ARTE Tracks: Schon wieder eine Gothic Renaissance?

Bei ARTE Tracks war jüngst ein spannender Beitrag über die „Renaissance“ der Gothic-Szene zu sehen. Im Mittelpunkt stand die aktuelle Londoner Szene rund um Parma Ham, die Gothic für sich interpretieren, ausleben und erweitern. Für manche ist das ein Stilbruch ohne inhaltliche Bezüge zu Szene, für andere eine neue und spannende Dekade gruftiger Weiterentwicklung.

Vielen Lesern dürfte Parma Ham kein unbekannter sein, schon 2018 haben wir ihn schon in einem Interview vorgestellt, seit dem ist er zu einer Art Stilikone für „Neo-Gothic“ geworden, wenn man diesen Ableger so nennen möchte. ARTE hat eine Gruppe von jungen Leuten, Künstlern und Fotografen in der britischen Hauptstadt London besucht, um anhand dieser Entwicklung die Wiedergeburt der Szene zu dokumentieren. Funfact: Bereits 1998 hat ARTE schon einmal über die Rückkehr der Gothics berichtet.

Das ist natürlich völliger Unsinn, denn die Szene war im Grunde genommen nie wirklich weg oder tot und muss auch nicht wiedergeboren werden. Sie ist nur in den letzten Jahren wieder in den Fokus gerückt, seit dem stilprägende Filme und Serien wieder auf der Mattscheibe zu sehen sind. Wednesday, Beetlejuice und die Neuverfilmung von „The Crow“ sind nur die Spitze des Eisberges. Diese Produktionen haben wieder für einen modischen und zum Teil auch inhaltlichen Trend gesorgt, in dessen Fahrwasser auch die Gothic-Szene wieder verstärkt in den Mainstream geschwappt ist.

Allerdings finde ich die Auswahl der Leute für den Inhalt dieser ARTE-Tracks Sendung sehr gelungen, denn mit dieser neuen Interpretation unserer Subkultur wurde eine neue Dekade der Szene eingeläutet. Ich habe an anderer Stelle bereits von meiner Theorie geschrieben, dass sich die Szene meine Ansicht nach etwa alle 10 Jahre „neu erfindet“ und neue Einflüsse und Interpretationen assimiliert. Der Verbreitungsgrad dieser Doku ist jedenfalls Indikator dafür, dass viele von Euch sie bereits gesehen haben:

Zankapfel der Szene – Kurzzeitiger Trend oder neuer Bestandteil?

In den Kommentarspalten streitet sich die Szene. Einige können sich so gar nicht mit dem Inhalt der Dokumentation identifizieren und halten das für einen Trend von Posern, andere finden, dass die Szene hier nur weiterentwickelt wird. Dass das einigen nicht gefällt, liegt in der Natur der Veränderung. Das ist aber auch nicht weiter tragisch, denn schließlich ist Gothic für einen das, womit man sich einst identifiziert hat. Gruftis aus den 80ern sehen die Szene ein Stückchen anders als Gruftis aus den 90er oder den 00ern. Die Wurzeln der eigenen Szene-Identität sind nun mal festgewachsen. So weit, so theoretisch.

Wirklich neu ist der visuelle Eindruck, über den sich viele echauffieren, allerdings nicht. Aufmerksame Szenefans werden überall Versatzstücke früherer Generationen erkennen, die hier nun gebündelt auf den Körpern der Protagonisten gemischt werden. Haare aus den 80ern, BDSM-Elemente aus den 90ern, Cyber-Einflüsse aus den 00ern, Gender-Bending aus den 10ern. Wobei sich auch diese Elemente wieder untereinander befruchtet haben und auch schon immer irgendwie in der Szene schlummerten. Auch musikalisch ist das alles keine Überraschung, „Techno“ war bereits Ende der 90er auf den Plattentellern schwarzer Clubs zu finden. Woher kommt also die Ablehnung?

Aus den Kommentaren zur Doku, die bei Facebook zu finden sind, möchte ich folgende zitieren:

Es ist für mich eher Sci-Fi-Punk, aber kein Goth und macht für mich kaum das aus, was für mich Goth ist.

„Goth“ ist ein sehr individuelles Zugehörigkeitsgefühl, das vor allem musikalisch und inhaltlich verwurzelt ist. Ich verstehe jeden – wie in diesem Zitat – für den das, was in der Doku zu sehen ist, nicht „sein Gothic“ ist. Auch für mich geht das ein meiner persönlichen Definition vorbei, spricht aber den Leuten aus der Doku in keinster Weise ihre Daseinsberechtigung ab. In einem anderen Kommentar heißt es:

So ganz ehrlich: welche kreative Jugend hat schon Lust es exakt so zu machen wie der angehende Rentertrupp, der den größten Teil der schwarzen Szene in den letzten 10 Jahren auszumachen scheint?

