man auch nicht mit den 08-15 Plastikschlauchträgern verwechseln sollte.;) Auch diese schrägen Augenweiden :) hat’s früher schon auf Gruftieparties gegeben.
Und dann Inhalte. Ja, gut, das ist aber doch ein szeneübergreifendes Problem. Früher ist man rausgegangen und hat geschaut, dass man unter seinesgleichen kommt, hat Treffpunkte gehabt und was miteinander angestellt, meistens Blödsinn :) Aber das haben doch Alle gemacht und nicht nur wir Grufties. Und, das heute alle nur noch daheim vor dem Monitor hocken und virtuelle Kommunikation betreiben, kaum noch lesen oder was eigenes auf die Beine stellen, ist nun auch ein szeneübergreifendes Problem.
Und dann, wie sollen sich in einem gesellschaftlichen und kulturellen Einheitsbreimilieu überhaupt noch kreative Geister entfalten können? Unsere Innenstädte schauen alle gleich aus, HM und Starbucks bestimmen das Bild. Gibt es noch irgendwo echte öffentlich Diskussionen mit Leidenschaft und eigenen Meinungen?
Nirgends, wir ersticken in Uniformität und Gleichförmigkeit, wohin man schaut. Die Autos schauen alle gleich aus und unsere Wohnwaben sind vom Ikea eingerichtet.
Das genau ist das Problem, warum auch bewusste Abgrenzungen kaum noch stattfinden. Wenn ich mich an meine früheste Jugend erinnere, dann hatten wir was, wovon wir uns klar abgrenzen konnten und echte „Feindbilder“. Das war die Gartenzwergkultur und die Kloorolle mit Strickmütze auf der Hutablage des väterlichen VW-Käfers, aber auch die weissgekittelte Vollbartträger, die jeden, der ’ne enge Jeans trug, als Klassenfeind bezeichnet haben. Das war das Milieu, sus dem Subkulturen und Abgrenzungen entstanden sind.
Vielleicht ist das auch der Grund, das es augerechnet hier, in der Porschefahrerhauptstadt Deutschlands, noch eine so lebendige Alternativkultur gibt, weil man sich an was reiben kann und einen kulturellen Gegensatz verspürt. Möglich wär’s.
Ich merke, dass es hier mehrere Diskussionsstränge gibt, die teilweise vom Thema abdriften. Die Diskussionen um Szenemagazine und das „Dark Feather“ werde ich in den Artikel Dark Feather – Onlinemagazin aus dem alternativen Underground auslagern, da ich diese Diskussion interessant finde, aber nicht wirklich zielführend ist. Außerdem werde einige Kommentare zusammengefasst um die Übersicht zu wahren.
Warum mache ich das?
In einem Kommentar hat NorthernNephilim die Sache ganze gut auf den Punkt gebracht, als er sagte: „Ja wieder mal die Grundsatzdiskussion, kann man fast die Uhr nach stellen, alle 4 Jahre neuer (alter) US Präsident, VW bringt den neuen Golf raus und die Szene diskutiert sich zu Tode und die Sisters haben immer noch nicht das neue Album raus.“
Die Diskussion läuft auseinander und verstrickt sich in Details. Das ist vielleicht auch der Grund, warum sie nie zu einem Konsens, Gedankenanstößen oder Thesen führt. Nach 127 Kommentaren hat man das Ganze aus den Augen verloren, was letztendlich dazu führt, dass wieder nichts dabei herumkommt. Außerdem ist es sicherlich für andere Leser nahezu unmöglich die einzelnen Diskussionstränge zu trennen und etwas sinnvolles beizutragen. Ich hoffe Ihr habt dafür Verständnis.
Was will ich damit erreichen?
Gothic ist als Musikströmung entstanden und entwickelte sich zu einer Szene, die sich meiner Ansicht nach zunächst auf Mode und Musik konzentrierte. Doch 30 Jahre Entwicklung haben gezeigt, dass daraus etwas gewachsen ist. Es ist komplex und schwer zu definieren, weil drei Generationen „Gothics“ unterschiedliche Ansichten vertreten. Wo sind die Schnittpunkte, gibt es überhaupte welche? Und wenn es kein Ziel und keine Richtung gibt, wie Sabrina schrieb, sollte es eins geben und wenn ja, wie könnte das aussehen?
Genau das Gegenteil ist der Fall. Augenscheinlicher kann das Problem gar nicht dargestellt werden. 127 Beiträge und kein Ergebnis… Das sollte doch zeigen, dass diese Fragen nicht zu beantworten sind, solange keine grob umrissene Goth-Definition existiert. Wer soll denn die zweite und dritte Generation sein? Wie setzen die sich zusammen? Wie soll man einen roten Faden, sprich: nennenswerte Gemeinsamkeiten, finden, wenn die Bedeutung szenebildender und szene-erhaltender Merkmale so geschmälert wird?
Sabrina hatte es schon in Beitrag 78 auf den Punkt gebracht.
Es gibt für mich sonst keine nennenswerten (fundierten) Gemeinsamkeiten. Es gibt gemeinsame Wurzeln, teils ein gemeinsames Ästhetikempfinden, wobei es hier schon strittig sein dürfte.
Und so ist das in „Familien“ üblich.
@Death Disco: Ja, das stimmt. 127 Kommentare sind stilprägend für die Überschrift „Kein Ziel und keine Richtung“, so habe ich das noch gar nicht gesehen. Für mich ein nicht befriedigender Umstand. Ich hoffe dennoch, dass in der Vielzahl der Sichtweisen ein gemeinsamer Nenner zu finden ist, das man als Ziel oder Richtung definieren könnte. Letztendlich sind wir alle Sklaven der Zeit, im Kampf gegen die Windmühlen des Kommerzes. Und obwohl es angesichts der Tatsachen hoffnungslos erscheint, bleibe ich optimistisch. Unverbesserlich eben. Ich habe alle Kommentare nun eingehend studiert und denke, dass ich daraus etwas destillieren kann.
Die 3 Generationen sind meiner Ansicht nach demografisch bedingt. In jedem Jahrzehnt kamen junge „Einsteiger“ in die Szene, die sie anders wahrgenommen und ausgelebt haben. Für mich besteht das Hauptproblem in der Komplexität der zur Zeit wahrgenommenen „Gothic Culture“. Man entwickelt sich innerhalb der Szene bis zu einem Punkt, an dem man den gewählten Grad der Selbstverwirklichung erreicht hat. Den definiert man als Status Quo. Alles was davon abweicht, empfindet man als störend. Wie soll es auch Gemeinsamkeiten geben, wenn der Altersschnitt einer Szene von ca. 13 – 60 Jahren reicht? Das ist rein soziologisch unmöglich.
Gothic wird sich selbst überleben. Der Zulauf wird abnehmen, diejenigen, die das Ganze als Phase wahrgenommen haben, gehen ihrer Wege. Doch aus jeder Schicht bleibt etwas zurück, ein Kern. Oder viele Kerne. Ich wünsche mir, etwas mitzugestalten, etwas weiterzugeben und vorhandene Strukturen aufzubrechen. Wie das aussehen wird? Ich lasse mich überraschen. Ich bin einfach nicht der Mensch, der resigniert und nur darauf bedacht ist seinen Status zu schützen. Ich profitiere von neuen und frischen Gedanken in der Hoffnung (vielleicht in einem neuen Artikel) ein paar möglich Ziele und Richtung als Thesen zur Diskussion zu stellen.
Ein gemeinsames Ziel kann nur definiert werden, wenn die Geisteshaltung eine gemeinsame ist. Ist diese umrissen, muss Distanz geschaffen werden, zu dem, was die Szene heute ist. Und diese Distanz erreicht man durch Ignoranz. Und das alles ist keine Frage des Alters oder einer irgendwie gearteten Äußerlichkeit. Links liegen lassen ist nicht schwer. Der Weg in die Tiefe führt zurück an die Wurzel. An der entdeckt man übrigens mitnichten nur angestaubt Vergangenes. Da sind diverse Triebe.
Nun, ich bin mit Sicherheit hier einer der Ältesten und habe nicht nur die Entwicklung der Subkultur Gothic miterlebt.
Was ich heute in erster Linie kritisiere, das ist der Hang zur „PERFEKTION.“
Für mich war Gothic immmer auch der Inbegriff des „Independent“ und Unperfekten. Darum liebe ich so Lieder wie „Drunk, Stupid and Goth“ von Vendemmian oder „21st Century Boy“ von Sigue Sigue Sputnik :))) , die mir genau das Feeling rüberbringen, was ich damals empfunden habe und ich denke, die meisten Überlebenden meiner Generation fühlen genauso. :)
Darum mag ich auch keine gestylten Gruftdiscos mit in Silberpapier eingewickelten Skulls und keine perfekten Outfits.
Ich mag schräge, unperfekte Typen mit Ecken und Kanten und Schuppen, bei denen die Farbe von der Wand abblättert.:) Das ist für mich persönlich, neben der dazu passenden Musik, Gothic. :))
Graphiel
ja bei uns in München haben wir noch die „Wahl“ der veranstaltungen wo anders siehts traurig aus
Ich veranstalte seid dem ich in der szene bin Partys und ich hoffe das ich daurch ein teil der szene bin zumindest ist es wichtig für mich mich aktiv zu beteiligen und kein konsument zu sein
Ich mache auch Wave Musik (Nachtanalyse) und kann mich so verwirklichen
Mein freundeskreis besteht nur aus Gothics davon hören würde ich mal sagen 80% Wave und Synthpop
Ich bin früher und heute oft in die einschlägigen Clubs gegangen bei uns in Bayern: Libella,Melodrom,Strich8,Camera,Blackout,Loft,Nero,Feierwerk,Turm,Cat usw)
aber überall ist es zunehmend Technolastiger geworden .. Es gab eigentlich nur immer unsere partys der eigenen kleinen Szene in der Szene (Bat Society,Schattentanz,DecaDance,KälteKriecht in München)
Aber er war immer ein familiäres beisamen sein .. was wohl auch neulinge erst mal es schwer macht sich hier neu einzufinden …
ich kann nur allen sagen geht auf traditionelle veranstaltungen, unterstützt neue bands(wir veranstalten hier in Augsburg regelmäßig partys wo wir newcomer auftreten lassen)
und bleibt euch selbst treu
und das schönste ist das ich wohl überall wieder leute finde die genau so eingestellt sind wie wir Waver und dieses lebensgefühl weitertragen … genau wie unser Herr blogger !! *Zwei Pikes nach oben*
NEW WAVE IS NOT DEAD
NeonForce
Da schließe ich mich an!
machmal frage ich mich wie man sich so viel mit sich selbst beschäftigen kann…..war nicht toleranz das was uns hauptsächlich ausmacht? und ehrlich wenn es in den achzigern in der ddr xtrax gegeben hätte wäre man da nicht auch einkaufen gegangen???
@Jens: Provokativ gesprochen: Manchmal frage ich mich, wie man sich nur so wenig mit sich selbst beschäftigen kann. Toleranz in aller Ehren, aber wenn man nicht weiß wer man ist kann man nicht entscheiden ob etwas in „seine Welt“ passt oder nicht. Der Begriff Toleranz ist überladen und Intoleranz wird im allgemeinen empfinden als negativ ausgelegt. Oftmals ist Toleranz auch einfach nur Akzeptanz und „Duldung“ (auch wenn per Definition genau das Toleranz zu sein scheint) für mich ist das mehr.
Toleranz hat „uns“ meiner Meinung nach nie ausgemacht, sondern die Passivität unerwünschte Einflüsse hinzunehmen. Wozu das geführt hat, sehen wir heute. Subjektiv gesehen war wir früher sogar wesentlich intoleranter und haben uns deutlich von anderen Abgegrenzt, ja auch manche wirkten wir sogar arrogant und überheblich, weil wir uns nicht für andere Dinge interessierten.
