Als ich den großen Umschlag aufriss, den ich kürzlich in meinem Briefkasten fand, war ich neugierig. Ein freundlicher Leser hatte mir eine Ausgabe der „Sächsischen Zeitung“ vom 29. Mai 2012 zugeschickt, in der sich ein längerer Artikel über das Wave-Gotik-Treffen in Leipzig befinden sollte. Auf der dritten Seite wurde ich fündig, „Es muss richtig schön glänzen“ lautete die Überschrift. Ich befürchtete Schlimmes, denn „richtig schön glänzen“ ist nichts, was ich mit einem WGT nach meiner Vorstellung in Verbindung bringen würde.
Nachdem ich den Artikel durchgelesen hatte, wusste ich nicht, über wen ich mich aufregen sollte. Waren es Jana und Tom aus Nürnberg, die Autorin Anna Hoben oder einfach die Geschichte, die meinen Unmut erregte? Ich war mir unsicher. Objektiv betrachtet beschreibt der Artikel genau das, was wir gesehen haben, und gibt die Sicht zweier Menschen wieder, die das WGT vielleicht genau so empfinden, wie es ihnen verkauft wird. Sehen und gesehen werden, eine ganze Stadt als Laufsteg der Eitelkeiten. Über wen sollte ich mich also aufregen?
Eine paar Gedanken später spürte ich Resignation, die Lust, den Artikel abzuheften, den Kopf zu schütteln und mich dem Tagesgeschehen zu widmen. „Es wird sich wohl nie ändern…“, schoss mir durch den Kopf. Vielleicht könnt Ihr es auch nachvollziehen, ich will Euch von meinen Gedanken erzählen.
Der Stein des Anstoßes
„Es ist der Tag, an dem Tom zum ersten Mal Latex trägt. Zu Hause saß er schon einmal eine Stunde lang in der Soldaten-Uniform auf dem Sofa. „Danach war ich schweißgebadet.“ Latex ist Gummi, da kommt keine Luft durch. Seine Freundin Jana hat Glück: Sie ist Chinesin und schwitzt nicht. […] Der 28-jährige Tom und Jana, 21, sind zum dritten mal aus Nürnberg zum Wave-Gotik-Treffen nach Leipzig gekommen.“
Genau an diesem Punkt ist bereits die Schmerzgrenze erreicht. Man weiß, was kommt, wie es weitergeht und um was es sich dreht. Hier hört man auf, zu lesen, resigniert und blättert weiter. Und das sind erst die ersten Zeilen dieses Artikels. Doch genau das wollte ich nie, wegschauen, weiterblättern, nichts sagen. Das ist nicht das WGT, das ich kenne, und auch keins, was ich kennen will, und doch ist es da. Und vielleicht sind wir alle ein klein bisschen daran schuld, dass es genau so ist.
„Wochenlang haben sie auf das Wave-Gotik-Treffen hingearbeitet. Vier Kostüme haben sie im Koffer, für jeden Festivaltag eines. Freitag: Alice im Wunderland und Hutmacher. Sonnabend: Latex. Sonntag: Endzeit-Outfit in Braun, mit Gasmasken und Schweißerbrille. Montag: Cyberkluft, Brustpanzer und bunte Moosgummi-Locken.“
Schon die Wortwahl ist treffend. Kostüme. Mit diesem Begriff verbinde ich Verkleidung, die bewusste Entscheidung, den Menschen darunter zu verhüllen und ihm eine Identität zu geben, die seiner nicht entspricht. Wie viele Verkleidungen gab es wohl auf dem WGT zu sehen? Wie oft haben sich Besucher in Kostüme geworfen um dabei zu sein, etwas darzustellen oder Aufmerksamkeit zu erregen? Erstaunlich, dass sich Jana und Tom so wechselhaft zeigen. Offenbar geht es ihnen nicht um Zugehörigkeit oder Identifikation, sondern um das Schlüpfen in andere Rollen. Geht es um Aufmerksamkeit?
„Jetzt wird sich zeigen, ob die Arbeit sich gelohnt hat. Geknipst werden oder nicht, das ist die Frage. Komplimente und Kameraklicks sind über Pfingsten die Aufmerksamkeitswährung in Leipzig. „Ich habe keinen Profilierungszwang“, sagt Tom. Zu Hause im konservativen Bayern sei er froh, wenn er nicht angestarrt werden. Seine Freundin Jana dagegen hat sich an die Blicke gewöhnt: „Frühe haben die Leute blöd geschaut, weil ich Chinesin bin; heute, weil ich so komisch rumlaufe.“ „Und weil du Chinesin bist“, sagt Tom. Während des Wave-Gotik-Treffens jedoch genießen beide es, die Blicke auf sich zu ziehen.“
Jana findet, sie läuft komisch herum und Tom will sich gar nicht profilieren. Ich bin verwirrt. Wie passt das alles zusammen? Der Artikel suggeriert, dass es auf dem WGT nur um das Aussehen geht, weder von Musik noch von Kultur ist die Rede. Doch letztendlich ist es genau dieser Eindruck, der sich einem aufdrängt, wenn man beispielsweise an der Moritzbastei vorbei läuft. Wem also kann man es verübeln, wenn man von der Wahrnehmung auf die Inhalte schließt? Es wird deutlich, dass das WGT eine Oberfläche hat, die glänzt. Sie macht es fast unmöglich, in Tiefe zu blicken. Vor allem dann, wenn man nicht bereit ist, das bequeme Boot zu verlassen. Wie war das noch mit dem Lebensgefühl?
„Vor drei Jahren haben sie sich im Internet kennengelernt, durch die Singlebörse „Schwarzes Glück“. Beide waren mit 18 zur Szene gekommen. Heute ist es ein Lebensgefühl, sagt Tom, es passe zu ihm. Warum, das kann er schwer beschreiben. „Es ist einfach in mir drin, als wäre es ganz natürlich.“ Im Alltag trägt er meist schwarze Jeans und T-Shirt, als Gothic bezeichnet er sich aber nicht. „Ich mag keine Schubladen.“ Er hört nicht nur Gitarrengeschrammel oder Elektromusik, so wie früher, sondern auch Rap oder Oldies. Die meisten seiner Freunde seien „total ungruftig“.“
Ganz offensichtlich ist er kein Gothic, findet seine Freunde aber „ungruftig“. Es fällt mir schwer, die Beweggründe für diese Spiele mit der Verkleidung nachzuvollziehen. Doch dem Leser des Artikels wird ein Bild geboten, das auf die ersten Blicke zutrifft. Erinnert ihr Euch an die glänzende Oberfläche? Was ist, wenn „Gothic“ heute als glitzerndes Meer betrachtet wird, in dem sich die Sonne der geheimen Träume der Beobachter spiegelt? Viele Menschen haben Neigungen und Vorlieben, sind aber nicht willens oder in der Lage, dies für sich auszuleben. So beobachten sie, knipsen für das Fotoalbum und wünschen sich vielleicht sogar, dabei zu sein. Einige möchten selbst einmal wie Tom oder Jana sein und sich dem Reiz des „Abnormalen“ hingeben und träumen vielleicht davon, nochmal so jung zu sein, um die Outfits tragen zu können. Eines Tages werden wir dann sogar selbst fotografiert, so wie Jana und Tom.
„Am Festival-Eingang stehen die Normalos. „Schön langsam und abseits laufen, damit die Leute uns in Ruhe fotografieren können“, raunt Tom seiner Freundin zu. Die Strategie wirkt: Die Fotografen stürmen von allen Seiten herbei. Tom reckt das Kinn nach oben, Jana verzieht ihre Lippen zu einer Ahnung von einem Lächeln. Die Posen haben sie tausendfach geübt.“
Quo Vadis, WGT?
Mit Gothic hat das nichts zu tun. Viel schlimmer noch: Es ist doch eigentlich das, was die Szene seit ihren Wurzeln ablehnt. Die bunte Oberfläche. Viele Szene-Anhänger lehnen die Einordnung als „Gothic“ ab. Vielleicht weil das, von dem wir uns distanzieren wollten, uns längst eingeholt hat.
Die Arroganz, die der Szene einst nachgesagt wurde, schlug in ein Verlangen nach Akzeptanz um und ist nun einer allumfassenden Toleranz gewichen. Jeder soll sich ausleben, Individualität wird großgeschrieben. Gierig nahm die Szene alles auf, was interessant erschien, und integrierte es in die schwarze Subkultur.
Man wollte Gerüchte um dunkle Machenschaften ausräumen: Schwarze Messen, Satanismus und Grabschändungen? So was gibt es bei uns nicht. Wir sind harmlos. Was wir dann machen? Gute Frage! Das WGT ist die chronologische Manifestierung dieser Einstellung. Erst abgelehnt und kritisch beäugt, kämpfte man um Anerkennung, nach Beachtung als kulturelles Ereignis. Konsequent räumte man Vorurteile aus und Klischees wurden bedient, um es leichter greifbar zu machen. Ein breiteres Angebot, mehr Besucher, mehr Beachtung. Quo Vadis, WGT?
Es ist offensichtlich, dass das zentrale Ereignis der Schwarzen Szene in zwei große ideologische Lager aufgespalten ist. Während die einen dem Sehen und gesehen werden fröhnen, möchten die anderen ihre Ruhe mit Freunden genießen und das in sich aufnehmen, was auf dem WGT abseits der großen Plätze geboten wird. Man findet schwarze Kunst und Kultur in einer unglaublichen Dichte. Jede Ausstellung und Lesung lädt dazu ein, sich zu entschleunigen und ins Gespräch zu kommen.
Vielleicht sollten wir uns wieder eine gewisse Intoleranz aneignen, eine gesunde Skepsis gegenüber neuen Entwicklungen und eine deutliche Grenze zwischen dem ziehen, was erwünscht und dem was unerwünscht ist. Es gibt sie noch, die Szene. Auch auf dem WGT. Wir müssen schützen, was uns wichtig ist, und nicht resigniert den Kopf wegdrehen. Fotografieren? Ja, aber nicht mich. Der Kampf um Akzeptanz ist gewonnen, Gothic ist Mainstream. Kaum jemand konfrontiert uns mehr mit Vorurteilen, weil wir es geschafft haben, jedes einzelne auszuräumen. Eigentlich laufen wir nur komisch rum und lassen uns vorführen wie die Tiere im Zirkus. Wollten wir das?
Ich bin auch dafür, dass man der Masse endlich wieder mit mehr Ablehnung begegnet. Ich bin lieber „Grabschänder“ und „Satanist“ als mit Fasching oder Sauf-Gegröhle in Verbindung gebracht zu werden. Aber die Veranstalter bieten mit ihrem (in Teilen) fragwürdigen Programm schon die Grundlage. Es wird einfach mal Zeit, dass neue Festivals – die sich auf den Kern konzentrieren oder einfach generell düstere Musik präsentieren – auftauchen.
Stimmt, „wir“ sind nur noch „nette, normale Menschen die sich gern schön verkleiden“. Mir scheint, als würde Normalbevölkerung nicht mehr nen Schwarzkittel wie mir schlechte Laune zugestehen (und ihr wisst wie es mir zur Zeit geht).
Hach, schön ausgedrückt!
Besonders der Sache mit der Intoleranz und der Arroganz kann ich zustimmen. Nur habe ich immer das Gefühl, dass man gerade das auf gaaaaar keinen Fall sagen darf. Zumindest bricht man damit nur die übliche „früher-war-alles-besser“/“mimimimi-Intoleranz“-Diskussion vom Zaun, die irgendwann mal interessant und amüsant war, aber heute nur noch nervt.
Nicht zuletzt wegen der immer wieder kehrenden Phrase „Ich gehöre in keine Schublade!“
Besonders da sträuben sich mir immer wieder die Haare. Man muss sich einfach bewusst sein, dass man den Schubladen nicht entgehen kann. Besonders dann nicht, wenn man sich entsprechend kleidet und auf einem bestimmten Event anzutreffen ist.
Von der, mit dieser Phrase einhergehenden Angst vor Klischees will ich lieber nicht anfangen…
Was Verkleidungen betrifft… ich habe einen kläglichen Versucht gestartet und zumindest mal auf Facefuck gefragt, was die WGT-Besucher selbst unter einem Kostüm verstehen und wann sie das Gefühl haben, dass andere Besucher kostümiert sind – m((
Natürlich wurde erst Mal wieder gemosert, weil das ja voooooll intolerant ist, obwohl es mir nicht um die übliche Diskussion ging, sondern lediglich um subjektive Einrücke. Entweder waren das einfach ein paar pawlowsche Hunde, oder man hat nicht den Text zu Ende gelesen…
Viele haben was von Authentizität erzählt, konnten aber nicht genauer erklären, „wann“ jemand unauthentisch wirkt. Wobei ich sagen muss, dass das wirklich schwer zu beschreiben ist.
Dann wurde darüber gestritten, ob man denn auch im Alltag erkennbar sein „muss“.
Ich jedenfalls hatte weniger das Gefühl, dass meine Frage in die Runde irgendwas gebracht hat. Zwischen drin kam mir der (böse?) Verdacht, dass einige vielleicht unter dem Toleranzzwang leidend, einfach nur nicht geschrieben haben, was sie denken, regte sich doch schon bei einer anderen Diskussion der Avatar-Typ darüber auf, dass man ihn als verkleidet tituliert hat (und das ist ja sooooo interolerant).
Ich habe mir auch schon überlegt, gewisse Personen am WGT darauf anzusprechen. Ich erinnere mich da an gewisse Damen in teuren Reifrockgarnituren ohne Bändchen, die irgendwie jedes Jahr auf Besucherbildern erscheinen, die man aber ansonsten nirgendwo antrifft. Es ist mir egal, ob das böse und oberflächliche Unterstellungen sind, aber bei diesen Damen habe ich das Gefühl, dass sie einfach mal die Gelegenheit nutzen um sich unter die WGT-Besucher zu mischen, um selbst ein bisschen Annerkennung und Bilder zu ergattern. Ich frage mich, ob mein Eindruck stimmt. Ich weiß nur nicht, ob ich das feinfühlig genug formulieren kann.
(An den etwaigen Toleranzshitstorm will ich gar nicht denken)
Allerdings hatte ich bei diesem WGT dennoch das Gefühl, dass es auch wieder Back to the Roots geht. Türme, Iros, Pikes, gute Stimmung bei den Lorries waren da einige Indikatoren.
Ich bin gespannt, wie diese Entwicklung weiter geht und vielleicht geht dann auch das WGT wieder in eine andere Richtung.
Ich jedenfalls würde mich gerne an besonderen Anlässen auch weiterhin äußerlich sichtbar auf selbige freuen und selbige zelebrieren – ohne, dass ich Angst haben muss, als verkleidet zu gelten oder als kamerageile Schrulle.
(Etwaige durcheinander-wirkende Aussagen o.Ä. haben mit der Uhrzeit zu tun. :))
Abgesehen davon, dass das WGT meines Erachtens szeneintern nicht repräsentativ ist, und das schwarze Leben sich eher in Szenekneipen, bei Lesungen oder auf Konzerten stattfindet, wie sollte denn die Intoleranz auf dem WGT demonstriert werden ? Gesichts- / Kleidungs- oder Gesinnungskontrollen ?
Also bisher hat man das mit Kamellenwerfen und Flyern zum Ausdruck gebracht.
mit Xtrax-Flyern – hihi…
Mh, heißt das, dass x-tra-x eigentlich eine satirische Anspielung auf ein Faschingsgeschäft war, die keiner verstanden hat und daraus entwickelte sich diese Kette? :D Das würde einiges erklären :D
Die Frage ist doch: Kollidieren diese „zwei großen ideologischen Lager„, die in diesem Artikel herausgearbeitet wurden, miteinander (im feindseligen Sinne), oder ist die Szene groß, tolerant und gesund genug, diese beiden gleichsam in sich zu tragen.
Und: bietet das WGT nicht auch durch die beinahe räumlich nicht vorhandenen Grenzen („ganz Leipzig trägt schwarz„) und manigfaltigen Konzert- und Ausstellungs-Orte genug Raum für „Laufstege“ auf der einen, und intimere, zurückgezogernere (oder „szenigere“) Plätze auf der anderen Seite?
wenn ich mir die Webseite, oder die Filiale hier in Leipzig so angucke, muss ich eher an einen Uniformhandel für Szene-Einsteiger denken, als an ein Faschingsgeschäft…
Es ist ja auch ein schockierener Bericht, aber die traurige Wahrheit.
