Schauspiel Leipzig forderte Absage des Konzerts von Camerata Mediolanense

Die Mitarbeiter des Schauspiels Leipzig forderten am Freitag vor Pfingsten von der Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke den Auftritt der Band Camerata Mediolanense am Samstagabend abzusagen. Sie werfen der Gruppe Verbindungen in die rechtsextreme Szene vor, die sich allerdings nach Recherche der WGT-Verantwortlichen und der Stadt Leipzig nicht nachweisen ließen.

Jennicke sah „keinen Handlungsspielraum“ für die Absage des Konzertes. Doch auch wenn das Konzert wie geplant durchgeführt wurde, wünscht sich das Schauspielhaus ein generelles Umdenken beim Umgang mit dem Wave-Gotik-Treffen in der Stadtverwaltung.

Verbotene Symbole bei einem früheren Auftritt der Band?

Das Schauspiel vermietet seine Räumlichkeiten schon seit Jahren an das Festival, allerdings ohne im Vorfeld die Bands oder Künstler zu kennen, die bei ihnen auftreten werden. Gegenüber der LVZ teilte man mit: „Dem Schauspiel Leipzig wird durch das WGT erst sehr knapp vorher mitgeteilt, welche Bands hier auftreten werden.

Nachdem im April 2024 der Name der Band „Camerata Mediolanense“ öffentlich wurde, sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Schauspielhauses an die Geschäftsleitung herangetreten und haben Vorbehalte geäußert. Sie waren der Ansicht, „dass diese Band dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen sei und bei einem Auftritt unter der vorherigen Intendanz vor über zehn Jahren ein Mitglied der Band ein verfassungsfeindliches Symbol (SS-Koppel) getragen habe„, schreibt die LVZ.

Am Freitag veröffentlichte dann auch die Gewerkschaft Verdi einen offenen Brief, der von der Belegschaft des Schauspielhauses gezeichnet worden war und sich an Leipzigs Kulturbürgermeisterin richtet. In diesem ist unter anderem von einem Interview mit der Neonazi-Organisation „Blood & Honour“ die Rede. Dem Magazin der in Deutschland verbotenen Gruppierung habe Camerata Mediolanense im Jahr 2000 ein Interview gegeben, später soll die Band auf einem Festival aufgetreten sein, das man ebenfalls dem rechten Spektrum zuordnet. Die Schauspiel-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so heißt es in dem offenen Brief weiter, könnten das nicht ignorieren und empfänden es als problematisch, dass solch einer Band eine kommunale Bühne geboten wird.

Vorwürfe offenbar unbegründet

Camerata Mediolanense selbst bestritten bereits in der Vergangenheit, rechtsextreme Verbindungen zu haben. In einem Interview im Jahr 2014 mit dem belgischen Magazin „Peek a Boo“ bestätigt die Band zwar die Einladung zu solchen Festivals, streitet aber ab, daran teilgenommen zu haben: „Aber in unserem konkreten Fall stimmt es zwar, dass wir zu diesen Treffen und Zusammenstellungen eingeladen wurden, aber es stimmt auch, dass wir die Einladung nicht angenommen haben. Weil wir uns ursprünglich dafür entschieden haben, politische Kontexte zu meiden. Weder links noch rechts: Camerata Mediolanense ist ein rein kulturelles Thema.

Auch die Pressestelle des WGT stuft die Vorwürfe als unbegründet ein. Gegenüber der LVZ äußerte sie sich: „Die Band ist mehrfach beim WGT aufgetreten, darunter auch schon 2009 im Schauspielhaus. Und dort gab es keinerlei politischen Inhalte, die von der Band vermittelt wurden.

Man habe die Band mit den Vorwürfen zum letzten Auftritt im Schauspielhaus konfrontiert, heißt es weiter. Die Gruppe hat die Vorwürfe, eine SS-Koppel auf ihrem damaligen Auftritt getragen zu haben, abgestritten und konnte dies mit Bildmaterial vom Auftritt belegen. Auch wir fanden auf Archivaufnahmen, die uns vorliegen, auf den ersten Blick keine Hinweise.