Das ist der Punkt. So funktioniert Abgrenzung oder auch Rebellion und Interpretation. Es eben nicht so zu machen, wie die Leute, die schon waren. Daraus wächst dann wohlmöglich ein eigener Wertekompass von dem, was Gothic für einen ausmacht.

Reduziert man Parma Ham und die Leute aus dem Video nur auf einen Aspekt ihrer Interpretation – also auf die Musik, das Styling oder auch die inhaltliche Agenda, mag die Kritik gerechtfertigt sein. In der Gesamtheit funktioniert die äußerlich und Inhalte Provokation doch letztendlich genauso, wie in jeder Dekade der Szene. Immer ein bisschen krasser, als vorher.

Heute fällt man so schon garnicht mehr auf, insofern kann ich nachvollziehen daß die Ausdrucksformen einfach krasser sein müssen, und – hey, funktioniert ja gut wenn man sich ansieht wie viele sich hier jetzt echauffieren

Dabei liegt die Messlatte für die neuen Gruftis deutlich höher, denn die müssen sich nicht nur vom Mainstream abgrenzen, sondern auch von den Vorgängerversionen der Subkultur, der sich zugehörig fühlen.

Ich persönlich finde das alles spannend und großartig. Ich habe keine Lust darauf, die Szene, die immer schon den Mainstream auf eine passive Weise konterkariert hat, als Kopie der Szene wahrzunehmen, in der ich mich durch sie sozialisiert habe. Allerdings gestehe ich jedem zu, „seine Szene“ zu schützen, schließlich ist das ein Refugium nach ganz eigenen Maßstäben und Wertevorstellung. So wie bei Parma Ham und seinen Freunden. Die bringen so ein eigenes Magazin mit Artikeln, Gedichten, Gedanken und vielen Bildern heraus.

Rebellion mit guter Laune?

Eine Sache fand ich allerdings dann doch noch spannend. Wie ich bereits erwähnte, gehören meine Wertvorstellung zu „meiner Szene“. So wie Traurigkeit, Melancholie und ja, Pessimismus. Allerdings sagt Parma Ham am Ende der Dokumentation:

Ein Punk-Slogan war ’no future und das fühlte viele Leute damals so. Das ist der große Unterschied zu heute. Viele Leute aus meinem Umfeld sind viel optimistischer. Und dieser Optimismus kommt von einer gewissen Vorfreude auf das, was als nächstes kommt, um daraus die Zukunft zu formen.

Auch wenn ich das nicht so sehe, finde ich das irgendwie spannend. Denn ist das nicht die Gegenrichtung zum aktuellen Mainstream? In den 80ern haben wir uns gegen eine Spaßgesellschaft gestemmt, die alles neonfarben-bunt in Grund und Boden gefeiert hat. Gegen eine Gesellschaft, die angesichts der damaligen Ereignisse und Entwicklungen nicht an ein Ende der Welt geglaubt hat. Heute glauben viele an ein Ende der Welt. Klimawandel, Kriege, Konflikte und Flüchtlingskrisen bestimmen das Weltbild. Der Mainstream ist irgendwie pessimistischer geworden. Ist das neue Refugium dann zwangsläufig der Optimismus? Grenzt man sich durch Optimismus mittlerweile vom Rest der Gesellschaft ab?

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graveyardqueen
graveyardqueen(@graveyardqueen)
Vor 13 Stunden

Oh Robert…da hast du ja wieder harten Stoff ausgegraben 😅!

Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll meine Gedanken zu ordnen.
Die Frage wo das noch Goth sein soll finde ich mehr als berechtigt. Außer das mit Elementen davon gespielt wird, nehme ich ihn persönlich nicht wahr. Tatsächlich darf man wohl aber nicht aus den Augen verlieren, dass wir inzwischen in einer anderen Zeit angelangt sind und es mit einem anderen Teil der Erde zu tun haben. Für mich kristallisiert sich immer wieder heraus, dass jedes Land…jeder Kontinent seinen eigenen Goth hat. Mein Eindruck ist, dass speziell wir in Deutschland noch sehr am alten Goth festhängen, was ich definitiv begrüße!, und in unserem Äußeren doch sehr gesetzt und geerdet sind. Unser eins will und braucht dieses Auffallen und präsentieren nicht. Wir wollen unsere Ruhe. Zumindest so mein Eindruck.
Warum letztendlich die Szenen der verschiedenen Ländern und Kontinente zusammenschmelzen weiß ich nicht. Womöglich doch einfach nur das das tragen, für manche wohl spielen, mit den Elementen. Und ja gerade im Bezug auf die gezeigten Leute in der Doku, kam mir der Gedanke, ob sie die Schwarze Szene nicht einfach nur dafür missbrauchen um einen Freifahrtschein für’s anders sein zu erhalten, weil sie sich sonst nicht trauen. Ich treibe mich ja nun schon viele Jahre auf unterschiedlichen Portalen und Seiten für die Szene herum, und nicht selten habe ich unter der Rubrik „was bedeutet Gothic für dich“ gelesen „Ich selbst sein zu können“. Sehr oft fing es dann immer an in meinen Kopf zu arbeiten, weil für mich persönlich nicht nachvollziehbar ist, warum man eine Szene braucht, damit man man selber ist. Oder ob die Leute sich einfach nur unglücklich ausgedrückt haben. Meine Auffassung ist, ich bin wie ich bin, mit all meinen Interessen und Vorlieben und Dingen, die mich ansprechen und suche mir dementsprechend die für mich passende Szene. Quasi mein Zuhause.
Um wieder auf die Doku zurück zu kommen, den Leuten scheint es ja auch bewusst darum zu gehen aufzufallen, daher ein weiterer Gedanke, ob sie mit ihrer Optik vll. nicht auch etwas kompensieren wollen. Bzw. bezeichnen sich viele von ihnen ja als Künstler und wie man weiß, sind Künstler in seiner Art und dem Auftreten sehr oft auch extrovertiert. So wirklich kann ich das gesehene tatsächlich nicht einordnen. Aber ich denke, ob wir wollen oder nicht, so langsam müssen wir uns damit arangieren und abfinden, dass solche Erscheinungen parallel zu uns alten, im Vergleich fast schon langweilig daher kommenden, Schwarzkitteln, in der Szene existieren. Und ich denke, dass wir in Deutschland auch noch so manche Veränderung erwarten können – wenn vll. auch nicht so extrem. Bei mir läuft aktuell auch so ein kleines Mädel rum (macht ihr Praktikum), die ich nicht einschätzen kann. Baggy ähnliche Hosen, Hoodie und Sportschuhe – alles in Schwarz und Accessoires, die nach Goth schreien. Ich könnte mir vorstellen, dass auch hier die Kids anfangen werden mit Elementen verschiedener Szenen zu spielen und ihr eigenes kreieren.
Was ich abschließend aber noch zu dem ganzen Text sagen möchte…die Leute können tun was sie wollen, von mir aus auch mit Goth-Elementen spielen, was mir aber immer schleierhaft bleiben wird, warum es immer gleich mit als Goth betitelt wird 🤷🏼‍♀️🤔.

Lola
Lola(@lola1997)
Antwort an  graveyardqueen
Vor 9 Stunden

Vorallem passt einfach die optimistische Sichtweise der Welt und deren Zukunft nicht in die allgemeine Goth Szene.
Natürlich sollte man nicht alles Negativ sehen und sich vor der Welt fürchten, aber was mich schon immer an der Szene so angezogen hat war und ist die realistische Betrachtungsweise der Gesellschaft und der heutigen, so wie zukünftigen Zeit.
Die Welt ist kein fröhlicher Regenbogen, wie es uns unsere Eltern und Dysney vorgaukeln wollten, als wir noch klein wahren, sondern ein Zusammenspiel aus vielen, teils tragischen Ereignissen, die vom Menschen, oder der Natur selbst hervorgebracht werden.
Natürlich gibt es auch viele schöne Momente, keine Frage. Aber es gibt eben auch die Dunkelheit.
Wer das nicht mag (und auch mit der Musik wirklich allgemein gar nichts anfangen kann) ist dann leider in der Goth Szene meiner Meinung nach falsch abgebogen, da man sich primär um die dunkle Seite des Lebens und der Menschen beschäftigt.
Man wird da nicht glücklich werden.

Ich war ja eine ganz kurze Zeit Punk, als ich 11 – 12 war. Da habe ich aber auch gemerkt es passt einfach nicht. Bis auf die Toten Hosen und die Ärzte ist die Musik größtenteils leider nicht mein Geschmack (die Sex Pistols hatten noch den ein oder anderen guten Song) und Punk ist vorallem sehr laut, schrill, provokant und extrovertiert, während ich genau das Gegenteil war.
Da gehe ich ja auch nicht hin, ändere komplett die Punk Szene und erwarte dass die anderen gefälligst da mit machen.