Was an den Avatartypen keine Verkleidung gewesen sein soll, weiß ich auch nicht.
Die nicht in eine Schublade-passenwollenen regen mich auch auf. Das tönt ha nicht nur der schwarze sondern auch der bunte Mainstream und meist lassen sie sich wirklich leicht dort einordnen mit so vielen verwechselbar kaum zu unterscheidenen Persönchen. Solche Menschen würden ja dadurch sämtliche Individualität verlieren, die sie so mühevoll vortäuschen wollen *Provozier* Ob sie selber nicht wissen was sie sein wollen oder diese Ungreifbarkeit genau den Mangel an Persönlichkeit ausgleichen wollen? Ich fühle mich in meiner Schublade dagegen sehr wohl und kein bisschen normal, Warum nur?
Wow, der Zeitungsartikel scheint ja echt unter aller Sau zu sein. Wenn ich auf dem Aufriß bloß schon die Dachzeile lese … demgemäß muß ich das WGT für mich als Vollflop verbuchen: außer für ein paar Schnappschüsse von Freunden hat bei mir keine Kamera geklickt. Ich bin untröstlich.
ASRianerin und Krähe, ihr sprecht mir gerade aus der Seele. Ich habe auch schon kaum noch Lust, mal über irgendwas kritisch zu diskutieren, weil man dann von der Gegenseite sofort von Rufen nach To(l)leranz überschüttet wird. Und das mit der Schubladenphobie und der „Ich bin nur ich, und ich bin so wahnsinnig individuell“ löst bei mir mittlerweile ebenfalls Herpes aus. Schon in den 90ern habe ich mich über Leute gewundert, die alle optischen Stereotypen erfüllten, aber ganz empört von sich wiesen, ein Gothic oder Grufti zu sein. In den Internet-Diskussionen ist das dann noch schlimmer geworden. Klar nerven bestimmte Labels zuweilen, und ich plädiere sicher auch nicht für irgendeine Form von Bekenntniszwang oder Dogmatisierung, aber einige der besagten Zeitgenossen sind von ihrer vermeintlichen Individualität so eingenommen, daß sie nicht sehen, daß sie in Musik-, Kleidungs- und sonstigen Dingen meistens auch nur an das anschließen, was andere vor ihnen getan haben. Und solchen gewachsenen Strukturen muß man ja auch Namen geben können.
Langer Rede kurzer Sinn: Ich habe in der Regel mit ‚Schubladen‘ weniger Probleme als mit unglaubwürdigen Beteuerungen, wie komplett individuell und autark man doch sei (um dann natürlich doch alles mögliche in Anspruch zu nehmen, was die ‚Szene‘ – der man natürlich keinesfalls angehört – zu bieten hat).
Das wirklich schlimme an diesem Artikel ist für mich, dass er teilweise der Wahrheit entspricht. Dass es bestimmt einige Menschen gibt, die das ganze Jahr über ein möglichst normales Leben haben wollen, nicht angeschaut werden etc. und einmal im Jahr in Leipzig verkleiden spielen um mit möglichst vielen Fotos ihr Ego zu pushen. Mittlerweile wird das WGT ja von allerlei Menschen genutzt – oder vielmehr missbraucht – um mal ein paar Tage Fasching und Möchtegernmodel zu spielen. Vielleicht gibt es bei diesen Grüppchen auch wirklich intere Wettbewerbe wer öfter fotographiert wird?
Ich finde das irgendwie sehr schade, weil der schwarze Kern dadurch immer mehr verwässert wird. Ein bisschen Abgrenzung könnte tatsächlich nicht schaden.
Nichts gegen Cosplayer, Cybers, Fetischisten etc., aber müssen die sich alle in eine Szene drängen?
Ich war dieses Jahr nicht in Leipzig (leider), aber den diversen Berichten zufolge klingt das so, als würden sich 2 Strömungen herauskristallisieren, die sich immer weiter voneinander entfernen. Einmal die von außen auf den ersten Blick sichtbare, glänzende (teils bunte) Oberfläche der Menschen in ihren schrillen Kostümen, die auf der agra schaulaufen und andererseits die schwarzen Menschen, die sich (absichtlich oder nicht) dahinter verstecken, die am WGT mehr oder weniger so herumlaufen wie sonst auch (zumindest beim Weggehen) und die sich immer mehr von der agra zurückziehen und ihr WGT an andere Orte mit weniger Kameras und mehr Gleichgesinnten verlegen.
Ich bin jedenfalls gespannt wie sich das alles weiter entwickeln wird. Ob wir dann einen, höchstens dunkelbunten Szenematsch haben oder es schaffen wieder ein bisschen mehr Ingroupfeeling zu bekommen.
Einer der vielen Gründe, warum es mich nicht jährlich zum WGT oder ähnlich großen anderen Festivals zieht.
Und muss die Frage nicht vielmehr „Quo vadis, Gothic?“ lauten?
Seh ich auch so. Ich habe allerdings nicht das geringste Problem mit den Verkäufern, die dort arbeiten. Das Problem ist nur, dass es eine Kette ist und diejenigen, die dort arbeiten, selbst nichts dafür können, was da angeboten wird. Das wird ihnen von anderen vorgeschrieben, die mit dem Geschäft Verträge haben. Es ist also im Grunde ne stinknormale Firma wie jede andere auch. Da haben die Verkäufer leider keinen Einfluss drauf. Klingt traurig, ist aber so. Wenn wir innerhalb der Szene „unsere Subkultur“ behaupten wollen, müssen wir was alternatives machen.
Über das WGT können wir meckern, aber es gibt in Leipzig während dieser Tage auch spannendere Dinge, als übers Festivalgelände zu latschen. Ich war leider selbst noch nie dort, aber die Gothic Pogo – Party und diverse Lesungen und Ausstellungen sind doch auch sicherlich toll. (Sowas interessiert mich persönlich am meisten und das allein wäre für mich der Grund, mal dorthin zu fahren)
Und zum WGT würd ich auch nie gehen, wenn ich dort niemanden kenne.
Es ist damals als ein „Treffen“ gedacht gewesen und so seh ich das auch. Aber wenn ich Gleichgesinnte treffen will, die nicht nur an der Oberfläche schürfen wollen, dann kann ich dafür auch in meine schwarze Stammkneipe gehen – und Gothic ist nicht tot. Wir planen demnächst ein monatliches regelmäßige Revival einer schwarzen Party, die es das letzte Mal vor fünfzehen Jahren im Tempel in Karlsruhe gab.
Nebenbei machen wir im gleichen Club regelmäßig einmal im Monat die „Alptraumnacht“, bei der das Thema klassischer Postpunk, Wave und Goth-Rock ebenso gewichtet ist wie „modernere“ Dinge aus diesem Bereich. Wer in der Gegend von Karlsruhe wohnt und das ewige ge“Agonoize“ nicht mehr ertragen kann, dem kann ich gerne via Facebook Einladungen schicken.
Nicht verzweifeln, Wave ist nicht tot, wir versuchen es wieder zu entkrusten. Die, die es wirklich interessiert sind auch sicher keine Karnevalisten.
Oje, tut mir leid, wenn ich den Thread hier zuspame oO
Quo Vadis Konstruktivität, schwarze Szene ?
Zum ersten Punkt. Ich sehe das WGT durchaus als repräsentativ, weil das Treffen vielen Menschen aus ganz Deutschland nach Leipzig lockt. Oftmals ist für viele eine Möglichkeit, sich mit den Freunden, die sonst nur virtuell existieren, real zu treffen und auszutauschen. Darüber hinaus ist die Dichte an Veranstaltungen so hoch wie nirgendwo sonst, schon gar nicht komprimiert auf ein langes Wochenende. Hier in meinem Umfeld gibt es keine Szenekneipe, keine Lesungen und kaum Konzerte, ich bin gezwungen, mich ins Auto oder den Zug zu setzen um dort hinzugelangen. Daher bin ich froh über die Möglichkeit, das während eines Urlaub in geballter Form und an einem Ort genießen zu können.
Zum zweiten Punkt. Natürlich ist eine Kontrolle wie von Dir angesprochen nicht umsetzbar. Aber die Frage ist berechtigt und nicht leicht zu beantworten. Dein zweiter Kommentar „Quo Vadis, Konstruktivität?“ bringt es auf den Punkt. Ich denke die Veränderung beginnt im kleinen. So schön die Moritzbastei beispielsweise sein mag, zu Pfingsten sollte man sie besser meiden. Bis auf ein paar Schmuckstände und Imbissbuden gibt es dort eigentlich nichts zu sehen, abgesehen von den abendlichen Konzerten oder Partys. Auf der Wiese vor der Parkbühne ist es sowieso um einiges gemütlicher und weit weniger überlaufen.
Vielleicht hilft es auch, einmal „Nein“ zu sagen, wenn man fotografiert werden soll. Freundlich, aber bestimmt. Die, die fotografiert werden wollen, stört das sicher nicht. Es kann aber meiner Ansicht nach nicht sein, dass man als fotografisches Freiwild gilt und einfach so „abgeschossen“ wird. Ich würde wissen wollen, für was die Bilder bestimmt sind und möchte zustimmen, ob ich mit einer evt. Veröffentlichung einverstanden bin. Auf den Festivalgelände selber ist das Fotografieren laut dem Text auf der Rückseite der Eintrittskarte sowieso verboten, es hält sich nur niemand daran. Mich stören die Erinnerungen für das private Album nicht, aber müssen denn so unendlich viele Leute mit Presse- oder Bildakkreditierung zugelassen werden? Das geht auch an die Organisatoren des WGT, auf der AGRA haben Fernsehteams meiner Ansicht nach nichts verloren und auch die Flut von Bildjägern sollte eingeschränkt werden.
Treffpunkte ist ein weiteres Stichwort. Hier tut sich bereits etwas, denn viele Gemeinschaften oder Gleichgesinnte treffen sich bereits im „stillen“, abseits der belebten Plätze, Leipzig ist riesig, das Internet biete die Möglichkeit, bereits im Vorfeld Verabredungen zu treffen oder selbst etwas zu organisieren. Das WGT lebt vom Mitmachen, nicht nur vom konsumieren.
Der wichtigste Punkt ist jedoch die innere Einstellung, die du bereits angesprochen hast. Es kann nicht darum gehen, andere in Punkto Outfit übertrumpfen zu wollen oder besser auszusehen als andere. Weniger ist mehr? Was halben Halbnackte oder in Latexkostüme gepresste Menschen mit der Szene zu tun? Nichts. Was haben Kostüme wie „Alice im Wunderland“ oder „Der Hutmacher“ mit der Szene zu tun? Nichts. Für mich sollte wir Abstand davon nehmen, das Outfit in der Vordergrund zu stellen, bei manchen habe ich das Gefühl, das genau das geschieht. Ich persönlich möchte mich äußerlich von der Masse abheben, vielleicht sogar ein Stück weit provozieren, doch im Kern will ich nur ich selber sein. Das das auch für jemanden im Latexkostüm zutreffen kann, ist mir klar. Pauschalisieren lässt sich das nicht. Doch ich bin davon überzeugt, dass es einigen um ganz andere Dinge geht.
Wir müssen Abstand davon nehmen uns innerhalb am Outfit zu messen. „True“ oder „Untrue“ darf nicht eine Frage des Äußeren sein. Das gilt vor allem innerhalb der Szene, hier kann sich (mich eingeschlossen) jeder an die Nase fassen. Nicht auf das Äußere Rückschlüsse auf das innere zu ziehen. Ins Gespräch kommen, jemanden kennenlernen und für sich entscheiden, ob man mit seinem Gegenüber etwas anfangen kann, oder eben auch nicht.
Ich gebe zu, das ist kein allumfassender Lösungsansatz und beinhaltet einiges an Kritikpotential. Wir müssen jedoch irgendwo anfangen etwas zu diskutieren, um es dann umzusetzen und damit vielleicht etwas zu bewegen. Ich habe diese Artikel verfasst um genau das zu beginnen. Ich habe den Artikel nicht verfasst, weil ich alle Antworten weiß, sondern um das Bewusstsein für diese Frage innerhalb der Szene zu etablieren. Du, AlmaNegra, bist vielleicht (nicht böse gemeint) ein gutes Beispiel. Du übst (berechtigte) Kritik, erwartest aber Konstruktivität, ohne selbst etwas beizusteuern. Was ist deiner Deiner Ansicht nach für die Szene repräsentativ. Wie führt meinen einen weit verstreuten Freundeskreis zusammen? Kann das WGT deiner Meinung etwas besser machen? Was können WIR besser machen?
Ich möchte hierbei einmal differenzieren. Denn der Artikel, so wie es anhand der Leseproben scheint, ist wirklich gut. Gilt es doch den Inhalt, die Zitate, von der journalistischen Herangehensweise zu trennen. Natürlich geben die Protagonisten Humbug von sich und beglücken den Leser mit dem Geplapper eines Vorschulgoths, aber der Autorin gelang es, das ganze in angenehm objektive Worte zu verpacken. Dies sollte hier nicht unterschlagen werden. Gibt es doch genügend Artikel, bei denen sich Inhalt und redaktionelle Ausarbeitung gegenseitig im Niveau zu unterbieten versuchen.
Und im Endeffekt kann man sich noch so echauffieren, aber jener Artikel spiegelt exakt und wahrheitsgetreu das Bild am Eingang zur Agra bzw. bei der Moritzbastei wieder. Somit nicht einmal erfunden oder reißerisch aufgepumpt, sondern realitätsnahe dokumentiert.
Natürlich könnte man vorher die Interviewpartner, die wirklich lebensphilosophische Inhalte verbreiten würden, mit anderer Fragestellung anlocken. Oder mit tauglichem Hinterfragen aussortieren. Doch letztendlich spricht man immer mit der Katze im Sack.
Über die beiden Nasen in ihrem Schwarzen Glück kann man ohnehin wieder Bücher füllen. Ich finde es nur niedlich, dass der Knabe wieder einmal ein Meister des argumentativen Paradoxem ist. Da gebe ich auch der Zerpflückung der Zitate Recht. Wer sich nicht profilieren mag, der rennt entweder immer so rum, weil er sich so sieht und keine Fassade anheftet. Oder bleibt unscheinbar, verschwindet in der Masse. Und wer froh ist, nicht angestarrt zu werden, der wird diese Provokation auch auf dem WGT tunlichst vermeiden. Putzige Kinderkrankheiten innerhalb der Weltansicht. Zugegeben, 1993 prappelte ich auch noch solche platten Attitüden vor mich hin. Aber damals wurde einem wenigstens nicht an jeder Ecke ein Mikro unter den Milchbart gehalten.
Dito. Solange es nicht in kontraproduktiven Rufmord umschlägt, fühle ich mich mit Ablehnung besser, als mit diesem Verständnis im Absolutätszwang. Will man doch im Geiste oder im Anflug postpubertärer Rebellion noch ein Kontra darstellen, so fühlt man sich nur beleidigt, wenn einem dann über den Kopf gestrichen wird und behutsam gesäuselt: »Schon gut, wir verstehen dich ja jetzt, du willst ja nur spielen.«. Nein, will ich nicht. Ich will mich mit Inhalten verstanden sehen.
Und wenn man mich schon fehldeutet, dann wenigstens als Neonazi, Schläger, Raufbold, militanten Arsch vom Dienst oder weiß der Geier, denn dann habe ich wenigstens immer eine komplette Sitzreihe in der Tram oder im Abteil ganz für mich alleine. Selbst wenn diese brechend voll sind. Und hirnfreie Punks pöbeln einen ja so oder so an.
Demnach bin ich auch kein Freund mehr der allgemeinen Aufklärungsarbeit. Wenn, dann einzig noch dort, wo es sich lohnt, aber nicht mehr pauschal. Denn dann kommen dem Zuhörer solche Toms in den Sinn und man steht in deren Weltbild automatisch neben diesen Faschingsclowns.
An deren Kostümen kann man ja auch ganz gut die Identifikation und den Stil ausmachen. Ähnlich dem Argument »Mein Musikgeschmack? Ich höre eigentlich alles.« Wer alles hört, der hört nichts. Und wer alles trägt, der besitzt die Inversion der »Des Kaisers neue Kleider« Den Körper ziert der schönste Schmuck, doch im Kopf spiegelt sich dieses als absolutes Nichts wieder. Keine Identifikation, keine Argumentation. Man hüllt sich in Schall und Rauch und ist zudem noch stolz darauf.