Bereits Mitte April habe das Schauspiel Anzeige bei der Polizei „wegen einer möglichen Sicherheitsgefährdung“ gestellt, die inzwischen von der Staatsanwaltschaft Leipzig geführt wird. Kulturbürgermeisterin Jennicke erklärte am Freitag gegenüber der LVZ: „Eine Abfrage bei der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz in Bonn, welche für eine mögliche Indizierung zuständig wäre, verlief ohne Ergebnis. Es liegen also derzeit keine Erkenntnisse hinsichtlich eines strafrechtlich relevanten Handelns vor.

Das WGT bat um die Personalien der Mitarbeitenden, „um juristisch gegen diese vorzugehen„, heißt es weiter in dem Artikel.

Schauspiel fordert Umdenken beim Umgang mit dem WGT

Das Schauspiel Leipzig fordert ein Umdenken im Umgang mit dem WGT: „Dem Festival sollte die Verpflichtung auferlegt werden, sich an die gängigen demokratischen Normen zu halten und bereits weit im Vorfeld die geplanten Konzerte zu kommunizieren, um verfassungsfeindliche Ansätze bei diesem Festival zu vermeiden und im Vorfeld zu verhindern“, so das Schauspiel gegenüber der LVZ.

Wie denkt ihr über den offenen Brief des Schauspiels Leipzig und den darin geäußerten Vorwürfen? Sollte die Stadt Leipzig wirklich den Umgang mit dem WGT überdenken? Wie sollte man solche Dinge in Zukunft handhaben?

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Svartur
Svartur (@guest_65135)
Vor 6 Monate

Während Faschismus um uns herum fröhliche Urständ feiert, gar salonfähig wird, und das WGT selbst sogar mit der Schwarzen Sonne auf der Obsorgekarte faufwartete, hängt man sich nun – nach all den Jahren – an einer von vielen Künstlergruppen mit europäisch-folkloristischem Fokus auf?

Dass reaktionäres und völkisches Gedankengut über Stilrichtungen wie Neofolk oder Martial (Industrial) eine Verbindung in die Schwarze Szene hat, ist bekannt und auch in meinen Augen etwas problematisch, sofern man unreflektiert in diesen Nischen unterwegs ist.

Camerata Mediolanense schneidet musikalisch Teile dieser Stilrichtungen, mit Blick auf die Texte kam mir jedoch bisher nie irgendetwas Verwerfliches vor die Augen. Hier wäre es schön gewesen, hätte man auf Endstation Rechts das damalige Interview von B&H veröffentlicht, zumindest die problematischen Passagen zitiert.

So haben wir weder Kontext noch Aussagen, sondern nur einen Artikel von 2001, der als Grundlage für die Positionierung des Schauspielhauses herangezogen wurde. Etwas dürftig, finde ich.

Die Verwendung des Label ‚rechtsextrem‘ durch das Schauspielhaus Leipzig & Verdi halte ich dementsprechend für fahrlässig, wird dadurch doch tatsächlich rechtsextreme Kunst in all ihren Formen verharmlost – Rassismus, Hass udn Gewalt säend..

stechlin
stechlin (@guest_65137)
Antwort an  Svartur
Vor 6 Monate

Als Fan der Gruppe hatte ich damals mir das Interview besorgt, finde es nur nicht mehr. In meiner Erinnerung war es komplett unpolitisch und banal, es schloss tatsächlich mit der Bitte, das die Leser zahlreich auf die Konzerte kommen sollten.
Auf einem Konzert Anfang der 2000er sprach ich die Band darauf an, sie sagten, das Ihnen überhaupt nicht bewusst war, wo
und in welchem Kontext es veröffentlicht wurde. Sie waren etwas naiv von einem gewöhnlichen Fanzine aus Deutschland ausgegangen, die Anfrage war freundlich und man hätte geantwortet.
Aufgrund meiner Einschätzung des Inhalts des Interviews hatte (und habe) ich keinen Grund die Erklärung der Band anzuzweifeln.
Das es immer wieder hochkommt, liegt wahrscheinlich daran, dass es niemand der „Ankläger“ gelesen hat.