Black Alice
Black Alice (@guest_65657)
Vor 9 Stunden

Die Doku hat die Spitze des Eisberges dargestellt. Der 08/15 Neo-Goth ist sicherlich weniger auffällig (man diesen ja nicht gezeigt in der Doku), so wie es auch hierzulande üblich ist. Nicht jeder will als Paradiesvogel auffallen. Andererseits sehe ich diese Generation der Anfangsgeneration weit näher als die derzeitige altbackene Generation. Damals hatte man Spaß und hat gefeiert was das Zeug hält. Ihr wisst schon warum. Die Neos (ich nenne sie jetzt mal so salopp) feiern auch, nicht das Ende, sondern die Zukunft. Die bisherigen Goth sind zum größten Teil in den 90ern mit Goth sozialisiert worden und kennen Goth nur so. Sie, also ihr, wissen gar nicht wie die Goth in den 80ern gefeiert haben, oft zusammen mit Punks. Wir hatten damals nix am Hut mit Melancholie und Düsternis und so. Genau das sehe ich jetzt bei den Neos. Ich sehe hier im Club, dass Goth eher zu Elektro tanzen als zu klassischem Goth, von daher ist für mich nicht verwunderlich, dass die Kiddies in der Doku zu Gabber abtanzen. Ein Stein fügt sich ins andere. Wäre die Goth-Szene heute direkt die gleiche wie in den 80ern, wäre der Bruch zu den Neos gar nicht so groß und wesentlich logischer nachvollziehbar.

So wie Robert finde ich die Entwicklung spannend. Im Gegensatz zu den meisten meiner Zeitgenossen bin ich weiterhin für alles Neue zu begeistern, auch wenn ich nicht alles mitmache. Ich finde es einfach spannend wie sich alles so entwickelt. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob diese neue Welle auch tatsächlich auf den Kontinent rüber schwappt. Das weiß man nun mal nie. In England entstehen immer wieder neue Dinge. Die Engländer sind da hyper dynamisch in solchen Dingen und es gibt da immer wieder was neues, das auch schnell wieder verschwindet. Was sich davon hält, kann man nicht vorher wissen und somit auch nicht mit dieser neuen Episode. Wie sagt man hier im Süden? Schaun mer mal.

graveyardqueen
graveyardqueen(@graveyardqueen)
Antwort an  Black Alice
Vor 7 Stunden

Im gewissen Maße muss ich Alice bezüglich diesem Thema „Feiern“ schon Recht geben. Ich habe tatsächlich manchmal den Eindruck gehabt, ohne es jetzt als Kritik zu meinen, dass die Szene auch eine gewisse Party- und Feierszene ist. Bei nicht wenigen steht das Tanzen gehen weit oben und die Leute erwecken auch nicht den Eindruck, dass sie zu Tode betrübt sind.

Wenn man allerdings schon den Vergleich zu damals zieht, dann doch bitte komplett. Ja auch damals wurde gefeiert, aber die Leute sahen nicht aus als seien sie gerade von einer Faschingsferien des Städtischen Karnevalclubs gekommen 😂.

An der Stelle ist mir auch etwas schleierhaft, warum man unbedingt versucht diese neue Szene aus dem Beitrag mit der damaligen zu verbinden 🤷🏼‍♀️.

Graphiel
Graphiel(@michael)
Antwort an  Black Alice
Vor 6 Stunden

Ich finde du stellst die Vergangenheit arg vereinfacht dar. Auch wenn ich einigen deiner Punkte durchaus zustimme, würde ich das alles nicht so generalisieren.

Nicht jeder will als Paradiesvogel auffallen. Andererseits sehe ich diese Generation der Anfangsgeneration weit näher als die derzeitige altbackene Generation. Damals hatte man Spaß und hat gefeiert was das Zeug hält. Ihr wisst schon warum.

Meine Cousine war beispielsweise auch in den 80ern aktiv, hing irgendwo zwischen Punk und Goth mit anderen Punks rum und nahm no future noch sehr ernst. Sie und ihre Freunde waren damals felsenfest davon überzeugt, dass der Kalte Krieg die Lichter bald ausknipsen wird. Ihre damals beste Freundin ging sogar noch weiter, Stichwort „Goldener Schuss“. Friede Freude Eierkuchen und ein bisschen rumpöbeln war eben auch nur ein Teil des Gesamtbildes. Nebst denen, zu denen du scheinbar gehört hast gab es schon auch noch jene die das Leben und die Zukunft ganz und gar nicht rosig sahen und all die Gruselattitüden bierernst nahmen. Diese düstere Sichtweise fand dann in den 90ern ihren Höhepunkt.