Auch X-tra-X ist nicht das Problem, sondern viel mehr die Reduktion auf rein äußerliche Merkmale. Heute kleidet sich „jedermann“ in einen angesagten Szene-Fummel und gilt als „Gothic“, da gehörte früher einfach viel mehr dazu. Das war immer nur der Einstieg in einer andere Denkweise, andere Leidenschaft und in eine andere „Kultur“. Es ist nichts dagegen einzuwenden sich bei X-tra-X zu bedienen, aber das reicht – und so verstehe ich das – einfach nicht um zum Schutzraum der Autorin dazuzugehören.
1. Wer hat je von Toleranz gesprochen? Das waren vielleicht ein paar, die der Bildzeitung ausreden wollten, schlecht über die Szene zu sprechen und außerdem sind das WGT und andere Festivals große wirtschaftliche Einnahmequellen.
2. Klar hätte man auch in der DDR bei XtraX eingekauft. Wäre aber damals gar nicht möglich gewesen. Aber falls doch, hätte man dort auch eingekauft und man hätte trotzdem drüber gemackert.
Warum?
Weil das in der Szene völlig normal ist.
Gegen was hat man sich früher beim Punk aufgelehnt? Gegen Kommerz.
Was trieb und treibt der Punk voran? Den (verhassten) Kommerz. Da fängt’s doch schon an: https://www.nix-gut.de/
Es gibt immer Lästerstimmen. Und es gibt immer die, die motzen.
Wenn man sich nicht so viel mit sich selbst beschäftigen würde, dann gäbe es diese Szene vielleicht gar nicht.
Ich verstehe die einen, aber ich verstehe auch die anderen. Wir sind eben doch eine Art schwarze Punks :-)
Du hast Dich nicht sonderlich viel mit dem Leben dort beschäftigt, oder? In der DDR hätten sie sicher Schlange gestanden, ein Viertel der Interessenten hätte ein Outfit mit nach Hause genommen, der Rest wäre leer ausgegangen. War doch bei vielem so… Obst, Schallplatten usw. Vielleicht hättest Du Dein Outfit auch anmelden müssen, um anschließend zehn Jahre darauf zu warten, wie bei einem Trabi oder Wartburg. ;)
Nein, im Ernst. In der DDR hätte kein Mensch solch ein Outfit geduldet. Wenn Du Deine Schule abschließen oder einen Beruf erlernen wolltest, dann war das Outfit offenkundig der beste Weg, um in der Gosse zu landen. Wahrscheinlich hätte man Dich ohne große Umwege in den nächsten Jugendwerkhof gesteckt. Gibt genügend Berichte dazu.
Stimmt. Darum sag ich’s ja :-) Aber sicher nicht im schlichten schwarzen T-Shirt und schwarzer Hose.
@Death Disco
blockquote>wenn es in den achzigern in der ddr xtrax gegeben hätte wäre man da nicht auch einkaufen gegangen???
Du hast Dich nicht sonderlich viel mit dem Leben dort beschäftigt, oder? In der DDR hätten sie sicher Schlange gestanden, ein Viertel der Interessenten hätte ein Outfit mit nach Hause genommen, der Rest wäre leer ausgegangen. War doch bei vielem so… Obst, Schallplatten usw. Vielleicht hättest Du Dein Outfit auch anmelden müssen, um anschließend zehn Jahre darauf zu warten, wie bei einem Trabi oder Wartburg. ;)
Nee hab ich nicht müssen weil ich dort gelebt habe
Ich finde es nur doof wenn immer alles schlecht geredet wird wie zum Beispiel xtrax oder auch das WGT.
Da wo die Szene jetzt steht daran ist die Szene Schuld
@Death Disco
blockquote>wenn es in den achzigern in der ddr xtrax gegeben hätte wäre man da nicht auch einkaufen gegangen???
Du hast Dich nicht sonderlich viel mit dem Leben dort beschäftigt, oder? In der DDR hätten sie sicher Schlange gestanden, ein Viertel der Interessenten hätte ein Outfit mit nach Hause genommen, der Rest wäre leer ausgegangen. War doch bei vielem so… Obst, Schallplatten usw. Vielleicht hättest Du Dein Outfit auch anmelden müssen, um anschließend zehn Jahre darauf zu warten, wie bei einem Trabi oder Wartburg. ;)
Nee hab ich nicht müssen weil ich dort gelebt habe
Ich finde es nur doof wenn immer alles schlecht geredet wird wie zum Beispiel xtrax oder auch das WGT.
Da wo die Szene jetzt steht daran ist die Szene Schuld
Schuld haben vor allem Minderheiten, die glauben, aus einer Jugendszene Profit schlagen zu müssen. Das geschieht sowohl von außen als auch von innen. Diese Minderheiten formten die Szene gänzlich neu, durch Labels, Veranstaltungen, Printmedien, etc. Daran hat der durchschnittliche Szenegänger kaum Anteil. Dessen einziger Fehler war es, abzuwandern, als die Szene scheiße wurde, oder zum Stubentiger zu mutieren, weil die Clubs nur noch Murks verzapften.
Auch ich war mal Zillo-Käufer, kaufte in der zweiten Hälfte der 90er das Heft nur noch sporadisch und als HIM auf dem Cover auftauchte, war’s vorbei. Das wird vielen so gegangen sein. Dieses Medium hatte also eine neue Zielleserschaft angezogen. Von daher sollte man besser in SzeneN unterteilen.
Die spätere Zillo-/Sonic-Seducer/VIVA-Szene hat mit der ursprünglichen 80er Szene oder mit der Früh-90er Generation nicht viel zu tun. Wenn traditioneller Goth plötzlich eine Sparte unter dem Titel „Strange Goth“ bekommt, kann sowieso was nicht stimmen. Wie kann man die eigene Szenemusik als „strange“ empfinden? Daran merkt man doch, dass da nur noch Blödspacken am Werk sind.
Was ist ein goth für dich ?
Ich greife da ganz auf tradionelle Maßstäbe zurück. Das dürfte inzwischen hinlänglich bekannt sein. Einen Großteil der aktuellen Schwarzen Szene würde ich nicht als Goth titulieren. Das sind oftmals Nebenausläufer, Grenzgänger und Oberflächenankratzer, Leute, die mit populären VIVA-Grüppchen à la Pitchfork, Wolfsheim, Lakaien, Oomph! oder Nightwish mit der Düsterszene in Berührung kamen. Inwieweit hier ein Bezug zum eigentlichen Kulturkern besteht, kann sich jeder selbst beantworten. Dieser Bezug existiert zumeist nicht.
Ja, auch ich kam so mit der „Düsterszene“ in Berührung. Und Gott sei Dank gab es solche „Viva“-Bands. Was für Einstiegsmöglichkeiten gibt es denn sonst, wenn die eigenen Eltern nichts mit der schwarzen Szene am Hut haben und mir so nichts darüber beibringen konnten? Eine Wave-Szene gibt es in Bruchsal und anderen Käffern nicht. Ich bin froh, dass es das Internet gibt, das einen durch ein wenig Recherche im Musikbereich in eine vermeintlich tote Sparte bringt. Und Sachen wie Nightwish braucht man schon alleine deswegen um überhaupt mal ein wenig Einstieg in die Szene zu bekommen, alles andere recherchiert man nach oder lässt sich von Veteranen der Szene erzählen. Ich bin froh, dass ich hier gelandet bin. Und nachdem ich schon lange weiß, dass die von dir genannten Bands Viva-Musiker sind, erst recht, ein Teil der Szene zu sein. Tot ist sie nicht, man muss sie nur wieder beleben. Das geht aber nur mit Menschen. Ein einziger reicht dafür halt nicht aus. Vielleicht sind die Zeiten andere, aber das Feuer brennt. Wer mit Nightwish anfängt muss ja nicht zwangsweise in diesem Bereich stehen bleiben. Ich fand die früher mal richtig toll wie so viele junge Knirpse, aber mittlerweile habe ich meine musikalische Heimat im Wave- und Goth-Rock-Bereich gefunden. Und mir gefällt’s. Als Einsteiger hört man doch nur das, was man kennt und was einem die Freunde zeigen. Früher gab’s halt The Cure (heute zum Glück auch) und Ende der 90er eben HIM. Andere Zeit, andere Hörgewohnheiten. Die einen entwickelten sich vom Wave zum Techno, die anderen anders herum.
Ich seh’s realistisch: die wenigsten finden den Weg zur Wurzel. Sie bleiben an der Oberfläche hängen wie ein paar Fliegen an der Scheiße. Ihre drei Unheilig-Alben schmeißen sie nach zwei oder drei Jahren mutmaßlicher „intensiver Szenezugehörigkeit“ wieder zu eBay rein. Platz gemacht für die nächsten paar tausend Oberflächenankratzer.
The Cure spielten übrigens Goth. HIM taten das nie. Stellt sich mir also die Frage, wie man von „Pop-Metal“ zur Wave-Musik kommt. Der gängige Weg, durch den Heerscharen neuer Goths gewonnen werden können, ist das wohl kaum.
Nun, wieso höre ich dann Wave-Musik? Ich entspreche scheinbar nicht dem gängigen Weg :-)
Nightwish ist definitiv in ihrer Anfangszeit 1996 tatsächlich bloßer Pop – ich sage nur: Damit hätten sie es bei Carmen Nebel noch einfacher gehabt als der Graf, der ja über 10 Jahre gebraucht hat, vom RosamundePilcher-Techno-Kasper der schwarzen Szene zum (für mich) ziemlich akzeptablen Musiker zu wachsen.
Eben. Du bist sicherlich kaum repräsentativ für die Mehrheit.
;-)
Aber dafür versuche ich in Teile der Mehrheit hineinzuschauen und sehe darin dennoch ganz passable Schwarzkittel. Wie viele „Fraggles“ gab es in den 80ern, das kommt doch heute aufs gleiche raus. Wir leben in einer anderen Zeit, ich wünschte mir auch ich könnte andere Zeiten erleben, aber da hilft nur: Das beste draus machen und wie gesagt, selbst schwarze Partys organisieren. Ob jemand kommt oder nicht, ist denen überlassen. Was wichtig ist, ist dass man selbst seinen Weg findet. Und für meine Zukunft sehe ich schwarz ;-)
Ich habe die achtziger als teenager erleben dürfen und für mich hatte die New Wave sene ihren Reiz darin das sie ien Lebnsgefühl darstellte was von Rebellion, Auflehnung und Anti Kommerziell geprägt war und genau das passt „sondern die Passivität unerwünschte Einflüsse hinzunehmen“. New Wave /Dark wave ist aus den Punk entstanden und ich verbinde damit auch im Gothic aber Minimal, Postpunk und den frühen Industrial oder EBM.Man muss zu dieser Zeit eben auch wissen das Synthesizer, Sampler, E-Gitaren und Tongeräte zu dieser Zeit erachwinglich wurden und von daher jeder musiklaisch rumexperimentieren konnte. Und das spricht ein wenig für diese Zeit. Gerade in vielen Gothic Band aus dieser Zeit hört man noch die Punkelemente raus.
Irgendwann hat man alles was ein wenig Musik gemacht hat und ein wenig schwarz (oder bei Punk punkig) angehaucht war in den Topf „Independent und Gothic geworfen (für mich eh Darkwave). Das reicht bis zu Metal, Mittelaltermusik und Neofolk (für mich Nazimist), was defenetiv nicht in die Schublade gehört und diese elektrische Fliessbandmucke wo keine eigens kreierte Sound hervorgekitzelt werden sondern die Presetschleuder der Synthesizer angeschmissen wird.Qualitativ und musikalisch hat es aber immer weiter entfernt und findet ihren Höhepunkt das man in Klische von, ach so bösen Musikern und schmerzlich poetischen Texten geradezu ertrinkt.