Letzte Bearbeitung Vor 6 Monate von stechlin
Svartur
Svartur(@svartur-nott)
Antwort an  stechlin
Vor 6 Monate

Danke für die Rückmeldung!

Für mich insofern nachvollziehbar, dass vermutlich eher wenige Menschen zu der Zeit mir B&H was anfangen konnten und bestimmt nicht damit gerechnet hätten, bei ihrer Art Musik von Screwdriver-Fetischisten interviewed zu werden.

Habe gerade mal noch bei archive.org nachgeguckt, ob man da was findet. Bis B&H-Ausgabe 17 kann man zumindest die Titelseiten nachvollziehen und später einzelne Bilder. Tiefer mag ich da jetzt aber auch nicht graben, reicht erstmal für heute… .

Adrian Stahl
Adrian Stahl(@rosa_aristides_c)
Vor 6 Monate

Den WGT-Auftritt 2009 hab ich gesehen, wüsste auch nicht daß es da irgendwas fragwürdiges gegeben hätte …
Klar ist in der Musiksparte ab und zu mal was dabei, das wirklich in ne unschöne Richtung neigt, aber wie Svartur ja sagte – wenn man mit Neofolk und Neoklassik an sich was anfangen kann, dann sollte man einfach bisschen nachdenken und nicht blind konsumieren.
Ich hab Camerata Mediolanense in dem Zusammenhang immer als eine der Bands die sich mit alter Musik auseinandersetzen einsortiert – und manchmal stilmässig auch etwas im „rummsigeren“ Martial-Folk landen, aber ohne inhaltlich unangenehm zu sein.

Insofern – ja, Augen offen halten ist natürlich gut, und ich finde es an sich auch gut wenn Location-Betreiber rechtem Mist keine Bühne bieten wollen (Hausrecht ist Hausrecht – und natürlich wäre es schön wenn die WGT-Organisatoren da auch an anderen Stellen eindeutig dagegen Position beziehen würden), aber dann sollte man anständig recherchieren und mit handfesten Beweisen aufwarten können, sonst geht der Schuß nach hinten los – und man richtet damit am Ende noch Schaden an, der so nicht gewollt war. Offenbar reibt sich das Schmierblatt „Compact“ wegen dem Vorfall schon die Hände – ich verlinke den Artikel nicht, wir wissen ja alle wie Suchmaschinen funktionieren.

Black Alice
Black Alice (@guest_65153)
Antwort an  Adrian Stahl
Vor 6 Monate

Da gebe ich Dir Recht. Wir recherchieren hier auch erst bevor wir entscheiden wen wir auf unsere Bühne lassen. Das sollte für Veranstalter die Norm sein. Ist es leider oft nicht weil sich viele nicht darum scheren und so wird rechtes Gedankengut verbreitet und jeder tut einen auf Unschuldig. 08/15 Antwort ist dann immer man sei ja unpolitisch… blahblahblah….

Pitje
Pitje (@guest_65146)
Vor 6 Monate

Wer die Berichterstattung über diesen Vorfall verfolgt hat – und hier bei Spontis wird das ja schön zusammengefasst – muss feststellen: Hier werden von Links (Gewerkschaft Verdi) gezielt fadenscheinige Vorwürfe konstruiert. Heraus kommen dabei dann lächerliche Argumentationsketten: Ein Bandenmitglied hat vor 24 Jahren dem falschen Magazin ein Interview gegeben …

Daraus eine Absage eines Konzertes abzuleiten, ist schon dreist. Aber genau so läuft das ja immer wieder mit unliebsamen Neofolk-Konzerten. Leider oft genug mit Erfolg.

Die Politisierung des Festivals, die ja dem WGT oft vorgeworfen wird, erfolgt hier tatsächlich, allerdings von linksextremen Kräften. Ich finde das sehr schade, weil ich das Wave Gotik Treffen immer als sehr international und sehr queer-freundlich empfinde. Darum kann ich auch gut nachvollziehen, dass das WGT gegen so ein rufschädigendes Verhalten vorgeht.