So, wie man mich beim WGT erlebte, kann man mich jeder Zeit in irgendeiner Kassenschlange, in der Tram oder auf dem Weg ins Studio sehen. Deshalb erdreiste ich mich, mich authentisch zu nennen. Gut, auf den Weg zum Unterricht nicht so wirklich. Da habe ich dann ab der Sichtweite des Gebäudes die Hosen über den Tretern und hülle mich im stilistischen Designerschwarz…mit einem Hauch von Paramilitarismus.
Der Masse darf man ruhig mit Ablehnung begegnen, war das ja auch einst die grundsätzliche Intention gewesen. Doch sollte man gerade zum WGT den Gastgeber nicht gegen den Kopf stoßen. Man ist in Leipzig willkommen, aber eben nur Gast. Die Stadt spielt mit und ermöglicht momentan so einiges, was früher undenkbar gewesen war.
Auch die meisten Leipziger sind einem wohlgesonnen. Was nicht selbstverständlich ist, wenn man bedenkt, dass viele zu Pfingsten kaum mehr die Möglichkeit haben ihre Tram zu nutzen. Auch wenn das so manche von der Linien zum neuen Messegelände gewöhnt sind.
Auch sollte man sich immer im Hinterkopf behalten, dass einige den Anblick nur tolerieren und nicht damit sympathisieren, aber dennoch freundlich bleiben. Somit sollte man schon ein dankbarer Gast sein und die Marotten mitspielen. Und nicht anfangen, jeden grimmig anzustieren, der die Kamera zücken möchte oder beim bemerken eines Schnappschusses in die eigene Richtung gleich Gift und Galle spuken.
Das Kollidieren ist durchaus feindselig. Zumindest innerhalb der Wortwahl. Ein großer Vorteil diese Szene ist noch immer, dass hier die Hunde rudelweise bellen und kläffen, aber zum beißen noch zu viel Anstand besitzen. Hoffen wir, dass dieses so bleibt. Denn mit dem ersten Biss fällt die Hemmschwelle und man kann den letzten Rest Würde, der jener Szene noch innewohnt, gleich komplett einschläfern.
Die Szene ist groß genug, um den Kontrast für sich in sich zu tragen. Aber zu klein, um das auch nach außen hin zu symbolisieren. Der Kern kann noch so vielseitig sein, die Außenhülle wird verallgemeinert. Und wenn nur solche Gestalten die Außenhülle bilden, schließt das der Betrachter auch auf den Kern. Und ich möchte nicht mit Kostümträgern verwechselt werden.
Ob die Szene gesund genug dazu ist. Wohl weniger. Aber sie wird bald jung genug dafür sein. Und tolerant genug…wäre diese Haufen tolerant, so wäre hier schon so einiges im Hades. Dann wäre das ein Tummelplatz von Anhängern jeder Sparte, die einmal zu oft »Das Leben ist scheiße und Welt so ignorant« gedacht hatten. Eine Szene muss seine Grenzen abstecken, sonst verschwimmt diese und wird nicht mehr erkennbar. Doch Toleranz schafft keine soliden Eckpunkte.
Das WGT bietet durchaus viele Möglichkeiten der Medienflucht. Mir fiel dieses Jahr erst wieder auf, dass es in Leipzig weit aus mehr Rückzugsorte zu Pfingsten gibt, als Belagerungsstätten der Fotografen. Diese wirken nur so extrem, da diese gebündelt an den Knotenpunkten und fast schon traditionellen WGT-Pilgerstätten liegen. Nämlich der Agra und der Bastei. Aber außerhalb? Ich wüsste nicht. Selbst schon im Radius von vielleicht 200 Metern um die Moritzbastei herum war schon wieder journalistisches Niemandsland.
Guldhan, Dein Willen zum Differenzieren in allen Ehren, aber findest Du den Artikel an sich wirklich gut und objektiv? Gut, ich kann und möchte jetzt nicht allzusehr darüber herziehen, weil ich den gesamten Artikel nicht kenne, aber nehmen wir doch bloß die von mir mokierte Dachzeile: Sehen und gesehen werden, Schaulaufen ist Pflicht, Kameraklicks der Meßfaktor des Erfolgs. Das klingt so, als würde das mehr oder weniger für alle WGT-Besucher gelten, aber nichts könnte weiter von der Wirklichkeit entfernt sein. Deshalb nerven mich auch zunehmend diese ganzen Berichte und Bilderstrecken etwa vom Viktorianischen Picknick – nicht, weil ich etwas gegen diese Veranstaltung an sich hätte, sondern weil mich der Tenor stört, den man zunehmend den Medien entnimmt: als wäre das quasi die offizielle WGT-Eröffnung, Pflichtveranstaltung und Höhepunkt für alle, man müßte sich quasi dort sehen lassen etc. Weder ich noch irgendeiner meiner Freunde und Bekannten war jemals dort, und wir fahren alle nicht erst seit diesem Jahr aufs WGT.
Und das ist nur ein kleines Beispiel von vielen. Robert schreibt ja z.B., daß in obigem Artikel die Konzerte und sonstigen Veranstaltungen am WGT gar nicht erwähnt werden – was den Medien früher der Friedhofsschänder, Satansjünger und Okkultnazi war, ist heute Otto Normalverbraucher, der halt in Leipzig auf seinen ’schwarzen‘ Karneval geht und dort ’schrille‘ Kostüme zur Schau trägt. Musik etwa hat bei dem Verständnis von Gothic-Szene gerade mal noch den Wert von Hintergrundteppich zur Selbstdarstellung, wenn überhaupt. Auch wenn die Journalistin damit wohl die von ihr interviewten Personen richtig charakterisiert haben mag, hätte sie zumindest darauf hinweisen können, daß es auch völlig andere Sicht- und Erlebnisweisen vom WGT im besonderen und Schwarzer Szene im allgemeinen gibt. Meine Befürchtung: Je mehr solcher Berichte durch die Medien geistern, desto mehr Leser denken sich: „Och, da kauf ich mir nächstes Jahr auch mal ein schönes Kostüm und fahr da mal hin“ …
Zugegeben, die Überschrift hatte ich jetzt gar nicht so in Betracht gezogen. Die bricht natürlich etwas mit der Gesamtausstrahlung.
Ich stimme auch in einem Punkt zu, »objektiv« war von mir wirklich ein unpassendes Wort. Das hatte ich zu voreilig gesetzt. Aber dennoch bleibe ich bei meiner Gutschätzung. Denn für mich besitzt der Artikel einen Unterton, der sich ganz gut mit meiner Art zu schreiben deckt. Was ich auch erklären möchte.
Vieles von dem, was darin geschrieben steht, sind Zitate und stehen somit außerhalb der Wertung. Doch so manche Worte zeichnen sich zwischen den Zeilen von guter Treffsicherheit aus:
[…] “Wochenlang haben sie auf das Wave-Gotik-Treffen hingearbeitet. Vier Kostüme haben sie im Koffer […]
Jenes beispielsweise trifft den Punkt. Vier Kostüme. Keine Verklärung als stylische Goth-Outfits, sondern eine klare Ansage. Es handelt sich einzig und alleine um Kostüme, deren schlichte Beschreibung folgt. Ohne Kitsch, ohne Albernheit.
[…] “Jetzt wird sich zeigen, ob die Arbeit sich gelohnt hat. Geknipst werden oder nicht, das ist die Frage. Komplimente und Kameraklicks sind über Pfingsten die Aufmerksamkeitswährung in Leipzig. […]
Das stimmt, objektiv ist das nicht.
Es geht daraus hervor, dass das tragen von Kostümen nur einem Zwecke dient, dem Gesehen und Abgelichtet werden. Mehr sagt dieser Absatz nicht. »Verkleide dich für das Foto (wenn du sonst schon nichts machst)«
Und das Wort »Aufmerksamkeitswährung« war mir sofort sympathisch. Eine Währung, der man den Unterton unterstellen kann, dass damit etwas bezahlt, etwas entschädigt wird. Der Verlust von irgendwas vielleicht; der Verlust von Authentizität?
[…] Im Alltag trägt er meist schwarze Jeans und T-Shirt, als Gothic bezeichnet er sich aber nicht. “Ich mag keine Schubladen.” Er hört nicht nur Gitarrengeschrammel oder Elektromusik, so wie früher, sondern auch Rap oder Oldies. Die meisten seiner Freunde seien “total ungruftig”.” […]
Warum wurde hier das »total ungruftig« explizit als Zitat hervorgehoben. Es hätte ja auch einfach nur im Kontext mit eingebunden werden könnten. Meine Interpretation, die Autorin merkte das querschlagen jenes Argumentes mit den vorhergehenden Aussagen und wollte nicht, dass der Leser denkt, dieses kam aus ihrer Feder. Ein guter Ansatz, den nicht viele folgen.
[…] raunt Tom seiner Freundin zu […]
Warum »raunt«, dieses leicht negierende Wort. Hätte doch »murmeln« oder »flüstern« den Sachverhalt der Situation ebenso beschrieben, dafür aber mit entspannteren Unterton, von mir aus noch »wispern«. Aber »raunen«? Das spielt in ähnlicher Kategorie wie »zischen«. Und zeugt von krampfhaften oder angespannten Verhalten. Warum so negativ? Weil damit womöglich schon der negative Charakter jener Situation angedeutet werden kann?
[…]Die Posen haben sie tausendfach geübt.[…]
Ergo: Reine Inszenierung, mehr nicht. Der Sachverhalt sagt: Es ist nichts außer reines Schaulaufen. Was ja nicht zu leugnen ist.
Mich würde einmal der komplette Text interessieren. Da mich schon die Frage beschäftigt, ob ich anhand der Ausschnitte nicht zu wohlwollend interpretierte. Denn die Gefahr besteht, dass gebe ich offen zu. Und naiv möchte ich wirklich nicht wirken.
Und wieder ein Artikel, der mir zeigt, warum ich Spontis eigentlich so liebe- Artikel, die das auf den Punkt bringen bzw. ansprechen, was mich auch sauer macht :D
Ok, aber mal ernsthaft:
Ich stimme Piet und ASRianerin zu: Mir ist es lieber als Grabschänder, Friedhofsverwüster oder sonstiges bezeichnet zu werden, als das man mich mit Sauf- und Verkleidungswütigen in einen Topf wirft. Ich meine, früher hat man die -ums mal überspitzt zu formulieren- die Straßenseite gewechselt, man rief einem „Satan“ hinterher und ich für meinen Teil musste mir viel dummen Quark anhören.
Und heute? Heute hört man eher Kommentare „Och, sehen die aber schick/witzig/schrill/albern aus“.
Vielleicht liegt es daran, das Gothic im Mainstream angekommen ist und sich selbst Lieschen Müller aus Buxtehude im Internet nur durch ein paar Klicks in Online-shops mit Gossick-Klamotten eindecken kann.
Und es liegt sicherlich auch daran, dass viele sich denken „Wow, bei den Gothics kann ich mich und meine Vorlieben wunderbar ausleben, die nehmen scheinbar jeden auf- also rein in diese Szene“.
Ich sage NEIN! dazu. Wenn einer sich gerne als Elb verkleidet, oder sich nach Feierabend in seinen Gummianzug zwängt oder eine Vorliebe für Cosplay hat- gerne von mir aus. Aber so etwas muss ich nicht auf dem WGT haben. Was den blauen Avatar auf Stelzen betrifft- ich warte immer noch auf seine Erklärung, was das mit WGT und Gothic zu tun hat- und das meine ich ernst! Klar, es mag sicherlich viel Arbeit hinter dem Bodypaint gesteckt haben, aber wenn mir sowas auf dem WGT über den Weg läuft, dann fühle ich mich dezent verarscht.
Und nein, ich will auch nicht mit der Begründung „Ja aber, ich bin schon seit 25 Jahren in der Szene, habe einen Club geleitet, bla bla bla“ abgespeist werden.
Und woher kommt eigentlich dieses Beharren auf Toleranz? Kann mir mal einer sagen, wann das entstanden ist? Zumal ich es doch sehr paradox finde, dass die meisten, die auf Toleranz pochen und selbst die skurrilsten Kostüme auf dem WGT haben wollen (weil wir sind ja sooo offen und tolerant), dann die in der Luft zerpflücken, die Kritik äußern, bzw. nachfragen, warum denn manche Sachen so sein sollen. Oder man ist gleich der „ober-arrogante, widerliche Obergrufti, der nicht genug Aufmerksamkeit von der Presse bekommen hat.“
Was das Pärchen im Artikel betrifft: wenn ich sowas lese wie „Kostüme“ oder „Die Posen sind tausendfach geübt“, da schwillt mir der (Toupier-)kamm! Kein Wunder, dass viele Otto-normalverbraucher beim Lesen solcher Artikel denkt, dass das WGT eine mehrtägige Karnevalssitzung sei. Abgesehen davon habe ich mit dem Wort „Kostüm“ eh schon meine Probleme. Geknipst zu werden auf dem WGT? Habe ich an sich keine Probleme mit, solange man höflich und nett bleibt, nur irgendwann ist Ende im Gelände und selbst aufgedonneretse Grufti will seine Ruhe bzw. sich in Ruhe mit Freunden unterhalten.
Ich habe mir übrigens auch wie ASRianerin überlegt, beim nächsten WGT mit einigen Besucher die offensichtlich nur in der Innenstadt flanieren, das Gespräch zu suchen…und ihnen dann vielleicht auch nahe bringen, dass es viele gibt, für die das WGT mehr ist, als sich in teuer-gekaufte Klamotten zu zwängen und zu hoffen, dass man möglichst oft fotografiert wird.
Zum Schluss möchte ich noch was erwähnen, was ich noch nie verstanden habe: Warum beharren nicht gerade wenige darauf, dass sie angeblich „sooo normal“ seien? Das viele studieren, einer Arbeit nachgehen usw. lasse ich mal außen vor. Aber wer Totenköpfe, Fledermäuse und sonstige Symbole bis zum Abwinken trägt- nunja, der ist für mich nun mal anders ;) ich weiß z. B. dass es für junge Damen Mitte 20 vielleicht nicht gerade gängig ist beim Anblick der Kutna Hora (und besonders beim Anblick des Knochen-kronleuchters) in Verzückungsschreie auszubrechen.
Ich fände es mal cool mit Kamera und Mikrophon den schwarz-bunten Fasching aufzumischen und mit solchen Fragen zu konfrontieren. Ich finde „ganz normal“ auch total scheiße;). Ist das nicht ein Widerspruch in sich, wenn man sich einer Subkultur „zugehörig fühlt“ um der NORM zu entgehen oder ihr etwas entgegen zu setzen, aber gleichzeit faselt wie „normal“ man denn ist?
Normal ist scheiße!
„Ist das nicht ein Widerspruch in sich, wenn man sich einer Subkultur “zugehörig fühlt” um der NORM zu entgehen oder ihr etwas entgegen zu setzen, aber gleichzeit faselt wie “normal” man denn ist?“
Sobald innerhalb einer Gruppierung die Mode überhand nimmt, erstickt in ihr die Kultur, davon bin ich überzeugt. Demzufolge denke ich auch, dass jene, die ihr Augenmerk vorrangig auf ihre Erscheinung legen, wenig bis gar nichts mit Gothic als Subkultur zu tun haben und dies ja ehrlicherweise auch so kommunizieren, wenn sie sich als "normal" outen. Wie liebe ich solche Sprüche alá "Ich beiße nicht, nur auf Anfrage.". Ich beiße durchaus. Den Medien ist kein Vorwurf zu machen, die tun, was sie immer tun: darüber berichten, was die Menschen lesen wollen. Und die Wahrnehmung der Medien stimmt da durchaus mit meiner eigenen überein.
Wie kann man eine Distanz schaffen zu dem Jahrmarkt der Eitelkeiten? Ich denke, man braucht Nischen, die es nicht nur auf dem WGT ja durchaus gibt. Vor allem aber sollte man sich von dem Zwang frei machen, Menschen überzeugen zu wollen, dass Gothic mehr ist als ein Maskenball. Solang über derartiges permanent diskutiert wird, bleibt das Thema interessant und mit dem Interesse bleibt auch die Zahl jener, die meinen, einer Szene anzugehören, wenn sie sich vorzugsweise in schwarz und gruselig zeigen und das Wort "Lebenseinstellung" dreimal im Quadrat beten können.