Während du die 80er als Zeit des Feierns beschreibst, vergisst du, dass viele diese Ära auch als sehr düster empfanden. Natürlich gab es Partys und Spaß, aber für viele war die Ästhetik des Todes, der Melancholie und der Verzweiflung nicht nur eine Maske, sondern eine Art, mit dem gesellschaftlichen Klima umzugehen.

So wie Robert finde ich die Entwicklung spannend.

Dem schließe ich mich durchaus an. Und nein, man muss nicht alles mögen was neu ist. Parmas Outfits empfinde ich auch größtenteils als albern und bei dieser fürchterlichen utzutzutz-Musik möchte ich am liebsten im Strahl kotzen. Die Vielfalt der Szene erlaubt aber gerade diese unterschiedlichen Geschmäcker und Vorlieben. Und selbst wenn die elektronische Musik für mich nichts ist, gibt es genug andere Einflüsse, die mir gefallen.

Das sich international immer mal was tut finde ich allerdings auch spannend. Ob das jetzt lange anhält oder wie ein Strohfeuer nur kurz aufflammt, um dann wieder zu verschwinden sei mal dahin gestellt.

Tanzfledermaus
Tanzfledermaus(@caroele74)
Antwort an  Graphiel
Vor 4 Stunden

Graphiel, ich kann Dir – wieder einmal – vollumfänglich zustimmen. Die Kalte Krieg-Ära war beileibe nicht schön, der Atom-Unfall in Tschernobyl, der Saure Regen und das Ozon-Loch konnten einem in den 80ern auch schon den rosaroten Blick auf die Zukunft verhageln. Was blieb da übrig? Deprimiert sein – oder feiern gehen, wie beim Totentanz. Das beides hat die Gothic-Szene schon immer vereint. Je nachdem, mit welchen Leuten man sich umgab, überwog das eine oder das andere, oder es war ne ausgewogene Mischung (mal in sich gekehrt sein und Weltschmerz zelebrieren, dann wieder alles durch musizieren und/oder tanzen rauslassen).

Ich hab genug Goths aus den Anfagszeiten kennen gelernt und bin selbst 35 Jahre in der Szene, habe einige Entwicklungen mal wohlwollend, mal ablehnend betrachtet. Letztlich erleben wir musikalisch eigentlich seit einigen Jahren eine echte Retro-Welle, vom Postpunk und Batcave über Synth- und Coldwave, sogar ein paar waschechte neue Gothrock-Gruppen gibt es. Die klingen zum Teil wirklich klasse, auch wenn sie oft optisch nicht mehr eindeutig der Szene zuzuordnen sind.
Man mag die Musik altbacken nennen, aber es sind meist junge Musiker, wie z.B. Whispering Sons oder Kaelan Mikla, die diese Musik für sich entdecken und spannend gestalten. Da ist nichts „tot“.

Was mich hingegen nervt, sind „Goth-„Etikettierungen für etwas, was eigentlich anderen Szenen angehört, sowohl musikalisch als auch optisch sowie inhaltlich. Das war schon beim Cyber und Steampunk so und nun auch bei diesem „Neo-Goth“, der sich mehr an Techno, Rave, Fetisch, Drag Queen und Manga orientiert. Alles, was mit Goth an und für sich nichts zu tun hat. Warum sollte es also „Goth“ sein? „Drag Art Rave“ würde als Betitelung besser passen ;-)

Letzte Bearbeitung Vor 4 Stunden von Tanzfledermaus
Axel
Axel (@guest_65658)
Vor 9 Stunden

Für mich hat Goth bekanntlich nichts mit Mode oder Erscheinung oder andere Äußerlichkeiten zu tun. Mir geht es um die Musik.

Und da finde ich gerade die letzten Jahre super spannend, nachdem die 2010er mir etwas zu viel in der Post-Punk-Welle waren. Egal ob Dark Jazz, Dark Folk, Dark Indie Rock, Dark Pop oder so ganz altmodische Genres wie Ethereal Wave oder der gute alte Goth-Rock. Wenn ich auf Bandcamp unterwegs bin, finde ich ganz viele unterschiedliche Spielarten, die es vor 10 Jahren so noch nicht in dieser Vielfalt gab.