Letzte Bearbeitung Vor 6 Monate von Pitje
CARRIONFLOWER1334
CARRIONFLOWER1334 (@guest_65149)
Antwort an  Pitje
Vor 6 Monate

Zu den Kernthemen siehe meinen Hauptkommentar, aber —
Verdi steht für eine soziale Marktwirtschaft mit geringen Lohnerhöhungen unterhalb einem wirklichen Inflationsausgleich. Und gesellschaftlich berufen sie sich auf liberal-humanistische Grundwerte, etwa so wie die SPD.
Aber was ist daran bitte „links“, geschweige denn „extrem“?

Letzte Bearbeitung Vor 6 Monate von CARRIONFLOWER1334
Pit
Pit (@guest_65157)
Antwort an  CARRIONFLOWER1334
Vor 6 Monate

Was daran linksextrem ist, hast du hoffentlich oben gelesen. Ich als zahlendes Verdi-Mitglied würde mich übrigens in der Tat freuen, wenn sich meine Gewerkschaft bei der letzten Tarifverhandlung etwas mehr für einen Inflationsausgleich eingesetzt hätte, statt Zeit und Arbeit in die Torpedierung von Musikfestivals zu stecken.

Zeev
Zeev (@guest_65147)
Vor 6 Monate

Simone von Spiritual Front, die auch im Schauspielhaus gespielt haben, ist ein vehementer Putinversteher.
Das fanden die Mitarbeiter des Theaters scheinbar völlig in Ordnung.

CARRIONFLOWER1334
CARRIONFLOWER1334 (@guest_65150)
Vor 6 Monate

Svarturs Erklärung finde ich mehr als schlüssig. Ich verstehe allerdings sehr gut, wie der Eindruck entstanden ist.
Auch Bands mit gesichert faschistischem Gedankengut haben meistens nicht den Mumm, offen zu ihren Überzeugungen zu stehen.
Stattdessen neigen sie zu diffusen Bezugnahmen die dann als rein ästhetisch abgetan werden — fast jede rechte Band will lieber eine „Grauzonen-Band“ sein, weil sie wissen dass sie damit in der Schwarzen Szene eine ziemlich gute
Reichweite erzielen können; und das selbst wenn die Sache durch die anderen Aktivitäten der Beteiligten völlig klar ist (Von Thronstahls Josef Klumb sei genannt).

Und dieses Versteckspiel wirkt sich schlecht auf Bands aus, die halt über den Faschismus singen wollen, ohne ihn gutzuheißen, v. a. wenn dann mal Nazis das missverstehen und auf sie zugehen.

(Oder konfuse Mischungen dieser Umstände, wie damals bei Ian Curtis, der sicher nicht die NS-Gräuel an und für sich verklärt hat, aber schon ein bisschen an den Mythos von der „sauberen Wehrmacht“ zu glauben schien.)

Umso seltsamer, dass das Fass nicht wegen Kirlian Camera und Spiritual Front aufgemacht wurde. Oder dem altbekannten Verlag VAWS, dessen jährliche Anwesenheit ein schlechtes Licht auf das WGT allgemein wirft.

Black Alice
Black Alice (@guest_65154)
Antwort an  CARRIONFLOWER1334
Vor 6 Monate

Grauzonen Bands sind eigentlich auch böse. Das weil die einen auf unpolitisch unschuldig machen und doch irgend wie rechtes Gedankengut verbreiten, nicht weil sie es aktiv verbreiten, aber diesem nicht entgegen treten und diesem Raum bieten. Nichts ist unpolitisch. Mit allem was man macht gibt man ein Statement ab. Ich habe nichts gegen konservative Menschen (die braucht es nun mal in einer Demokratie als Gegenpol zu den Linken), aber Rechtsextremismus darf man keine Bühne geben.