Sicherlich wäre das nicht schlimm nur das allerdings der Kern der Szene einfach stark benachteiligt wird. Inzwischen ist es so das man als out abgestempelt wird weil man kein Latex, Neon oder Kunstlinsen trägt. Und das ist was mich eigentlich ärgert, das man die alte Szene nicht mehr respektiert und benachteiligt, aber jede andere Sparte der angeblichen Szene bedient wird.
lor: Gebe ich dir völlig recht, aber es gibt durchaus auch Leute, die anders denken und versuchen, nicht im schwarzen Mainstream mit zu schwimmen. Ich setze mich verstärkt für Veranstaltungen ein, die speziell Wave- und Post-Punk spielen. Das darf nämlich nicht wegsterben, sind das doch die Wurzeln von allem, was sich heute als schwarze Szene tituliert. Gerade die älteren sollen sich angesprochen fühlen, damit sie wissen, dass sie nicht „out“ sind sondern dazugehören. Obwohl ich jünger bin, kann ich es durchaus verstehen, dass ihr nichts mehr mit dem heutigen Szenen-Gefüge anfangen könnt. Und eben da möchte ich helfen, etwas zu verändern. Keine Special-Partys, die es einmal im Jahr gibt sondern ganz reguläre Veranstaltungen als Plattform wo man sich trifft und miteinander Spaß hat. Im Culteum in Karlsruhe haben wir zum Beispiel einmal im Monat die Endzeitwelten und R(h)ein Schwarz, wo auf jeweils einem Floor Wave und Post-Punk gespielt werden. Ich finde das sehr wichtig, denn auch meinen Geschmack trifft es. Ich bin zwar musikalisch offen innerhalb des schwarzen Bereichs, aber gerade in diesem „Oldschool“-Ding fühle ich mich am wohlsten. Vielleicht ist man Außenseiter innerhalb der Szene, aber dann bin ich’s gern :-) P.S.: Latex, Neon oder Kunstlinsen find‘ ich doof und vor der Altszene habe ich den größten Respekt. Wer die Wurzeln des Baumes kappt, darf sich nicht wundern, wenn die Blätter welken.
Ich denke mir, dass der Metal ein bisschen mit manch populärer Band in die Düsterszene gelangte. Da hatte er aber noch keinen nennenswerten Einfluss. Für jeden Alt-Waver war es ein Graus, als beispielsweise Valor aus Christian Death eine Hard-Rock/Metal-Band bastelte und die Goth-/Death-Rock-Gitarren nahezu völlig verschwanden. „Atrocities“ von 1986 (mit Gitane Demones „Tales of Innocence“) war meiner Meinung nach das einzig brauchbare Werk, das aus der damaligen Besetzung hervorging (Ok, ich will nun keinen Rozz vs. Valor-Streit vom Zaun brechen, aber die Entwicklung der Band sollte man schon kritisch beäugen dürfen).
Ich habe vor nicht allzulanger Zeit die Fields live gesehen und muss sagen, Goth-Rock ist das eigentlich nicht. Für mich klangen sie arg, arg nach Metal. Und auch die Sisters Of Mercy klingen mir live zu straight nach purem Rock. Ne ne, ich bleib da bei The Cure und ihrem Kinderzimmer-Alptraum-Pop, wie manche so nett dazu sagen :-) Was ich auch ganz nett finde sind so neuere Bands wie The Soft Moon oder Lebanon Hanover, OBWOHL ich sie teilweise ein wenig eintönig finde. Ist glaube ich auch mehr Retro als was wirklich eigenständiges und sie leben wohl eher durch ihr audiovisuelles Auftreten auf Youtube… aber mir fehlt da oftmals die Eigenständigkeit. Was ich aber ganz schlimm finde, sind solche Grindcore und Grunz-Metal-Bands, die plötzlich im Orkus auftauchen. Oder Deutschrock wie Frei.Wild zum Beispiel. Was hat sowas in einem angeblich schwarzen Käseblatt verloren (nichts gegen den Orkus, die interessantesten Artikel finden sich immer viertelseitig ganz weit hinten, und da sind mir Singer-Songwriter wie Sea+Air lieber als die Coverstories).
…nicht mehr. Mittlerweile ist’s eher ein Gemisch aus Fields of the Nephilim und The Nefilim (letztere eine kurzlebige Metal-Band von „Hütchen-Calle“).
Früher klangen sie u.a. so:
Na das ist mal ein gewaltiger Unterschied! So wie in dem Video gefällt mir das wesentlich besser. Diese komische kratzige Hundestimme, die er heutzutage hat, klingt nämlich auch sehr seltsam.
https://www.prosieben.de/tv/taff/video/umstyling-auf-dem-gothic-festival-clip
Haha, ich musste eben mal wieder lachen :-)
Fields mochte ich komischerweise nie so richtig, war nicht mein Sound. Allerdings ist es selbst bei Punk so das viele Bands auf Hardcore gegangen sind also das es schon mehr nach Metal klang als sonstwas. Furchtbar. Aber auch im Electrobereich sind so einige in Gefilde hinabgegangen die ich nicht nachvolllziehen z.B Cabaret Voltaire. Selbst bei The Cure oder Depeche Mode sind doch eher deren früheren Werke weswegen sie Kultstatus erreicht haben.;.Gerade im Eletronikbereich muss ich sagen das ich inzwschen im Elektrobereich reinhöre was absolut geil ist aber die Akteure kein Schwarz tragen und was auch nicht in schwarzen Clubs gespielt wird. Schade, aber Karlsruhe ist ein wenig weit weg. Komme aus Hamburg und hier ist echt tote Hose für alte Hasen. Und wenn was los ist dann beschränkt sich das auf 30 Mann Partys oder so
Das Video ist echt zu geil..jeder hält sich für den schönsten. Das ufert echt schon in ein peinliches Köstumfest aus. Ich muss aber gestehn wenn man älter geworden ist sieht man das aber doch mit ein wenig mehr Abstand und man ertappt sch schon bei den Gedanken“ wozu diese Verkleidung und ob man früher auch so extrem war? Die frage die ich mir stelle ist ob man soviel von sich aufgeben muss das man sich so „verkleidet“ da sman eher einer Kitschfigur aus dem Phantasie Roman gleich.Und das meiste sieht eher aus wie gewollt abe rnicht gekonnt. Wenn ich aber zum Beispiel Freunde suche oder eine Frau kennenlerne will ich eigentlich schon da sie mich so erkennt wie ich bin. ;). Das ist aber bei Gummimasken oder falschen Linsen nicht mehr gegeben. Ich steh beispielweie auf blaue Augen ….wenn ich aber feststell das es nur Linsen waren ..Auweia ;D. Heute will ich mir auch nicht mehr die Mühe machen zwei Stunden am We ein Iro zu machen ,und in der Woche das möglichst vertuschen. Viel zu anstrengend. Auch muss ich nicht mehr unbedingt schwarz tragen, macht vielleicht auch das Alter. Übrigens finde ich das die Dame im Video vom gesicht her gar nicht so übel aussah …fand aber das Geschminke und die blauen Haare und auch das Köstum unecht und absolut abstossend . Kommt mehr so nach tatüütttaatäää rüber und überhaupt nicht natürlich …das stösst mich als Mann eher ab.:)
@Jens:
Im Westen haben sich in den 80er Jahren die meisten Zugehörigen alternativer Subkulturen auch nicht mit überteuerten Klamotten eingedeckt. Wer hatte den – in einer noch jungen Szene – die finanziellen Mittel, um sich teure Kleidung zu kaufen? Das dürfte doch den wenigsten „vergönnt“ gewesen sein. Wurden nicht in Ermangelung grenzenloser finanzieller Mittel Prioritäten gesetzt? Investierte man nicht zuerst in Platten und Konzerte. Manch einer auch in Instrumente, um selbst aktiv zu werden. Die Kleidung war dann eher ein Produkt der eigenen Kreativität und ein gewisser Drang nach Individualität. Heutzutage haben sich die Prioritäten verschoben. Musik steht nicht mehr an erster Stelle. Ist diese doch kostenlos im Internet erhältlich.
Aber zurück zur ursprünglichen Frage: Ich denke, dass man die Szene und damit Ziele und Richtung nur für sich persönlich definieren und entsprechend der eigenen Vorstellungen handeln kann. In „meiner“ Szene treffe ich auf Menschen, die aktiv und kreativ sind, die Dinge hinterfragen und mich inspirieren. Die bemüht sind, einen kleinen, alternativen, schwarzen Lebensraum zu erhalten oder zu erschaffen und das fördern bzw. unterstützen, was ihnen wichtig ist. Eine Gemeinschaft, in der man sich gegenseitig befruchtet und in der man nicht vollkommen gedankenlos konsumiert.
Es ist faszinierend, wie schnell sich die Diskussion immer wieder und in immer enger werdenen Kreisen um die „richtige“ Musik dreht, mit einem gelegentlichen Exkurs über falsche Klamotten. Den armen Leser stürzt das in ein Wechselbad der Gefühle – oh goth, ich habe jahrelang die falsche Band gehört, sind meine Favoriten nun als „Viva-Grüppchen“ enttarnt, muß ich dringend mein CD-Regal ausmisten, wenn ich weiter dazugehören will …?
Nein, für mich ist dieses Name-Dropping mit Band-Namen einfach langweilig. Und ob am Ende vielleicht die falschen Leute gute Musik hören, na und? Wird sie dadurch schlechter?
Den Kern der „meiner“ Szene, dieses Teils des schwarzen Wusts, in dem ich mich aufgehoben fühle, sehe ich vor allem in einer Lebenseinstellung, einem Lebensstil, und Ästhetikgefühl. Was das für mich bedeutet, habe ich vor langer Zeit in einem Text niedergeschrieben, der nun auf Shan Darks Blog zu finden ist https://der-schwarze-planet.de/schwarz/. Kleidung und Musik sind die Sprache, in der sich diese Gefühle ausdrücken, und jeder findet da seinen eigenen Dialekt – und entwickelt ihn im Miteinander weiter. Das ist lebendig, und dadurch habe ich selbst meinen Weg gefunden und immer wieder spannende Menschen kennengelernt. Auch wenn sich am Ende nicht alle miteinander verstehen, manche (und manche hoffentlich) andere Wege gehen: davon lebt die Szene. Eine Selbstbeschränkung auf den einzig wahren Stil trocknet eine Szene aus.
Mit den unscharfen Rändern der Szene kann ich daher gut leben. Wir brauchen sie sogar, damit Neulinge den Weg zu uns finden, und damit genügend Masse für die eine oder andere wenigstens akzeptable Tanzveranstaltung zusammenkommt (nicht daß ich glaube, daß alleine diese Runde hier sich auf eine optimale Playlist einigen könnte …) Und nicht zuletzt: damit wir was zu Lästern haben! Nichts festigt eine Gemeinschaft besser … ;-) Außer vielleicht: gemeinsam und selber aktiv werden. Aber dazu bin ich hier ja in der richtigen Runde.
Das hatten wir doch alles schon. Das kann nicht funktionieren. Ich gehe da völlig pragmatisch und ohne große Umwege heran.
Was lässt die Szene Szene werden?
Was macht sie greifbar?
Wo setzt man die Grenzen, damit dieses Konstrukt überhaupt die Bezeichnung „Szene“ verdient?
Eine Lebenseinstellung? Unmöglich. Ein Lebensstil? Funktioniert dieser denn ohne den musikalischen Bezug? Funktioniert die gemeinsame Ästhetik ohne den musikalischen Bezug? War das denn nicht schon immer eng miteinander verknüpft?