Wenn gewollt, kann ich ja mal einen Artikel drüber schreiben. ;-)

Black Alice
Black Alice (@guest_65659)
Antwort an  Axel
Vor 8 Stunden

Ja, schreib mal bitte. ;-)

Axel
Axel (@guest_65660)
Antwort an  Black Alice
Vor 8 Stunden

Wenn Robert einverstanden ist… :D

graveyardqueen
graveyardqueen(@graveyardqueen)
Antwort an  Axel
Vor 7 Stunden

Ich vermute dein Kommentar zielt auf den Techno ab, den man im Clip wahrnehmen kann, anders krieg ich jetzt sonst keine Verbindung zwischen deiner Aussage und dem Beitrag.
Dass es einige gibt, die mit Goth nix äußerliches verbinden – OK, aber wenn du schon die Musik als wichtigen Punkt erwähnst, darf man fragen, was für dich Goth Musik ausmacht? Welche Punkte da, symbolisch gesprochen, abgehakt werden müssen, damit für dich Musik Goth ist? Einfach nur damit man deinen Gedanken besser verstehen und einordnen kann. 🤔

Axel
Axel (@guest_65663)
Antwort an  graveyardqueen
Vor 7 Stunden

Das kommt je nach Genre an: Bei Dark Punk sind mir beispielsweise Texte sehr wichtig. Bei Neoklassik, Ethereal Wave oder Dark Folk vor allem eine dunkle Grundatmosphäre, in der ich mich gedanklich verlieren kann.

Bei so traditionellen Genres wie Gothic-Rock entweder der Versuch etwas neues zu wagen, oder wenn man schon auf alten Pfaden unterwegs ist, dann ist mir hier das Songwriting und die Komposition sehr wichtig.

Bei elektronischen Darkwave wiederum eine bestimmte Atmosphäre, die für mich passend ist. Da kann es durchaus auch Elemente von Synthwave oder Synth Pop geben.

Aber vor allem und immer: Authentizität. Wenn mir jemand beispielsweise Techno oder Schlager-Pop als „Goth“ verkaufen will – nur weil er szenisch gekleidet und gestylt ist, finde ich das, naja…
Dafür können aber Musiker, die optisch auf den ersten Blick wenig mit der Szene gemein haben (nicht jeder will halt wie ein Paradiesvogel unterwegs sein), sich auf herrlich dunkle und geradezu melancholische Songs spezialisieren.

Und Letzteres ist mittlerweile auch die Mehrheit, weil auch niemand mehr Musik als Hauptberuf betreibt. Also nicht in Subkulturen. Da muss man dann optisch durchaus auch etwas Rücksicht auf den Brotjob nehmen. Insbesondere in Ländern wie Kanada, Australien – wo es nie eine sonderlich große Gothic-Szene gab. Von so Ländern wie Italien oder die ganzen osteuropäischen Länder ganz zu schweigen.

Letzte Bearbeitung Vor 7 Stunden von Axel
Norma Normal
Norma Normal(@normanormal)
Vor 6 Stunden

Auch mein erster Eindruck: Mit der Gothic Szene im klassischen Sinne hat es nix zu tun. Für mich ist Gothic eine Szene die stark mit der entsprechenden Musik verknüpft ist. In der Gothic Szene ist es eben hauptsächlich Gothic Rock, Post Punk und Wave. Und musikalische Genre lassen sich ganz gut nach bestimmten Parametern zuordnen. Strengenommen ist alles andere nicht Gothic!
Dennoch, wenn wir von schwarzer Szene sprechen ist das nochmal etwas anders, weiter, vielfältiger. Da gibt es ja zig mehr Genre, die mal mehr, mal weniger Bestandteil des Ganzen sind.
Und ob es uns gefällt oder nicht, es gibt nunmal viele Fusionen die in den letzten Jahrzehnten stattgefunden haben. Mit Metal oder Techno z.B..
Ich kann überhaupt nichts mit Metal anfangen und genausowenig mit der ganzen Cyber-Sache. Aber vor allem letzteres scheint gerade bei vielen Jüngeren einen starken Eindruck hinterlassen zu haben. 
Technoide Klänge sind bei jungen Leuten eben total normal und alltäglich geworden, so wie die Rockmusik für die vorherigen Generationen. Man denke dran, selbst „harmloser“ Rock war für die Eltern/Großeltern Generation der Jugendlichen in den 50er 60er und auch noch 70er Jahren totaler Krach. So ähnlich ist das heute vermutlich mit Techno. Eine Szene die viele Facetten hat, von totalem Mainstream á la Scooter, bis zu sehr undergroundigen Formen. 