Letzte Bearbeitung Vor 6 Monate von Black Alice
Zeev
Zeev (@guest_65155)
Antwort an  CARRIONFLOWER1334
Vor 6 Monate

Das ist bloß noch ein Zeichen dafür, dass „Kampf gegen Rechts“ in diesem Land leider nicht verstanden wurde. Wegen einer Band, die dermaßen harmlos ist wie Camerata, verschwenden eine Menge Menschen so viel Zeit und Strom, um ihre „Recherche“ zu machen. Spiritual Front erzeugt in diesem Milieu keine pawlowschen Reflexe, daher alles gut.

Phoenix
Phoenix(@phoenix75)
Vor 6 Monate

Autsch! Schon wieder so ein reflexhaftes und dümmliches Gebaren von ein paar verblendeten Menschleins, die offenbar lieber mit spekulativen Aussagen daher kommen, als schlüssig zu recherchieren, bevor sie jemanden verurteilen.
Ich habe Camerata Mediolanense vor Urzeiten, Anfang der 2000er, als „Vorband“ zu Kirlian Camera gesehen. Die Musik haute mich nicht vom Hocker, die Bandmitglieder eher unauffällig, was in politische Richtungen gehen könnte. Eigentlich bestand nie auch nur ein Anschein, dass da etwas sein könnte. Umso mehr bin ich immer wieder erstaunt, was sich die Leute so aus den Fingern saugen. Und dann wird gleich ein ganzes Genre wieder komplett mit in Verruf gebracht. Man Leute… differenzieren ist nicht jedermanns Sache, dass kapiere ich schon, aber unterdrückt ab und zu eure Reflexe, wenn man denn schon so leicht getriggert wird.
Da bleibe ich wieder mal nur kopfschüttelnd zurück.

Axel
Axel(@axel)
Antwort an  Robert
Vor 6 Monate

Sorry,  Robert – aber hier muss ich kritisch nachhaken.

„Neofolk“ und „Neoklassik“ erfreut sich in der rechten Szene größter Beliebtheit, deswegen ist es zunächst sehr zu begrüßen, wenn Bands und ihr Hintergrund geprüft wird.

Für diese, meiner Ansicht nach sehr pauschalen Aussage hätte ich gerne eine Evidenz, wie Du zu dieser Aussage kommst.

Spielt Neofolk in der HEUTIGEN rechten Szene denn irgendeine Rolle?
Die rechte Szene hat ja das Ziel Menschen mit ihren Ideen zu verführen, Menschen mit Populismus zu fangen und unter jungen Menschen als cool zu gelten. Ich könnte mir dafür nichts uncooleres vorstellen als die Vereinnahmung eines kleinen Nischengenres namens Neofolk, das im Sound so dermaßen an moderne Hörgewohnheiten vorbeigeht.

In den letzten Jahren hat die rechte Szene vor allem unter jungen Menschen beliebte Genres wie Rap unterwandert, siehe Chris Ares oder neuer das Rap-Label NDS. Zudem setzt die Szene stark auf Influencer-Marketing, kapert erfolgreich der Esoterik-Szene und auch der Rechtsrock spielt da noch eine große Rolle. Bei Belltower News kann man sich einen gut recherchierten Überblick anlesen.

Wie verbreitet ist denn Rechtsextremismus im HEUTIGEN Neofolk?
Kleine Aufgabe, bitte nicht als Angriff verstehen: Kannst Du mir fünf relevante Szene-Acts der letzten roundabout 10 Jahre nennen, die völkische oder rechtsextreme Inhalte haben? Deren Mitglieder in irgendeiner Weise entsprechend aufgefallen sind? Oder wo die Musik verstärkt in der rechten Szene rezipiert wird?

Mein persönliches Erleben: Ich kenne keine Musik-Szene die mittlerweile so stark von Antifaschisten, Anarchisten oder klassisch Linken geprägt wird als der moderne Neofolk.

Ich denke da an:
Rome, Crooked Mouth, Osi and the Jupiter, Suldusk, Emily Jane White, Musk Ox, Ekaterina Shelehova, Sangre De Muerdago, By The Spirits, Mosaic, Kaelte, Lucie Hendry, Walden, Gabria, Miri Mehrstimmig, Zeresh, Cinder Well, Marjana Semkina, Ephemeral und und und. Ich könnte die Liste noch ewig so weiterführen.