Lieber ausgetrocknet als verwässert. ;-)
Ernsthaft: Wenn man bedeutende Orientierungspunkte, wie die „richtige“ Musik, einfach fallen lässt, geschieht dasselbe: Die Szene geht zugrunde. Der Kulturkern geht verloren. Es weiß doch jetzt schon ein Großteil gar nicht mehr, was Goth im jugendkulturellen Sinne einmal war. Jeder macht nur noch das, was er will. Wie sollen sich in diesem Gewusel dann Gemeinsamkeiten finden? Man fühlt sich inzwischen wie ein Marsmensch, wenn man entsprechende Events aufsucht.
Ganz im Gegenteil. Schärfer zeichnen. Das wäre nach 15 Jahren fadem Brei wieder einmal bitter nötig.
@Death Disco:
Nur mal o als Denkansatz: Dein Kulturverständnis uss ziemlich eng sein, wenn Du mit Kultur nur Musik meinst. Was ist mit Literatur? Oder Ausstellungen? Gemälde? Skulpturen? Zählt das für Dich denn nicht zur Kultur?
Das an der Musik festzuknüpfen ist schwachsinnig. Was ist mit Menschen die Beispielsweise durch einen Unfall taub werden? Dürfen diese Deiner Ansicht nach nicht mehr Teil einer Szene sein, weil sie keine Musik hören können?
Literatur ist doch aber keine Grundeigenschaft der Szene. Darum geht es mir. Kannst ja mal ’ne Umfrage starten, wieviele Die-Hard-Goths sich mit Literatur beschäftigen. Davon ab: es gibt meines Erachtens keine szene-eigene Literatur. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Autoren aus der Szene stammen. Auch bestreite ich, dass es soetwas wie szene-eigene Gothic-Kunst gibt. Das ist doch alles imitiert, z.B. in den Anfängen vom Punk (Flyer-Kunst). Man bedient sich einfach bestehender Techniken. Es wird konsumiert, rezipiert und kopiert.
Musik ist und bleibt das einzig nennenswerte Basiselement der Szene.
Genausowenig wie es szeneeigene Musik gibt. Denn auch dort wurde schon immer konsumiert, rezipiert und kopiert.
Es wurde schon immer rezipiert und kopiert, z.B. von Gothic Novels des 18. Jahrhundert. Oder vom Barrock-Zeitalter. Oder vom Impressionismus – auch, oder gerade in der Musik.
„Kannst ja mal ‘ne Umfrage starten, wieviele Die-Hard-Goths sich mit Literatur beschäftigen.“
Du wärst überrascht wieviele das sind.
Von wegen szene-eigene Literatur. Da hätte ich schon ein paar Autoren oder Vor-Leser anzubieten: Markus Heitz, Gesa Schwartz, Wolfgang Hohlbein oder auch Oswald Henke… Robert Forst würde ich sogar dazunehmen, er schreibt höchst spannende Artikel in einem sehr interessanten schwarzen Blog ;-) Die Frage ist doch außerdem: Was ist Literatur überhaupt und welche Genres gibt es? Ein Dr. Mark Benecke hat sicher auch schon mal die eine oder andere Doktor-Arbeit geschrieben. Und wir müssen betrachten: Im musikalischen Sinne gibt es vielleicht zwischen einem Ur-Waver und einem Doom-Metaller wenige Schnittpunkte, wohl aber im literarischen. Glaube mir, wieviele Leute gibt es in der allgemeinen „verwässerten“ Szene, die Edgar Allan Poe lesen? Ich behaupte, zumindest 50 % aller mutmaßlichen Schwarzkittel kennen „die schwarze Katze“ oder „Der Rabe“, ein paar weniger vielleicht „Der Untergang des Hauses Usher“. Das ist für mich vielleicht nicht Goth, aber definitiv Gothic und zählt meines Erachtens zur Allgemeinbildung eines Düstergängers. Niemand ist gezwungen, sich mit Literatur zu beschäftigen. Niemand muss Nietzsche oder Kafka unbedingt gelesen haben. Aber wenn man schon selbst sagt, eine ausgetrocknete Jugendkultur, bei der es nur um einseitige Musik (nicht falsch verstehen, ich mag diese Musik, aber nicht als allereinzige) und Sauforgien geht – wo ist dann bitte groß der Unterschied zu heute? Ich halte fest, nach meinen Erfahrungen und den Aussagen einiger schwarzer Partygänger ginge es um Musik (heute eben sehr technoid) und Party. Vom Styling mal ganz abgesehen. Ich persönlich kann auf all solche Sachen verzichten. Oha. Bin ich dann überhaupt noch Goth, so ungestylt, so partylos?
Apropos muss ich Axel recht geben: Ich kenne wirklich viele Alt-Grufties, die lesen wie verrückt. Zwar eher Gedichte, aber man muss ja nicht gleich jeden dicken Schinken wälzen. Sie sagen eher selbst, es war die 90er-Generation, die angefangen hat, alles zu verwässern. Eine Kopie einer Kopie. Wir brauchen als mitteleuropäische Schwarzkittel sowieso keinen Anspruch zu erheben, bei uns gäbe es irgendwelche echten oder falschen Gestalten, wir sind von Anfang an nur von den Engländern inspiriert worden. Unsere Szene ist und war schon immer anachronistisch. Wie sagte hier einer schon so schön, was Punk ist: Wenn einer eine Mülltonne umtritt, ist das Punk. Weil so rebellisch. Wenn ein anderer das sieht und ebenfalls eine Mülltonne umschmeißt, ist das kein Punk, sondern Trendgehabe. So war’s schon immer und so wird es immer sein.
Wenn jeder jetzt in Pikes, mit Krähennest oder Türmchen herumläuft, ist er dann mehr Goth als die Halbnackten mit Schläuchen in den Haaren – die teilweise sogar noch Sisters of Mercy und Oldschool hören, auch wenn du es gar nicht weißt? „Kleider machen Leute“ schrieb schon Gottfried Keller. „Unterm Rad“ lebt sich’s gefährlich, denn gerade durch dieses „Ich muss, ich darf“ fängt es doch schon an, wieso so viele ins Zweifeln kommen und die Szene verlassen, weil sie so manchem nicht true genug sind. Wenn das so wäre, stünden so manche von uns ziemlich alleine da. Wäre das überhaupt noch eine Szene, die nur noch aus einem „harten Kern“ bestünde, der nur aus Loyalität zusammenhielte? Quasi als Grals-Hüter einer längst vergangenen Epoche, die nur noch aus Erzählungen besteht? Eben so was ist die Kirche für mich. Eine leere Hülle bestehend auf einem Dogma, an das sowieso keiner mehr wirklich glaubt. Was nützt es dann, immer und immer einerseits über die angebliche Inhaltslosigkeit einer Szene zu meckern, andererseits sich darüber zu ereifern, man solle die Altszene nicht zu sehr glorifizieren. Wieso jammern, dass Bands nur noch scheiß Musik spielen würden und die Schuld dem Kirmestechno geben? Alles, was einem gefällt, existiert bereits. Wieso muss das Rad immer und immer wieder neu erfunden werden. Wenn man haben will, was man haben will, wenn man aussehen, denken, fühlen, riechen will, wie man will, so soll man es doch tun. Man muss ja nicht jeden lieben und als sein Ziehschäfchen aufnehmen. Aber vergleicht mal die Szene mit dem Rest der Welt: Ich bin verdammt froh, hier gelandet zu sein. Hier gibt es für jeden die richtige Musik, das richtige Outfit und die richtigen Freunde. Das sollte man diesem „verwässerten“ Konstrukt lassen.
„Wo man singet, lass dich ruhig nieder,
Ohne Furcht, was man im Lande glaubt;
Wo man singet, wird kein Mensch beraubt;
Bösewichter haben keine Lieder.“
P.S.: Was mich aufregt ist der schwarze Karneval, den es leider nicht nur bei RTL und Co. gibt. Eben dies: https://www.prosieben.de/tv/taff/video/grufti-sucht-grufti-clip#WM=VideoShare&KA=Grufti sucht Grufti – taff 12/09 – Video&PL=Facebook&width=396&KN=taff&height=224
@ Axel.
Das ist so unsinnig, als würdest Du behaupten, es gäbe keine Musik der Metal- oder Punk-Szene. Natürlich gibt es die. Das ist der einzige Grund, weshalb diese Szenen überhaupt existieren.
Und nein, ich glaube nicht, dass sich ein Großteil der Goths, Waver, Goth Rocker, wie Du es auch immer nennen magst, gezielt mit Literatur beschäftigt.
@ Ian Luther:
Was hat das mit szene-eigener Literatur zu tun? Welches eigenständige, literarische Genre wurde denn hervorgebracht? Welche szene-eigene Foto-Kunst? Die Hochglanzmedien der aktuellen Schwarzen Szene unterscheiden sich kaum von herkömmlichen Tittenheften.
Und nur weil ein Zeichner der Schwarzen Szene statt Batman- lieber Gruftie-Comics veröffentlicht, wird daraus nichts Eigenständiges.
Also ich selbst sehe mich nicht als Goth odoer so sonder eher als Waver. Dieser Begriff ist mir wesentlich passender da cih auch gern elektronische MusiK höre.Ob man sich nun unbedingt „ich sage verkleiden muss “ sei dahingestellt. Teilweise will man damit ja eigentlich nur zum Ausdruck bringen das man ähnlich denkt und dazugehört. Ich wiederum finde wesentlich wichtiger wer man persönlich ist. Zu dem dazugehören gehört abe rauch die Arttypische Musik die einen anspricht. Dabei muss man auch hier nicht jede Band mögen.-Jede Szene hat ihre schlechten oder qualitativ und prägenden Bands.
lor:
So sehe ich das. Ich kann mich nur leider alterstechnisch schlecht zu den Wavern dazuzählen, weil es die Szene nicht mehr gibt :-(
Weil für mich die schwarze Szene keine eigenständige Mukke hat bzw. noch nie hatte! Klar, in den 80ern war der Punk und New Wave das, was einige zusammengeschart hat und neues daraus hervorgebracht haben. Aber für mich gibt es ganz klar keine einzelne schwarze Musikrichtung. Ok – Goth-Rock… das war in den 80ern mal ne Phase, die etwa von ’81 bis ’86 manche Bands beeinflusst hat… aber ich kenne keine Band die ausschließlich nur Goth-Rock spielt… das sind dann vielleicht Sachen wie Dr. Arthur Krause und selbst neue Projekte wie The Soft Moon… aua. Aber das ist doch extrem langweilig, wenn sich da eins wie das andere anhört. Da höre ich lieber stinknormalen Punk, da ist auch Eintönigkeit vorhanden. Ich bin ganz froh, wie buntgemischt die Szene ist. Wenn ich gerne in meinem eigenen Süppchen kochen will, kann ich das tun. Es gibt keinen Goth-Rock im herkömmlichen Sinne. Die Sisters dementieren das, The Cure schon immer. Psychedelisches Geschraddel kann jeder machen. Ich mag Wave und Punk. Und manche Metal-Sachen. Trotzdem bin ich schwarz, aber kein Goth. Mit Gothic verbinde ich eher irgendwelche esoterisch angehauchten komischen Käuze, die einen auf Vampir machen. Hatte ich früher als Kind schon mal an Fasching, brauche ich für mich nicht mehr :-)
Absolut. Wenn ich mit der Musik nichts anzufangen weiß, ob das nun Synthwave oder Gitarrenwave betrifft, kann ich nicht davon ausgehen, von anderen als Goth oder Waver akzeptiert zu werden. Ein bedeutendes Merkmal fehlt dann nämlich. Ich frage mich, warum das immer wieder diskutiert werden muss. In keiner anderen Szene wird die Bedeutung der Musik derart infrage gestellt.