Katrin: „Sobald innerhalb einer Gruppierung die Mode überhand nimmt, erstickt in ihr die Kultur, davon bin ich überzeugt.“
Ja, das denke ich auch ein wenig. Ich habe gerade alte Zeitschriften mit Artikeln z.B. der Sisters oder Xmal Deutschland von ’82 – ’84 gefunden und man sieht diesen Künstlern nicht an, sie würden sich „verkleiden“, wie das durchaus heutzutage der Fall bei so manchem Szenegänger ist. Karnstein hat das in seiner kleinen Dokumentation über Gothic auch sehr gut beschrieben. Klar, dass sich Fans schon immer optisch ihren Idolen angepasst haben – aber irgendwelche blauen Avatare haben doch mit Gothic wohl überhaupt nichts gemeinsam. Ich habe das Gefühl, dass viele Szenemenschen das Gefühl haben, sie müssten sich einer Kleideretickette hingeben, um anerkannt zu werden. Nur ist das Label „Gothic“ mittlerweile zu einer Karikatur seiner selbst geworden und so laufen einem z.B. auf dem WGT die seltsamsten Gestalten über den Weg. Das ist Verkleidung. Ich gehe lieber nur in schwarzen Shirts und Hosen zum WGT, höre aber schwarze Musik, die in oberflächlichen Szenekreisen zu 99 % vergessen wurde, weil Combichrist (hab von denen bicher noch nie was interessantes gehört) so toll sein soll und habe ein gutes Verhältnis zu meinen schwarzen Mitmenschen, die so ziemlich mit mir auf einer Wellenlänge sind. Z.B hier fühle ich mich wohler als in vielen „Clubs“, wo man mit Leuten nicht mehr in Kontakt kommen kann, weil jeder zu sehr auf sich bezogen ist, so individuell ist und in Klamotten von der Stange rumläuft. Manchmal habe ich das Gefühl, Spontis ist eher die Szene, wie ich sie gerne lieber sehe, als das, was sich oberflächlich als „Szene“ betrachtet und an Wochenenden in Lack und Latex zum Partymachen rausgeht, Twilight für einen echten Vampirfilm hält und glaubt, dass Rammstein Gothic sei. Und genau das ist ein Grund, nicht aufs Festivalgelände zu gehen, weil die keinen Bezug zur Szene in ihrer Ur-Form mehr haben. Wenn sie Fasching machen wollen, dann gerne, aber ohne mich. Dann gehe ich lieber in die Ausstellung „Boten des Todes“ und bleib da drin bis ich Spinnweben ansetze.
Jahaaaa! So geht es mir auch immer!
Zum Thema „normal“ un „Norm“ kann ich nur sagen, dass ich mir schon sehr lange gar keinen Gedanken mehr darüber mache, ob etwas normal ist. Was normal bedeuten kann und ob ich normal bin oder nicht. Irgendwie finde ich, dass das etwas ist, was man nebenher mal analysieren kann, aber ich finde es schwierig daraus etwas zu ziehen, was für mich bedeutsam sein könnte. Kurzum: Ich weiß nicht ob ich normal bin, aber es ist mir auch egal. Sollte ich es sein (ich bin mir sicher, dass es einige Facetten gibt, in denen ich wirklich sehr normal bin), dann ist dem eben so. Vielleicht habe ich aber nur keinen Bock auf derartige Analysen weil ich zu sehr befürchte, dass man alles tut, um ja nicht als zu normal zu gelten, was durchaus alberne Züge annehmen kann.
Das mit der Kleidung ist einfach ein ganz schwerer Drahtseilakt.
Ich denke, eine gewisse äußere Ästhetik gehört in jede Szene. Man könnte überspitzt sagen, dass es eine corporate identity ist. (der Begriff ist in der Tat provozierend gewählt worden)
Problematisch wird es nur, wenn alle das,was Subkultur ausmacht, nur darauf beschränken. Wobei hier viele Leute auch sehr widersprüchlich argumentieren. Einerseits beschwert man sich über Schaulaufen auf der AGRA und über den bösen Kommerz, andererseits heißt es dann:“Ne, lasst die Leute tragen, was sie wollen, immerhin ist jeder ein Individuum und sollte das auch ausdrücken.“
Vermutlich liegt die „Wahrheit“ irgendwo in der Mitte.
Ich für meinen Teil gehöre auch zu den Menschen, die besondere Anlässe (wie eben WGT, Konzerte, sonstige Veranstaltungen aus diesem Bereich) auch gerne nach außen hin als besonders kennzeichnen. Kurz gesagt: Ich donner mich auch gerne auf. Für mich ist es aber kein Klamottenzwang, sondern eine Möglichkeit auch äußerlich auszubrechen, was eben nur an solchen Veranstaltungen „ungesühnt“ bleibt. Und ich denke, dass es da vielen anderen auch so geht. Nur kann man von außen nicht immer erkennen, wer ein Modeopfer ist und wer den äußerlichen Ausbruch nutzt, ein Ausbruch der wirklich von „innen“ kommt.
Ich weiß, das ist etwas durcheinander formuliert, aber vielleicht kann trotzdem jemand was damit anfangen ^_^
ASRianerin: Ich glaube, mir geht es da ähnlich. Manchmal „donner“ ich mich auch gerne auf, trage Rüschenhemden, schwarzen Kajal und weißes Puder, muss allerdings dann ernüchtert feststellen, dass ich mich in diversen Clubs damit fehl am Platz fühle… während ich aussehe, als wär ich aus ner anderen Welt, tragen die anderen ihre Stangenware-Bondage-Hose und Xtrax-Korsage und wirken alle uniformiert und total „normal“… dagegen seh ich dann aus wie einer dieser Clowns auf dem WGT. Und wenn ich mal zu faul bin und in schwarzen Alltagsklamotten rumgurke, brezeln sich alle auf und ich werde angeschaut als sei ich ein „Normalo“. Was man auch macht, man macht’s irgendwie immer verkehrt. Aber eigentlich ist es mir mittlerweile wurscht. Ich fühle mich in der Szene zu Hause, das äußert sich bei mir in einer Art Verliebtheit einen schwarzen „Tempel“ zu betreten, wo ich mich irgendwie zu Hause fühle. Ich teile größtenteils den eher 80er-wavigen Musikgeschmack und Gothrock wie Nosferatu oder (die relativ neuen doch kurzlebigen) Solemn Novena, da mich die „Vergangenheit“ eher reizt als das neue, was ich teilweise auch nicht mal so schlecht finde, z.B. Stillste Stund oder ASP. Allerdings kommt man sich dann bei anderen Gleichaltrigen, die die Standard-Agonoize-Dinger für übergruftig halten mal wieder fehl am Platze vor. Überaus finde ich es kreativer, wenn man selbst etwas erschafft, das der Kultur der schwarzen Szene etwas beitägt. Es muss nicht immer nur Musik sein, finde ich. Es gibt so viele gute Musiker, da kann ich nicht mithalten. So male ich beispielsweise sehr gerne oder mache Hörspiele – mich persönlich erfüllt so etwas eher,
als mich in Kostüme zu zwängen und nur „mich selbst“ zu präsentieren. Denn so ein kleiner Drang nach Anerkennung hat der Mensch ja irgendwie immer :-) Naja, was ist halt normal? Ich finde, normal sind die Leute, die nur nehmen, aber nichts geben, Leute, die nur meckern, statt selbst etwas zu machen. Menschen, die immer meckernd auf die selben Partys gehen, obwohl sie wissen, dass es Alternativen gibt, aber dem Strom hinterherschwimmen, da dieser „cooler“ ist. Ich gebe zu, ich bin des öfteren auch so, aber am Ende siegt immer der Wunsch selbst etwas beizutragen, frei nach dem Motto: „Wenn du etwas in der Welt verändern willst, dann musst du bei dir selbst anfangen“.
Ian Luther, du sprichst mir richtig aus der Seele :) ich komme mir hier in Hannover immer overdressed vor, selbst in dem einzigen vernünftigen Laden in der Stadt. Wenn ich da in Pikes, meinem bemalten Jackett, Schmuck etc. oder im Reifrock auftauche und sehe dann vor Ort zehnmal denselben Rock von x-tra-x oder Aderlass oder Corsagen mit Plastikstäben…da komme ich mir jedes Mal fehl am Platze vor. Ok, vielleicht haben einige echt kein Händchen oder keinen Nerv sich ihren Kram selbst zu nähen, aber ein wenig mehr Kreativität und Einfallsreichtum wäre wirklich wünschenswert.
Und ich denke, dass die sog. „Szene-magazine“ auch nicht ganz unschuldig an der Entwicklung sind, dass halt viele Rammstein, Lack & Latex sowie Twilight für Gothic halten. Mir reicht ein Blick auf die Cover, um zu wissen, dass mir dieses Heft garantiert nicht kaufen werde- um ehrlich zu sein, mache ich das seit 2003 nicht mehr.
Grabesmond: Zu „Szene“-Zeitschriften finde ich oft keine Worte mehr. Auch wenn ich noch relativ neu in der Szene bin (im Vergleich zu anderen) sind für mich Hefte wie das „Gothic“-Magazine oder der Orkus nichts mehr, was mit der Szene zu tun hat. Ok, vielleicht im Großen und Ganzen schon, wenn man es auf die komplette „Szene“ hinrechnet, aber „Gothic“ und „Wave“ im speziellen sucht man dort vergebens. Das einzige Printmagazin, das ich in meiner Gegend mit etwas Glück noch finden kann, ist die sog. „Nachtaktiv“. Wobei diese auch stark in den Elektronikbereich hineinragt und selbst ernannte „Szene-Größen“ wie Mozart sind für mich auch nicht gerade repräsentativ (wobei der Herr schon einige gute Sachen in Karlsruhe für die Szene getan hat z.B. clubtechnisch und damit den Grufties ein Forum geboten hat)
Für mich sind Blogs wie dieser hier wesentlich spannender und informativer (da direkt an der schwarzen Quelle) als die meisten Drucksachen. Vor allem daher, dass diese sehr bunt gemischte Meinungen zeigen, was bei Zeitschriften alles sehr einseitig ist. Ich finde das nämlich sehr gefährlich, denn gedruckte Worte können meinungsbildend und propagierend wirken. Das Beispiel Unheilig wird in solchen Magazinen immer noch zu sehr gehyped. Wären es „echte“ Szene-Magazine, würde diese Band nur eine Randerscheinung unter vielen sein (Ich finde diese Band nicht schlecht, aber auf gar keinen Fall repeäsentativ für die schwarze Szene im Allgemeinen). Kurzum: Gothic, das, was die Szene in ihrem Inneren eigentlich zusammenhält, wird in „Szene-Medien“ sträflich vernachlässigt. Vielleicht ist es aber auch beabsichtigt, weil man sich ja vom Grundgedanken von der Außenwelt abgrenzen wollte und somit auch nicht verwunderlich, dass man nicht mehr wirklich viel darüber liest. Natürlich gibt es im Underground genügend gute Fanzines, aber öffentlich ist Gothic nicht mehr zu finden. Das Wort wird willkürlich auf alles angewendet was dunkel und traurig erscheint und inflationär benutzt, dass ich mich manchmal fremdschämen muss (Stichwort Twilight oder Katy Perrys neueste Outfit-Katastrophe). Da haben manche Indie-Bands heutztage mehr mit Gothic zu tun als gewisse Damen mit Cellos, die selbst in neuen Szene-Magazinen marktschreierisch ins schwarze „Volk“ geschmissen werden. Ich finde es einfach bekloppt, dass jede Tante und jeder Onkel, der sich ein paar Rüschen um die Hüften hängt uns sofort vorgesetzt wird nur um die Druckkosten einzuhalten. Ne, da hab ich lieber diesen Blog hier, wo man liebevoll Musikperlen und Erfahrungsberichte beleuchtet und sich auch tiefsinniger damit befasst. Nebenbei, ich mag Unheilig, ja, aber das ist für mich nie eine Goth-Band gewesen :-) Wenn Mr Fiend tot wäre, würde er sich im Grabe umdrehen. Oder im Bett. Man weiß es nicht…
Ich wundere mich auch schon seid sehr langer Zeit über jene, die „Goth“ als pöhse Schublade ganz weit von sich weg schieben, aber aussehen wie aus dem Katalog für Klischee-Schwarzkittel – irgendwie komisch … ich hatte es irgendwann schonmal erwähnt, aber gerade in dem Zusammenhang werde ich den Eindruck nicht los, das jene die sich gegen die ach so einengende Schublade wehren, irgend etwas essentielles nicht verstanden haben. Wer sich in Szenekreisen bewegt, aber fast alles was man mit dem „typischen Grufti“ assoziiert, meilenweit von sich wegschieben und für total dämlich halten – da fragt man sich doch zwangsläufig was solche Herrschaften dann bei „uns“ wollen, wenn sie sich doch so vehement gegen alles wehren was ach so charakteristisch ist. Insbesondere inhaltlich.
Ich finds natürlich auch albern, sich alle Klischees anzuziehen die es gibt nur um zwanghaft „dazu“ gehören zu müssen – wenn man von sich aus nicht ganz einfach so ist und das lebt. Für mich war die Szene immer mehr eine Plattform auf der sich Leute mit ähnlichen Interessen und Philosophien tummeln. Die manchen sind vielleicht näher am Stereo-Goth – die anderen bisschen weiter weg, aber nichtsdestotrotz fühlt man sich irgendwo zusammen gehörig, weil eine gemeinsame Schnittmenge da ist. Und hat da auch eine Umgebung wo solche Dinge, die eben nicht unbedingt gesellschaftskompatibel sind, diskutiert und auch ausgelebt werden können.
Nun, diskutieren ist vielleicht schon zu tiefgreifend, aber das „ausleben“ und damit auch „tolerieren“ scheint mir der Hebelpunkt zu sein an dem nach und nach Fremdeinflüsse hereingebrochen sind – der immer größer werdende Tenor von „hier darf ich, da macht mich einer blöd an“ – nur der Punkt ist wohl schon überschritten wo man sich sicher sein kann, daß jeder im dunkeln Club in gewisser Weise eine verwandte Seele ist oder mit der man über komische Sachen ins Gespräch kommt. Schlimmer natürlich noch beim WGT. Das schürt ein gewisses Mißtrauen das mir in den letzten Jahren auch vermehrt aufgefallen ist. Das Interesse, sich mit einem anderen schwarz gewandeten mal aus heiterem Himmel zu nem Gespräch zusammenzusetzen, ist gefühlt kaum noch vorhanden. Vor Jahren war das kein Thema, ich bin meine ersten WGTs nahezu allein unterwegs gewesen und fand immer Anschluß bei mir völlig Fremden – inzwischen fragen die höchstens nach einem Foto oder wie lang das braucht um sich so zurecht zu machen (gefolgt von entgeisterter Mine wenn man sagt, man mache das jedes Wochenende zum Tanzen gehen – es wird wirklich vorausgesetzt daß es reine WGT Verkleidung ist). Klar – wenn man dann mit Freunden unterwegs ist besteht auch die Notwendigkeit nicht gerade, sich Gesellschaft zu suchen – trotzdem finde ich es – auch generell szenetechnisch – zunehmend reservierter. Ist aber auch logisch wenn man – wie gesagt – sich nicht sicher sein kann ob das Gegenüber wirklich jemand ist der in irgend einer Form ähnlich tickt.
A propos Weggehen – overdressed? Gibts nicht – der Rest ist einfach nur schlecht angezogen ;) . Punkt.
Ich bin auch schon im normalen Club-Betrieb gefragt worden, warum ich mir ausserhalb des WGTs so einen Aufwand mache – wär doch viel zu schade – ist es aber dann durchaus nicht wenn man sich wohl fühlt und die Möglichkeit, einen etwas ausgefalleneren Kleidungsstil zu pflegen nicht nur für die paar wenigen Tage des WGTs, eben wahrnimmt – als eigenen Stil, für sich selbst. Nicht zum alleinigen Zwecke der Aufmerksamkeit wegen. Wie Asrianierin sagte – manche Dinge gehen im Alltag zwangsläufig nicht so einfach (auch wenns schön wäre ;) ) – dennoch bin ich auch Alltags nicht in Jeans und Hemd unterwegs – auch wenn verständlich ist das manche ihres Berufes wegen alltags zwangsweise dezenter daher kommen müssen oder Kompromisse eingehen, aber das ist was anderes – behaupte ich mal – als sich zum WGT die Koffer voller Verkleidungen zu packen um mal mitspielen zu dürfen. Sicher sind Klamotten ein nicht unerhebliches Stilmittel (ja, warum nicht eine Art „Corporate Identity“) – man fühlt sich unter Gleichgesinnten wohl, und ein gemeinsamer Faktor ist damit auch, jenes, und das was man denkt und fühlt, in gewisser Weise sichtbar zu machen. „Schwarz“ kann auch auf positive Weise facettenreich sein. Man kann also nur den Kopf schütteln über jene, die meinen, als pastellrosa-Manga-Plüschpuschel den Aufstand gegen die ach so plöten alten Jammergrufties üben zu müssen – das ist keine „neue“ Form der Szene sondern was was offensichtlich nicht dazu passt. Dafür gibt es eigene Nischen.