Mir würde tatsächlich keine Musik-Szene einfallen wo sich Rassisten und Faschisten so unwohl fühlen würden als die moderne Neofolk-Szene.

Daher meine Frage: Hast Du Dich in den letzten Jahren mit der aktuellen Szene, deren Musiker wiederum deren weltlicher Haltung auseinandergesetzt?

Oder auf welcher Grundlage sonst kommst Du auf die Idee, dass man die Hintergründe von Musikern und Bands erstmal pauschal prüfen sollte? Wohlgemerkt: Es geht mir um die Neofolk-Szene der letzten rund 10 Jahre, NICHT die Neofolk-Szene von vor 20 oder 30 Jahren.

Letzte Bearbeitung Vor 6 Monate von Axel
Black Alice
Black Alice (@guest_65180)
Antwort an  Robert
Vor 6 Monate

Und was sagen die Musiker dazu? Das weitverbreitete Motto in der Szene laute „Never explain, never complain“, beschrieb es Florian Wimmer. Damit ebne man den „neuen“ Rechten zwar den Weg, dennoch könne man die Neofolkszene „nicht als rechtsextreme Subkultur bezeichnen – wohl aber als eine nach rechts offene“.

Diese Haltung nennt man Grauzone. In diese Ecke passen auch sehr viele Bands aller möglicher Genres. Diese Genres sind nicht rechts, aber einzelne Bands in diesen Genres sind ein Anziehungspunkt ganz bestimmter Kreise, wie z.B. Rechte. Jeder Veranstalter mit einem gewissen Verantwortungsbewusstsein recherchiert über Bands bevor er diese bucht. Wer das nicht macht handelt verantwortungslos und von diesen gibt es leider immer noch zu viele in diesem Lande. Unsere Tür ist z.B. soweit sensibilisiert, dass sie rechte Symbole auf Tattoos oder Shirts erkennen und die lassen wir dann nicht rein. Wer sich auffällig rechts benimmt, der fliegt hochkannt raus. In die Köpfe der Menschen kann man nicht rein schauen, aber wer offen seine Gesinnung zeigt, der kommt nicht rein, bzw darf nicht bleiben. Basta. Wenn sich das WGT in keinster Weise darum kümmert, dann ist das kein gutes Zeichen, eher ein Zeichen dafür, dass zumindest ein Teil der Organisatoren für rechte Tendenzen offen ist, denn so blind einen rechten Verlag nicht zu erkennen, kann man nicht sein.

Prinzipiell an alle gerichtet:

Mir geht auch diese Hufeisentheorie gegen den Strich die einige in solchen Diskussionen immer wieder vorbringen. Nein, rechte und linke Gewalt ist nicht das gleiche. Während die Linken für eine bessere Welt, für mehr Gerechtigkeit einstehen und in ihrer hitzköpfigen Hilflosigkeit gegenüber den Mächtigen teilweise auf Gewalt zurück greifen, wollen die Rechten die Demokratie und die Freiheit abschaffen. Das sind zwei himmelhohe Unterschiede. Hört also auf ständig beide in den gleichen Topf zu werfen!

Letzte Bearbeitung Vor 6 Monate von Black Alice
graveyardqueen
graveyardqueen(@graveyardqueen)
Antwort an  Black Alice
Vor 6 Monate

„Nein, rechte und linke Gewalt ist nicht das gleiche. Während die Linken für eine bessere Welt, für mehr Gerechtigkeit einstehen und in ihrer hitzköpfigen Hilflosigkeit gegenüber den Mächtigen teilweise auf Gewalt zurück greifen, wollen die Rechten die Demokratie und die Freiheit abschaffen. Das sind zwei himmelhohe Unterschiede. Hört also auf ständig beide in den gleichen Topf zu werfen!“

Aber ich denke in einem Punkt sind wir uns wohl einig, Gewalt ist generell scheiße und keine Lösung!
Da spielt das keine Rolle in welche Richtung es tendiert und Hilflosigkeit ist in diesem Punkt auch eine recht schwache Entschuldigung.
Zumindest sehe ich das so 🤷🏼‍♀️.