Nimm es mir nicht übel, aber anhand Deiner vielen Beiträge habe ich schon länger das Gefühl, dass Du Dich in dem Bereich nicht gut auskennst und das auch gar nicht beurteilen kannst, Cure und Nephilim mal als Beispiele herausgepickt.
Fortsetzung :) … Hier sehe aber auf das obengenannte genau die Argumente warum die Musik doch wichtig ist, den wenn ich rückblickend sehe dann wird jede Szene von der Mediem und Konsumindustire gnadenlos ausgeschlachtet und wir werden mit sogenannten Hypes totgenervt bis es unerträglich ist. Dabei gilt Masse vor Qualität. Und genau das hat sich in der Szene eingeschlichen.Ganz einfach gesagt bin ich damals vor den Technoschuppen gewichen als es hier mit Anfang der 90er wieder Clubs gab die Wave und Gothic spielten. Ideal da der Techno immer „billiger und kommerzieller wurde. Und heute habe ich genau das Gefühl wen ich den Elektrokram in diesen neuen Gruftischuppen gehe.Das kommt aber daher das die Neugoths es einfach dahinnimmt und zufrieden sind mit dem was sie vorgesetzt bekommen. Und ich sage vorgesetzt, denn meistens beginnt der Bekanntheitsgrad eienr Band mit den „Gothicsamplern die den Zeitschriften (oder Werbung in dieser) oder so beigefügt sind. Mich macht einfach nur wütend wenn dort auf den Flyer Gothic, Darkwave usw. draufsteht, man geht hin und es wird bumm bumm bumm gespielt. Also was anderes was man erwartet. In Abstand von zwei Stunden kommt den mal 3 alte Stücke die man ebenfalls schon 1000 mal gehört hat. Genau das entspricht aber nicht der Szene ….Masse vor Qualität ..und Konsumieren ohne nachzudenken. Und eines sei auch noch angefügt: als ich damals ein Iro oder eine typsiche Waver Frisuer mit dazugehörigen Klamotten trug war man der „Star“ und es war leicht Kontakte zu knüpfen, Seit ich aber sei es weil ich Älter geworden bin oder weil von Job her das nicht mehr kann sind es tatsächlich wenige die einen noch grüssen und kennen. Das find ich schon ziemlich traurig erkenne aber dadurch das man sich, wenn man sich nur nach der Szene lebt und orientiert, sich selbst eigentlich in eine Schublade steckt. In der ist es aber ziemlcih eng dunkel und nicht sehr weitsichtig.
Selbst wenn ich mit Synthwave oder Gitarrenwave etwas anfangen könnte, wäre es mir in erster Linien wurscht, ob man mich als Goth oder Waver akzeptiert. Von der Normalbevölkerung kann man ja auch nichts anderes erwarten, als dass sie einen trotz Pikes und Mantel in die Wacken-Schiene oder den Sarg legt. Die „Kleiner Vampir“-Phase hatte ich mit 11, als ich aus nem Ikea-Karton einen Sarg gebaut habe. Aber dieser Trip ist lange schon vorbei :-) Dieses ganze Gruselding ist für mich nur noch eine spielerische Fassade. Ich liebe Haribo-Fledermäuse und solche Sachen, weil ich Klischees liebe. Ich bin ein total normaler Mensch, der halt nur ausschließlich schwarz trägt und Musik hört, die der Otto-Normalbürger nicht kennt oder hören würde. Außerdem fühle ich mich in der Gesellschaft fremd. Vielleicht ist das eine Gemeinsamkeit. Vielleicht nicht. Jedenfalls mag ich die Szene. Und wir brauchen Verwässerung. Sonst hätten wir nichts zu lästern und zu lachen :-)
„aber dadurch das man sich, wenn man sich nur nach der Szene lebt und orientiert, sich selbst eigentlich in eine Schublade steckt. In der ist es aber ziemlcih eng dunkel und nicht sehr weitsichtig.“ Ja, leider.
@Death Disco: Antworte mal bitte auf folgendes:
Ist vor einem Jahr einer Freundin passiert. 22 Jahre lang in der Szene und hatte nen ziemlich heftigen Autounfall und wurde dadurch gehörlos. Darf diese denn deiner Ansicht nach nicht mehr zur schwarzen Szene gehören? Ich sag Dir was: für sie ist es schwer, aber gerade das Lebensgefühl gibt ihr wahnsinnigen halt. Sie hat angefangen zu malen, sie hat ihre schreiberischen Tätigkeiten intensiviert, usw. Alles sehr düster um mit dem Unfall fertig zu werden. Ich würde sogar sagen ihre Lebenseinstellung hat sich seitdem nochmal intensiviert, vorallem weil klar wurde wie vergänglich alles ist.
Ich sage: Solange es keine Leute gibt, die in der Szene das Sagen haben, kann jeder sein Schwarzsein so gestalten wie er will und auch hören was er will. Mein Gott. Und jeder darf so viel mosern und motzen, wie seine Finger und Stimmbänder da mitmachen. Es ist wahr – doch die Wahrheit ist nicht immer das, was sie zu sein scheint. Optik ist Illusion. Akkustik ist Illusion. Dürfen Blinde sich überhaupt zur schwarzen Szene dazu zählen? Sieht ein Blinder hell oder dunkel? Wir diskutieren und diskutieren immer um den heißen Brei und das gleiche Thema herum. Manchmal macht es Spaß, manchmal nervt es nur noch.
Hach diese Endlosdiskussion um Begriffe und Inhalte.
Da hat sich halt jeder sein eigenes „Lexikon“ aufgebaut im Laufe der Jahre und wird es nach und nach auch verändern. Das ältere Goths sich mit Literatur beschäftigen ist doch logisch. Wenn man aufgrund von bestimmten Pflichten (Arbeit, Familie, Haus, Hund etc.) weniger weg geht, sucht man sich eben Dinge, die dem Lebensstil auf einer anderen Ebene entsprechen. Und wenn man sich mit Musik weniger auskennt (das ist logischerweise in Jugen Jahren so beim Erfahrungsgut Musik) oder sie einem weniger bedeutet, man aber trotzdem Anerkennung will legt man eben mehr Wert auf Äußeres (Achtung, provokante These, natürlich hat das mit dem Rausputzen in jungen Jahren auch noch andere Gründe ;) ).
Eine Verwässerung, wie sie hier beschrieben wurde sehe ich nur bedingt. Es gibt ja immer wieder Spezialisierungen, die dann in kleinem Rahmen für Eingeweihte interessant sind. Problematisch finde ich nur die Unübersichtlichkeit, die auch mit Sprachlosigkeit einher geht. Das habe ich hier auch ein paar mal in den Kommentaren rausgelesen. Es ist heute in der Tat äußerst schwierig eine Veranstaltung mit Musikgenre-Begriffen zu bewerben/zu beschreiben. Da die Zuordnungen unklar sind und die Begriffe einfach zu viele, als dass sich insbesondere unerfahrene damit auskennen könnten.
Wer weiß denn schon was er unter Synthwave oder Coldwave verstehen soll oder was genau nun der Unterschied zwischen Aggrotech und Industrial ist. Und überhaupt: Ist das neue elektronische Tanzzeug noch EBM oder nicht und wo/wann war die Grenze….etc. etc. Ach und wenn wir schon bei Soft Moon sind…was machen die denn für Musik? Ist das Postpunk? Wire war doch auch Postpunk und The Fall auch und Bauhaus auch…klingt aber ganz anders… Was ich sagen will: da muss man schon arg einsteigen, um das musikalische Repertoire des Abends an Begriffen fest zu machen. Eigentlich kann man sich für oder gegen eine Band/Veranstaltung erst entscheiden, wenn man da war/sie gehört hat und genau da hat die große schwarze Gemeinschaft meiner Meinung nach aktuell ein Problem. In der Kommunikation und der Bezeichnung von Veranstaltungen. Mittlerweile habe ich da etwa ein Gefühl für, aber vor, sagen wir 10 Jahren, war ich auch oft enttäuscht ob der Diskrepanz, die sich in meinem Kopf aufgrund des Vergleichs von Erwartungen durch Flyer/Webauftritt und Realerfahrung eingestellt hat.
Ich habe das jetzt ein zweimal bemerkt auf neueren Partys. Da soll man dann als DJ mal „spielen was auf dem Flyer steht“. Da stand Gothic, Wave, Industrial, Minimal, Postpunk, Dark 80s drauf und die wollen ASP, Rammstein und In Extremo hören…da haben wir meiner Meinung nach ein Problem. Die Begriffe helfen einfach nicht mehr heute, weil alles in verschiedenen Kontexten nichtssagend gerahmt wurde und wird (insbesondere durch „schwarze Leitmedien“). Fragt doch mal rum, was 20-25jährige unter Industrial verstehen….Das heißt ja nicht, dass die alle doof sind. Das Problem ist ein reales, wir müssen es irgendwie besser hinbekommen, zu vermitteln und zu kommunizieren was mit solchen Begriffen gemeint ist.
Sorry, aber ich fand das Beispiel einfach zu beknackt, um es ernst nehmen zu können. Wieviele Menschen in der Goth-Szene werden denn plötzlich taub? Und selbst wenn dem so wäre, wie Du schilderst, käme sicher niemand auf die Idee, Deine Freundin dafür zu kritisieren. Also ehrlich… langsam wird es lächerlich.
Es zeigt für mich ganz klar die fehlende Auseinandersetzung mit Musik und Kultur. Und da muss ich dann schon sagen: Eigenverschuldung, wenn sie dafür auf Ablehnung stoßen und mit Unnettigkeiten überschüttet werden.
robertianjim: Wenn die DJs das spielen, weil die Leut es hören wollen, ist es halt nun mal so. Was ich mir wünschen würde, wäre eine schöne Mischung, dass niemand zu kurz kommt. Ich mag halt vieles aus dem schwarzen Bereich, von alt bis neu, von Post-Punk bis ASP. Das ist es eigentlich, was für mich einen netten Party-Abend ausmacht: Leute verschiedener Generationen, die gemütlich beisammenhocken und sich austauschen. Von sowas lebt eine Szene und nicht allein vom Vorsich her schieben einer toten Leiche (nicht falsch verstehen). Außerdem habe ich manchmal den Eindruck, viele Ältere gehen damit wesentlich lockerer um als so mancher junger Gralshüter. Daher bin ich mir nicht so ganz sicher, ob wir in den Diskussionen nicht eher über unser Wunschdenken als über Tatsachen sprechen…
Wie wäre es denn zur Auflockerung mal mit ein wenig Goth Rock anno 2012? Wenn das was für komische Käuze ist, dann bin ich wohl einer. ;-)
Merciful Nuns ~ The Nazarene
Opened Paradise ~ Ximbalba
The Daughters Of Bristol – Sleight Of Hand
http://www.youtube.com/watch?v=BRnjvS1tSc4
Ikon – Azkadelia
http://www.youtube.com/watch?v=nWI7SfnU0hk
Red Sun Revival – Running from the dawn
Aeon Sable – Algorithm Of None (Dying Motion)
http://www.youtube.com/watch?v=8u82zzxGr_o
Midnight Caine – Mirrors
http://www.youtube.com/watch?v=R0rpXe9bgvs&feature=plcp
Angels Of Liberty
http://www.youtube.com/watch?v=PhRKhND-gcI
DU sagst doch, dass jeder nicht zur schwarzen Szene gehört, der eine bestimmte Musik nicht hört. Die Folgefrage ist also richtig. DU sagst, dass es kein Lebensgefühl gibt und sich alles nur um Musik dreht. Das Beispiel war einfach nur dazu da um zu verdeutlich: Du irrst Dich.