Zur Frage „was ist normal“? – ich bin für mich gesehen normal indem ich einfach der Mensch bin der ich halt bin. Gesellschafts-normal ist das sicher nicht und soll es auch nicht – sobald ich versuche mich dieser „Normalität“ anzupassen, verliere ich mich selbst als der der ich eigentlich eben bin. Kompromisse sind manchmal zwar notwendig und OK, aber die stülpen mich deswegen nicht in ein typisches Mitglied der Normgesellschaft um.
Schwieriges Thema, aber schön daß man hier so gut darüber diskutieren kann. Was ein anderes Phänomen anspricht – die Weigerung mancher die so gern laut nach Tolllllleranz schreien, sich mit der Szene und besonders Inhalten überhaupt auseinanderzusetzen, womit sich solche Herrschaften wieder ein Eigentor schießen.
Eigentlich lese ich lieber still mit, aber das hier finde ich dann doch interessant.
Der (etwas lang gewordene) Kommentar von einer, die sich erst kürzlich in diesem waverigen/ „Ursprünglichen“ Umfeld zwecks Heimatgefühl niedergelassen hat:
Meine Reaktion auf die Zitate war ein Schulterzucken, vielleicht wäre aufrichtige Empörung angemessener gewesen, aber das war irgendwie nicht drin. Würgen musste ich trotzdem.
Für mich ist die derzeitige Szene sowas wie der „Status quo“, da ich die Szene von früher nicht selbst erlebt habe. Interessanterweise bin ich jetzt genau in diesem Umfeld gelandet, das den Wurzeln noch am Nächsten ist- hier fühle ich mich tierisch wohl! Wenn man als Newbie beginnt sich mit der Szene zu beschäftigen, bleibt man entweder den Rest seines (vermeintlichen) Gruftiedaseins an der verkauften, beworbenen und vom mainstream durchsetzten Oberflächlichkeit kleben, oder merkt irgendwann, dass es da „mehr“ gibt als Wochenendgothic, Schau(l/s)aufen und Selbstdarstellung (dass, was Gothic für jeden ganz persönlich aus- und wertvoll macht).
Ich empfinde es so, dass meine Nische DER SZENE (ein Raunen geht durch die Reihen), in die ich hineingekommen bin, im großen Potpourri des Gruftitums eine eigene Subkultur bildet; eine Subkultur in der Subkultur, um das mal überspitzt zu sagen.
Natürlich fände ich es super mich nicht jedesmal wenn ich weggehe mit solchen Trittbrettfahrern wie den beiden da oben herumärgern zu müssen, die das Bild der Szene nach Außen transportieren und prägen, viele Partys verderben und mir mit hohlem Gehabe a lá Tom auf die Ketten gehen. Sie sind eben da und werden vermutlich auch nicht von alleine verschwinden. Aaaaber: Gothic geht eben auch anders. Ohne Kostüme und Verkleidungen, sondern mit und von Menschen, die das aufrichtig und von Herzen leben, das authentisch vermitteln, bei denen das Gefühl, hier aufgehoben zu sein, nicht über den Kaufpreis der Klamotten definiert wird und die irgendwie einen anderen Zugang zu der ganzen Geschichte haben. Eben solche, wie die Truppe beim Spontis Family Treffen (nur als Beispiel, da gibt es gewiss noch viel viel mehr Leutchen- irgendwo).
Die Musik aus den Anfängen und Neueres in dieser Tradition hat trotz vermeintlicher Übermacht von Agg(r)onoize und Fluglotsentanzstil eine Plattform auf kleinen, aber feinen Veranstaltungen.
Spontis leistet einen großen Beitrag dazu, Suchenden wie mir eine Anlaufstelle zu bieten- und das ist letztlich wichtig: zeigen, dass es anders geht und anders gemeint ist, wenn man sagt, Gothic zu sein. Wer sich vom Einheitsbrei im Connex oder sonstwo angekotzt fühlt, der kehrt der Szene entweder den Rücken und hakt es unter „Jugendsünde“ ab, oder merkt, dass ihn doch irgendwas hinzieht und er fängt an zu suchen (so wie ich, wenn das Beispiel gestattet ist). Man beginnt Inhalte für sein „Sein“ zu finden- wenn sie nicht schon längst da waren und man deshalb in die Szene kommt. Einschlägige Kunst, ein Faible für’s Morbide, seine Art durch Absonderung und gewählte Andersartigkeit mit/in der Welt klarzukommen, was auch immer…
Solche beiden Gestalten wie die da oben gibt es genug und ich selbst habe mir zu Beginn meiner Reise gewiss ebenfalls den ein oder anderen Schnitzer geleistet (ich erinner mich da vage an ein Referat über Satanismus in der achten Klasse, das vor Klischees und Unwahrheiten nur so triefte *hust* :-D ) Na ja, hat ja keiner Mitbekommen ;)
Tja… und dann das WGT (entschuldigt bitte die Überlänge des Kommentars- könnt ihr noch?)… 2012 war mein zweiter Besuch auf dieser illustren Veranstaltung und ich bin heilfroh, dem Treiben bei der Agra und Moritzbastei den Rücken gekehrt zu haben. Besucher wie die beiden aus dem Artikel sind mir an anderen Orten (Anker, Volkspalast) nämlich kaum über den Weg gelaufen. Übrigens habe ich an keiner anderen Lokalität an diesen Tagen jemals Fotografen oder Bilderjäger gesehen…
Aus meiner Sicht die abschließende Diagnose: Gothic lebt und ist kerngesund, man muss nur den ganzen Mainstreamdreck auf Seite schaufeln und sich „seine“ Leute suchen.
…und eigentlich will ich auch gar nicht, dass „mein“ Gruftiewohnzimmer, das ich nach jahrelanger Suche endlich gefunden habe, von viel zu vielen Gestalten bevölkert wird ;-)
Übrigens gibt es ähnliche Diskussionen auch in der Mittelalterszene, in der sich hartgesottene re-enactor (die, die jeden Stich an ihrer Klamotte nach irgendeinem Grabfund belegen können) mit dem typischen touristus vulgaris (dem Saufenden und verkleideten Mittelalterdarsteller) konfrontiert sehen. Spaß- und Saufgesellschaft trifft Herzblut- das geht fast nirgends gut, egal wie die Szene heißt.
So. Hat überhaupt nicht weh getan, mal einen Kommentar zu schreiben. Aber noch eine Erwähnung am Rande: die anderen Kommentare dazu habe ich freilich auch gelesen, kann allerdings bei vielen schlichtweg nur zustimmen, weshalb ich das hier nicht weiter erwähne.
So, und jetzt Ende. Echt jetzt. Lieben Gruß aus dem Zuschauerbereich,
Alva Katharina
Du weißt gar nicht, wie gut es tut, Deinen Kommentar zu lesen…, Alva Katharina
Im Grunde ist es so einfach: Klischee leben, nicht um des Klischees wegen, sondern um des “Ich”-Seins. Wo auch immer man seine Wurzeln hat… Die Wurzel ist es, die zählt. All der Kram, der diese schmückt, verwässert.
Ach ach… *seufz*…
Ich kann meinen Vorrednern hier nur zustimmen. Ich selbst war 1993 das letzte Mal auf dem WGT (huch!) und fand es dann schon zu kommerziell, um mich da wohlzufühlen. Wer weiss, was mich heute für ein Schock treffen würde, wenn ich nochmal daran teilnehmen würde. Und genau solche Berichte wie dieser hier sind die Gründe dafür, dass ich es nicht nochmal versuche.
Auch ich stoße hier immer wieder auf die üblichen „Tollllleranz“-Problematiken bei diversen Diskussionen mit (Möchtegern)-Szenemitgliedern. Ich werde ja nicht müde, immer und überall meinen Senf dazuzugeben, wenn ich die Gelegenheit habe- vornehmlich auf Facebook oder eben im persönlichen Gespräch. Erst vor zwei, drei Tagen hatte ich so eine Situation mal wieder. Es ging um eine (szenerelevante und deswegen ausschliesslich an Schwarze gerichtete) Umfrage, und eine, die dort mitmachen wollte, fragte, ob „Metal denn auch schwarz wäre). WTF?
Ich mischte mich unter die Kommentatoren und erwiderte: „Metal ist Metal. Schwarz ist Schwarz.“ Und gleich griff eine Cybermieze ein und meinte, mich schimpfen zu müssen, weil ich ja alle in Schubladen stecken will.
Ja, warum zum Geier auch nicht? Ich bin nicht in einer subkulturellen Szene, um mich allem anzupassen und alles toll zu finden. Toleranz ist überbewertet. Um einen Freund zu zitieren: „Entweder finde ich etwas gut, schlecht, oder es ist mir egal.“ So sieht’s mal aus. Und wenn diese Szene die nötigen Eier hätte, wäre sie auch heute noch stark in ihrer Ursprünglichkeit. Stattdessen hat sie sich von allem überrennen lassen. In meinen Anfängen, Mitte/Ende der 80er, haben uns Metaller Pfennige vor die Füsse geschnippt, wenn wir in der Disse tanzten und andere Leute haben mich auf der Straße bepöbelt. Ich habe die Abneigung der Gesellschaft stark zu spüren bekommen (klar, nicht nur ich, aber ich spreche jetzt aus eigener Erfahrung) und ich bin mir sicher, dass die meisten der heute jungen Szenegänger das garnicht aushalten würden. Die würden vermutlich schnell woanders hin wechseln, um ihre Ruhe zu haben…
Wir sind im Grunde immer viel zu tolerant gewesen- noch ein Grund, warum man (gerade uns „Alten“) das nicht absprechen kann. Schliesslich haben wir nicht viel dazu getan, um unsere Szene „sauber“ zu halten. Das haben wir jetzt davon: Schauläufer, Faschingsveranstaltungen, Möchtegernvampire und Schlauchköppe, und obendrein Naziuniformträger, die das mit „Fetisch“ erklären (Wie krank ist das denn bitte?).
Wie hier schon angemerkt wurde: man kann sich seine Nischen suchen. Eben das mache ich auch und obendrein scheue ich nicht die Konfrontation wenn es darum geht, „meine“ Szene zu erklären, die Wurzeln und Ursprünge hochzuhalten und selbst auch aufzulegen, damit das eben nicht untergeht. Das ist immerhin etwas, was ich dazu beitragen kann.
Ja, ich stehe auf Schubladen. Ich finde es nämlich toll zu wissen, wo was hingehört. Und ich mag auch gerne sehen, wie jemand tickt- so erkennt man schnell die Gemeinsamkeiten. Man zeigt seine „Stammeszugehörigkeit“, weil man sich eben unter Seinesgleichen am wohlsten fühlt. Und was soll daran so verkehrt sein? So ist das doch meine Wahlfamilie, mein Lebensstil und mein zu Hause, wenn man so will. Keine Phase, keine Karnevalsveranstaltung. Und dann muss ich mich bepöbeln lassen, weil ich dahinterstehe? Da lass ich mich auch lieber als Satanist, Friedhofsschänder und was weiss ich beschimpfen…
Man mag nur noch mit dem Kopf schütteln.
Aber auch mir ist aufgefallen, dass es in der Szene wieder einen Ruck back to the roots gibt. Erfreulich! Vielleicht wird es den Leuten doch zu langweilig, die hier mehr Abenteuer erwartet haben. Wer weiss…?
Rosa Chalybeia, Alva Katharina & Katrin: Ich stimme euch total zu.
Ich will mich nicht als Satanist etc. beschimpfen lassen… aber das hindert mich bestimmt nicht daran, mich anderen als Grufti zu erkennen zu geben. Die Bezeichnung „Gothic“ auf meine Person lehne ich allerdings für mich ab, da ich nicht das Anrecht habe, mich so zu nennen. Ich war damals nicht dabei, als alles entstand und habe daher die für mich hier echte Szene erst vor kurzer Zeit für mich entdeckt, hier fühl ich mich zu Hause und verstanden. Und darum geht es meiner Meinung nach: Zusammenhalt, keine Selbstdarstellung. Darum kommt v.a. das WGT wie man es in den (auch Szene-)Medien für mich nicht in Frage.
In der damaligen Szene ging es vor allem um Musik und darum, wer das hässlichste Outfit hatte, über das man dann anschließend ausgiebig lästern konnte. :D
Idealisiert nicht immer die Altszene. Die konnte auch genug Scheiße vorweisen. Aber sie war ästhetisch und musikalisch ansprechender, zeigte sich teilweise interessierter an Inhalten (mein Eindruck) und war mit Bestimmtheit auch deutlich „gruftiger“. Dieses Party-Ding, wie man es heute sieht und wie es eigentlich eher nach Ibiza passt, gab es damals so nicht.
Das Problem, das ich an der aktuellen „Szenelandschaft“ sehe: die einen gehen mit zuviel Ernsthaftigkeit heran, idealisieren oft Dinge, die es so nie gegeben hat. Auf der anderen Seite haben wir diese ganzen Spaß- und Wochenendschwarzen, die eigentlich überhaupt kein Interesse an der Kultur haben. Was fehlt, ist eine gesunde Mitte.
Es scheint wohl eine typisch menschliche Angewohnheit zu sein, darauf achten zu wollen/müssen, was andere von einem denken.
Dann kritisiert der Autor des obigen Zeitungsartikels halt eine mehr oder weniger große Gruppierung innerhalb einer Gruppe von Menschen, welche wiederum Teil einer noch größeren Gruppierung ist … so what?
Wenn man weiß, wer man selbst ist, dann sollten zum Beispiel Artikel wie oben zitierte doch eigentlich recht egal sein, oder etwa nicht?
Ich denke, es geht nicht ausschließlich darum, was andere von einem denken und in welchen Topf man mitunter gesteckt wird. Viel mehr geht es darum, dass eine Sache, die einem selbst wichtig ist, so durch den Kakao gezogen wird.
Wenn man auf entsprechende Veranstaltungen geht, dann ist man da eben nicht nur wegen der Musik, sondern man möchte auch Gleichgesinnte treffen.
Aber wenn die vermeintlichen Gleichgesinnten lieber Fasching veranstalten und Phrasen dreschen, dann fragt man sich sehr schnell, was passiert ist und warum man das einfach so hinnehmen sollte.
Natürlich kann man der Sache selbst noch einen Wert verleihen, aber es wird zunehmend schwerer diesen Wert noch zu teilen.
ASRianerin, genau das ist die Problematik, die du ansprichst. Ich gehe kaum noch abends weg, da ich genau das von dir Beschriebene vorfinde und denke, hey, das kann doch nicht alles gewesen sein. Letztlich suche ich mir dann ausgewählte Veranstaltungen oder bleibe zu Hause, denn ich denke mir so, wenn ich mir das öfters antue, zweifle ich irgendwann einmal noch an meinem eigenen schwarzen Weltbild und bin irgendwann nur noch gelangweilt, weil ich feststelle, dass es niemanden gibt, mit dem ich auf einer Wellenlänge bin. Daher fühle ich mich manchmal ziemlich fremd in großen Szeneteilen… das ist eine Problematik, die ASP (auch wenn er keinen Goth-Rock in diesem Sinne macht) auf seinem Album „Fremd“ thematisiert, v.a. in dem Lied „Schön, schön, schön“, aber auch Henke mit „Manisch aggressiv“. Es geht um das Problem, sich in der Welt nicht dazugehörig zu fühlen, aber ebenso in einer Szene, von der man dachte, es sei die eigene Heimat. Letztlich werden wir aber immer enttäuscht werden und müssen uns eine eigene Nische innerhalb dieses schwarzen „Universums“ schaffen. Ob wir damit repräsentativ sind, sei mal dahingestellt. Ich für meinen Teil möchte jedenfalls nicht als Stereotyp des „modernen“ Mediengrufties herhalten. Dafür habe ich weder die Lust noch den Nerv, denn ich glaube, wir haben wirklich besseres zu tun, als unsere Nase in fremde Kameras zu stecken ;-)
Ich persönlich – seis auf dem WGT, oder woanders – such mir die Veranstaltungen persönlich im voraus aus. Reine DJ Parties finde ich bei Goth eher langweilig, da fällt der Zirkus dort großteils schon raus.