Die in der Doku gezeigte Clique ist definitv eine Truppe von spannenden Kreativen und ich finde es schon beeindruckend was die auf die Beine stellen. Das sie den Begriff Gothic für sich aufgreifen und nutzen, so fürchte ich, kann man da nicht viel dran machen. Sollen sie doch ihre eigene Definition davon verwirklichen. Ich denke diese Künstler haben generell einen speziellen Blick auf die Dinge. Zum einen ist das eine Generationenfrage, zum anderen neigen sehr kreative Menschen sowieso dazu alles auf den Kopf zu stellen und sich starren Strukturen zu widersetzen. 
Paradiesvögel und Selbstdarsteller gabs übrigens schon von Anbeginn an in der Szene. Die braucht es auch, vor allem wenn der Großteil der Szeneleute eher introvertiert ist. 
Und natürlich wird auch diese Clique und Partyreihe seine Spuren in der schwarzen Szene hinterlassen. Dagegensteuern und Meckern hilft da wohl auch nicht viel.
Ich denke, der Kern der Gothic Szene bleibt trotzdem erhalten, weil sie ja eben schon allein musikalisch determiniert ist. Und ungerührt dessen das seit Jahren, Jahrzehnten das vermeintliche Ende prophezeit wird und einige Menschen eine verwaschene Definition verbreiten. Also alles halb so wild ; )

Ob die Baby Bats von heute eher den traditionellen Gothic Begriff und die Musik übernehmen oder sich mehr von neueren Spielarten angesprochen fühlen, liegt schlicht nicht in unseren Händen. Ich find das alles sehr spannend! Meine persönliche Sozialisation in die Szene und meine Auffassung von Gothic wird durch neue Strömungen und Sichtweisen nicht gefährdet, sondern höchstens ergänzt! Ein bisschen mehr Gelassenheit kann nie schaden. 

Axel
Axel (@guest_65666)
Antwort an  Norma Normal
Vor 4 Stunden

Einspruch! ;-)

In der Gothic Szene ist es eben hauptsächlich Gothic Rock, Post Punk und Wave. Und musikalische Genre lassen sich ganz gut nach bestimmten Parametern zuordnen. Strengenommen ist alles andere nicht Gothic!

Hier verweise ich auf Acts wie The Vyllies, Cocteau Twins, This Mortal Coil (überhaupt vieles was damals bei 4AD veröffentlicht wurde), Dead Can Dance, In The Nursery etc. die die Szene-Musik der 80er Jahre genauso prägten wie Siouxsie & The Banshees, The Cure & Co.

In den 90ern gab es dann so Sachen wie Stoa, Chandeen, Miranda Sex Garden, Dargaard, Love Is Colder Than Death, Rajna (allgemein alles aus dem damaligen Prikosnovenie-Katalog!) u.ä. die eher neoklassische Werke im Repertoire hatten.

Gerade diese Acts waren schon sehr, sehr eng mit der Gothic-Szene verwoben IMO.

Tanzfledermaus
Tanzfledermaus(@caroele74)
Antwort an  Axel
Vor 4 Stunden

Ja, die Label 4AD und Hyperium haben schon einige gute Acts gehabt damals!

Norma Normal
Norma Normal(@normanormal)
Antwort an  Axel
Vor 4 Stunden

Da hast du mich falsch verstanden. Natùrlich sind die bands die du aufgezåhlt hast bedeutend fùr die szene, gerade eine band wie dead can dance hat mich in den 90ern sehr geprägt! Mir ging es lediglich um eine strikte genrebezeichnung, wenn man denn ganz pingelig sein wùrde. Damit wollte ich eben zum ausdruck bringen, das die grenzen durchaus dehbar sind, wenn man es nicht so genau nimmt.

Letzte Bearbeitung Vor 3 Stunden von Norma Normal
Black Alice
Black Alice (@guest_65668)
Antwort an  Norma Normal
Vor 4 Stunden

Absolut Zustimmung. Es ist die Jugend die eine Szene beleben und überhaupt erzeugen. Es sind die Alten, die immer alles beim alten lassen wollen. Die Zukunft gestaltet aber die Jugend und das ist auch ihr Recht. Wir können da nur zuschauen. Es ist vielleicht nur ein Sturm im Wasserglas, oder eine neue Spielart des Goth. Das entscheiden sie und nicht wir alten Granny-Goth und Grand Pa-Goth.