Katrin: Neiiiin, so hab ich das nicht gemeint, tut mir leid, dass ich mich falsch ausgedrückt habe! :-) Die Sachen sind doch großartig… ich meinte damit irgendwelche Vampiristen, die es tatsächlich gibt und Blut schlabbern… sich aber als Goths bezeichnen. Das meinte ich^^
@Katrin:
Du hast Puppet Lane vergessen:
http://www.youtube.com/watch?v=BPdv75kvgII
:-)
Sie ist einfach nur dumm und argumentativ entbehrlich.
Wenn Du nicht begriffen hast, dass man Musik fühlt und der Mensch über ein Erinnerungsvermögen verfügt, tut’s mir leid.
Sicher fühlt man Musik. Aber man fühlt auch andere Dinge. Menschen. Filme. Bücher (?). Gemälde. Theater. Kleidung. Nahrung. Die Natur. Waldspaziergänge im Herbst. Goldene Blätter. Vollmondnächte. Regen.
Natürlich kann man Bücher fühlen. Denn das geschriebene Wort vermittelt ja auch … Gefühle.
Stimmt! Wie oft habe ich mir schon den Arsch abgelacht, nachdem ich irgendwo auch nur einen Satz gelesen habe, und das für Stunden :-)
Death Disco: Was genau ist für dich eigentlich Gothic? Was verbindest du damit, was fesselt dich so daran?
Wow… und weiter am Kern der Sache vorbei. Lasst es gut sein. Die Zeit ist mir dafür zu schade…
Hey, Du erdreistest Dich zu lachen? :D Das wird dem General Darth nicht gefallen. ;-)
Come to the dark side. We have cookies. And Java Script :-)
And Mylene Farmer. <3
Okay, genug gespammt. :D
Ich versteh gar net, wie man sich so sehr in sowas reinsteigern kann. Ich hör demnächst David Guetta. (Wüärks) Dat is mal sowas von Gossick :-)
Wobei ich mich bei der guten Mylene Farmer wirklich frage, waum die nicht in der Szene gehört wird. Thematisch passt die Frau voll rein und wenn man sich mal mit ihrem Background und ihrer Lebensgeschichte beschäftigt noch viel mehr.
Oder Kate Bush…
Ich besteh aber auch auf Vendemmian und Pretentious, Moi? :))
Ha, auf alle Fälle! :-) Ich finde wir müssen das Ganze einfach mit mehr Spaß und weniger Ernsthaftigkeit sehen ;-)
http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=S_NqVd5Wqv0#!
also mal ganz ehrlich: im ursprung ist es doch eine jugendkultur, also warum wird sich über den ausstieg vieler, wenn sie vermeintlich erwachsen werden so aufgeregt? für heutige teenager steht das „aussehen, wie ein goth“ auch für rebellion und wenn es der selbstfindung beiträgt ist es doch lohnenswert. schließlich setzt sich die gruftiejugend heute mit den selben themen von damals auseinander, nur eben anders. wäre ja auch schlimm, wenn jede generation dasselbe täte, oder? ich bin ja auch aus der jüngeren generation(bin 24) und für mich war es in der jugend auch eine demonstrative abgrenzung oder auch ein signal, dass sagen sollte „lasst mich in ruhe, ich möchte allein sein“. dass da nich mehr dahinter steckte und heute steckt liegt ja auch an den ereignissen der zeit. wir haben keine unmittelbaren kriege oder eien teilung des landes. heute darf jeder individuell sein, also wogegen wirklich gemeinschaftlich rebellieren?
Liebe Anne,
Mir würden da, wenn Du so gesamtgesellschaftlich fragst, doch ne ganze Menge Themen einfallen:
– Die Hinzusteuerung der Gesellschaft zu 1984-Verhältnissen, sprich: immer mehr Überwachung, immer mehr Datensammelei usw. – Was übrigens dazu führt, dass irgendwann die Menschen ganicht mehr individuell sein können.
– Die immer krassere Aufspaltung zwischen Arm und Reich. Hier entsteht durchaus eine „Teilung des Landes“ nämlich zwischen die wenigen die noch viel Geld haben und immer mehr und mehr, die nicht mal genug haben um ordentlich überleben zu können. Auch hier: die Individualität bleibt den Armen verwehrt.
– Die immer krassere Verdummung der Menschen! Wenn im Fernsehen Scripted-Realitys ausgestrahlt werden und die Menschen as für bare Münze nehmen, wenn Menschen immer mehr auf Propaganda hereinallen, dann ist das ebenso gefährlich.
Das sind so 3 Punkte, da könnte man wunderbar gemeinschaftlich rebellieren. Quasi frei nach dem Henke-Song „Ich protestiere“.
Und eine Frage hätte ich noch: wo steht heute denn das „Aussehen wie ein Goth“ für Rebellion wenn gleichzeitig überall in den Medien gesagt wird wie nett Gothics und Metaller doch alle sind, beispielsweise jährlich zum WGT un zum Wacken?
Axel muss ich schon zustimmen. Nur zu dem letzten Punkt, was die Nettigkeit oder Unnettigkeit von „Goths“ anbelangt, muss ich sagen: Das Image ist mir persönlich sowas von scheißegal. Ich bin wie ich bin und wenn mich jemand nett findet, finde ich das toll, wenn mich jemand unheimlich oder scheiße findet, meinetwegen. Die Medien sind sowieso nicht relevant für mich, denn wenn der Fernseher bei mir an ist, zappe ich sofort Richtung Kultur- oder Doku-Sender :) Über BILD-WGT-Berichte & Co. schmunzle ich eh nur…
Da kann ich Ian und Axel nur kommentarlos beipflichten.
Aussehen wie ein Goth hat in meinen Augen aber nun nicht viel mit Rebellion zu tun, ich meine, so besonders außergewöhnlich ist das nun nicht
Und dazu muss man sagen: Es laufen so viele „Tussys“ auf den Straßen rum, die komplett in Schwarz eingepackt sind, Sidecuts und sonstige eigentlich eher subkulturell abgefärbte Frisuren haben – aber mit Gruftiness mal so gar nix anfangen können, sobald man sie darauf anspricht. Also: Goth muss nicht aussehen wie Goth, um so zu sein. Auch wenn er bloß nur die Mukke hört. Andere haben eine „Einstellung“ – sei es Axels angesprochene Rebellion – im Kopf, andere wiederum tragen bloß die Klamotte, aber hören nur Freiwild (was ja wohl mal gaaaaar nix mit der Szene zu tun hat).
Schwarz ist nicht schwarz ist nicht schwarz ist nicht schwarz etc. pp.
Das kann ich nur immer und immer wiederholen :)
Und ich werde den Teufel tun und irgendwelche Regel aufstellen, wie man zu sein hat. Jeder kann nur einen Teil dazu beitragen, dass man sich in „seiner“ schwarzen „Szene“ zu Hause fühlt. Denn will man etwas ändern, dann sollte man bei sich selbst damit beginnen. Ian, der Düsterhippie hat gesprochen :D
Gothic welches Ziel habe ich mit dir? Ist das in dem zusammenhang vielleicht nicht die etwas wichtigere frage. Jeder von uns Interpretiert die frage für sich ganz eigen und Individuell. Am anfang als ich die Szene kennengelernt habe ,ging es mir durchaus etwas um die abgrenzung zur klassischen Geselschaft bzw in dem zusammenhang , der Jugend um mich herum die ein anderes Lebensmodell verfolgte ,ja ich gefiel mir grade in der Rolle als Aussenseiter. Das hat sich schnell verändert als ich für mich erkannt habe, das mir die Gothickultur mehr gibt als nur in gewisser form, Abgrenzung sondern eine auseinadersetzung mit mir und denn werten der Geselschaft ,den Menschen um mich herum und mit meiner eigenen Vergänglichkeit.
Aber es ist wahr was du sagst ein gemeinsames Ziel ist nicht gegeben. Aber muss es das ,definiren wir in diesen zusammenhang unsere Ziele nicht immer neu und wenn, wir ein Ziel gemeinsam für denn Gothic an sich definiren ,was ist dann bei der Erreichung eben jenes Ziel was dann ?
Du meinst also, der Weg ist das Ziel? Nun, tatsächlich halte ich die Ziele, die du unterschwellig erwähnst, für eine Utopie, da sie am Mensch selbst scheitern.
Würden wir ein gemeinsames Ziel haben, nehmen wir jetzt mal an die Höflichkeit in unsere Gesellschaft, und es erreichen, wären alle höflich zueinander und wir würden uns wohlmöglich ein neues Ziel suchen oder uns in Wohlgefallen auflösen.
Aber wie gesagt, ich halte das für eine Utopie. Die Menschen sind in ihrer Masse neidisch, egoistisch, von Ängsten getrieben und intolerant. Geprägt durch Erziehung, Umfeld und Medien. Dieses Klima sorgt für ständigen Nachschub an Zielen, gegen die wir still und leise protestieren können. Es mag ungewohnt pessimistisch klingen, aber global gesehen halte ich das für eine Utopie.
Auch vor der eigenen Haustüren können wir dahingehend saubermachen, obwohl es hier tendentiell etwas sauberer zu sein scheint.
Subkulturen sind gerade der Inbegriff von systemischen Mode- und Polit-Trägern. Wir laufen bewusst Strömungen hinterher welche eben NICHT vom Establishment, DEM SYSTEM, als feindlich gesinnt eingestuft werden.
Subkulturen werden vielmehr mit staatlichen Mitteln gefördert und vermarktet. Konzertplätze, Jugendzentren, Zeitungsartikel, etc.
Punks und Gothics lesen (nicht alle) FAZ und Süddeutsche und enden leider oft trotz maximaler Kaputtheit als die im Geiste angepasstesten Linksspießer.
Andreas Ich habe versucht zu folgen, komme aber nicht mit. Du meinst, Subkulturen sind im allgemeinen vom Staat finanziert? Das wäre ja fast zu schön um wahr zu sein. Meiner Erfahrung nach fördert des Staat diesbezüglich gar nichts. Das Archiv der Jugendkulturen als Beispiel, leistet seit Jahren Arbeit für die Subkulturen in Berlin und bekommt nicht einen einzigen Cent. Es werden immer mehr Jugendzentren geschlossen und Konzertplätze lässt man lieber als Brachland liegen, als sie für solche Zwecke zu nutzen. Irgendwie erschließt sich mir deine Argumentation diesbezüglich nicht.
Ich weiß ja nicht was andere Gothics lesen, aber die FAZ und die Süddeutsche habe ich noch nie gelesen, gelegentlich weise ich auf Artikel aus diesen Zeitung hin, aber lesen wäre jetzt zu weit gegriffen.
Und ja, da muss ich Dir recht geben, ist von der linksalternativen Strömung, die damals in Brockdorf die Zäune einreißen wollte, nicht viel übrig geblieben. Da sickert dann auch die Spießigkeit in die müden Knochen der Alternativen, die auf ihren Lebensabend dann doch noch die vermeintlichen Tugenden der Gesellschaft annehmen.
@Robert Was mindestens München angeht ist jede Subkultur von sozialistischer Politik durchdrungen.
Cafe Marat, Feuerwerk, Kafe Kult, Trambahnhäuschen.
Das verstehe ich durchaus, keine Frage. Ich sehe jedoch keinen Zusammenhang zur Gothic-Szene im Allgemeinen. Ich will nicht abstreiten, dass sich Mitglieder von Subkulturen politisch organisieren und engagieren – das ist ihr gutes Recht und demokratisch sicherlich sinnvoll, ist aber keine Blaupause für die Szene im allgemeinen.
Gerade die Gothic-Szene steht seit Jahren in der Kritik, sich von rechts oder von links „vereinnahmen“ zu lassen, weil diese oder jene Veranstaltung in „rechten“ oder „linken“ Kulturzentren stattfindet. Das heißt aber nicht, dass man sich deren Ideologie zu Eigen macht. Damit spricht man pauschal jedem Szene-Mitglied die notwendige Eigenständigkeit ab, selbst zu entscheiden, welche Richtung man einschlagen möchte.