Liebe ASRianerin,
Warum trifft dich die Fasching-Fraktion? Für dich scheint es keiner zu sein, also können sie dich doch garnicht erreichen.
Natürlich ist das immer leicht dahin gesagt. Ich weiß. Mir geht’s ja manchmal bei anderen Themen noch ähnlich. Zu realisieren, daß die Ansichten eines anderen die eigenen nicht tangieren, dauert gelegentlich ein Weilchen. Und solange ist es schon ärgerlich/verletzend.
Vielleicht gibt es einen Unterschied zwischen „Szene“ und „Alternativ“ zu sein?
Schlichtweg: Ich fühle mich verarscht und nicht ernst genommen.
Hm. Also ich bin auf diese Diskussion über fb gestossen, wo es wiederum um Cyber ging. Jetzt habe ich mir hier (fast) alles durchgelesen und fühle mich irgendwie unwohl.
Ich bewege mich seit 20 Jahren in der Szene (ja, ich bin schon etwas älter) Zuerst bin ich über meine Freunde da hineingekommen, weil ich es passend für mich fand, denn ich WAR anders als andere und hier fand ich eine Plattform, wo dies toleriert wurde. Ich war vorher immer „Das Gehttomädchen mit den Steinzeiteltern und den Wohlfahrtsklamotten“. Noch dazu ein Bücherwurm und ne Partybremse und obendrein noch mit der „Ach so tollen“ Gabe einer Hochbegabung gestraft. (wer so jemand kennt,weiß, dass es keine Gabe sondern ein Fluch sein kann)Ich hatte nie ein Problem damit „anders“ zu sein. Vielleicht, weil ich nie einen echten roten Faden bei denen erkennen konnte, die „normal“ sind? In meiner ganzen Zeit in der Szene hatte ich die Möglichkeit, andere „andere“ kennenzulernen und mich mit ihnen auszutauschen, was ich sonst nicht konnte. Wir trafen uns irgendwo (nicht unbedingt aus Friedhöfen ;-) ), redeten diskutierten oder unternahmen etwas zusammen, ohne Angst haben zu müssen verprügelt zu werden. denn das ist doch das eigentliche Problem. Man versucht- glaube ich- nicht, „Mainstream“ zu werden, oder „normal“, sondern einfach nur von andersdenkenden toleriert=in Ruhe gelassen zu werden.
In den 20 Jahren kamen und gingen auch in der Szene „Trends“. Die Fetish-Freunde, die EBM-ler, die Industrials, die Cosplayer, die Cybers, die Steampunker usw. Einige gingen wieder, andere ließen Spuren. Jeder von ihnen jedoch gab der Szene einen Charakterzug mit. Was sich bis jetzt jedoch immer hielt, das war -für mich- die Offenheit für andere Weltanschauungen und die Fähigkeit, sich damit auseinanderzusetzen. Irgendwann, viel, viel später, wurden auch die Festivals für mich interessant. Sehr schnell war zu erkennen, dass es hier strömungsbedingte Vergenzen gab. Diese Erkenntnis zeigte sich auch sehr gut im neuen DFM in München dieses Jahr, wo beinahe ausschließlich Cyber und EBM gespielt wurde. Die paar anderen Metalcore usw Bands fielen kaum auf. Abends leuchtete beinahe jeder. Ich sah auch Festivals kommen und gehen!
Was das WGT Betrifft, so bin ich mit mir überein gekommen, es wie eine Messe zu behandeln. Es gibt auto-, Caravan-, und tausend andere Messen. Das WGT ist für mich eine „Gothic-Messe“.Hier kann man sehen, welche Trends in diesem Jahr in der Szene aktuell sind. Viele von denen sind bereits im nächsten Jahr wieder perdu. 2011 z.B. war die Zahl der Steampunker enorm! 2012 konnte ich die an einer Hand abzählen. Bestimmte Dinge jedoch, wie z.B. das viktorianische Picknick und der Mittelaltermarkt sind Evergreens. Ich für meinen Teil genieße es, mich geistig zu fordern, indem ich mich immer wieder mit neuen einflüssen auseinandersetzen muss. Ich lebe das, was ich aus der Szene mitgenommen habe 24Std. am Tag. In meinem kleiderschrank werdet ihr keine Farbe finden. Auch meine Kinder erziehe ich zu den Idealen, die ich in der Szene immer geschätzt habe und die bis heute nicht „totzukriegen“ sind: Toleranz, Freidenken, das Leben im Einklang mit der Natur (was nicht unbedingt heißen muss ein vegetarier zu sein, aber auf jeden Fall, sich Gedanken über das zu machen, was man konsumiert…),ein natürlicher Umgang mit dem Tod (in meinem Leben sehr hilfreich gewesen), die Freiheit Dinge kritisch zu hinterfragen, Pazifismus, verständnis usw. Selbstverständlich heißt das nicht, dass ich mit jeder Strömung persönlich etwas anfangen kann, z.B. habe ich von den (nunmehr völlig bedeutungslosen) Cosplayern nichts für mich mitnehmen können, aber es hält mich und die Szene wach. Ich mag es nicht, mich einzuigeln, denn ich hätte Sorge, dadurch geistig zu veröden. Ich mag auch die Vielfalt an Musik, die man mir auch auf dem WGT bietet. Ich höre hier und da was, je nach Stimmung und Lebensphase, sofern mir der Text genug „Futter“ gibt und ich von der Melodie nicht unbedingt Kopfschmerzen kriege. Und mal ehrlich: Wenn man es so sieht wie ich, dann passt auch der „Laufsteg“ wunderbar ins Bild! War bei Euch schon mal eine Messe? Z.B. eine Oldtimermesse oder eine Sportmesse? eine Hundemesse vielleicht? Und sind da nicht auch den ganzen Tag Oldtimer durch die Stadt gefahren? Waren nicht doppelt und dreifach so viele Hunde unterwegs und sind Euch nicht Hundertschaften von Joggern entgegengekommen? Und fandet Ihr das auch so unmöglich? Habt Ihr nicht gestanden, geschaut und vielleicht sogar das eine oder andere Foto gemacht? Wart ihr vielleicht als Besucher da und habt mal all die süßen „Wauwis“ geknusselt?
Ich habe die Gothic-, wie auch schon die Wave-/NewWave Szene immer als „stille (=friedliche) Revolution“ gesehen. Warum schwarz? Weil schon die Kleinsten lernen (zumindest hier im katholischen Bayern, ich weiß nicht, wie es bei Euch ist), dass scbwarz die Farbe des Todes und des Leids ist. Umso aufrüttelnder der Effekt, wenn z.B. ein armer Rollstuhlfahrer wiedermal am Fuße der Wechselrolltreppe steht und darauf wartet, das die mit zwei gesunden Beinen ihm diese anhalten, damit er endlich nach oben fahren kann und bereits der xte athletische kerl mit Heighheelfreundin diese hinunterfährt statt die treppe genau daneben zu nutzen und ihn obendrein noch bös´ anglotzt, weil der rolli der Tussi im Weg steht und dann der „böse“ Goth die Treppe hochflitzt, sich breit vor die treppe stellt und allein durch sein Äußeres andere davon abhält, diesen Hohn weiter zu betreiben bis die Treppe anhält und der Rollifahrer hochfahren kann. Was reultiert aus sowas? ca.100 Ignoranten fühlen sich in ihrer vorgefertigten Meinung über „Gruftis“ bestätigt (bis sie selbst mal Hilfe brauchen und ein „schwarzer“ ihnen zur Hand geht), aber 1 Rollifahrer und vielleicht die Leute um ihn herum, denen er davon erzählt sehen: Mensch, da haben wir das Buch nach dem Cover beurteilt! Wir sollten in un gehen und über Vorurteile nachdenken. Und schon ist der Samen gesäht. und am Ende: was nutzt eine Revolution, wenn niemand die Botschaft hört? Und wenn wir nicht revoltieren wollten, warum sollten wir uns dann von der „Norm“ abrenzen? dann könnten wir doch einfach alle in klassischer Kleidung gehen und einfach anders denken und fertig.
Denkt mal darüber nach, vielleicht kann ja der eine oder andere daraus etwas für sich mitnehmen. Oder auch nicht, aber dann habt ihr wenigstens Hirnsport gehabt. Schadet nie. So verbleibe ich mit lieben Grüßen: steffi
@Sheik Yerbouti: „Wenn man weiß, wer man selbst ist, dann sollten zum Beispiel Artikel wie oben zitierte doch eigentlich recht egal sein, oder etwa nicht?“ – Im Grunde richtig, doch das gilt nur für mich selbst. Ich sehe darin aber eine große Gefahr. Solche Artikel haben immer einen Multiplikator-Effekt, dass heißt diese Sichtweise erreicht wesentlich mehr Menschen, als es meine persönliche Meinung je schaffen würde. Ich habe also die Wahl. Ignoriere ich solche Artikel und überlasse damit die Meinungsbildung über das WGT oder die schwarze Szene den Journalisten oder den dort vorgestellten Menschen, laufen wir weiterhin Gefahr, durch Inhaltslosigkeit und „Schaulaufen“ infiltriert zu werden. Deshalb -> Quo Vadis?
Mir ist es aber nicht egal, welches Bild der Szene nach außen hin vermittelt wird, daher greife ich auch ständig das Thema auf und versuche eine andere Sicht der Dinge zu vermitteln. Warum mache ich das? Ich halte die Subkultur für etwas schützenswertes, etwas, was mir wichtig ist. Ich habe keine Lust, dass solche Artikel auf Dauer für ein Publikum sorgen, die das WGT nach und nach einnehmen. „Hey, guck mal, beim WGT kann ich mich verkleiden!“, lockt sicherlich einige Menschen an. Die mögliche Folge: Kulturelle Angebote werden nicht mehr wahrgenommen und auch aus der Szene heraus entsteht nichts mehr kreatives, weil ein inhaltliche Substanz immer weiter verloren geht. Nimmt sie keiner mehr wahr, fallen sie irgendwann weg. Das letzte Refugium ist aufgelöst.
Mir ist es nicht egal was mit der „Szene“ passiert. Mir ist es wichtig, dass auch Neueinsteiger und „Anfänger“ feststellen, dass da mehr ist als Musik, Klamotten und Schaulaufen. Mir ist es wichtig zu vermitteln, dass die Szene immer noch ein Schmelztiegel von Querdenkern, Kreativen und tiefgründigeren Menschen ist. Man muss nur einmal durch die Oberfläche schauen.
Überlasse ich solchen Artikel das Feld ohne Kampf, bleibt auf Dauer nichts zurück außer solchen Artikeln. Das passt mir nicht, dagegen kämpfe ich – selbst wenn es aussichtslos erscheint.
@Steffanie: Völlig richtig. Wenn man sich selbst als „Unnormal“ anssieht, sollte man diese Einstellung auch mit Hintergrund füllen. Die Revolution, von der Du sprichst, trifft den Nagel auf den Kopf. Obwohl man zugeben muss, dass sie dieser Gedanke erst in den letzten Dekaden entwickelt hat, ich bezweifle, dass das eine Gründungsintention der Szene gewesen ist. Wie dem auch sei, der Gedanke ist da und „stille Revolution“ trifft es für mich schon ganz gut.
Ganz gut ist aber nicht 100%, denn manchmal ist es mir zu still. Soll heißen: Was nützen einem die Hintergründe und die Fähigkeit zum „Anderssehen“, wenn man sie nicht vermittelt? Für mich sollte aus der stillen Revolution eine Handlungsrevolution werden. Deine Beispiele sprechen es ja schon an. Nicht darüber reden, sondern einfach machen, vorleben und handeln. Unsere Kleidungsfarbe spiegelt den Kern unserer bunten Gesellschaft – sie ist tot, doch unter den Gewändern sollte wir ein Farbemeer beheimaten. Vielschichtig, hintergründig, nachdenklich. Sich die dunklen Seiten des Lebens bewusst machen, sie nicht totschweigen sondern ansprechen. „Friedliche Revolution“ trifft es besser, still möchte ich nicht sein ;)
Mein Vorschlag: Abkapseln, von der momentanen etablierten „Orkus“-Szene Abstand nehmen und mit Gleichgesinnten was tolles auf die Beine stellen. Frei nach den alten „Werten“ autark von der Spaßgesellschaft werden, (die mittlerweile mit „schwarzer Symbolik“ kokettiert), aber von ihr soweit entfernt ist wie die Erde zur Andromeda-Galaxie. Dabei meine ich nicht mal den Musikgeschmack oder Kleidungsstil – manche „Normalos“ empfinde ich persönlich als angenehmer und sogar als „schwärzer“ als viele partytauglichen Finster-Karnelvals-Hipster.
In der neuen Zillo wird übrigens Robert mit Spontis und seiner Kritik an der Cyber-Gesellschaft erwähnt. Ich glaube, momentan beginnt ein Umdenken. Und ich bin nach wie vor Roberts Meinung, dass sich das ganze irgendwann alles trennen wird. So wie die heutige Indie-Szene mit Interpol, O.Children und Co. nichts mehr mit der schwarzen Szene von heute anfangen kann – dabei sind mir diese schwärzer als die aufgesetzten technoiden „Faschings-Goths“ der offiziellen schwarzen Szene. Ich hoffe, ich greife damit niemanden persönlich an, ich sage nur meine subjektive Einstellung zu dem Thema. Ich würde da gar keine Kompromisse eingehen. Da wo viele Waver sich Mitte der Neunziger der Szene abwandten dem Techno hingewendet haben, muss man eine Kehrtwende machen. Cyber ist Cyber, Metal ist Metal, Cosplay ist Cosplay. Alles schön und gut und hat seine Daseinsberechtigung. Aber die Etickettierung des „Gothic-Wortes“ passt einfach nicht. Und DAS müssen die Medien mal kapieren. Das ist kein Szene-Rassismus sondern plakative Pauschalisierung. Ich empfinde es als Beleidigung, mit einem Agonoizeler in einen Topf geworfen zu werden. Das ist nicht meine Welt. Niemals. Im Übrigen habe ich nicht das Recht, mich als Goth, Waver oder Gruftie bezeichnen zu dürfen, da ich zur damaligen Zeit nicht anwesend (noch nicht existent) war und somit kann ich es mir nicht erlauben, als dahergelaufener Typ dieses „Etickett“ für mich zu beanspruchen. Ja, auch ich bin ein Mitläufer. Denn andernorts fühle ich mich fremd und passe dort nicht dazu. Und da sind für mich die spießig bunte Spaßgesellschaft und die Cyberszene beispielsweise ein und das selbe Übel. Davon will ich mich definitiv distanzieren.
Hier ist ein Beispiel, dass dieser Cyberkram genau das selbe ist, wie die Welt, von der ich mich abgrenzen will:
http://www.youtube.com/watch?v=fOolrcK-yys
Liebe Steffanie. Wir leben schon lange nicht mehr in den 80ern. Wer in aller Welt wird heute denn noch für sein Outfit verprügelt? Zudem haben wir aktuell keine Szene, die ihr Äußeres aus Überzeugung trägt (falls das tatsächlich mal ein Schwerpunkt gewesen sein sollte), sondern aus modischen Gründen. Heute so, morgen mal so. Ist doch fesch. Auffallen tut man damit schon lange nicht mehr.
Weltanschauungen? Würde ich ernsthaft nie explizit in Szenen suchen.
Szene findet dort statt, wo Partys und Festivals stattfinden. Aus Deinem Text geht bereits hervor, dass Du gerade diese Dinge anfangs stark gemieden hattest. Was folgere ich daraus? Du warst stets eingebunden in einer kleinen Parallelwelt abseits des Szenegeschehens. So liest es sich jedenfalls für mich.
Dann hast Du wohl ’ne andere Szene erlebt als ich. Die, die ich kannte, war schon in den 80ern nicht sonderlich tolerant, und Natur war nur dann interessant, wenn sie etwas von Tod und Verfall ausstrahlte. Grufties waren schließlich keine Ökos. :-)
Ich haupsächlich als Musikszene. So unterschiedlich sind die Wahrnehmungen. Gothic war im Übrigen Teil der New-Wave-Szene und wurde vielerorts auch schon Mitte der 80s „Gothic“ genannt. Das ist doch kein Ding, das erst ’ne Dekade später auf der Musiklandkarte erscheint.