Black Alice
Black Alice (@guest_65186)
Antwort an  graveyardqueen
Vor 6 Monate

Gewalt ist prinzipiell nicht gut. Es darf aber keine Entschuldigung dafür sein beide in einen Topf zu werfen.

Phoenix
Phoenix(@phoenix75)
Antwort an  Robert
Vor 6 Monate

Was passiert denn, wenn ein rechtsgesinntes Menschlein u.a. auch andere Musik hört, sagen wir mal Blutengel? Ja, klingt absurd, aber wer weiß schon, was noch so alles gehört wird von diesen Leute. In deren Köppe kann man ja nicht schauen. Müssen sich dann alle Musiker umgehend von rechter Vereinnahmung distanzieren und jeden Pups der irgendwo niedergeschrieben wurde zum Anlass nehmen, nirgendwo mehr aufzutreten?

Ich finde diese ewige Diskussion mittlerweile mehr als ermüdend. Diverse Neofolk-Combos sind nun mal nicht davor gefeit, dass man in einschlägigen rechten Blättern oder im Internet über sie schreibt. Vielleicht wird da auch übers Wetter geschrieben oder anderen Tinnef. Diese ewigen Unterstellungen werden stets und ständig hochgekocht. Man solle sich distanzieren oder positionieren und ein Gegenstatement abgeben. Nein, müssen sie nicht. Solange keiner dieser Bands in irgendeiner Art und Weise verfassungsfeindlich auftritt, Texte verfassen, die darauf schließen, dass sie den Nationalsozialismus verherrlichen oder Symboliken verwenden, die verboten sind, sollte es möglich sein alles unter der Kunst- und Kulturfreiheit stehen zu lassen. Punkt. Und nein! Ich mag zu 90% keinen Neofolk und höre ganz gern Rome.

Wie Neoklassik hier ins Fadenkreuz geraten konnte ist mir wiederum schleierhaft.

Axel
Axel(@axel)
Antwort an  Robert
Vor 6 Monate

Wenn du Neofolk und Neoklassik meinst, dann nein, das ist keine Musik, die ich gut finde.

Wenn Du Neofolk nicht magst, Du Dich nie mit der aktuellen Szene der letzten 10 Jahre auseinandergesetzt hast – dann ist das nichts schlimmes. Aber dann solltest Du auch verzichten pauschalisierende Urteile zu veröffentlichen.

Denn der Begriff „Neofolk“ hat seine Bedeutung seit den frühen 2010ern vor allem international sehr verändert. Stand „Neofolk“ früher tatsächlich für eine kleine Subkultur mit einem Hang militaristischen, hat das mit der modernen Nutzung des Begriffes schlicht nichts zu tun.

Neofolk heute wird meiner Wahrnehmung nach eher als musikalischer Sammelbegriff verwendet für Bands und Musiker, die melancholische, teils dunkle Akustikmusik produzieren. Das kann eine Interpretation eines Volksliedes sein, das kann die Auseinandersetzung mit Umweltthemen aber auch mit den melancholischen Seiten des Lebens.

Also was die Kabarettistin Lisa Eckhardt jetzt mit Neofolk zu tun hat, weiß ich nicht. Und ansonsten kommen bei Deinen Quellen lediglich dieselben handvoll Namen, die es eben schon vor 20 Jahren gab und eben NICHT für die heutige Szene standen. Übrigens würde ich weder das Axel-Springer-Medium Rolling Stone noch den Standard als zuverlässige Quellen für subkulturelle Themen bewerten. ;-)

Hier beispielsweise mal ein schöner Essay aus dem Jahr 2019 von Shane Burley: https://proteanmag.com/2019/12/01/tradition-and-resistance-reclaiming-neofolk-for-antifascism/

Mit A Blaze Ansuz gibt es einen schönen, leider nicht mehr ganz so regelmäßigen, Blog zur antifaschistischen Neofolk-Szene:
https://antifascistneofolk.com/

Nur mal so als zwei Einstiegspunkte. Es gibt mit Left/Folk seit 2020 zudem eine schöne regelmäßige Compilation-Reihe, die linken Neofolk zum Thema hat. Nein, nicht von mir. ;-)

Das Problem ist nicht, dass es eine „rechte“ oder „linke“ Musikszene gibt, sondern häufig mangelt es an belegbaren Haltungen der Musiker.