Und ja, vom Gefühl her steht die Szene eher „links“ als „rechts“, was aber meine Ansicht nach überhaupt nichts mit dem Staat und seiner Einflussnahme zu tun hat. Ich persönlich halte jede Form des Extremismus, links oder rechts, für kontraproduktiv. Ich laufe bewusst keiner Ideologie hinterher, sondern mache mir mein eigenes Bild.
Darüber hinaus geht es in diesem Beitrag auch nicht um Politik, sondern um simple Abgrenzung. Ich finde in deinem ursprünglich Beitrag auch keinerlei Anknüpfungspunkte, mit denen ich mich identifizieren könnte. Ich soll Strömungen hinterlaufen, die vom System als nicht feindlich eingestuft worden sind? Hä? Sorry Andreas, aber hier muss ich los. Ich laufe den Strömungen hinterher, die mir passen :)
Schwarz trägt Heute die Oma, die Tante, die Schwester, der Nachbar, der nette Pole von nebenan, die Asi’s von drüben tragen Schwarz weil der Schmutz nicht so auffällt. Ist euch aufgefallen dass wenn im Aldi 8 Leute an der Kasse stehen 7 davon Schwarz gekleidet sind ? Sind das alles Gothics? NEIN, Schwarz trägt jeder, Schwarz ist normal geworden…. In der ersten Hälfte der 80er Jahre war es der reinste Kampf schwarze Klamotten zu bekommen. Heute ist es die meistverkaufte Farbe überhaupt. Ich trage 2019 zum ersten mal seit 1982 kein Schwarz mehr…auch weil es zu meinen Falten irgendwie nicht passt…
@Martin:
Schwarze Klamotten allein lassen noch niemanden optisch gruftig aussehen, dazu gehört mehr. Du kannst jeden Normalo in schwarzes Shirt und Hose stecken, er wird deshalb noch lange nicht „schwarz“ aussehen. Selbst in dunklen Alltagsklamotten erkennt man die meisten Gruftis noch als solche, einfach an der Kombi aus Klamottenstil, Haaren, Assessoires und ggf. Makeup.
Martin : Schwarze Kleidung ist, wie jede andere Kleidungsfarbe auch, Trends unterworfen. Aktuell ist Schwarz wieder mal eine Trendfarbe, vorgelegt durch die Kataloge der Modeindustrie und letztendlich auch das Regal im örtlichen Bekleidungsgeschäft. Darüber hinaus wirkt noch ein weiterer Effekt, denn Subkulturen und Musikszenen – die rein statistisch gesehen ziemlich oft schwarz tragen – sind ebenso Mode geworden. Das bedeutet, sich heute ein schwarzes Bandshirt von AC/DC, Joy Division oder den Ramones überzustreifen, ist modisch gesehen „IN“, ohne dass sich jedoch der Träger mit diesen Bands identifiziert. Derselbe Effekt ist übrigens auch aktuell bei den Docs zu betrachten, die zum modischen Selbstverständnis junger Frauen gehört.
Es gibt meiner Ansicht nach zwei adäquate Wege dem zu begegnen. Entweder du bleibst stur bei der Mode, die ja für Dich selbst immer ein klein wenig Bedeutung hat und wartest geduldig, bis Farben wieder im Kommen sind. Oder du bleibst dabei GEGEN den Strom zu schwimmen und kleidest nun gezielt noch extremer oder bunter um weiterhin als Gegenbewegung zum Mainstream wahrgenommen zu werden.
Zitat Robert:
„Es gibt meiner Ansicht nach zwei adäquate Wege dem zu begegnen. Entweder du bleibst stur bei der Mode, die ja für Dich selbst immer ein klein wenig Bedeutung hat und wartest geduldig, bis Farben wieder im Kommen sind. Oder du bleibst dabei GEGEN den Strom zu schwimmen und kleidest nun gezielt noch extremer oder bunter um weiterhin als Gegenbewegung zum Mainstream wahrgenommen zu werden“
Es gibt m.E noch eine dritte Möglichkeit: man konzentriert sich auf jene Aspekte, die nicht so einfach durch käufliche Äußerlichkeiten emuliert werden können. Und was darunter zu verstehen ist, das soll sich jetzt jeder selber überlegen.
schöner Artikel, ich kannte ihn nicht. Inzwischen kann man ja sagen: Die Gothic-Szene ist nach 40 Jahren Orientierungslosigkeit nicht umsonst so breit gefächert. Diese Orientierungslosigkeit: Orientierungslosigkeit kann man anderen Szenen ebenfalls unter die Nase halten. Gibt es noch eine intakte Punk oder Metalszene? Eigentlich nicht. Das Vereinnahmen durch leichtgläubige Modechicks im zarten Alter von 30 zieht sich durch ALLE Szenen. Wir brauchen die Szene zu der wir uns hingezogen fühlen nicht mehr leben, es reicht wenn wir uns die APP runterladen. Vor 7 Jahren schrieb hier ein Michael folgendes : Was ich heute in erster Linie kritisiere, das ist der Hang zur “PERFEKTION.” und spricht mir auch anno 2020 aus der Seele. Das ist genau das, was mich anekelt. Ja genau, hier werde ich richtig ordinär, es ekelt mich an. Genau betrachtet ist die Gothicszene tiefster Underground. Und eine Undergroundszene kann es sich kaum leisten, perfekt produzierte aber inhaltlose Popmusik abzuliefern. Machen wir Musik für Prinzessinnen die sich Mangas reinziehen oder sind wir individuelle Freigeister? Kein Wunder das sich all die neuen Darkwave,GothicRock etc Bands anhören wie inhaltsloser Sondermüll. Ja es gibt Ausnahmen, will ich nicht bestreiten, aber was jener Michael vor 7 Jahren schrieb, wird der Gothicszene das Genick brechen. Der Hang zur Perfektion passt nicht zu Eigenbrötlern und introvertierten „Antis“.
Yorick / Robert, euren Disput finde ich anregend. Ich würde gerne einen Punkt einbringen. Etwas neues eigenes machen? Warum sich anpassen? Gab alles schon?NÖ. Ich warte immer noch auf die Gothic Generation die aussehen wie untote wilde Geisterhexen oder antike ägyptische Tempelnutten in Noir :D (nur ein Beispiel)
@Nossi: Ja, die Perfektion ist in der Tat auch ein Punkt, der mich bewegt. Was mich in den letzten Jahren sehr gestört hat, war die Tatsache, dass Verhaltensweisen des Mainstream in die Szene gekommen sind und Gruftis, die nicht einem gewissen Grad an „Perfektion“ entsprechen, offensichtlich angegriffen werden. Überhaupt hat sich eine Kultur der Äußerlichkeiten eingeschlichen, die auch meinem Empfinden einer Subkultur widerspricht. Was in sozialen Netzwerken abgeht, darf man getrost als „ekelhaft“ bezeichnen. Hier wird gemobbt, bis die Balken krachen. Hier geht es vor allem auch um die körperlichen Gegebenheiten.
Yorick : Da hast du natürlich Recht. Die beiden Möglichkeiten waren direkt auf Martins Kommentar gemünzt und beziehen sich auf „Schwarz als Trendfarbe“. In gewisser Weise leiden ja auch unter der massenhaften Verbreitung eben die Aspekte, von denen du sprichst.
Robert in den sozialen Netzwerken? Abschätzende und „abwertende Blicke“ kriegt man auch real, wenn man nicht dem aktuellen Schick entspricht. Hier wieder der Verweis auf symphonic meddäl trällernde Prinzessinnen und Grafen in ihren schicken 500 euro Outfits… Ich darf fragen, wie du das mit den körperlichen Gegebenheiten meinst?
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zum Thema Perfektion : Ich sag es wieder und wieder oft und gerne, für den Fall das hier jüngere Menschen mitlesen, orientiert euch nicht an den Models aus den Versandhäusern. Orientiert euch an niemand. Seid einfach wie ihr seid. Ihr braucht keine Idole und ihr müsst auch keine Klischees erfüllen. Es gibt so viele Musikrichtungen, die man der Gothic Szene oder der Schwarzen szene zuordnet, wieso also sollten alle gleichgeschaltet gleich langweilig herumlaufen? Totaler Quatsch. Sei Freigeister. Seid individuell. Sieht man an der Nordamerikanischen Szene sehr schön, hier wird Wert auf Individualität und „Anders“ sein gelegt… Im Gegensatz zu Südamerika, die sehen alle wie Clowns aus, haben sich zu viel am ollen muffigen germania orientiert) :D
Nossi : Mit körperlichen Gegebenheiten meine ich dünne, dicke, krumme, schiefe, unsymetrische, große oder kleine Gruftis, die aus irgendwelchen Gründen nicht in ein Schema passen, dass uns „Szenezeitschriften“ oder Instagram-Profile besonders angesagter Sternchen vorgaukeln. Im echten Leben fallen mir die abwertenden oder abschätzigen Blicke deutlich weniger auf. Zumal das ja auch irgendwie subjektiv ist, wie ich finde. Ich denke, Worte richten da deutlich mehr Schaden an.
Robert wobei, wenn ich mir das durch den Kopf gehen lasse, war man auch in meiner güldenen Jugend im großen und ganzen unerwünscht, wenn man zu dick, zu hässlich, zu schwul etc usw war… da hab ich einige unschöne Erinnerungen und damals kommunizierte man kaum bis nie übers WWW. Man könnte spekulieren, weshalb. Vielleicht weil die gesamte „schwarze Suppe“ irgendwann nicht mehr typisch Arbeiterklasse sondern eher zum „Neureichen Elite Eintopf“ wurde? Ist natürlich nur Spekulation. Aber die älteren Grufties sind jedenfalls netter als die oft eingebildeten meiner Generation. Es ist nur Spekulation, ich will dies nicht in den ewigen Stein ritzen. Das war ist übrigens auch der Grund, warum ich NIE irgendwie mit der Gothic szene in Verbindung gebracht werden wollte. Mir war dieses „oooh was bin ich schööön“ Getue meiner Generation etwas suspekt. Ich war (bin) ja bekanntlich eher der stille unscheinbare Musikfan. Mit der deutschen Szene wollte ich nie groß was zu tun haben, eben gerade wegen diesem Schönheitsidealdingsi und das war auch 1999 schon stark verbreitet. Eines ist stark aufgefallen: Speziell im Internet gab es die letzten Jahre aber einen immensen Drang, schwul oder androgyn wirkende herab zu würdigen. Dies ist auch der Grund, warum ich inzwischen diese gesamten „social media groups“ meide. Diese Situation hatte sich zuletzt so zugespitzt, es war / ist in all diesen Gruppen einfach nur noch unangenehm und ich kenne auch einige, welche nicht dem populären Schönheitsideal entsprechen, die damit ihre arge Not haben. Es ist, alles in allem, eine recht traurige Entwicklung, die aber vorhersehbar war. Leider.
Hallo zusammen, ich hab hier vieles interessantes gelesen und musste letzten Endes immer wieder schmunzeln.
Ich beabsichtige keineswegs, mich hier über irgendjemanden lustig zu machen oder irgendjemanden zu nahe zu treten mit meiner vorübergegangenden Aussage.
Es ist einfach unterhaltsam wie so viele hier versuchen etwas zu erklären und zu begründen, was nie einen Grund oder ein Ziel hatte wie es viele betrachten würden.
Es ist als würde man jemanden fragen warum er auf Männer steht oder warum jemand den Mond mag.
Das ist genau das was die wirklichen Goth von anderen unterscheidet!