Nun schau doch bitte einmal um Dich. Wo ist denn die Wave-Szene, der wir alle einmal angehörten? Wir verstanden uns als Waver, korrekt, nicht als Tekknos oder Metaller. Schon deshalb kann ich Deinem Bild der mutmaßlichen „Szeneströmungen“ nicht folgen. Für mich und viele andere hier haben Cyber und Co. eben rein gar nichts mit Gothic/Wave zu tun. Ganz logisch, dass die mutmaßliche, vorgegaukelte Szenevielfalt vielmehr als wirres, zusammenhangloses Durcheinander begriffen wird. Soetwas ergibt für mich keine Szene. Die kulturellen Merkmale unterscheiden sich viel zu sehr voneinander.
Die Annahme, derartige Taten seien szeneabhängig, finde ich schon äußerst absurd. Weil ich in einer Szene bin, macht das meinen Charakter besser? Wie realitätsfremd ist das denn? Vielleicht mal mehr mit offenen Augen durch’s Leben gehen. Dann sieht man ganz sicher auch die nicht uniformierten und szeneunabhängigen Leute, die dem Rollstuhlfahrer Hilfe anbieten. ;-)
Es wäre schon viel erreicht, wenn es gelingen würde, den Medien begreiflich zu machen, dass das Wort »Gothic« heute nicht mehr den Oberbegriff darstellt. Es ist ein Teil der schwarzen Masse, mehr nicht. Womöglich einst der Ursprung, aber eben nur einst.
Wenn sich die Mühe der Differenzierung gemacht werden würde, dann würden sich auch viele Schwarzkittel nicht mehr beleidigt fühlen. Denn, zugegeben, ich habe auch ein Problem damit als Goth tituliert zu werden, nur weil ich in diesem Umfeld herumhängen. Denn ich bin keiner und trampele zumeist zu Musik, bei der es den Vollblut-Goth graust. Was wiederum auch auf Gegenseitigkeit beruht.
Als Antwort dafür könnte ich ja einmal meinen Röntgenpass vorzeigen. Die Eintragungen darin, den Schädel betreffen, lagen nur im Outfit begründet und nicht in den Berufsrisiken am Schreibtisch. Es gibt noch immer Gegenden oder Situationen, da wird weiterhin diese Sprache gesprochen. Egal ob man will oder nicht.
Guldhan: Du sagst es.
Die Medien schaffen es, wie du richtig sagst, nicht einmal, Cyber, Metal, Cosplay und „Gothic“ (bewusst in Anführungszeichen gesetzt) so richtig zu unterscheiden, da hättest du gerne, dass auch noch zwischen Agonize-Hörern und anderen Leuten unterschieden wird? Na du hast Ansprüche ;) Ich finde es ja z. B. auf eine gewisse Art witzig, dass selbst eine einigermaßen brauchbare Doku wie die des KiKa mit Musik untermalt ist, die man wohl mit viel gutem Willen als Black Metal einordnen könnte (oder was immer das sein soll). Hätten die Dokumacher die Protagonisten nicht einfach mal fragen können, was sie so an Musik hören?
Gleichzeitig gilt aber auch, was schon Guldhan schon angesprochen hat, wenn auch nicht so formuliert: Gibt es überhaupt noch die eine Band, die mehr oder weniger alle hören oder zumindest kennen und für „brauchbar“ halten? Oder selbst ein (Sub-)genre, auf das man sich einigen könnte, das also Berührungspunkt aller wäre? Doch eher nicht, oder? Also wird man zwangsläufig auch Leute zusammenfassen, die zumindest musikalisch überhaupt keine Berührungspunkte haben. Und spätestens dann ist eine Berichterstattung, die gerne alles in einem Abwasch erledigt, zum Scheitern verurteilt. Homogene Massen haben die Angewohnheit, dass man nur nicht genau genug hingeschaut hat.
Ob man es schafft, Medien zu mehr Differenzierung zu erziehen? Ich bin da doch ziemlich skeptisch. Was man tun kann, und was Robert ja auch tut, ist eine Form der Gegendarstellung, die gut und richtig ist. Prinzipiell sollte man wohl von Journalisten erwarten können, dass sie sich differenziert mit Themen auseinandersetzen können. Aber ich fürchte, darauf wird man noch lange warten können. Einzelne Glanzlichter in der Berichterstattung mal ausgenommen.
Ob eine richtige Abkapselung von Freunden des schwarzen Karnevals und zu viel Kommerzialisierung gelingen kann, wie Ian es vorschlägt? Nur, wenn man immer in „Bewegung“ bleibt und so diese Phänomene auf Abstand halten kann.
Dazu habe ich vor einiger Zeit mal eine in meinen Augen leider wahre Argumentation gehört, als Teil einer Dokumentation auf Arte. Es ging da eigentlich um Apple, aber der Kern davon lässt sich problemlos auf andere Gebiete übertragen. Die Frage, um die es ging, war, wie eine Firma wie Apple, also sozusagen die „Ausgeburt“ des Kapitalismus‘, Teil einer Art der Alternativkultur sein kann (mal davon abgesehen, dass „Alternativ“ meist nach „Mainstream“ die zweitgrößte Gruppe bildet), obwohl sich das doch widersprechen müsste.
Die Antwort darauf: So eine Alternativkultur / Subkultur ist kein Gegner des Kapitalismus, auch wenn sie sich selbst so sehen mag. Aus „Sicht“ des Kapitalismus‘ ist das nur ein Haufen Leute, die andere Interessen haben – ergo, die einen neuen Markt eröffnen, den es zu bedienen gilt. Und es wird immer Leute geben, die bereit sind, eben genau dafür Geld auszugeben, Teil dieser Subkultur oder Alternativkultur zu sein – und da hat man dann beides, die Karnevalisten und die Kommerzialisierung. Es kann einige Jahre dauern, aber sobald eine genügend große Masse potenzieller Interessenten existiert, gibt es Folgeerscheinungen.
Man muss also schon beständig „vorne weg“ gehen, um davon wirklich verschont zu bleiben. Oder man ignoriert den ganzen Kram.
@ Robert Forst
Also eine Frage von Manipulation und Gegenmanipulation? Eigentlich sollte jeder das Recht und auch die Fähigkeit haben, sich seine eigene Meinung bilden zu können / zu wollen?
Das mit den Wahrheiten ist halt immer so eine Geschichte. Was ist die Wahrheit? Ist die Szene eine einheitliche (homogene) Menschengruppe? Welche Strömung ist dominant? Entscheiden nicht wie immer in der Demokratie die Mehrheitsverhältnisse über das Gesamtbild nach außen?
Infiltration? Das erinnert mich beinahe an einen Kriegszustand. Sind wir im Krieg?
Nachtrag. Natürlich bleibt es jedem selbst überlassen, inwieweit er sich mit einer Personengruppe verbunden fühlen will. Ich habe nur den Eindruck, dass so mancher die Sache verbissener angeht als es eigentlich notwendig wäre.
Ich kann nur von meiner Empfindungsweise sprechen. Und ich muss in erster Linie mich selbst im Spiegel betrachten können. Und keine Szene. Oder wen/was auch immer.
@Sheik: Nein, Manipulation würde ich das nicht nennen. Selbstverständlich kann/soll/muss/darf sich jeder seine eigene Meinung bilden. Es geht nur darum, eine andere Sicht der Dinge zu zeigen, damit die eigene Meinungsbildung nicht auf einer einseitigen Berichterstattung beruht. Mit Manipulation hat das nichts zu tun. Der Artikel beschreibt seine Sicht der Dinge, ich meine Sicht. Der Leser kann selbst entscheiden, ob er eins von beiden in seine Meinung einfließen lässt.
Mehrheitsverhältnisse bestimmen das Gesamtbild nach außen? Du vergisst meiner Ansicht nach den Multiplikator der Presse. Die möchte das sehen was sie in ihre Zeitung drucken kann, was Leser oder Zuschauer bringt. Ein paar schwarze, die irgendwo unter dem Baum sitzen und quatschen will doch niemand sehen. Die Mehrheitsverhältnisse sind, wenn man solchen Artikel glaubt, völlig verzerrt. Offenbar dreht es sich nur ums „Schaulaufen“. Ich habe da andere Erfahrungen gemacht und würde nicht von eine Mehrheit sprechen.
Was hat denn jetzt Infiltration mit Krieg zu tun? Was ich damit meine: Ein solcher Artikel prägt ein gewisses Bild nach außen. Man liest so etwas und denkt: „Hey, Schaulaufen find ich super, wollte immer schon mal halbnackt rumlaufen und dafür bewundert werden.“ Diejenigen fahren vielleicht zum WGT um genau das zu erreichen. Sie interessieren sich nicht für Inhalt, Hintergrund oder sonstwas, weil sie im WGT eine Karnevalsveranstaltung sehen. Infiltration ist hier medizinisch gemeint, denn ich sehe die Szene als „lebendige Masse“, in die von außen (durch solche Artikel) ein Fremdkörper injiziert wird, der zwar die gleichen äußerlichen Merkmale zeigt, aber im Kern leer ist.
Völlig richtig! Und ein Stück weit problematisch, denn daraus resultiert schnell Resignation, „mir ist es doch egal was die anderen machen“ – „Szene? Gibt es für mich nicht, alles Blödsinn“. Das sind jetzt nur überspitzte Beispiele. Ich kann mich ganz prima im Spiegel betrachten, betrachte die Szene aber als etwas schützenswertes, ein Rückzugsort, ein Platz mit Gleichgesinnten, ein Becken voller Kreativität. Hätte ich all diese Menschen kennengelernt, wenn es keine Szene geben würde? Keinen Platz an dem man sich aus welchen Gründen auch immer sammelt? Ich weiß es nicht. Ich fand und finde die Szene immer noch als etwas sehr schönes, dessen Bild nach außen mir auch irgendwie wichtig ist.
Eine gewisse Form des Zugehörigkeitsgefühls finde ich ebenfalls wichtig, denn nur wenn man sich mit etwas identifizieren kann, bringt man sich ein. Mit Maximal-Individualisten, die mit sich selbst im reinen sind und denn malles andere schnuppe ist, kann ich persönlich nichts anfangen.
Ich empfinde diesen Beitrag nicht als Gegenmanipulation, sondern schlicht und ergreifend als Gegendarstellung. Das sind zwei vollkommen verschiedene Sachen.
Denn um sich eine Meinung bilden zu können, braucht man verschiedene Perspektiven und Wissen über einen bestimmten Sachverhalt. Ergo kann man sich zwei Artikel mit recht konträren Meinungen und Bildern zu Gemüte führen und sich dann für einen entscheiden – oder gar beide doof finden.
Dass das nicht so einfach ist, ist doch immer wieder Thema in diesem Blog, in den Foren, in der Szene überhaupt. Das sieht an allein schon an den vielfältigen Beiträgen beim Gothic-Friday.
Das Problem bei besagtem Artikel ist eben, wie angesprochen, dass er eine kleine Sache aufnimmt, über die heftigst sogar szeneintern diskutiert wird, da man das Ideal hat alles zu tolerieren und dennoch nicht zu einer hübscchen, wenn auch leeren Hülle gesehen und dargestellt zu werden.
Man kann viel darüber streiten, was die Szene ist, wie sie ist und was sie beinhaltet, aber ich denke, dass sich viele einig sind, dass sie keine Faschingsveranstaltung ist und einfach auch in der Tiefe mehr bietet (bzw. bieten möchte).
Das ist dein Eindruck.
Ich würde eher sagen, dass den Menschen einfach viel an „ihrer“ Subkultur liegt und dass sie dort einfach etwas bewahren möchten. Für sich und andere. Von daher ist es für diese Menschen sehr wohl notwendig, die Sache anzugehen. Letztlich hält das ja auch die Dynamik am leben.
@ RObert
Das habe ich auch nicht gemeint. Hm… Dass das so oft in diese Richtung verstanden wird…
(Eine Welt voller Extreme.)
Nicht egal sollten andere Menschen sein, sondern akzeptiert. Und das ist das Problem. Es findet sich zu oft Intoleranz oder auch Toleranz. Aber was ist mit Akzeptanz? Sie würde viele Probleme lösen. Nicht nur in der „Szenefrage“.
Eine distanziertere Sicht der Dinge ist für mich befreiend.
Nachtrag. Noch geht es um Cybers und Schaulaufer.
Who’s next?
Wir sollten dankbar sein, dass es die Szene als Basis gibt. Nun liegt es einem selbst, diese mitzugestalten. Wer sagte einst, wenn du was in der Welt verändern willst, dann ändere erst einmal dich selbst. Wir können die Szene nicht verbiegen, wie wir sie gerne hätten, aber wir können Anstöße geben.
Immer diese Idealisten. *g*
Es gab schon vor zehn Jahren Leute, die genau das umsetzen wollten, was Ian anspricht. Es kann nicht funktionieren, da das bisschen traditionelle Restszene stets im Schatten der Spaß- und Kommerzfraktion steht. Diese Fraktion ermöglicht erst die Festivals und auch die tollen Magazine, in denen noch zwei oder drei Goth-Bands Erwähnung finden dürfen. Man müsste also prüfen, inwieweit die Restszene eigentlich überlebensfähig ist. In der Vergangenheit sah das nicht allzu rosig aus. Kleinere Festivals und Musikmagazine (wir erinnern uns an Crawling Tunes) verschwanden wieder aus mangelndem Interesse. Wichtige Persönlichkeiten, die die Sache am Leben zu halten versuchen, betreiben gleichzeitig die Medienwelt der verschmähten Kommerzfraktion. Es gibt keine Abgrenzung.
Persönlich finde ich es gut und wichtig, dass auch andere Sichtweisen – wie die von Robert – dargestellt werden, um einfach ein realistischeres Gesamtbild zu zeichnen. Jedoch bezweifle ich, dass potentielle WGT-Karnevalisten sich dieses Gesamtbild zu Gemüte führen. Da werden wohl hauptsächlich „Reportagen“ aus dem Privatfernsehen und Co. als Informationsgrundlage dienen. Doch für Menschen, die der Konsum- und Spaßgesellschaft noch kritisch gegenüberstehen, sind solche Gegendarstellungen immens wichtig. Lockt es diese dadurch doch ggf. zum WGT und bietet damit eine breitere Grundlage für die tolle Atmosphäre abseits der Treffpunkte der Karnevalisten und Schauläufer.
Hier noch ein Beispiel für diesen Verkleidungswahn: Kleid statt Auto.
4500 Euro für ein Kostüm (und hier könnte die Bezeichnung nicht treffender gewählt sein)? Auf mich wirkt dies überaus befremdlich. Mein Verständnis von schwarz-alternativer Szene sieht jedenfalls anders aus. Auch die folgende Aussage zeigt mir, dass es beim WGT eine Welt gibt, mit der ich so gar nichts anfangen kann:
@Death Disco:
Crawling Tunes verschwand – zumindest meinen Informationen zufolge – nicht aus mangelndem Interesse, sondern vielmehr aus Mangel an Zeit. Leider ist dies bei idealistischen Projekten immer wieder ein entscheidender Faktor.
Markus: Und man muss immer daran denken, dass man oftmals Leidenschaft, Schweiß und Liebe in Projekte steckt, die letztendlich von niemandem gewürdigt werden. Das ist das Traurige. Jeder hält die Hand auf und will bedient werden und wenn man versucht Events auf die Beine zu stellen kommt entweder keiner oder nur Gemeckere. Niemand dankt einem die Mühe die man sich macht. Alles ist selbstverständlich. Ich erinnere mich an einen Abend, als wir eine Veranstaltung für klassischen Dark Wave und Goth-Rock gemacht haben. Alle anwesenden wussten im Vorhinein, was für Musik laufen würde. Eine gewisse Dame im „Extice“-Shirt und Plateaus kam auf unseren DJ zugewackelt, warf einen Blick auf die Plattensammlung und meinte: „Was ist’n das für’n Scheiß?“ Der Abend führte dazu, dass dann recht bald fast nur Dinge wie Rammstein, Eisbrecher und Suicide Commando liefen. Motto-Parties sind immer sehr schwer zu erfüllen, wenn sich die eigentliche Zielgruppe versteckt und diejenigen sich dort breit machen, wo sie eigentlich gar nicht sein wollen. Alle (auch Neo-Batcaver und Neo-Trad-Goths) rennen sie in die hippsten schwarzen Clubs, nur weil alle das so machen und wenn einzelne Alternativen anbieten, werden diese gemieden, weil man sich zu fein ist, seinen bequemen Hintern hochzuheben und mal was „Neues“ zu besuchen. Von daher unterscheidet sich die „Szene“ als komplexes Wesen nicht groß von der so verhassten Spaßgesellschaft. Traurig. Aber andererseits kann man in kleineren, familiären Rahmen gemütliche schwarze Treffen machen. Sowas ist mir sowieso viel lieber als die Kaufhaus-Atmosphäre, die ich in schwarzen Großraumdiskos empfinde. Und mal ehrlich, kein Mensch geht in die „Disko“ um über Gott und die Welt zu philosophieren :-)
versehentlich im SPAM-Ordner gelandet, habe das Problem korrigiert und das originale Kommentar freigeschaltet (Anm. d. Red.)