Warum sollten sich Musiker denn von vornherein erklären müssen, nur weil das Genre vor 20-30 Jahren mal ein Nazi-Problem hatte? Es gibt genauso rechte Rockmusik, rechten Hip Hop, rechte Pop-Musik usw. Soll man jetzt von ALLEN Musikern erstmal ein Haltungsbekenntnis einfordern?

So selten wird die Haltung in der heutigen Szene übrigens gar nicht versteckt. Amelia Baker (Cinder Well) macht beispielsweise kein Geheimnis über ihre feministische Einstellung, genauso wenig wie andere Szene-Musikerinnen wie Ismena, Tamara Zolotov (Zeresh) oder Gabria.

Die deutsche Pagan-Folk-Band Waldkauz hat vor zwei Jahren mit „Kein rechter Weg“ ein schönes musikalisches Statement veröffentlicht, in denen zahlreiche Musiker anderer Bands ihr Gesicht zeigen.

Häufig zeigt sich die Haltung moderner (Neo-)Folk-Künstler aber auch einfach schlicht durch den Textinhalt in der Musik.

Zudem hat es  Phoenix auf den Punkt gebracht:
„Solange keiner dieser Bands in irgendeiner Art und Weise verfassungsfeindlich auftritt, Texte verfassen, die darauf schließen, dass sie den Nationalsozialismus verherrlichen oder Symboliken verwenden, die verboten sind, sollte es möglich sein alles unter der Kunst- und Kulturfreiheit stehen zu lassen. Punkt.“

Sorry, wenn ich da ein großes Fass aufmache, aber es ist einfach ärgerlich wie die moderne Neofolk-Szene immer noch mit Anschuldigungen konfrontiert wird, die sich sofort widerlegen lassen, würde man nicht ständig mit denselben 5 alten Namen von anno dazumal kommen, sondern sich mit den heutigen Protagonisten der internationalen Szene auseinandersetzen. Mit ihren Geschichten und ihren Werken.

Stephan
Stephan (@guest_65190)
Vor 6 Monate

Die von – wahrscheinlich nur – einer Person im Schauspielhaus Leipzig losgetretene Diskussion finde ich ungerecht gegenüber der Band. Es sind sich ja hier beinahe alle einig darüber, daß die Anklage aus der Luft gegriffen war, aber erneut steht der Name im Internet in Verbindung mit politisch zweifelhaftem Gedankengut. Wer die Musik und die Auftritte von CAMERATA MEDIOLANENSE gehört und gesehen hat, müßte sich eigentlich fragen, ob die gleiche Band gemeint ist, denn nichts an deren Texten und Kompositionen ist politisch. Das Ensemble, dessen Mitglieder zum überwiegenden Teil erfolgreiche Abschlüsse von Hochschulen für Musik vorweisen können und im klassischen Bereich der Musik hauptberuflich arbeiten, verarbeitet auf den Konzeptalben zumeist Themen aus Renaissance und jünger zurückliegenden Epochen, was tüchtig verstärkt durch kraftvolle Perkussion und mehrstimmigen Gesang wird. Ich kenne keine vergleichbare „Band“, CAMERATA klingen – vor allem live – einzigartig und wer beim diesjährigen WGT die beiden Auftritte (die sehr gut besucht waren) erlebt hat, weiß wovon ich schreibe. Diese beiden Auftritte waren auch das beste Argument gegen die Unterstellung, es gab stehende Ovationen. Auch hat sich kein einziger Mitarbeiter des Schauspielhauses an die Band gewandt um Kritik zu äußern. Aber leider auch nicht, um sich zu entschuldigen.

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