Wir verfolgen kein Ziel, wir sind nicht gegen etwas oder dafür, wir sind einfach.
Es ist nicht so das wir uns auf bestimmte Art und Weise kleiden oder bestimmte Musik hören weil wir damit etwas ausdrücken wollen.
Wir tun es weil wir einfach nur sind wie wir sind, weil wir die Welt auf andere Weise sehen und auch den Tod mit anderen Augen betrachten als andere.
Daher kommt auch die Abneigung vieler gegen die Cyber, für viele ist es genau so wie für Metaller wenn sie bei H&M sehen wie ein Metallica T- Shirt verkauft wird.
Einfach nur eine Entweihung dessen was uns ausmacht.
Und an dieser stelle kann ich euch versichern das es unter den Cybers genau so wie in jedem anderem Zweig dessen was man als Gothic bezeichnet diejenigen gibt die Tatsächlich richtige Gothic´s sind und sehr viele die es nicht sind.
Abschließend würde ich gerne noch einmal auf die Klamotten und die Musik zurück kommen:
Ich selbst kleide mich in keinem bestimmten Stiel, mal trage ich Sachen die mich auf der Straße von keinem anderen unterscheiden ( naja vielleicht dadurch das es meist eher dunkel gehalten wird), mal laufe ich mit weißen Hemd, Krawatte und einer schwarzen Weste rum oder ich bin von Kopf bis Fuß in das gekleidet was die meisten als Gothic-Klamotten bezeichnen würden.
Auch mit der Musik ist es da nicht viel anders, im Grunde genommen höre ich so ziemlich alles außer vieleicht Schlager oder Polka, doch vor allem packt mich vieles aus dem Rock Bereich mit seiner komplexen und zugleich harmonischen Art.
Egal wie ich mich grade kleide oder welche Musik ich grade höre, ich bin einfach ein Goth weil es das ist was ich bin.
Jiro : Ist dann nicht unser Ziel, die Welt mit anderen Augen zu sehen? Ist es nicht unser Ziel den Tod von einer anderen Seite zu betrachten? Ich glaube es liegt in der menschlichen Natur, für sein Handeln, seine Leidenschaften und seine Interessen eine Erklärung zu finden. Wir Gruftis sind prädestiniert dafür, aus dem, was die Szene ausmacht, ein Lebensziel zu formulieren, damit wir uns in unserer Existenz nicht infantil und dumm vorkommen. So eine Art Rechtfertigung dafür, wie wir rumlaufen, womit wir uns beschäftigen und welche Musik wir gutfinden. Irgendwie blöd, oder?
Der Kern der inhaltlichen Probleme der heutigen Gothic-Szene besteht darin, dass sie sich von Psychologenwichteln ihre Negativität hat austreiben lassen.
Ich sehe das eher so, dass die Zugangsvoraussetzungen für die Szene-Mitgliedschaft so gering geworden sind, dass Leute ohne „sympathische Devianz“ massiv die Wahrnehmung der Szene prägen und wahrscheinlich auch deren Personal.
Diese Diskussion ist schon fast 10 Jahre alt, aber es gibt noch Antworten bis letztes Jahr hinein. Interessant. Ich kam auf dieses Thema weil ich was zum Thema gesucht habe. Viele hier sind in den 90ern eingestiegen. Ich gehöre zu denen die von Anfang an dabei waren, bin also ein Urgestein.
Ich finde es interessant was man alles versucht in die Gothic Szene hinein zu interpretieren. Gehen wir mal in die Zeit zurück als alles anfing. Die Szene fing in England an. Damals war England wirtschaftlich im Niedergang, dazu kam noch die ständige Angst vor der totalen Vernichtung im Kalten Krieg. Dieses Gefühl kann man nur verstehen wenn man es selbst erlebt hatte. In dieser Zeit fing es in England damit an, dass einige Musiker dunklere Töne angeschlagen haben und immer mehr mitgemacht haben. Sie haben die Düsternis dieser Zeit in Musik umgesetzt. Es gab auch nie einen einheitlichen Musikstil. Als Gothic wurde damals vieles bezeichnet. Die Szene war damals auch nicht schwarz. Es gab keinen Kleiderkodex. Verbindendes Element waren die Themen der Musik. Es war eine thematische Subkultur die auf Musik aufgebaut hatte und nicht in der Mode, Lebensstil und sonst was. In der gleichen Zeit entstanden auch viele Filme die Endzeitstimmung verbreiteten, man kennt ja die Mad Max Reihe. Ja, Endzeitstimmung, das war das Gefühl der Szene.
Wobei… Szene konnte man da damals auch nicht nennen. Gothic hat in den 80ern so richtig Fahrt aufgenommen. Die 80er waren ein Jahrzehnt, wo die Kreativität in der Musikszene regelrecht explodiert ist. Nie davor und danach war die Musikbranche so kreativ wie in diesem Jahrzehnt. Die Ohrwürmer die man aus den 80ern im allgemeinen so kennt sind nur die winzig kleine Eisspitze von dem was geschaffen wurde. Die Masse der Kreativität fand in der Underground-Szene statt. Und dort gab es auch eine Unmenge an dunkler Musik, die man wohl alles in die Gothic Ecke verorten kann, aber eigentlich war einiges davon irgend wie auch nicht so recht Gothic, nach heutigem Maßstab. Und so war die Szene zwar düster, in Endzeitstimmung, aber nicht homogen.
Hier wurde auch die Punk-Szene verglichen. Die Punks waren eine Szene aus der Arbeiterschicht. Die Punks hatten die gleichen Probleme wie die Goths, auch Endzeitstimmung, kaum Arbeit, kaum Aufstiegschancen. Man hat sich aufgegeben. No Future war ein Slogan der Punks. Die Punks waren damals unpolitisch. Wozu Politik, wenn eh alles den Bach runter geht? Es gab durchaus Schnittpunkte zwischen der Punk- und Gothic Szene. Man konnte Punk und Goth sein, weil die Themen waren die gleichen, man drückte sie musikalisch nur unterschiedlich aus.
Ja und dann kamen die 90er. Die Mauer fiel, der Ostblock verschwand und der Druck und die Angst der totalen Vernichtung verschwand auch. Die Wirtschaft blühte auf, Punk hatte ein Legitimationsproblem und der Hype verebbte. Ähnlich auch mit Gothic. Die Welt war plötzlich nicht mehr düster und die Endzeit war abgeschafft worden. Die Musikszene profitierte noch vom Schwung der 80er. Alles war in den 80ern schon erfunden/entwickelt, man musste sich nur Gehör verschaffen. Britpop und Grunge, was in den 80ern im Underground entstand, wurde zu Mainstream. Und dann kam die neue Gothic Welle. Plötzlich war schwarz Thema. Die Szene wurde modisch und schwarze Klamotten waren ein Muß um als Goth akzeptiert zu werden. Es schossen auch gleich die passenden Modelabels und Botiquen aus dem Boden. Goth wurde mehr zu einem Ding der gebildeteren Klassen, was es vorher definitiv nicht war. Die Tanzmusik der Goth-Szene wurde elektronischer und damit kam auch Neonfarbe mit ins Spiel, was der rein schwarzen Fraktion gar nicht gefiel und das anscheinend bis heute. Eigentlich ein lächerlicher Streit, denn es geht nur um die Musik und um sonst nichts.
Punk hat auch überlebt und es hat sich neu definiert. Im Gegensatz zu Gothic ist Punk politisch geworden und ist heute eher politisch links zu verorten. Und Gothic? Gothic definiert sich als Mode und Musik. Das Lebensgefühl vom ursprünglichen Gothic existiert nicht mehr. Gothic ist unpolitisch. Gothic ist heute Konsum, weil man immer die richtige Mode kaufen muss um dabei zu sein, zumindest wollen das einige einem Glauben machen. Und wenn jemand nur am Wochenende mal schwarz trägt um zur Goth-Disko zu gehen, was ist falsch daran? Es geht ja nur um Musik.
Ich selbst habe mich nie speziell zu einer Szene hingezogen gefühlt. Ich gehöre mehreren Szenen an, ich bin also multipolar. Obwohl ich so gut wie nur schwarz trage, so bin ich keine echte Goth, weil ich es nicht dem Goth wegen mache. Ich war zwar in der damaligen Goth-Szene, aber zu der Zeit als schwarz noch kein Erkennungszeichen der Goth-Szene war. Mich hat die Musik interessiert, weil sie mich angesprochen hat, weil auch ich in der gleiche Endzeit gesteckt habe wie alle anderen auch. Aber ebenso haben mich auch andere Genres interessiert. Goth ist ein Teil von mir, aber nicht der einzige.
Warum sucht man nun nach Inhalten und Sinn einer Szene? Die anderen Szenen haben auch keinen Inhalt und keinen tieferen Sinn. Es geht nur um Musik und Mode. Die einzigen die einen Sinn sehen sind die Rockabillies. Die würden gerne in den 50er leben. Nur eine Zeitmaschine gibt es nicht. Will ein Goth heute in den 80ern leben? Ich glaube kaum.
Nun stelle ich gerade nach über 20 Jahren wieder Musik für eine dunkelschwarze Disko zusammen, eigentlich eine Goth-Disko. Aber es wird definitiv keine reine Goth-Musik sein, sondern alles was thematisch passt und düster ist. Stört es jemanden? Ich glaube nicht, bis auf ewig gestrige die auf Prinzipien reiten. Ich habe mich entschlossen alte Zöpfe abzuschneiden. Es wird elektrolastig. Manche bezeichnen es auch als new school. Und jeder darf kommen, egal ob schwarz oder bunt. Nur die Musik verbindet.
Wenn hier schon jemand den „Totengräber“ (hehe ;) ) spielt und diese alte aber interessante Diskussion wieder hervorholt sag ich auch noch (kurz) was dazu:
Interessanterweise wird zwar gerne moniert dass die Szene „eigentlich nichts verbindet“, nur eine „Mode“ sei usw. … aber wenn ich dann jemand neuen aus der Szene kennenlerne und mich länger mit ihm unterhalte (gibt grad 2 Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit) dann bemerke ich immer dass ich so einiges mit diesem anderen Grufti gemeinsam habe, auch aber eben NICHT nur Musik & Klamotten, sondern beispielsweise Dinge wie die Faszination für Abseitiges und insbesondere das Morbide und/oder das Schwarzromantische, oder auch einen gewissen Nihilismus & allgemeinen Pessimismus (global gesehen, nicht unbedingt immer persönlich). Zumindest bei einem Teil dieser Themen finden sich für mich dann immer Überschneidungen.
(Disclaimer: Gemeint sind hier Unterhaltungen mit klassischen Goths/Gruftis die sich der Szene schon etwas länger verbunden fühlen, auf Teenager die z.B. als Teil einer Phase nur mal 2-3 Jahre „dabei“ sind mag das jetzt evtl. nicht unbedingt durchgängig zutreffen, auf Cybers vermutlich(?) auch nicht.)
Ist natürlich keine „Szene-Statistik“ oder repräsentative Umfrage sondern NUR eine persönliche Beobachtung, aber eine die mir immer wieder einfällt wenn die Frage „Was verbindet uns?“ aufkommt.
Großartig diese Diskussion : )
Hab eben mal quer gelesen. Auch wenn man wohl nicht zu einem klaren Abschluss kommt, finde ich es doch toll das man sich so angeregt austauscht. Und ich frage mich ob die Kommentierenden von früher wohl noch mitlesen…
Leichen fleddern gehört doch zu den Klischees der Gothic Szene. Mangels Leiche machen wir es hier mit einem Thread. :-)
Wahrscheinlich sind die alten Diskutanten nicht mehr dabei. Zeigt aber auch die Votalität von Szenen. Die alten Goth der ersten Stunde dürften kaum noch dabei sein.