Maren
Maren(@milk)
Vor 2 Stunden

Was ich bei Arte Tracks jetzt sehen konnte, trifft mein Gefühl von Gothic so gar nicht: – Laut, schrill, extrovertiert wurden jetzt auch schon viele Gedanken dazu geäußert, denen ich zustimmen kann. Dennoch können andere vielleicht genau auf diese Weise Dunkelheit feiern und dann sollen sie das gerne auch so tun. Meine emotionale Gestricktheit ist ja kein Maßstab für andere.
Für mich ist das, was ich jetzt in dem Beitrag über die Gothic Rennaisance in diesem Beitrag mitbekommen habe eher Kunst, Kunst der Selbstdarstellung die ich bestaunen kann, die ich auch zum Teil sehr kreativ finde, die aber nichts mit meinen eigenen Gefühlen zu tun hat. Das heißt, ich bleibe interessierter Beobachter, fühle mich aber gar nicht als Teil davon. Interessant fand ich in den in der Arte Tracks Sendung mehrfach erwähnten Bezug zu transhumanistischen Ideen. Ich habe schon in verschiedenen Gruppen die verschiedenen Abstufungen Mensch-Maschine diskutiert mit jeweils völlig anderen Ergebnissen. Aber so spannend das sein kann, es liegt für mich weitestgehend außerhalb von Gothic. Ich sage weitestgehend, denn irgendwo hat die Aufhebung der Grenzen Mensch-Maschine oder Mensch-künstlich erzeugte Kreatur wieder etwas gruseliges, dystopisches , das dann doch irgendwo passt. Ganz so einfach finde ich das mit den Grenzlinien: „Was passt zu meiner Vorstellung von Goth?“ also gar nicht.

„Grenzt man sich durch Optimismus mittlerweile vom Rest der Gesellschaft ab?“

Das sehe ich allerdings anders. In unserer Gesellschaft ist zwar „Mimimi“ sehr verbreitet, aber wenn es wirklich ans Eingemachte geht, verschließt doch die Mainstreamgesellschaft nach wie vor die Augen. Stichwort Klimawandel: Die meisten verdrängen doch, dass wir oder unsere Kinder gute Chancen haben zu ertrinken, zu verdursten oder zu verbrennen, weil wir den Planeten einfach gnadenlos überfordert haben. Thema Tod, Vergänglichkeit: Da zeigt für mich gerade der Artikel über Trauer und KI, wie Menschen verzweifelt versuchen, die Endgültigkeit des Todes zu verdrängen. Goth sein. bedeutet für mich aber, genau diesen Dingen ins Auge sehen zu können. Und was junge Menschen angeht, so habe ich gerade wieder heute mit zweien ein Gespräch gehabt, das unter die Haut ging. Falscher Optimismus und Verdrängung wäre hier nur Hohn gewesen. Ich bin der Meinung, dass es immer noch junge Menschen gibt, die eine vor Optimismus strotzende Gesellschaft eher kritisch sehen und denen die Ursprungsszene oder Erwachsene, die sich daran orientieren, näher stehen als die schrill wirkenden Paradiesvögel aus London. Aber wie schon einmal gesagt, viele verschiedene Wege führen durch die Dunkelheit und welchen man schlussendlich einschlägt, ist eine höchst individuelle Angelegenheit und sollte meiner Meinung nach einfach akzeptiert werden.

Black Alice
Black Alice (@guest_65673)
Antwort an  Maren
Vor 7 Minuten

Die Goth waren in den 80ern auch bunte und schwarze Paradiesvögel. Damals fielen sie extrem auf, so wie auch Punker. Wir hatten viel gemeinsam die Punker und wir. Die Masse war aber eher zwar punkig schwarz, dunkel oder auch normalfarbig, aber nicht schrill aufgedonnert. Das sind immer nur einige wenige, die schrill aus der Masse heraus stechen und das taten sie damals schon. Das sind die, die man gerne fotografiert, die Bilder die man über die Jahrzehnte aufbewahrt und die das Bild nach vielen Jahrzehnten prägen, weil man die anderen Bilder nicht mehr hat, weil langweilig. Heute interessiert das niemanden, wenn da dunkle Gestalten daher kommen. Ist heute alles normal. Erst wenn man sich nen Krähennest aufsetzt und sich hellweiß schminkt, dann fällt man etwas auf, aber sonst, sind Normal-Goth heute unauffällig normal. Die Doku hat auch nur diese schrillen Gestalten aufgenommen. Die Masse dahinter hat die Doku nicht erfasst und das fand ich schade. Nach 40 Jahren wird man diese Doku aus der Kiste holen und dann sagen, so waren die Goth der 2020er Jahre. Die anderen, die die Szene tatsächlich prägen, die wird man in 40 Jahren vergessen haben.

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