Das Crawling Tunes wurde in der Tat nicht aus mangelndem Interesse (vorerst) ad acta gelegt, sondern lediglich aus a) mangelnder Zeit (um Interviews zu führen, Rezis zu schreiben, das Magazin ansprechend zu setzen [und das alles aus EINER Hand]) und b) entsprechenden Sponsoren. Leider kommt man mit dem gewissen Idealismus und der Liebhaberei zur Altgotenmusik nicht wirklich auf einen grünen Zweig. Das Magazine hat sich zwar selbst getragen, aber bei der heutigen „Geiz ist geil“ Mentalität, zaubert eine so hochwertig gefertigte Zeitschrift eher ein freundlich-zufriedenes Lächeln ins Gesicht, als ein wohlwollend, geldgeberisches Händchen auf’s Blatt Papier. Denn vorfinanziert werden muss es ja erstmal in jedem Fall. Ähnliche Beispiele sind ja auch „Unscene“ welche nach Nummer 5 erst einmal eine sehr lange Pause einlegten aus den gleichen Gründen, das Deathrock Magazine (ebenso bereits nach Nummer 2 obwohl es Nummer 3 schon komplett als PDF fertig zum Druck gab) oder das alte New Grave Magazine welches ebenso LEIDER nach Nummer 5 eingestellt wurde. Wiederum aus den gleichen Gründen. Aber besser es probiert zu haben als später zu sagen „Ach hätte man doch…“
Von Crawling Tunes lese ich hier zum ersten Mal D:
Klingt aber gut. Und ich habs verpasst. Dreck D:
Auf jeden Fall ausprobieren. In der allergrößten Not macht man halt ein Schwarzweiß-Heft in DIN A 5, fotokopiert und getackert. Ganz improvisiert und trotzdem da… ich finde es muss nicht alles auf „Hochglanz“ gedruckt werden, wobei wir da wieder beim Thread-Thema wären. Was für mich zählt, sind Infos und auch darüber zu diskutieren. Was man in so einem Forum wie hier aber irgendwie besser kann als wochenlang auf eine Hochlanz-Grufti-Bildzeitung zu warten ;-)
ElisaDay : Über die letzte Ausgabe hat auch Robert berichtet: https://www.spontis.de/schwarze-szene/subkultur/crawling-tunes-magazine-5/
Lag dies an wirtschaftlichen Erwägungen? Dann wäre diese Abkehr von dem eigentlich Angekündigten verständlich, ansonsten hätte ich an eurer Stelle allerdings an dem angedachten Konzept festgehalten. Sicherlich muss man sich dann aber nach einem Abend, den nur wenige Gäste erfreut hat, überlegen, ob man sich als Veranstalter so etwas ein weiteres Mal antut. Man muss sich schon fragen, warum gejammert wird, aber die wenigen Veranstaltungen, die einen anderen Weg gehen, nicht unterstützt werden.
Das mag auf eine Mehrheit zutreffen. Verallgemeinern möchte ich diese Aussage aber nicht. Sicherlich merke ich beim Herausgeben des Pfingstgeflüsters auch, dass es schwer ist, für eine Veröffentlichung abseits der Masse potentiell Interessierte zu finden. Aber es gibt sie. Und diese sind durchaus dankbar für die Leidenschaft, die in die Sache investiert wird.
Dann kann ich’s erst recht nicht nachvollziehen. Fanzines erschienen IMMER unregelmäßig, mit größeren und kleineren Pausen. Das war auch vor 20 Jahren schon so. Dann nimmt man sich für die nächste Ausgabe eben ein bisschen mehr Zeit. Umso chicer wird sie am Ende. Das Magazin aber gänzlich auf Eis zu legen, halte ich für einen Fehler. Dann sollte man vielleicht darüber nachdenken, die Arbeit mit anderen „Idealisten“ zu teilen.
Zum anderen muss man allerdings auch klar sagen, dass das Internet die Printmedien längst abgelöst hat. Wer gibt noch großartig Geld für etwas aus, das man in ein paar Sekunden per Mausklick abrufen kann?
Es lag an dem, was die Gäste sich wünschten. In Karlsruhe gibt es glaube ich leider kaum noch jemanden, der heute noch Wave hört, diejenigen, die gekommen sind, kommen sonst auch immer. Mir ging es darum, das Motto des Abends umzusetzen. Leider war der DJ wohl anderer Meinung. Das Standardprogramm kann man schließlich an jedem x-beliebigen Abend machen. Das fand ich nicht so, wie ich es mir gedacht hatte. Ich wollte den „Alten“ (falls es sie überhauptnoch in dieser Region gibt) die Möglichkeit geben, wieder aus ihren Löchern zu kommen, nachdem sie sich dort verkrochen haben, wahrscheinlich aus gutem Grund, weil sie mit der heutigen „Szene“ nichts mehr anfangen können. Andererseits ist ein Großteil der damaligen regionalen Wave-Szene in die Technoszene gewechselt wo sie sich wahrscheinlich dann etabliert hatten. Keine Ahnung, ich war nicht dabei. Mir ist es wichtig, mit den Veranstaltungen, die ich plane, ein Zeichen zu setzen: Dass die alten Waver nicht vergessen worden sind und „Goth“ nicht tot ist. Ich will das alles am Leben halten. Und um Geld geht’s mir dabei überhaupt nicht. Sondern um einen Rückzugsort für schwarze Seelen :-)
Werden sie, nur keine Panik. Bis es soweit ist, vergehen natürlich einige Dekaden. Dann erinnern sich die Leute gerne an die Zeit zurück. Das ist Dank genug. ;-)
Glaube nur nicht, dass früher jemand beispielsweise bei Zwischenfall-Veranstaltungen großartig Dank zum Ausdruck brachte. Das geschieht erst vieeel später, wenn den Leuten bewusst wird, was ihnen fehlt.
Nee. Und das wäre mir auch wichtig. Wer will schon eine Szene, die nur aus intellektuellen Friedhofshockern besteht? Das besitzt ja schon dogmatische, logen-hafte Züge. Wie ich schon woanders anmerkte, braucht es eine gesunde Mitte. Wenn es Leute gibt, die sich nur für die Musik interessieren und am Rest kein Interesse zeigen, dann ist das für mich auch OK. Jeder sucht sich das raus, was er braucht. Berührungspunkte gibt es ja dennoch nach wie vor. So war das schon immer.
Ja, das denke ich auch :-) Andererseits sind mir „Intellektuelle“ dann doch lieber als schläucheschwingende Müllabfuhr-Uniformisten auf der Tanzfläche, die einen schier beim „Tanzen“ verprügeln :-)
Zum „Magazin-Problem“: Fluch und Segen des Internet. Fluch, weil es ein Überangebot an allem gibt, an Magazinen, an Musik, an Bands, an Meinung und Standpunkten. Hier geht schnell mal ein gutes Magazin einfach „unter“ weil es im Meer aus Müll einfach nicht wahrgenommen wird.
Segen, weil es durch das Internet möglich ist, ein weitaus größeren Kreis an Menschen zu erreichen, als über die „alten“ Wege der Mundpropaganda, die mitunter träge und lokal begrenzt waren.
Das „Magazin-Problem“ schließt aber auch ganz herrlich den Bogen zum eigentlichen Thema des Artikels. Gut gemachte Magazine, wie das Pfingstgeflüster, das Crawling-Tunes oder auch Dark Feather zeigen, dass man mit Leidenschaft und Einsatz etwas erreichen kann. Das Pfingstgeflüster zeigt vielleicht sogar den Weg in eine bessere Zukunft des WGT, denn es lebt meine Meinung nach vor, was wichtig ist. Es erzählt von dem, was man als Inhalt der Szene definieren könnte. Ganz ähnlich ist es mit den Crawling-Tunes und auch Dark Feather, die zeigen (oder gezeigt haben) dass es noch viel mehr Bands gibt, als und Zillo, Orkus und Sonic-Seducer erzählen möchten.
Fluch und Segen des Internet – Geiz ist geil ist bereits auf dem Rückzug, so jedenfalls meine Erfahrung und ganz nebenbei auch meine Meinung. Ich mag das Gefühl eines Magazins in der Hand, das Bewusstsein, etwas geschriebenens zu besitzen, was nicht gelöscht, gesperrt oder verändert werden kann. In gewisser Weise strahlt so eine Magazin eine wunderbare Ruhe aus. Haltet mich nicht für altmodisch, ich lese ebensoviele PDF, hauptsächlich Fachbücher oder Nachschlagewerk weil ich einfach die Möglichkeit schätze, alles im Volltext zu durchsuchen.
Das man übrigens auch sehr gute und erfolgreiche (im Sinne von Bekanntheit und Qualität) PDF-Magazine machen kann, zeigt dass Dark Feather – Magazin. Ganz perönlich würde ich es aber lieber in gedruckter Form in den Händen halten, als es am Computer zu lesen. Ich nutze, was verfügbar ist und Geiz ist nicht geil ;)
Zurück zum Thema: Leidenschaftliche Magazine, Internetseiten und Blogs geben durchaus eine Richtung für ein mögliches WGT, in den Kommentaren wurde ja bereits einige angesprochen. Und wenn von 500 Lesern 20 darüber nachdenken, was die Szene für sie ist und das man dafür etwas tun möchte, ist schon etwas erreicht. Finde ich jedenfalls. Veränderungen finden zunächst im einzelnen statt, bei jedem selbst. Weitere werden folgen, vielleicht wird sogar eine Masse daraus.
Ne, ich bevorzuge natürlich auch gedruckte Magazine, ganz klar. Aufgrund mangelnder Verfügbarkeit kann man sie aber oft nicht bekommen, von daher finde ich das Internet schon irgendwie toll. Aber es ist natürlich kein haptischer Vergleich zu einem gedruckten Werk aus Papier. Andererseits hat man im Netz die Möglichkeit über die Artikel zu diskutieren und Erfahrungsberichte von anderen zu sammeln.
Das Dark Feather – Magazin finde ich interessant.
Diesen Artikel habe ich auch gelesen und mir kam schon nach ein paar Minuten des Lesens die Galle hoch. Abgesehen davon dass ich weder bei dem Otto-normalverbraucher noch bei Leuten aus der „Szene“ Gepranze darüber mag, wie teuer dies oder jenes war (und das Kleid meiner Meinung nach noch richtig mies aussieht…dafür das es ja sooo viele Euro gekostet hat), wird hier der perfekte Eindruck erweckt, dass es letztendlich nur darum geht, wer sich so richtig toll und teuer fürs WGT verkleidet. Das die gute Dame auch noch den Kölner Karneval im Zusammenhang mit dem WGT erwähnt, setzt dem ganzen für mich die Krone auf- aber realistisch betrachtet, ist es leider nicht mehr weit entfernt vom Karneval.
Zum Thema Magazine: Wir haben hier in Hannover den Nachtwächter- ein kostenloses Magazin in Miniformat, dass jeden Monat entweder über Festivals, Neuerscheinungen, Historisches und Partys in und Nähe Hannover informiert. Das gibt es schon seit 2 Jahren, aber es ist echt fraglich, ob es das auch weiterhin geben wird, da sich immer weniger Sponsoren und Unterstützer finden.
Ich lese gerade eine Festival-Ausgabe vom Zillo von 1989 – da sind nirgends „verkleidete“ Menschen zu finden. Weder „Batcaver“, Punks, EBMler oder Vampirprinzessinen bzw. Opernsängerinnen… alles stinknormale Menschen in 80er-Klamotten. Eine handvoll Schwarz. Nicht mehr und nicht weniger. So gesehen verkleidet sich JEDER, der auch nur Boots trägt.
Nun ja, ganz so weit würde ich nicht gehen. Wie man so schön sagt, „Es kommt darauf an“. Zunächst mal hat sich die Mode seit den 1980ern ja geändert. Man möge es mir verzeihen, aber ich bin meisten ganz froh darüber, wenn ich so manche Auswüchse von damals sehe… zu meiner Verteidigung, ich habe das Jahrzehnt auch nur drei Jahre und somit eher weniger bewusst miterlebt ;-)
Zum schönen Wörtchen „verkleidet“ und dem „Es kommt darauf an“: Ich habe ja an anderer Stelle schon mal erklärt, was ich für Verkleidung halte und was nicht. Wenn also jemand (zumindest so ähnlich) immer so herumläuft, ist es für mich keine Verkleidung. Wenn es die Kleidung für besondere Anlässe ist, auch nicht, zumindest, wenn man es nicht unter der Prämisse tut, dass man mal jemand anders „spielen“ möchte. Auch, wenn dein „verkleiden“ vielleicht nicht so strikt gemeint war: Vielleicht zeigt man heute ja lieber als damals seine Zugehörigkeit und/oder die Mode ist heute noch diversifizierter als damals (und damit meine ich für einen breiteren Teil der Bevölkerung „zugänglich“, Batcaver sagen mir schließlich schon etwas ;-) ) – wie bei der Musik, da könnte man in der schwarzen Meute bestimmt auch Leute finden, die sich nicht mal auf ein gemeinsames Genre einigen könnten ;-) Aber zum Punkt der Zugehörigkeit zeigen kann wohl nur jemand mit mehr Erfahrung aus der Zeit etwas sagen…
Zillostrierte bitte schön. ;-) Welche Ausgabe ist das denn? Wenn Du das Bizarre-Festival auf der Loreley meinst: da sind durchaus auch Punks und Grufties zu sehen. Zudem sollte man bedenken, dass das ein Indie-Festival war und keine Gruftie-Fete.
Ja, ja, die gute alte Zillo. Ich les‘ mir die alten Ausgaben (bis Anfang ’92 ca.) immer wieder mal durch. Die Veränderungen während nur weniger Monate sind schon erschreckend.
Halleluja, genau das ist der Punkt. Des Grufti’s Kern sozusagen. Grufti war mal Independent!
Ich glaube einfach die Mehrheit der Szene waren eben schon damals nicht die Gruftis. Proportional gesehen sind die, die früher „bunt“ und „normal“ trugen, diejenigen, die sich heute am Wochenende oder zum WGT in Schale schmeißen und den Catwalk der Eitelkeiten betreten. Die „echten“ sind wahrscheinlich eine Minderheit, von der ich annehme, dass es sich dabei gerade mal um konstante 4.000 Personen handelt, die ein wenig mehr für sich selbst vom Schwarzsein erwarten, als besoffen in Ballermannstrandkörben auf dem Amphi oder so zu liegen. Und damit meine ich nicht eine Einteilung in Musikgenres sondern den gewissen Lifestyle, den man an sich und zu Hause verkörpert.
Das kann man nicht miteinander vergleichen. Das sind zwei völlig unterschiedliche Welten. Indies und Alternative, also der Hauptteil jener Leute, die damals das Bizarre besuchten, waren musik-orientiert und keine Modekasper. Damals gab es auch noch ganz andere Musikstile, die heute kein Schwein mehr kennt, z.B. Noise Rock, Noise Pop, Shoegazer, Madchester, seltsame Crossover-Auswüchse wie Folk-Punk à la The Pogues und The Levellers oder total ausgeflippte Typen wie die Freaky Fukin‘ Weirdoz. Man muss doch nur mal schauen, was da für Bands auftraten.
Nein, da bestehen absolut keine Verbindungen zur heutigen „Modekultur“ auf dem WGT. Gothic war damals, wie Sheik Yerbouti es schon sagte, einfach ein Teil der Indie-Kultur. Deshalb stachen diese kleinen Gruftie-Cliquen immer gesondert im Publikum hervor.